Sie ist aus einer guten aber armen Raths-Familie entsprossen; ihre Mutter war eine rechtschaffene Frau und sorgfäl- tige Hauswirthin, die ihre Töchter sehr gering in Speise und Kleidung hielt, we- nig aus dem Hause gehen ließ, und zu be- ständigen Arbeiten anstrengte, auch ihnen immer von ihrem wenigen Vermögen re- dete, welches die Hinderniß sey, warum sie und die ihrigen in Kleidung, Tisch und übrigem Aufwande andern, die reicher und glücklicher wären, nicht gleich käme. Die Kinder ließen sichs, wiewohl ungern, gefallen. Die Mutter stirbt, der Rath T* wirbt um die zwote Tochter, und er- hält sie sehr leicht, weil man wußte, daß er ein artiges Vermögen von seinen Ael- tern ererbt hatte. Der junge Mann will seinen Reichthum zeigen, macht seiner Frau schöne Geschenke, die Einrichtung seines Hauses wird auch so gemacht, sie geben Besuche, laden Gäste ein, und die- se werden nach der Art begüterter Leute bedient; sie ziehen sich dadurch eine Men- ge Tischfreunde zu, und die gute Frau,
welche
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Sie iſt aus einer guten aber armen Raths-Familie entſproſſen; ihre Mutter war eine rechtſchaffene Frau und ſorgfaͤl- tige Hauswirthin, die ihre Toͤchter ſehr gering in Speiſe und Kleidung hielt, we- nig aus dem Hauſe gehen ließ, und zu be- ſtaͤndigen Arbeiten anſtrengte, auch ihnen immer von ihrem wenigen Vermoͤgen re- dete, welches die Hinderniß ſey, warum ſie und die ihrigen in Kleidung, Tiſch und uͤbrigem Aufwande andern, die reicher und gluͤcklicher waͤren, nicht gleich kaͤme. Die Kinder ließen ſichs, wiewohl ungern, gefallen. Die Mutter ſtirbt, der Rath T* wirbt um die zwote Tochter, und er- haͤlt ſie ſehr leicht, weil man wußte, daß er ein artiges Vermoͤgen von ſeinen Ael- tern ererbt hatte. Der junge Mann will ſeinen Reichthum zeigen, macht ſeiner Frau ſchoͤne Geſchenke, die Einrichtung ſeines Hauſes wird auch ſo gemacht, ſie geben Beſuche, laden Gaͤſte ein, und die- ſe werden nach der Art beguͤterter Leute bedient; ſie ziehen ſich dadurch eine Men- ge Tiſchfreunde zu, und die gute Frau,
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Sie iſt aus einer guten aber armen
Raths-Familie entſproſſen; ihre Mutter
war eine rechtſchaffene Frau und ſorgfaͤl-
tige Hauswirthin, die ihre Toͤchter ſehr
gering in Speiſe und Kleidung hielt, we-
nig aus dem Hauſe gehen ließ, und zu be-
ſtaͤndigen Arbeiten anſtrengte, auch ihnen
immer von ihrem wenigen Vermoͤgen re-
dete, welches die Hinderniß ſey, warum
ſie und die ihrigen in Kleidung, Tiſch und
uͤbrigem Aufwande andern, die reicher und
gluͤcklicher waͤren, nicht gleich kaͤme.
Die Kinder ließen ſichs, wiewohl ungern,
gefallen. Die Mutter ſtirbt, der Rath
T* wirbt um die zwote Tochter, und er-
haͤlt ſie ſehr leicht, weil man wußte, daß
er ein artiges Vermoͤgen von ſeinen Ael-
tern ererbt hatte. Der junge Mann will
ſeinen Reichthum zeigen, macht ſeiner
Frau ſchoͤne Geſchenke, die Einrichtung
ſeines Hauſes wird auch ſo gemacht, ſie
geben Beſuche, laden Gaͤſte ein, und die-
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bedient; ſie ziehen ſich dadurch eine Men-
ge Tiſchfreunde zu, und die gute Frau,
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/301>, abgerufen am 25.11.2024.
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