ne Schwester, wie übel bin ich mit deinem vortrefflichen Herzen umgegangen! --
"P., was sagen Sie! und wie kön- nen Sie mein Herz durch einen solchen Vorwurf zerreissen? Wenn Sie edelmü- thig sind: soll ich es nicht auch seyn? soll ich die Augen über die Mienen des be- nachbarten Adels zuschliessen?
Sie sollen es, wenn die Frage von Jhrer Freude und Jhrem Glück ist.
"Was wollen Sie dann, daß ich thun soll?
Daß Sie mich mit dem Auftrage zu- rück reisen lassen, mit meiner Mutter von meinem Wunsche zu sprechen, und daß Sie zu uns kommen wollen, wenn ich Jhnen ein Billet schicke.
Der Oberste konnte nicht mehr reden; er umarmte den Baron. Dieser gieng zurück, gerade zu seiner Frau Mutter, bey welcher die beyden Fräulein und seine Gemahlin waren. Er führte die ältere Fräulein in ihr Zimmer, weil er ihr den Bericht von seinem Besuch allein machen wollte, und bat sie, ihn eine Zeitlang
bey
ne Schweſter, wie uͤbel bin ich mit deinem vortrefflichen Herzen umgegangen! —
„P., was ſagen Sie! und wie koͤn- nen Sie mein Herz durch einen ſolchen Vorwurf zerreiſſen? Wenn Sie edelmuͤ- thig ſind: ſoll ich es nicht auch ſeyn? ſoll ich die Augen uͤber die Mienen des be- nachbarten Adels zuſchlieſſen?
Sie ſollen es, wenn die Frage von Jhrer Freude und Jhrem Gluͤck iſt.
„Was wollen Sie dann, daß ich thun ſoll?
Daß Sie mich mit dem Auftrage zu- ruͤck reiſen laſſen, mit meiner Mutter von meinem Wunſche zu ſprechen, und daß Sie zu uns kommen wollen, wenn ich Jhnen ein Billet ſchicke.
Der Oberſte konnte nicht mehr reden; er umarmte den Baron. Dieſer gieng zuruͤck, gerade zu ſeiner Frau Mutter, bey welcher die beyden Fraͤulein und ſeine Gemahlin waren. Er fuͤhrte die aͤltere Fraͤulein in ihr Zimmer, weil er ihr den Bericht von ſeinem Beſuch allein machen wollte, und bat ſie, ihn eine Zeitlang
bey
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0054"n="28"/>
ne Schweſter, wie uͤbel bin ich mit deinem<lb/>
vortrefflichen Herzen umgegangen! —</p><lb/><p>„P., was ſagen Sie! und wie koͤn-<lb/>
nen Sie mein Herz durch einen ſolchen<lb/>
Vorwurf zerreiſſen? Wenn <hirendition="#fr">Sie</hi> edelmuͤ-<lb/>
thig ſind: ſoll <hirendition="#fr">ich</hi> es nicht auch ſeyn?<lb/>ſoll ich die Augen uͤber die Mienen des be-<lb/>
nachbarten Adels zuſchlieſſen?</p><lb/><p>Sie ſollen es, wenn die Frage von<lb/>
Jhrer Freude und Jhrem Gluͤck iſt.</p><lb/><p>„Was wollen Sie dann, daß ich<lb/>
thun ſoll?</p><lb/><p>Daß Sie mich mit dem Auftrage zu-<lb/>
ruͤck reiſen laſſen, mit meiner Mutter von<lb/>
meinem Wunſche zu ſprechen, und daß<lb/>
Sie zu uns kommen wollen, wenn ich<lb/>
Jhnen ein Billet ſchicke.</p><lb/><p>Der Oberſte konnte nicht mehr reden;<lb/>
er umarmte den Baron. Dieſer gieng<lb/>
zuruͤck, gerade zu ſeiner Frau Mutter,<lb/>
bey welcher die beyden Fraͤulein und ſeine<lb/>
Gemahlin waren. Er fuͤhrte die aͤltere<lb/>
Fraͤulein in ihr Zimmer, weil er ihr den<lb/>
Bericht von ſeinem Beſuch allein machen<lb/>
wollte, und bat ſie, ihn eine Zeitlang<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bey</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[28/0054]
ne Schweſter, wie uͤbel bin ich mit deinem
vortrefflichen Herzen umgegangen! —
„P., was ſagen Sie! und wie koͤn-
nen Sie mein Herz durch einen ſolchen
Vorwurf zerreiſſen? Wenn Sie edelmuͤ-
thig ſind: ſoll ich es nicht auch ſeyn?
ſoll ich die Augen uͤber die Mienen des be-
nachbarten Adels zuſchlieſſen?
Sie ſollen es, wenn die Frage von
Jhrer Freude und Jhrem Gluͤck iſt.
„Was wollen Sie dann, daß ich
thun ſoll?
Daß Sie mich mit dem Auftrage zu-
ruͤck reiſen laſſen, mit meiner Mutter von
meinem Wunſche zu ſprechen, und daß
Sie zu uns kommen wollen, wenn ich
Jhnen ein Billet ſchicke.
Der Oberſte konnte nicht mehr reden;
er umarmte den Baron. Dieſer gieng
zuruͤck, gerade zu ſeiner Frau Mutter,
bey welcher die beyden Fraͤulein und ſeine
Gemahlin waren. Er fuͤhrte die aͤltere
Fraͤulein in ihr Zimmer, weil er ihr den
Bericht von ſeinem Beſuch allein machen
wollte, und bat ſie, ihn eine Zeitlang
bey
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/54>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.