geworfen, die nicht wie jene einem rein idealen Kultur- ziele zustreben, sondern Klassenbestrebungen materiellerer Art verfolgen, die sich gerade in den heutigen Zeiten als antinational und staatsverderblich erweisen. - Wenn wir Deutschen mit Vertrauen dem guten Ende des furchtbaren Ringens entgegensehen, so können wir das nur angesichts der Tatsache, daß wir uns bisher der Vorherrschaft des radikalen Demokratismus mit seinen Autorität, Ordnung und Disziplin zersetzenden Tendenzen erwehrt haben. - All dem geradezu törichten Geschwätz der ausländischen Lügenpresse gegenüber ist zunächst fest- zustellen, daß es in der ganzen Welt kein Volk gibt, das in höherem Grade die staatliche Selbstverwaltung ausübt und mehr Freiheit im politischen und religiösen Leben genießt, als das deutsche. Wo besteht eine größere Preß- und Redefreiheit, eine größere Duldung in religiösen Fragen? - Wieviele Völker haben ein derartig freiheit- liches Wahlrecht wie der Deutsche im Reich? - Jn einer Zusammenkunft ausländischer Sozialisten in London, an der auch einzelne Anarchisten teilnahmen, kam über- einstimmend zum Ausdruck, daß England nicht mehr das Land politischer Freiheit sei, das es ehemals gewesen. Man müsse jetzt nach Deutschland gehen, wenn man frei leben wolle. Dieser Ansicht schlossen sich auch solche Redner an, die noch bei Ausbruch des Krieges die deutsche Regierung angriffen und ihre Niederlage gewünscht hatten.
Was von unseren radikalen Blättern, aus denen das Ausland seine Kritik schöpfte, über "Polizeiwillkür" und "reaktionäres preußisches Wesen" der Welt auf-
geworfen, die nicht wie jene einem rein idealen Kultur- ziele zustreben, sondern Klassenbestrebungen materiellerer Art verfolgen, die sich gerade in den heutigen Zeiten als antinational und staatsverderblich erweisen. – Wenn wir Deutschen mit Vertrauen dem guten Ende des furchtbaren Ringens entgegensehen, so können wir das nur angesichts der Tatsache, daß wir uns bisher der Vorherrschaft des radikalen Demokratismus mit seinen Autorität, Ordnung und Disziplin zersetzenden Tendenzen erwehrt haben. – All dem geradezu törichten Geschwätz der ausländischen Lügenpresse gegenüber ist zunächst fest- zustellen, daß es in der ganzen Welt kein Volk gibt, das in höherem Grade die staatliche Selbstverwaltung ausübt und mehr Freiheit im politischen und religiösen Leben genießt, als das deutsche. Wo besteht eine größere Preß- und Redefreiheit, eine größere Duldung in religiösen Fragen? – Wieviele Völker haben ein derartig freiheit- liches Wahlrecht wie der Deutsche im Reich? – Jn einer Zusammenkunft ausländischer Sozialisten in London, an der auch einzelne Anarchisten teilnahmen, kam über- einstimmend zum Ausdruck, daß England nicht mehr das Land politischer Freiheit sei, das es ehemals gewesen. Man müsse jetzt nach Deutschland gehen, wenn man frei leben wolle. Dieser Ansicht schlossen sich auch solche Redner an, die noch bei Ausbruch des Krieges die deutsche Regierung angriffen und ihre Niederlage gewünscht hatten.
Was von unseren radikalen Blättern, aus denen das Ausland seine Kritik schöpfte, über „Polizeiwillkür“ und „reaktionäres preußisches Wesen“ der Welt auf-
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geworfen, die nicht wie jene einem rein idealen Kultur-
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Art verfolgen, die sich gerade in den heutigen Zeiten als
antinational und staatsverderblich erweisen. – Wenn
wir Deutschen mit Vertrauen dem guten Ende des
furchtbaren Ringens entgegensehen, so können wir das
nur angesichts der Tatsache, daß wir uns bisher der
Vorherrschaft des radikalen Demokratismus mit seinen
Autorität, Ordnung und Disziplin zersetzenden Tendenzen
erwehrt haben. – All dem geradezu törichten Geschwätz
der ausländischen Lügenpresse gegenüber ist zunächst fest-
zustellen, daß es in der ganzen Welt kein Volk gibt, das
in höherem Grade die staatliche Selbstverwaltung ausübt
und mehr Freiheit im politischen und religiösen Leben
genießt, als das deutsche. Wo besteht eine größere Preß-
und Redefreiheit, eine größere Duldung in religiösen
Fragen? – Wieviele Völker haben ein derartig freiheit-
liches Wahlrecht wie der Deutsche im Reich? – Jn
einer Zusammenkunft ausländischer Sozialisten in London,
an der auch einzelne Anarchisten teilnahmen, kam über-
einstimmend zum Ausdruck, daß England nicht mehr das
Land politischer Freiheit sei, das es ehemals gewesen.
Man müsse jetzt nach Deutschland gehen, wenn man
frei leben wolle. Dieser Ansicht schlossen sich auch solche
Redner an, die noch bei Ausbruch des Krieges die deutsche
Regierung angriffen und ihre Niederlage gewünscht
hatten.
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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/91>, abgerufen am 16.07.2024.
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