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Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4).

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mann da, welche die Politisierung der Frau entschieden ab-
lehnen und gar zu bezweifeln wagen, daß es sich bei der Frauen-
stimmrechtsforderung überhaupt um eine demokratische Forde-
rung handle. Hausmann behauptet, daß heute noch 65 pCt. aller
fortschrittlichen Männer und 95 pCt. aller Frauen entschiedene
Gegner des Frauenstimmrechts seien. Aber über solche reak-
tionären Anwandlungen geht es mit Hurra hinweg; das Ver-
hängnis nimmt seinen Lauf.

Den mit der fortschrittlichen Volkspartei von den Reichs-
tagswahlen her verbündeten Nationalliberalen ließen die
"schönen" Erfolge jener mit der Frauenpartei keine Ruhe. Jns-
besondere die süddeutsche Führung schwimmt bereits ganz in dem-
selben Fahrwasser. Jn der Landesversammlung nationalliberaler
Frauen in Karlsruhe (19. November 1912) entbot der Chef der
nationalliberalen Partei Badens, Geheimrat Rebmann, den
Damen den Gruß der Partei. Nach der Badischen Presse vom
30. November 1912 sagte er dem Sinne nach unter anderem
folgendes: "Wenn ich es heute namens der Partei übernommen
habe, die Versammlung zu begrüßen, so weiß ich wohl genau wie
Sie selbst, daß nicht alle Parteimitglieder geschlossen hinter mir
stehen. Sie haben schon öfter gehört, daß nur ein Teil der
Partei soweit ist, daß er die Teilnahme der Frauen am politi-
schen Leben begrüßt. Aber das Umdenken ist auch hier
schon im Gange
. Wir haben diesen Vorgang nicht nur bei
unserer Partei, sondern auch bei andern Parteien ist der Ge-
danke, daß die Frau sich am politischen Leben beteiligen soll, auf
Widerspruch gestoßen. Daß es auf diesem Gebiete vorwärts geht,
ergibt sich auch daraus, daß die Gesetzgebung sich der Frau nicht
nur im passiven Sinne angenommen, sondern ihr auch eine aktive
Rolle zugewiesen hat; ich erinnere nur an das Versicherungs-
gesetz." - Man könnte sich ja damit trösten, daß in diesen Worten
vom Stimmrecht der Frau kaum die Rede ist, aber aus dem Zu-
sammenhange geht deutlich hervor, worauf sich dieses "Umdenken"
bezieht, nämlich auf die auch in der fortschrittlichen Volkspartei
zutage getretene Wandlung in der Stellung zum Frauenstimm-
recht. Herr Rebmann verständigte sich sehr gut mit den Damen,
wenn er auch das entscheidende Wort "Stimmrecht" nicht aus-
sprach. Frau Jellinek zeigte, daß sie ihn verstanden hatte. Sie
erklärte, daß die Frau die Partei braucht, daß
aber auch die Partei die Frau notwendig habe;

der Kuhhandel ist perfekt.

Herr Bassermann, der Führer der Partei, dessen Gattin mit
der bekannten Stimmrechtlerin Frau Steinmann-Bonn in Weimar

mann da, welche die Politisierung der Frau entschieden ab-
lehnen und gar zu bezweifeln wagen, daß es sich bei der Frauen-
stimmrechtsforderung überhaupt um eine demokratische Forde-
rung handle. Hausmann behauptet, daß heute noch 65 pCt. aller
fortschrittlichen Männer und 95 pCt. aller Frauen entschiedene
Gegner des Frauenstimmrechts seien. Aber über solche reak-
tionären Anwandlungen geht es mit Hurra hinweg; das Ver-
hängnis nimmt seinen Lauf.

