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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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ist es auch, daß es allein die Würkung
ihrer von Musik, Pracht und Geräusch
empörten Sinnen gewesen sey. Jch weiß
wohl, daß man bey diesen Umständen un-
vermerkt von der Bahn der moralischen
Empfindungen abweicht und sie aus dem
Gesichte verliehrt. Aber da sie die letzte
Warnung ihres guten Genius verwarf,
und wenige Minuten darauf der angestell-
ten Unterredung mit dem Fürsten entge-
gen eilte, und sich dadurch die Gering-
schätzung des Elendesten unter uns zuzog:
da hatte ich Mühe, den hohen Grad von
Verachtung und Abscheu, die mich gegen
sie einnahmen, zu verbergen. Jch muß
Jhnen erklären, was ich unter den letzten
Wink ihres Genius verstehe. Es war eine
Bilderbude da, wo die Damen Lotteriezettel
zogen; sagen Sie, ob es wohl ein bloßes
Ungefehr, oder nicht ein letzter Wink der
Vorsicht war, daß das Fräulein von
Sternheim die vom Apollo verfolgte
Daphne
bekam! Die Partie des Fürsten
sah es nicht gerne; sie dachte, es würde
ihre Widerspänstigkeit bestärken. Jhr

gefiel

iſt es auch, daß es allein die Wuͤrkung
ihrer von Muſik, Pracht und Geraͤuſch
empoͤrten Sinnen geweſen ſey. Jch weiß
wohl, daß man bey dieſen Umſtaͤnden un-
vermerkt von der Bahn der moraliſchen
Empfindungen abweicht und ſie aus dem
Geſichte verliehrt. Aber da ſie die letzte
Warnung ihres guten Genius verwarf,
und wenige Minuten darauf der angeſtell-
ten Unterredung mit dem Fuͤrſten entge-
gen eilte, und ſich dadurch die Gering-
ſchaͤtzung des Elendeſten unter uns zuzog:
da hatte ich Muͤhe, den hohen Grad von
Verachtung und Abſcheu, die mich gegen
ſie einnahmen, zu verbergen. Jch muß
Jhnen erklaͤren, was ich unter den letzten
Wink ihres Genius verſtehe. Es war eine
Bilderbude da, wo die Damen Lotteriezettel
zogen; ſagen Sie, ob es wohl ein bloßes
Ungefehr, oder nicht ein letzter Wink der
Vorſicht war, daß das Fraͤulein von
Sternheim die vom Apollo verfolgte
Daphne
bekam! Die Partie des Fuͤrſten
ſah es nicht gerne; ſie dachte, es wuͤrde
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[254/0280] iſt es auch, daß es allein die Wuͤrkung ihrer von Muſik, Pracht und Geraͤuſch empoͤrten Sinnen geweſen ſey. Jch weiß wohl, daß man bey dieſen Umſtaͤnden un- vermerkt von der Bahn der moraliſchen Empfindungen abweicht und ſie aus dem Geſichte verliehrt. Aber da ſie die letzte Warnung ihres guten Genius verwarf, und wenige Minuten darauf der angeſtell- ten Unterredung mit dem Fuͤrſten entge- gen eilte, und ſich dadurch die Gering- ſchaͤtzung des Elendeſten unter uns zuzog: da hatte ich Muͤhe, den hohen Grad von Verachtung und Abſcheu, die mich gegen ſie einnahmen, zu verbergen. Jch muß Jhnen erklaͤren, was ich unter den letzten Wink ihres Genius verſtehe. Es war eine Bilderbude da, wo die Damen Lotteriezettel zogen; ſagen Sie, ob es wohl ein bloßes Ungefehr, oder nicht ein letzter Wink der Vorſicht war, daß das Fraͤulein von Sternheim die vom Apollo verfolgte Daphne bekam! Die Partie des Fuͤrſten ſah es nicht gerne; ſie dachte, es wuͤrde ihre Widerſpaͤnſtigkeit beſtaͤrken. Jhr gefiel

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/280>, abgerufen am 25.11.2024.