Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

schen Blumen garnirt worden war; mein
Kopf nach der Mode in D. gar schön geputzt.
Meinen Anstand und meine Gesichtsfarbe
weis ich nicht; doch mag ich blaß ausgese-
hen haben; weil kurz nach dem mich die Grä-
fin als ihre geliebte Nichte vorgestellt hat-
te, ein von Natur artig gebildeter junger
Mann mit einem verkehrt lebhaften Wesen
sich näherte, und, Brust und Achseln mit ei-
ner seltsamen Beugung gegen meine Tante,
den Kopf aber seitwärts gegen mich mit ei-
ner Art Erschrockenheit gewendet, ausrief:
Meine gnädige Gräfin, ist es wirklich ihre
Niece? -- "Und warum wollen Sie mei-
nem Zeugniß nicht glauben?" -- Der
erste Anblick ihrer Gestalt, die Kleidung
und der leichte Sylphidengang, haben
mich auf den Gedanken gebracht, es wäre
die Erscheinung eines liebenswürdigen
Hausgespenstes. -- Armer F**, sagte
eine Dame; und Sie fürchten sich viel-
leicht vor Gespenstern?

Vor den häßlichen, versetzte der witzige
Herr, habe ich natürlichen Abscheu, aber
mit denen, welche dem Fräulein von Stern-

heim

ſchen Blumen garnirt worden war; mein
Kopf nach der Mode in D. gar ſchoͤn geputzt.
Meinen Anſtand und meine Geſichtsfarbe
weis ich nicht; doch mag ich blaß ausgeſe-
hen haben; weil kurz nach dem mich die Graͤ-
fin als ihre geliebte Nichte vorgeſtellt hat-
te, ein von Natur artig gebildeter junger
Mann mit einem verkehrt lebhaften Weſen
ſich naͤherte, und, Bruſt und Achſeln mit ei-
ner ſeltſamen Beugung gegen meine Tante,
den Kopf aber ſeitwaͤrts gegen mich mit ei-
ner Art Erſchrockenheit gewendet, ausrief:
Meine gnaͤdige Graͤfin, iſt es wirklich ihre
Niece? — „Und warum wollen Sie mei-
nem Zeugniß nicht glauben?“ — Der
erſte Anblick ihrer Geſtalt, die Kleidung
und der leichte Sylphidengang, haben
mich auf den Gedanken gebracht, es waͤre
die Erſcheinung eines liebenswuͤrdigen
Hausgeſpenſtes. — Armer F**, ſagte
eine Dame; und Sie fuͤrchten ſich viel-
leicht vor Geſpenſtern?

Vor den haͤßlichen, verſetzte der witzige
Herr, habe ich natuͤrlichen Abſcheu, aber
mit denen, welche dem Fraͤulein von Stern-

heim
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0119" n="93"/>
&#x017F;chen Blumen garnirt worden war; mein<lb/>
Kopf nach der Mode in D. gar &#x017F;cho&#x0364;n geputzt.<lb/>
Meinen An&#x017F;tand und meine Ge&#x017F;ichtsfarbe<lb/>
weis ich nicht; doch mag ich blaß ausge&#x017F;e-<lb/>
hen haben; weil kurz nach dem mich die Gra&#x0364;-<lb/>
fin als ihre <hi rendition="#fr">geliebte</hi> Nichte vorge&#x017F;tellt hat-<lb/>
te, ein von Natur artig gebildeter junger<lb/>
Mann mit einem verkehrt lebhaften We&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich na&#x0364;herte, und, Bru&#x017F;t und Ach&#x017F;eln mit ei-<lb/>
ner &#x017F;elt&#x017F;amen Beugung gegen meine Tante,<lb/>
den Kopf aber &#x017F;eitwa&#x0364;rts gegen mich mit ei-<lb/>
ner Art Er&#x017F;chrockenheit gewendet, ausrief:<lb/>
Meine gna&#x0364;dige Gra&#x0364;fin, i&#x017F;t es wirklich ihre<lb/>
Niece? &#x2014; &#x201E;Und warum wollen Sie mei-<lb/>
nem Zeugniß nicht glauben?&#x201C; &#x2014; Der<lb/>
er&#x017F;te Anblick ihrer Ge&#x017F;talt, die Kleidung<lb/>
und der leichte Sylphidengang, haben<lb/>
mich auf den Gedanken gebracht, es wa&#x0364;re<lb/>
die Er&#x017F;cheinung eines liebenswu&#x0364;rdigen<lb/>
Hausge&#x017F;pen&#x017F;tes. &#x2014; Armer F**, &#x017F;agte<lb/>
eine Dame; und Sie fu&#x0364;rchten &#x017F;ich viel-<lb/>
leicht vor Ge&#x017F;pen&#x017F;tern?</p><lb/>
          <p>Vor den ha&#x0364;ßlichen, ver&#x017F;etzte der witzige<lb/>
Herr, habe ich natu&#x0364;rlichen Ab&#x017F;cheu, aber<lb/>
mit denen, welche dem Fra&#x0364;ulein von Stern-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">heim</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0119] ſchen Blumen garnirt worden war; mein Kopf nach der Mode in D. gar ſchoͤn geputzt. Meinen Anſtand und meine Geſichtsfarbe weis ich nicht; doch mag ich blaß ausgeſe- hen haben; weil kurz nach dem mich die Graͤ- fin als ihre geliebte Nichte vorgeſtellt hat- te, ein von Natur artig gebildeter junger Mann mit einem verkehrt lebhaften Weſen ſich naͤherte, und, Bruſt und Achſeln mit ei- ner ſeltſamen Beugung gegen meine Tante, den Kopf aber ſeitwaͤrts gegen mich mit ei- ner Art Erſchrockenheit gewendet, ausrief: Meine gnaͤdige Graͤfin, iſt es wirklich ihre Niece? — „Und warum wollen Sie mei- nem Zeugniß nicht glauben?“ — Der erſte Anblick ihrer Geſtalt, die Kleidung und der leichte Sylphidengang, haben mich auf den Gedanken gebracht, es waͤre die Erſcheinung eines liebenswuͤrdigen Hausgeſpenſtes. — Armer F**, ſagte eine Dame; und Sie fuͤrchten ſich viel- leicht vor Geſpenſtern? Vor den haͤßlichen, verſetzte der witzige Herr, habe ich natuͤrlichen Abſcheu, aber mit denen, welche dem Fraͤulein von Stern- heim

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/119
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/119>, abgerufen am 24.11.2024.