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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Fräulein von Sternheim
an
Emilien.

Jch danke Jhnen, meine wahre Freun-
din, daß Sie mich an den Theil meiner
Erziehung zurückgewiesen, der mich an-
führte, mich an den Platz der Personen
zu stellen, wovon ich urtheilen wollte;
aber nicht allein, um zu sehen, was ich
in ihren Umständen würde gethan haben,
sondern auch mir die so nöthige menschen-
freundliche Behutsamkeit zu geben, "nicht
"alles was meinen Grundsätzen, meinen
"Neigungen zuwider ist, als böse oder
"niedrig anzusehen." Sie haben mich
daran erinnert, weil Jhnen meine Unzu-
friedenheit mit den Hofleuten zu unbillig
und zu lebhaft und beynahe ungerecht
schien. Jch habe Jhnen gefolgt, und da-
durch die zwote Quelle meiner Verbesse-
rung gefunden, indem ich meine Abnei-
gung vor dem Hofe durch die Vorstellung
gemäßigt, daß gleichwie in der materiel-
len Welt alle mögliche Arten von Dingen

ihren
Fraͤulein von Sternheim
an
Emilien.

Jch danke Jhnen, meine wahre Freun-
din, daß Sie mich an den Theil meiner
Erziehung zuruͤckgewieſen, der mich an-
fuͤhrte, mich an den Platz der Perſonen
zu ſtellen, wovon ich urtheilen wollte;
aber nicht allein, um zu ſehen, was ich
in ihren Umſtaͤnden wuͤrde gethan haben,
ſondern auch mir die ſo noͤthige menſchen-
freundliche Behutſamkeit zu geben, „nicht
„alles was meinen Grundſaͤtzen, meinen
„Neigungen zuwider iſt, als boͤſe oder
„niedrig anzuſehen.“ Sie haben mich
daran erinnert, weil Jhnen meine Unzu-
friedenheit mit den Hofleuten zu unbillig
und zu lebhaft und beynahe ungerecht
ſchien. Jch habe Jhnen gefolgt, und da-
durch die zwote Quelle meiner Verbeſſe-
rung gefunden, indem ich meine Abnei-
gung vor dem Hofe durch die Vorſtellung
gemaͤßigt, daß gleichwie in der materiel-
len Welt alle moͤgliche Arten von Dingen

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[190/0216] Fraͤulein von Sternheim an Emilien. Jch danke Jhnen, meine wahre Freun- din, daß Sie mich an den Theil meiner Erziehung zuruͤckgewieſen, der mich an- fuͤhrte, mich an den Platz der Perſonen zu ſtellen, wovon ich urtheilen wollte; aber nicht allein, um zu ſehen, was ich in ihren Umſtaͤnden wuͤrde gethan haben, ſondern auch mir die ſo noͤthige menſchen- freundliche Behutſamkeit zu geben, „nicht „alles was meinen Grundſaͤtzen, meinen „Neigungen zuwider iſt, als boͤſe oder „niedrig anzuſehen.“ Sie haben mich daran erinnert, weil Jhnen meine Unzu- friedenheit mit den Hofleuten zu unbillig und zu lebhaft und beynahe ungerecht ſchien. Jch habe Jhnen gefolgt, und da- durch die zwote Quelle meiner Verbeſſe- rung gefunden, indem ich meine Abnei- gung vor dem Hofe durch die Vorſtellung gemaͤßigt, daß gleichwie in der materiel- len Welt alle moͤgliche Arten von Dingen ihren

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/216>, abgerufen am 24.11.2024.