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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Milord Seymour nicht so gut als er
scheint, und Derby nicht so schlimm als
von ihm gedacht wird. Die Frau T *
war an die Hausthüre geloffen und rief:
Wer sind Sie? Aber er eilte davon wie
ein fliehender Vogel. Das Paquet wur-
de aufgemacht und funfzig Carolinen dar-
inn gefunden. Urtheilen Sie von der
Freude, die darüber entstand. Aeltern
und Kinder weinten und drückten sich wech-
selsweise die Hände; wenig fehlte, daß sie
nicht das Geld küßten und an ihr Herz
drückten. Da sah ich den Unterschied
zwischen der Wirkung, welche die Hoffnung
eines Glücks und der, die der würliche
Besitz desselben macht. Die Freude über
das versprochene Amt war groß, doch deut-
lich mit Furcht und Mißtrauen vermengt;
aber funfzig Carolinen, die man in die Hän-
de faßte, zählte, und ihrer sicher war,
brachten alle in Entzückung. Sie fragten
mich; was sie mit dem Gelde anfangen
sollten? Jch sagte zärtlich: meine lieben
Freunde, gebrauchen sie es so sorgfältig,
als wenn sie es mit vieler Mühe erwor-

ben

Milord Seymour nicht ſo gut als er
ſcheint, und Derby nicht ſo ſchlimm als
von ihm gedacht wird. Die Frau T *
war an die Hausthuͤre geloffen und rief:
Wer ſind Sie? Aber er eilte davon wie
ein fliehender Vogel. Das Paquet wur-
de aufgemacht und funfzig Carolinen dar-
inn gefunden. Urtheilen Sie von der
Freude, die daruͤber entſtand. Aeltern
und Kinder weinten und druͤckten ſich wech-
ſelsweiſe die Haͤnde; wenig fehlte, daß ſie
nicht das Geld kuͤßten und an ihr Herz
druͤckten. Da ſah ich den Unterſchied
zwiſchen der Wirkung, welche die Hoffnung
eines Gluͤcks und der, die der wuͤrliche
Beſitz deſſelben macht. Die Freude uͤber
das verſprochene Amt war groß, doch deut-
lich mit Furcht und Mißtrauen vermengt;
aber funfzig Carolinen, die man in die Haͤn-
de faßte, zaͤhlte, und ihrer ſicher war,
brachten alle in Entzuͤckung. Sie fragten
mich; was ſie mit dem Gelde anfangen
ſollten? Jch ſagte zaͤrtlich: meine lieben
Freunde, gebrauchen ſie es ſo ſorgfaͤltig,
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[288/0314] Milord Seymour nicht ſo gut als er ſcheint, und Derby nicht ſo ſchlimm als von ihm gedacht wird. Die Frau T * war an die Hausthuͤre geloffen und rief: Wer ſind Sie? Aber er eilte davon wie ein fliehender Vogel. Das Paquet wur- de aufgemacht und funfzig Carolinen dar- inn gefunden. Urtheilen Sie von der Freude, die daruͤber entſtand. Aeltern und Kinder weinten und druͤckten ſich wech- ſelsweiſe die Haͤnde; wenig fehlte, daß ſie nicht das Geld kuͤßten und an ihr Herz druͤckten. Da ſah ich den Unterſchied zwiſchen der Wirkung, welche die Hoffnung eines Gluͤcks und der, die der wuͤrliche Beſitz deſſelben macht. Die Freude uͤber das verſprochene Amt war groß, doch deut- lich mit Furcht und Mißtrauen vermengt; aber funfzig Carolinen, die man in die Haͤn- de faßte, zaͤhlte, und ihrer ſicher war, brachten alle in Entzuͤckung. Sie fragten mich; was ſie mit dem Gelde anfangen ſollten? Jch ſagte zaͤrtlich: meine lieben Freunde, gebrauchen ſie es ſo ſorgfaͤltig, als wenn ſie es mit vieler Muͤhe erwor- ben

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/314>, abgerufen am 22.11.2024.