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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Oheims nannten, daß ein gemeiner
schlecht denkender Mensch ihre Hand nie-
mals hätte erhalten können. Ein Heuch-
ler, ein die Klugheit und Tugend lebhaft
spielender Heuchler mußte es seyn, der
ihren Geist blendete, und sie aus den
Schranken zu führen wußte. Jch flehe
den Lord Crafton um seine Beyhülfe an,
den nichtswürdigen Mann auch unter dem
Schutze der ganzen Nation zur Verant-
wortung zu ziehen.

Nichts, als die schlechten Gesund-
heitsumstände meiner Gemahlinn, und
meines einzigen Sohns, hindern meine
Abreise von hier; aber ich habe für das
Andenken dieser liebenswürdigen Person
doch dieses gethan: von dem Fürsten zu
begehren, daß er ihre Güter durch einen
fürstlichen Rath besorgen lasse. Die Ein-
künfte sollen ihrer Gesinnung gemäß für
die Kinder des Grafen Löbau gesammlet
werden; aber der Vater und die Mutter
sollen nichts davon genießen, sie, die zu-
erst das Herz des guten Kindes zerrissen
haben, und allein die Ursache sind, daß

sie


Oheims nannten, daß ein gemeiner
ſchlecht denkender Menſch ihre Hand nie-
mals haͤtte erhalten koͤnnen. Ein Heuch-
ler, ein die Klugheit und Tugend lebhaft
ſpielender Heuchler mußte es ſeyn, der
ihren Geiſt blendete, und ſie aus den
Schranken zu fuͤhren wußte. Jch flehe
den Lord Crafton um ſeine Beyhuͤlfe an,
den nichtswuͤrdigen Mann auch unter dem
Schutze der ganzen Nation zur Verant-
wortung zu ziehen.

Nichts, als die ſchlechten Geſund-
heitsumſtaͤnde meiner Gemahlinn, und
meines einzigen Sohns, hindern meine
Abreiſe von hier; aber ich habe fuͤr das
Andenken dieſer liebenswuͤrdigen Perſon
doch dieſes gethan: von dem Fuͤrſten zu
begehren, daß er ihre Guͤter durch einen
fuͤrſtlichen Rath beſorgen laſſe. Die Ein-
kuͤnfte ſollen ihrer Geſinnung gemaͤß fuͤr
die Kinder des Grafen Loͤbau geſammlet
werden; aber der Vater und die Mutter
ſollen nichts davon genießen, ſie, die zu-
erſt das Herz des guten Kindes zerriſſen
haben, und allein die Urſache ſind, daß

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[130/0136] Oheims nannten, daß ein gemeiner ſchlecht denkender Menſch ihre Hand nie- mals haͤtte erhalten koͤnnen. Ein Heuch- ler, ein die Klugheit und Tugend lebhaft ſpielender Heuchler mußte es ſeyn, der ihren Geiſt blendete, und ſie aus den Schranken zu fuͤhren wußte. Jch flehe den Lord Crafton um ſeine Beyhuͤlfe an, den nichtswuͤrdigen Mann auch unter dem Schutze der ganzen Nation zur Verant- wortung zu ziehen. Nichts, als die ſchlechten Geſund- heitsumſtaͤnde meiner Gemahlinn, und meines einzigen Sohns, hindern meine Abreiſe von hier; aber ich habe fuͤr das Andenken dieſer liebenswuͤrdigen Perſon doch dieſes gethan: von dem Fuͤrſten zu begehren, daß er ihre Guͤter durch einen fuͤrſtlichen Rath beſorgen laſſe. Die Ein- kuͤnfte ſollen ihrer Geſinnung gemaͤß fuͤr die Kinder des Grafen Loͤbau geſammlet werden; aber der Vater und die Mutter ſollen nichts davon genießen, ſie, die zu- erſt das Herz des guten Kindes zerriſſen haben, und allein die Urſache ſind, daß ſie

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/136>, abgerufen am 21.11.2024.