Den mit der fortschrittlichen Volkspartei von den Reichs-
tagswahlen her verbündeten Nationalliberalen ließen die
„schönen“ Erfolge jener mit der Frauenpartei keine Ruhe. Jns-
besondere die süddeutsche Führung schwimmt bereits ganz in dem-
selben Fahrwasser. Jn der Landesversammlung nationalliberaler
Frauen in Karlsruhe (19. November 1912) entbot der Chef der
nationalliberalen Partei Badens, Geheimrat Rebmann, den
Damen den Gruß der Partei. Nach der Badischen Presse vom
30. November 1912 sagte er dem Sinne nach unter anderem
folgendes: „Wenn ich es heute namens der Partei übernommen
habe, die Versammlung zu begrüßen, so weiß ich wohl genau wie
Sie selbst, daß nicht alle Parteimitglieder geschlossen hinter mir
stehen. Sie haben schon öfter gehört, daß nur ein Teil der
Partei soweit ist, daß er die Teilnahme der Frauen am politi-
schen Leben begrüßt. Aber das Umdenken ist auch hier
schon im Gange
. Wir haben diesen Vorgang nicht nur bei
unserer Partei, sondern auch bei andern Parteien ist der Ge-
danke, daß die Frau sich am politischen Leben beteiligen soll, auf
Widerspruch gestoßen. Daß es auf diesem Gebiete vorwärts geht,
ergibt sich auch daraus, daß die Gesetzgebung sich der Frau nicht
nur im passiven Sinne angenommen, sondern ihr auch eine aktive
Rolle zugewiesen hat; ich erinnere nur an das Versicherungs-
gesetz.“ – Man könnte sich ja damit trösten, daß in diesen Worten
vom Stimmrecht der Frau kaum die Rede ist, aber aus dem Zu-
sammenhange geht deutlich hervor, worauf sich dieses „Umdenken“
bezieht, nämlich auf die auch in der fortschrittlichen Volkspartei
zutage getretene Wandlung in der Stellung zum Frauenstimm-
recht. Herr Rebmann verständigte sich sehr gut mit den Damen,
wenn er auch das entscheidende Wort „Stimmrecht“ nicht aus-
sprach. Frau Jellinek zeigte, daß sie ihn verstanden hatte. Sie
erklärte, daß die Frau die Partei braucht, daß
aber auch die Partei die Frau notwendig habe;

der Kuhhandel ist perfekt.

Herr Bassermann, der Führer der Partei, dessen Gattin mit
der bekannten Stimmrechtlerin Frau Steinmann-Bonn in Weimar

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[6/0006] mann da, welche die Politisierung der Frau entschieden ab- lehnen und gar zu bezweifeln wagen, daß es sich bei der Frauen- stimmrechtsforderung überhaupt um eine demokratische Forde- rung handle. Hausmann behauptet, daß heute noch 65 pCt. aller fortschrittlichen Männer und 95 pCt. aller Frauen entschiedene Gegner des Frauenstimmrechts seien. Aber über solche reak- tionären Anwandlungen geht es mit Hurra hinweg; das Ver- hängnis nimmt seinen Lauf. Den mit der fortschrittlichen Volkspartei von den Reichs- tagswahlen her verbündeten Nationalliberalen ließen die „schönen“ Erfolge jener mit der Frauenpartei keine Ruhe. Jns- besondere die süddeutsche Führung schwimmt bereits ganz in dem- selben Fahrwasser. Jn der Landesversammlung nationalliberaler Frauen in Karlsruhe (19. November 1912) entbot der Chef der nationalliberalen Partei Badens, Geheimrat Rebmann, den Damen den Gruß der Partei. Nach der Badischen Presse vom 30. November 1912 sagte er dem Sinne nach unter anderem folgendes: „Wenn ich es heute namens der Partei übernommen habe, die Versammlung zu begrüßen, so weiß ich wohl genau wie Sie selbst, daß nicht alle Parteimitglieder geschlossen hinter mir stehen. Sie haben schon öfter gehört, daß nur ein Teil der Partei soweit ist, daß er die Teilnahme der Frauen am politi- schen Leben begrüßt. Aber das Umdenken ist auch hier schon im Gange. Wir haben diesen Vorgang nicht nur bei unserer Partei, sondern auch bei andern Parteien ist der Ge- danke, daß die Frau sich am politischen Leben beteiligen soll, auf Widerspruch gestoßen. Daß es auf diesem Gebiete vorwärts geht, ergibt sich auch daraus, daß die Gesetzgebung sich der Frau nicht nur im passiven Sinne angenommen, sondern ihr auch eine aktive Rolle zugewiesen hat; ich erinnere nur an das Versicherungs- gesetz.“ – Man könnte sich ja damit trösten, daß in diesen Worten vom Stimmrecht der Frau kaum die Rede ist, aber aus dem Zu- sammenhange geht deutlich hervor, worauf sich dieses „Umdenken“ bezieht, nämlich auf die auch in der fortschrittlichen Volkspartei zutage getretene Wandlung in der Stellung zum Frauenstimm- recht. Herr Rebmann verständigte sich sehr gut mit den Damen, wenn er auch das entscheidende Wort „Stimmrecht“ nicht aus- sprach. Frau Jellinek zeigte, daß sie ihn verstanden hatte. Sie erklärte, daß die Frau die Partei braucht, daß aber auch die Partei die Frau notwendig habe; der Kuhhandel ist perfekt. Herr Bassermann, der Führer der Partei, dessen Gattin mit der bekannten Stimmrechtlerin Frau Steinmann-Bonn in Weimar

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4), S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1913/6>, abgerufen am 24.04.2024.