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Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4).

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er sich sagen, es kommt, du magst dazu stehen, wie du willst, und
so habe er sich entschlossen, seinen Einspruch fallen zu lassen. Das
nennt man zu Deutsch: sich ins Unvermeidliche schicken, d. h. die
bessere Ueberzeugung aus oppurtunistischen Motiven aufgeben.
Daß das kirchliche Frauenstimmrecht von den meisten seiner Be-
fürworter als die erste Staffel zur Erreichung der vollen Gleich-
berechtigung angesehen wird, dafür spricht schon die Entwicklung
des Deutsch-evangelischen Frauenbundes, der im verflossenen
Jahre zum ersten Male ernstlich auch mit der Forderung des
kommunalen Wahlrechts hervorgetreten ist, als man des kirch-
lichen so ziemlich sicher zu sein glaubte und den Anschluß beim
Bunde deutscher Frauenvereine nicht verpassen wollte. Man be-
gründet das neue Verlangen damit, daß die im Gemeindedienst
als Armen- und Waisenpflegerinnen oder sonst tätigen Frauen
ihre Pflichten besser erfüllen könnten, wenn sie zur Teilnahme an
den Kommunalwahlen zugelassen würden. Frau von Meerheimb
hat in der Versammlung des Bundes zur Bekämpfung der Frauen-
emanzipation in Berlin am 3. November 1912 diese Ansicht auf
Grund eigener Erfahrungen schlagend widerlegt. Auch hier
kommt es darauf hinaus, daß nach dem von Fräulein Lange ge-
gebenen Rezept die Frauen die Pflichten aufsuchen, um damit
einen Anspruch auf die damit zusammenhängenden Rechte zu ge-
winnen. Es dürfte vielleicht an der Zeit sein, diese egoistischen
ungerufenen Helfer einfach zurückzuweisen, da eine Arbeit, welche
aus solchen Motiven heraus übernommen wird, unmöglich eine
gesegnete sein kann. Um die Forderung des kommunalen Wahl-
rechts in milderem Lichte erscheinen zu lassen, behaupten die Füh-
rerinnen des Deutsch-evangelischen Frauenbundes, das kommu-
nale Wahlrecht sei kein politisches. Wer aber die Kommunal-
wahlen aus eigener Praxis kennt, bezweifelt keinen Augenblick
deren politischen Charakter. Wer weiter bedenkt, daß unter allen
Parteien die Sozialdemokratie allein das Frauenstimmrecht
unbedingt fordert und ihrer Frauenbataillone vollkommen sicher
ist, und daß andererseits die radikale Frauenbewegung mit der
Sozialdemokratie auf das lebhafteste sympathisiert, wie das ihre
Presse stets von neuem beweist, dem wird die außerordentliche
Gefahr zum Bewußtsein kommen, die darin liegt, daß das kommu-
nale Wahlrecht der Frauen wahrscheinlich in aller Kürze sämt-
liche Stadtvertretungen in sozialdemokratische Hände bringen
würde. Dieser Gefahr gegenüber treten sogar die mutmaßlichen
Störungen im Familienleben in zweite Linie zurück. Wer diese
Zusammenhänge durchdenkt, wundert sich nicht mehr über die
Massenversammlungen der Sozialdemokratie zugunsten des

