ich, daß er an dem einem Ende des Milchhauses stand, und seine Augen un- verwandt auf die Thüre des Gartens ge- heftet hatte, mit forschenden und feurigen Blicken sah er mich an, gieng mir hastig entgegen, um mir einige außerordentliche, ja gar verliebte Sachen über meine Ge- stalt und Physionomie zu sagen. Dieses und die neugierige Art, womit mich alle an- sahen, machte mich erröthen und die Au- gen zur Erde wenden; als ich sie in die Hö- he hob, war ich einem Baume, an welchen sich Milord Seymour ganz traurig und zärtlich aussehend lehnte, so nahe, daß ich dachte, er müßte alles gehöret haben, was Milord Derby mir gesagt hatte. Jch weiß nicht ganz, warum mich diese Vorstellung etwas verwirrte; aber be- stürzt wurde ich, da ich alles aufstehen und sich in Ordnung stellen sah, weil der Fürst eben aus dem Pfarrgarten kam. Der Gedanke, daß er mich da hätte an- treffen können, machte mir eine Art Ent- setzen, so daß ich zu meiner Tante floh, gleich als ob ich fürchtete allein zu seyn.
Aber
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ich, daß er an dem einem Ende des Milchhauſes ſtand, und ſeine Augen un- verwandt auf die Thuͤre des Gartens ge- heftet hatte, mit forſchenden und feurigen Blicken ſah er mich an, gieng mir haſtig entgegen, um mir einige außerordentliche, ja gar verliebte Sachen uͤber meine Ge- ſtalt und Phyſionomie zu ſagen. Dieſes und die neugierige Art, womit mich alle an- ſahen, machte mich erroͤthen und die Au- gen zur Erde wenden; als ich ſie in die Hoͤ- he hob, war ich einem Baume, an welchen ſich Milord Seymour ganz traurig und zaͤrtlich ausſehend lehnte, ſo nahe, daß ich dachte, er muͤßte alles gehoͤret haben, was Milord Derby mir geſagt hatte. Jch weiß nicht ganz, warum mich dieſe Vorſtellung etwas verwirrte; aber be- ſtuͤrzt wurde ich, da ich alles aufſtehen und ſich in Ordnung ſtellen ſah, weil der Fuͤrſt eben aus dem Pfarrgarten kam. Der Gedanke, daß er mich da haͤtte an- treffen koͤnnen, machte mir eine Art Ent- ſetzen, ſo daß ich zu meiner Tante floh, gleich als ob ich fuͤrchtete allein zu ſeyn.
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ich, daß er an dem einem Ende des
Milchhauſes ſtand, und ſeine Augen un-
verwandt auf die Thuͤre des Gartens ge-
heftet hatte, mit forſchenden und feurigen
Blicken ſah er mich an, gieng mir haſtig
entgegen, um mir einige außerordentliche,
ja gar verliebte Sachen uͤber meine Ge-
ſtalt und Phyſionomie zu ſagen. Dieſes
und die neugierige Art, womit mich alle an-
ſahen, machte mich erroͤthen und die Au-
gen zur Erde wenden; als ich ſie in die Hoͤ-
he hob, war ich einem Baume, an welchen
ſich Milord Seymour ganz traurig und
zaͤrtlich ausſehend lehnte, ſo nahe, daß
ich dachte, er muͤßte alles gehoͤret haben,
was Milord Derby mir geſagt hatte.
Jch weiß nicht ganz, warum mich dieſe
Vorſtellung etwas verwirrte; aber be-
ſtuͤrzt wurde ich, da ich alles aufſtehen
und ſich in Ordnung ſtellen ſah, weil der
Fuͤrſt eben aus dem Pfarrgarten kam.
Der Gedanke, daß er mich da haͤtte an-
treffen koͤnnen, machte mir eine Art Ent-
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/291>, abgerufen am 22.11.2024.
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