Und mein Wochenbette soll ich allein ohne dich halten müssen?
Sie sah mich zärtlich an, indem sie dieß sagte, und reichte mir die Hand. Jch küßte ihre Hand, versicherte sie, bey ihr zu bleiben, wenn diese Zeit käme.
Vor der Tafel gieng ich in mein Zim- mer. Da fand ich mein Büchergestelle leer: Was ist dieß, Rosine? Der Graf, sagte sie, wäre gekommen, und hätte al- les wegnehmen lassen. Es wäre ein Spaß von der Gräfin, hätte er gesagt.
Ein unartiger Spaß, der sie nichts nützen wird! denn ich will desto mehr schreiben; neue Bücher will ich nicht kau- fen, um sie nicht über meinen Eigensinn böse zu machen. O wenn nur meine Tante R. bald käme! Zu dieser, Emilia, zu dieser geh ich mit Vergnügen. Sie ist zärtlich, ruhig, sucht und findet in den Schönheiten der Natur, in den Wissen- schaften und in guten Handlungen, das Maaß von Zufriedenheit, das man hier
sucht,
Und mein Wochenbette ſoll ich allein ohne dich halten muͤſſen?
Sie ſah mich zaͤrtlich an, indem ſie dieß ſagte, und reichte mir die Hand. Jch kuͤßte ihre Hand, verſicherte ſie, bey ihr zu bleiben, wenn dieſe Zeit kaͤme.
Vor der Tafel gieng ich in mein Zim- mer. Da fand ich mein Buͤchergeſtelle leer: Was iſt dieß, Roſine? Der Graf, ſagte ſie, waͤre gekommen, und haͤtte al- les wegnehmen laſſen. Es waͤre ein Spaß von der Graͤfin, haͤtte er geſagt.
Ein unartiger Spaß, der ſie nichts nuͤtzen wird! denn ich will deſto mehr ſchreiben; neue Buͤcher will ich nicht kau- fen, um ſie nicht uͤber meinen Eigenſinn boͤſe zu machen. O wenn nur meine Tante R. bald kaͤme! Zu dieſer, Emilia, zu dieſer geh ich mit Vergnuͤgen. Sie iſt zaͤrtlich, ruhig, ſucht und findet in den Schoͤnheiten der Natur, in den Wiſſen- ſchaften und in guten Handlungen, das Maaß von Zufriedenheit, das man hier
ſucht,
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Und mein Wochenbette ſoll ich allein
ohne dich halten muͤſſen?
Sie ſah mich zaͤrtlich an, indem ſie
dieß ſagte, und reichte mir die Hand.
Jch kuͤßte ihre Hand, verſicherte ſie, bey
ihr zu bleiben, wenn dieſe Zeit kaͤme.
Vor der Tafel gieng ich in mein Zim-
mer. Da fand ich mein Buͤchergeſtelle
leer: Was iſt dieß, Roſine? Der Graf,
ſagte ſie, waͤre gekommen, und haͤtte al-
les wegnehmen laſſen. Es waͤre ein
Spaß von der Graͤfin, haͤtte er geſagt.
Ein unartiger Spaß, der ſie nichts
nuͤtzen wird! denn ich will deſto mehr
ſchreiben; neue Buͤcher will ich nicht kau-
fen, um ſie nicht uͤber meinen Eigenſinn
boͤſe zu machen. O wenn nur meine
Tante R. bald kaͤme! Zu dieſer, Emilia,
zu dieſer geh ich mit Vergnuͤgen. Sie iſt
zaͤrtlich, ruhig, ſucht und findet in den
Schoͤnheiten der Natur, in den Wiſſen-
ſchaften und in guten Handlungen, das
Maaß von Zufriedenheit, das man hier
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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/152>, abgerufen am 21.11.2024.
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