er sich sagen, es kommt, du magst dazu stehen, wie du willst, und
so habe er sich entschlossen, seinen Einspruch fallen zu lassen. Das
nennt man zu Deutsch: sich ins Unvermeidliche schicken, d. h. die
bessere Ueberzeugung aus oppurtunistischen Motiven aufgeben.
Daß das kirchliche Frauenstimmrecht von den meisten seiner Be-
fürworter als die erste Staffel zur Erreichung der vollen Gleich-
berechtigung angesehen wird, dafür spricht schon die Entwicklung
des Deutsch-evangelischen Frauenbundes, der im verflossenen
Jahre zum ersten Male ernstlich auch mit der Forderung des
kommunalen Wahlrechts hervorgetreten ist, als man des kirch-
lichen so ziemlich sicher zu sein glaubte und den Anschluß beim
Bunde deutscher Frauenvereine nicht verpassen wollte. Man be-
gründet das neue Verlangen damit, daß die im Gemeindedienst
als Armen- und Waisenpflegerinnen oder sonst tätigen Frauen
ihre Pflichten besser erfüllen könnten, wenn sie zur Teilnahme an
den Kommunalwahlen zugelassen würden. Frau von Meerheimb
hat in der Versammlung des Bundes zur Bekämpfung der Frauen-
emanzipation in Berlin am 3. November 1912 diese Ansicht auf
Grund eigener Erfahrungen schlagend widerlegt. Auch hier
kommt es darauf hinaus, daß nach dem von Fräulein Lange ge-
gebenen Rezept die Frauen die Pflichten aufsuchen, um damit
einen Anspruch auf die damit zusammenhängenden Rechte zu ge-
winnen. Es dürfte vielleicht an der Zeit sein, diese egoistischen
ungerufenen Helfer einfach zurückzuweisen, da eine Arbeit, welche
aus solchen Motiven heraus übernommen wird, unmöglich eine
gesegnete sein kann. Um die Forderung des kommunalen Wahl-
rechts in milderem Lichte erscheinen zu lassen, behaupten die Füh-
rerinnen des Deutsch-evangelischen Frauenbundes, das kommu-
nale Wahlrecht sei kein politisches. Wer aber die Kommunal-
wahlen aus eigener Praxis kennt, bezweifelt keinen Augenblick
deren politischen Charakter. Wer weiter bedenkt, daß unter allen
Parteien die Sozialdemokratie allein das Frauenstimmrecht
unbedingt fordert und ihrer Frauenbataillone vollkommen sicher
ist, und daß andererseits die radikale Frauenbewegung mit der
Sozialdemokratie auf das lebhafteste sympathisiert, wie das ihre
Presse stets von neuem beweist, dem wird die außerordentliche
Gefahr zum Bewußtsein kommen, die darin liegt, daß das kommu-
nale Wahlrecht der Frauen wahrscheinlich in aller Kürze sämt-
liche Stadtvertretungen in sozialdemokratische Hände bringen
würde. Dieser Gefahr gegenüber treten sogar die mutmaßlichen
Störungen im Familienleben in zweite Linie zurück. Wer diese
Zusammenhänge durchdenkt, wundert sich nicht mehr über die
Massenversammlungen der Sozialdemokratie zugunsten des

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[18/0018] er sich sagen, es kommt, du magst dazu stehen, wie du willst, und so habe er sich entschlossen, seinen Einspruch fallen zu lassen. Das nennt man zu Deutsch: sich ins Unvermeidliche schicken, d. h. die bessere Ueberzeugung aus oppurtunistischen Motiven aufgeben. Daß das kirchliche Frauenstimmrecht von den meisten seiner Be- fürworter als die erste Staffel zur Erreichung der vollen Gleich- berechtigung angesehen wird, dafür spricht schon die Entwicklung des Deutsch-evangelischen Frauenbundes, der im verflossenen Jahre zum ersten Male ernstlich auch mit der Forderung des kommunalen Wahlrechts hervorgetreten ist, als man des kirch- lichen so ziemlich sicher zu sein glaubte und den Anschluß beim Bunde deutscher Frauenvereine nicht verpassen wollte. Man be- gründet das neue Verlangen damit, daß die im Gemeindedienst als Armen- und Waisenpflegerinnen oder sonst tätigen Frauen ihre Pflichten besser erfüllen könnten, wenn sie zur Teilnahme an den Kommunalwahlen zugelassen würden. Frau von Meerheimb hat in der Versammlung des Bundes zur Bekämpfung der Frauen- emanzipation in Berlin am 3. November 1912 diese Ansicht auf Grund eigener Erfahrungen schlagend widerlegt. Auch hier kommt es darauf hinaus, daß nach dem von Fräulein Lange ge- gebenen Rezept die Frauen die Pflichten aufsuchen, um damit einen Anspruch auf die damit zusammenhängenden Rechte zu ge- winnen. Es dürfte vielleicht an der Zeit sein, diese egoistischen ungerufenen Helfer einfach zurückzuweisen, da eine Arbeit, welche aus solchen Motiven heraus übernommen wird, unmöglich eine gesegnete sein kann. Um die Forderung des kommunalen Wahl- rechts in milderem Lichte erscheinen zu lassen, behaupten die Füh- rerinnen des Deutsch-evangelischen Frauenbundes, das kommu- nale Wahlrecht sei kein politisches. Wer aber die Kommunal- wahlen aus eigener Praxis kennt, bezweifelt keinen Augenblick deren politischen Charakter. Wer weiter bedenkt, daß unter allen Parteien die Sozialdemokratie allein das Frauenstimmrecht unbedingt fordert und ihrer Frauenbataillone vollkommen sicher ist, und daß andererseits die radikale Frauenbewegung mit der Sozialdemokratie auf das lebhafteste sympathisiert, wie das ihre Presse stets von neuem beweist, dem wird die außerordentliche Gefahr zum Bewußtsein kommen, die darin liegt, daß das kommu- nale Wahlrecht der Frauen wahrscheinlich in aller Kürze sämt- liche Stadtvertretungen in sozialdemokratische Hände bringen würde. Dieser Gefahr gegenüber treten sogar die mutmaßlichen Störungen im Familienleben in zweite Linie zurück. Wer diese Zusammenhänge durchdenkt, wundert sich nicht mehr über die Massenversammlungen der Sozialdemokratie zugunsten des

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4), S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1913/18>, abgerufen am 20.04.2024.