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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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gefaßt, gab der ohnehin schlanken grie-
chischen Bildung ihres Körpers, ein noch
feineres Ansehen, und den Beweis, daß
sie gar keinen erkünstelten Putz nöthig ha-
be. Alle ihre Wendungen waren mit
Zauberkräften vereinigt, die das neidische
Auge der Damen, und die begierigen
Blicke aller Mannsleute an sich hefteten.
Jhre Haare schön geflochten und mit Bän-
dern zurückgebunden, um nicht auf der
Erde zu schleppen, gaben mir die Jdee,
sie einst in der Gestalt der miltonischen
Eva zu sehen, wenn ich ihr Adam seyn
werde. Sie war munter, und sprach
mit allen Damen auf das Gefälligste.
Jhre Tante und die Gräfin F* überhäuften
sie mit Liebkosungen, sie dachten dadurch
das Mädchen in der muntern Laune zu er-
halten, in welcher sie ihre Gefälligkeit
auch auf den Fürsten ausbreiten könnte.

Seymour fühlte die ganze Macht ihrer
Reizungen, verbarg aber, nach der poli-
tischen Verabredung mit seinem Oncle sei-
ne Liebe unter einem Anfall von Spleen,
der den sauertöpfischen Kerl, stumm und

unruhig,

gefaßt, gab der ohnehin ſchlanken grie-
chiſchen Bildung ihres Koͤrpers, ein noch
feineres Anſehen, und den Beweis, daß
ſie gar keinen erkuͤnſtelten Putz noͤthig ha-
be. Alle ihre Wendungen waren mit
Zauberkraͤften vereinigt, die das neidiſche
Auge der Damen, und die begierigen
Blicke aller Mannsleute an ſich hefteten.
Jhre Haare ſchoͤn geflochten und mit Baͤn-
dern zuruͤckgebunden, um nicht auf der
Erde zu ſchleppen, gaben mir die Jdee,
ſie einſt in der Geſtalt der miltoniſchen
Eva zu ſehen, wenn ich ihr Adam ſeyn
werde. Sie war munter, und ſprach
mit allen Damen auf das Gefaͤlligſte.
Jhre Tante und die Graͤfin F* uͤberhaͤuften
ſie mit Liebkoſungen, ſie dachten dadurch
das Maͤdchen in der muntern Laune zu er-
halten, in welcher ſie ihre Gefaͤlligkeit
auch auf den Fuͤrſten ausbreiten koͤnnte.

Seymour fuͤhlte die ganze Macht ihrer
Reizungen, verbarg aber, nach der poli-
tiſchen Verabredung mit ſeinem Oncle ſei-
ne Liebe unter einem Anfall von Spleen,
der den ſauertoͤpfiſchen Kerl, ſtumm und

unruhig,
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[236/0262] gefaßt, gab der ohnehin ſchlanken grie- chiſchen Bildung ihres Koͤrpers, ein noch feineres Anſehen, und den Beweis, daß ſie gar keinen erkuͤnſtelten Putz noͤthig ha- be. Alle ihre Wendungen waren mit Zauberkraͤften vereinigt, die das neidiſche Auge der Damen, und die begierigen Blicke aller Mannsleute an ſich hefteten. Jhre Haare ſchoͤn geflochten und mit Baͤn- dern zuruͤckgebunden, um nicht auf der Erde zu ſchleppen, gaben mir die Jdee, ſie einſt in der Geſtalt der miltoniſchen Eva zu ſehen, wenn ich ihr Adam ſeyn werde. Sie war munter, und ſprach mit allen Damen auf das Gefaͤlligſte. Jhre Tante und die Graͤfin F* uͤberhaͤuften ſie mit Liebkoſungen, ſie dachten dadurch das Maͤdchen in der muntern Laune zu er- halten, in welcher ſie ihre Gefaͤlligkeit auch auf den Fuͤrſten ausbreiten koͤnnte. Seymour fuͤhlte die ganze Macht ihrer Reizungen, verbarg aber, nach der poli- tiſchen Verabredung mit ſeinem Oncle ſei- ne Liebe unter einem Anfall von Spleen, der den ſauertoͤpfiſchen Kerl, ſtumm und unruhig,

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/262>, abgerufen am 22.11.2024.