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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

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heiratet, der kaum der Herr im Hause sein dürfte. Auch
hier wieder das Hinausheben der Person über die Sache:
einen Vorteil von der weiblichen Leitung hätten nur die
Lehrerinnen, die in diese Stellen einrücken. Die Ge-
rechtigkeitsfrage kann nicht ausschlaggebend sein, denn
wenn das gleiche Examen entscheidet, dann muß den
Frauen auch der Zutritt zu den Knabenanstalten, zu den
Universitäten, zu der ärztlichen Verwaltung der Kranken-
häuser etc. gestattet werden. Diese Wünsche stehen alle
auf dem Programm der Frauenbewegung, ihre Erfüllung
bedeutet eine allmähliche Verwirklichung der Gleichheits-
ideen der französischen Revolution. Der Lehrerinnen-
beruf, der durchaus ein mütterlicher Beruf sein könnte,
der die Grenzen des Hauses erweitern und damit die
Kulturleistung der Frau vergrößern und vertiefen würde,
wird für viele nur der Ausgangspunkt einer Macht-
erweiterung der Frauen
.

Ähnlich, wenn auch in kleinerem Umfange, liegen
die Dinge bei dem Beruf der Ärztin. Abgesehen von
dem praktischen und sozialen Wert des weiblichen Arztes,
könnte durch diesen Beruf die Wissenschaft selbst eine
Bereicherung erfahren. Zu der Kunst des Arztes tritt
als wirksames Hilfsmittel das Verständnis für den Zu-
stand des Patienten hinzu; daß eine Ärztin dies Ver-
ständnis der Frau gegenüber leichter haben wird, ist er-
klärlich: es ist ihr durch die gleiche Konstitution ein
Werkzeug in die Hand gegeben, das dem Manne ver-
sagt ist. Weibliche Ärzte könnten ein Segen für unser
Geschlecht sein, viele sind es auch; neben diesen stehen
aber wieder so und soviele, denen es zuerst einmal auf

heiratet, der kaum der Herr im Hause sein dürfte. Auch
hier wieder das Hinausheben der Person über die Sache:
einen Vorteil von der weiblichen Leitung hätten nur die
Lehrerinnen, die in diese Stellen einrücken. Die Ge-
rechtigkeitsfrage kann nicht ausschlaggebend sein, denn
wenn das gleiche Examen entscheidet, dann muß den
Frauen auch der Zutritt zu den Knabenanstalten, zu den
Universitäten, zu der ärztlichen Verwaltung der Kranken-
häuser ꝛc. gestattet werden. Diese Wünsche stehen alle
auf dem Programm der Frauenbewegung, ihre Erfüllung
bedeutet eine allmähliche Verwirklichung der Gleichheits-
ideen der französischen Revolution. Der Lehrerinnen-
beruf, der durchaus ein mütterlicher Beruf sein könnte,
der die Grenzen des Hauses erweitern und damit die
Kulturleistung der Frau vergrößern und vertiefen würde,
wird für viele nur der Ausgangspunkt einer Macht-
erweiterung der Frauen
.

Ähnlich, wenn auch in kleinerem Umfange, liegen
die Dinge bei dem Beruf der Ärztin. Abgesehen von
dem praktischen und sozialen Wert des weiblichen Arztes,
könnte durch diesen Beruf die Wissenschaft selbst eine
Bereicherung erfahren. Zu der Kunst des Arztes tritt
als wirksames Hilfsmittel das Verständnis für den Zu-
stand des Patienten hinzu; daß eine Ärztin dies Ver-
ständnis der Frau gegenüber leichter haben wird, ist er-
klärlich: es ist ihr durch die gleiche Konstitution ein
Werkzeug in die Hand gegeben, das dem Manne ver-
sagt ist. Weibliche Ärzte könnten ein Segen für unser
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[136/0138] heiratet, der kaum der Herr im Hause sein dürfte. Auch hier wieder das Hinausheben der Person über die Sache: einen Vorteil von der weiblichen Leitung hätten nur die Lehrerinnen, die in diese Stellen einrücken. Die Ge- rechtigkeitsfrage kann nicht ausschlaggebend sein, denn wenn das gleiche Examen entscheidet, dann muß den Frauen auch der Zutritt zu den Knabenanstalten, zu den Universitäten, zu der ärztlichen Verwaltung der Kranken- häuser ꝛc. gestattet werden. Diese Wünsche stehen alle auf dem Programm der Frauenbewegung, ihre Erfüllung bedeutet eine allmähliche Verwirklichung der Gleichheits- ideen der französischen Revolution. Der Lehrerinnen- beruf, der durchaus ein mütterlicher Beruf sein könnte, der die Grenzen des Hauses erweitern und damit die Kulturleistung der Frau vergrößern und vertiefen würde, wird für viele nur der Ausgangspunkt einer Macht- erweiterung der Frauen. Ähnlich, wenn auch in kleinerem Umfange, liegen die Dinge bei dem Beruf der Ärztin. Abgesehen von dem praktischen und sozialen Wert des weiblichen Arztes, könnte durch diesen Beruf die Wissenschaft selbst eine Bereicherung erfahren. Zu der Kunst des Arztes tritt als wirksames Hilfsmittel das Verständnis für den Zu- stand des Patienten hinzu; daß eine Ärztin dies Ver- ständnis der Frau gegenüber leichter haben wird, ist er- klärlich: es ist ihr durch die gleiche Konstitution ein Werkzeug in die Hand gegeben, das dem Manne ver- sagt ist. Weibliche Ärzte könnten ein Segen für unser Geschlecht sein, viele sind es auch; neben diesen stehen aber wieder so und soviele, denen es zuerst einmal auf

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/138>, abgerufen am 11.05.2024.