selt; aber auch kalt, soll sie mein Eigen- thum werden.
Der Morgen kam und fand mich wie einen tollen brennenden Narren mit offener Brust und verstörten Gesichtszügen am Fenster. Der Spiegel zeigte mich mir unter einer Satansgestalt, die fähig ge- wesen wäre, das gute furchtsame Mäd- chen auf immer vor mir zu verscheuchen. Wild über die Gewalt, so sie über mich ge- wonnen, und entschlossen, mich dafür schadlos zu halten, warf ich mich aufs Bette, und suchte einen Ausweg aus die- sem Gemische von neuen Empfindungen und meinen alten Grundsätzen zu finden. Geduld brauchte es auf dem langweiligen Weg, den ich vor mir sah; weil ich nicht wissen konnte, daß der Nachmittag mir zu einem großen Sprung helfen würde. Als ich wieder in ihre Gesellschaft kam, war ich lauter Sanftmuth und Ehrfurcht; das Fräulein stille und zurückhaltend. Nach dem Essen ließ man uns junge Leu- te wieder gehen, weil die Tante und die Gräfin F* die Charte noch vollends zu
mischen
O
ſelt; aber auch kalt, ſoll ſie mein Eigen- thum werden.
Der Morgen kam und fand mich wie einen tollen brennenden Narren mit offener Bruſt und verſtoͤrten Geſichtszuͤgen am Fenſter. Der Spiegel zeigte mich mir unter einer Satansgeſtalt, die faͤhig ge- weſen waͤre, das gute furchtſame Maͤd- chen auf immer vor mir zu verſcheuchen. Wild uͤber die Gewalt, ſo ſie uͤber mich ge- wonnen, und entſchloſſen, mich dafuͤr ſchadlos zu halten, warf ich mich aufs Bette, und ſuchte einen Ausweg aus die- ſem Gemiſche von neuen Empfindungen und meinen alten Grundſaͤtzen zu finden. Geduld brauchte es auf dem langweiligen Weg, den ich vor mir ſah; weil ich nicht wiſſen konnte, daß der Nachmittag mir zu einem großen Sprung helfen wuͤrde. Als ich wieder in ihre Geſellſchaft kam, war ich lauter Sanftmuth und Ehrfurcht; das Fraͤulein ſtille und zuruͤckhaltend. Nach dem Eſſen ließ man uns junge Leu- te wieder gehen, weil die Tante und die Graͤfin F* die Charte noch vollends zu
miſchen
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ſelt; aber auch kalt, ſoll ſie mein Eigen-
thum werden.
Der Morgen kam und fand mich wie
einen tollen brennenden Narren mit offener
Bruſt und verſtoͤrten Geſichtszuͤgen am
Fenſter. Der Spiegel zeigte mich mir
unter einer Satansgeſtalt, die faͤhig ge-
weſen waͤre, das gute furchtſame Maͤd-
chen auf immer vor mir zu verſcheuchen.
Wild uͤber die Gewalt, ſo ſie uͤber mich ge-
wonnen, und entſchloſſen, mich dafuͤr
ſchadlos zu halten, warf ich mich aufs
Bette, und ſuchte einen Ausweg aus die-
ſem Gemiſche von neuen Empfindungen
und meinen alten Grundſaͤtzen zu finden.
Geduld brauchte es auf dem langweiligen
Weg, den ich vor mir ſah; weil ich nicht
wiſſen konnte, daß der Nachmittag mir
zu einem großen Sprung helfen wuͤrde.
Als ich wieder in ihre Geſellſchaft kam,
war ich lauter Sanftmuth und Ehrfurcht;
das Fraͤulein ſtille und zuruͤckhaltend.
Nach dem Eſſen ließ man uns junge Leu-
te wieder gehen, weil die Tante und die
Graͤfin F* die Charte noch vollends zu
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/235>, abgerufen am 24.11.2024.
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