uns bloß führen soll, einen edlen Ge- brauch von Glück und Unglück zu ma- chen. Denn ich möchte nicht bloß ihren Körper ernährt und gekleidet sehen, son- dern auch die schlechten Gesinnungen ih- rer Seele gebessert, und ihren Verstand mit schicklichen Begriffen erfüllet wissen.
Madam Leidens an Emilien.
Nun bin ich wieder zu Haus, und wollte Jhnen von der Aussaat reden, wovon mein letzter Brief sagte, daß ich sie einer dritten Hand anvertrauen wür- de; aber Madam Hills erzählt mir: daß sie Jhnen alles geschrieben habe. O meine Freundin! wie schön wäre der moralische Theil unsers Erdkreises, wenn alle Reichen so dächten wie Ma- dam Hills, die sich freut, wenn man ihr Gelegenheit giebt, ihre Glücksgüter wohl anzuwenden! Sie, meine Emilia,
sollen
uns bloß fuͤhren ſoll, einen edlen Ge- brauch von Gluͤck und Ungluͤck zu ma- chen. Denn ich moͤchte nicht bloß ihren Koͤrper ernaͤhrt und gekleidet ſehen, ſon- dern auch die ſchlechten Geſinnungen ih- rer Seele gebeſſert, und ihren Verſtand mit ſchicklichen Begriffen erfuͤllet wiſſen.
Madam Leidens an Emilien.
Nun bin ich wieder zu Haus, und wollte Jhnen von der Ausſaat reden, wovon mein letzter Brief ſagte, daß ich ſie einer dritten Hand anvertrauen wuͤr- de; aber Madam Hills erzaͤhlt mir: daß ſie Jhnen alles geſchrieben habe. O meine Freundin! wie ſchoͤn waͤre der moraliſche Theil unſers Erdkreiſes, wenn alle Reichen ſo daͤchten wie Ma- dam Hills, die ſich freut, wenn man ihr Gelegenheit giebt, ihre Gluͤcksguͤter wohl anzuwenden! Sie, meine Emilia,
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uns bloß fuͤhren ſoll, einen edlen Ge-
brauch von Gluͤck und Ungluͤck zu ma-
chen. Denn ich moͤchte nicht bloß ihren
Koͤrper ernaͤhrt und gekleidet ſehen, ſon-
dern auch die ſchlechten Geſinnungen ih-
rer Seele gebeſſert, und ihren Verſtand
mit ſchicklichen Begriffen erfuͤllet wiſſen.
Madam Leidens
an
Emilien.
Nun bin ich wieder zu Haus, und
wollte Jhnen von der Ausſaat reden,
wovon mein letzter Brief ſagte, daß ich
ſie einer dritten Hand anvertrauen wuͤr-
de; aber Madam Hills erzaͤhlt mir:
daß ſie Jhnen alles geſchrieben habe.
O meine Freundin! wie ſchoͤn waͤre
der moraliſche Theil unſers Erdkreiſes,
wenn alle Reichen ſo daͤchten wie Ma-
dam Hills, die ſich freut, wenn man
ihr Gelegenheit giebt, ihre Gluͤcksguͤter
wohl anzuwenden! Sie, meine Emilia,
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/102>, abgerufen am 16.02.2025.
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