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Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4).

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zwar immer eine eifrige Anhängerin des Deutsch-evangelischen
Frauenbundes gewesen sei, aber eine an sie gelangte Petition für
das kirchliche Frauenstimmrecht habe sie nicht unterschrieben. Also
schon beim kirchlichen Stimmrecht machen die Damen teilweise
nicht mehr mit. Wie werden sie sich erst zu dem kommunalen
und staatlichen stellen! - Weiter hörte ich folgendes: Jn einer
Stadt im mittleren Deutschland besteht ein Frauenverein von etwa
400 Mitgliedern. Eines Tages erschienen zwei große Stimm-
rechtsdamen und hielten einen Vortrag. Resultat: Ein Viertel
der Damen trat sofort aus, eine große Zahl ist noch schwankend.
Also so ganz sicher begründet ist das Solidaritätsgefühl innerhalb
der einzelnen Gruppen nicht, wie manche Führerinnen das glauben
machen möchten.

Von Zeit zu Zeit veranstalten sie einmal eine größere Probe-
mobilmachung, um den inneren Zusammenhang zu prüfen und
zu stärken oder einen besonders kräftigen Druck auf die öffentliche
Meinung oder die Regierung auszuüben. Eine derartige Uebung
war auch der Kasseler Frauenkongreß von 1907, der besonders der
Durchsetzung der Mädchenschulreform dienen sollte und tatsächlich
diente. Die Vorbereitung auf die Politisierung der Frau und
die Stimmrechtsforderung haben die Berliner Ausstellung und der
Frauenkongreß von 1912 besorgen müssen. Es ist hochbedauerlich,
daß unsere Regierungsgewalten, welche doch die eigentlichen Geg-
ner dieser ultrademokratischen Bewegung sein müßten, es sich
nicht nehmen lassen, solchen Veranstaltungen internationaler Her-
kunft durch ihre Anwesenheit und Protektion zu hohem Glanze
und großer Wirkung zu verhelfen, obgleich doch die Zusammen-
hänge nicht gar so schwer zu erkennen sind. Das Frauenstimm-
recht hat, wie Prof. Sigismund an dem Beispiel der amerikani-
schen Staaten nachweist, seine Wurzeln nicht in der Begeisterung
für die "gute Sache", sondern in männlicher politischer Selbst-
sucht und Schwäche; man könnte hinzusetzen: und in weiblicher
Eitelkeit. Wenn Lucia Dora Trost recht behält, daß
unsere Frauenbewegung eine "königlich-preu-
ßische" ist, dann wird sie zum unvermeidlichen
Verhängnis, dem Preußen und Deutschland
ebenso verfallen werden, wie die nordischen
Länder
.

Noch ein Wort über die radikalen Frauenstimmrechts-
organisationen. Es würde sich kaum verlohnen, auf diese Ver-
bände mit ihren etwa insgesamt 10000 Stimmrechtlerinnen über-
haupt hier einzugehen, wenn diese Gruppen nicht durch die kurz-
sichtige und selbstmörderische Politik der bürgerlichen Parteien den

zwar immer eine eifrige Anhängerin des Deutsch-evangelischen
Frauenbundes gewesen sei, aber eine an sie gelangte Petition für
das kirchliche Frauenstimmrecht habe sie nicht unterschrieben. Also
schon beim kirchlichen Stimmrecht machen die Damen teilweise
nicht mehr mit. Wie werden sie sich erst zu dem kommunalen
und staatlichen stellen! – Weiter hörte ich folgendes: Jn einer
Stadt im mittleren Deutschland besteht ein Frauenverein von etwa
400 Mitgliedern. Eines Tages erschienen zwei große Stimm-
rechtsdamen und hielten einen Vortrag. Resultat: Ein Viertel
der Damen trat sofort aus, eine große Zahl ist noch schwankend.
Also so ganz sicher begründet ist das Solidaritätsgefühl innerhalb
der einzelnen Gruppen nicht, wie manche Führerinnen das glauben
machen möchten.

Von Zeit zu Zeit veranstalten sie einmal eine größere Probe-
mobilmachung, um den inneren Zusammenhang zu prüfen und
zu stärken oder einen besonders kräftigen Druck auf die öffentliche
Meinung oder die Regierung auszuüben. Eine derartige Uebung
war auch der Kasseler Frauenkongreß von 1907, der besonders der
Durchsetzung der Mädchenschulreform dienen sollte und tatsächlich
diente. Die Vorbereitung auf die Politisierung der Frau und
die Stimmrechtsforderung haben die Berliner Ausstellung und der
Frauenkongreß von 1912 besorgen müssen. Es ist hochbedauerlich,
daß unsere Regierungsgewalten, welche doch die eigentlichen Geg-
ner dieser ultrademokratischen Bewegung sein müßten, es sich
nicht nehmen lassen, solchen Veranstaltungen internationaler Her-
kunft durch ihre Anwesenheit und Protektion zu hohem Glanze
und großer Wirkung zu verhelfen, obgleich doch die Zusammen-
hänge nicht gar so schwer zu erkennen sind. Das Frauenstimm-
recht hat, wie Prof. Sigismund an dem Beispiel der amerikani-
schen Staaten nachweist, seine Wurzeln nicht in der Begeisterung
für die „gute Sache“, sondern in männlicher politischer Selbst-
sucht und Schwäche; man könnte hinzusetzen: und in weiblicher
Eitelkeit. Wenn Lucia Dora Trost recht behält, daß
unsere Frauenbewegung eine „königlich-preu-
ßische“ ist, dann wird sie zum unvermeidlichen
Verhängnis, dem Preußen und Deutschland
ebenso verfallen werden, wie die nordischen
Länder
.

Noch ein Wort über die radikalen Frauenstimmrechts-
organisationen. Es würde sich kaum verlohnen, auf diese Ver-
bände mit ihren etwa insgesamt 10000 Stimmrechtlerinnen über-
haupt hier einzugehen, wenn diese Gruppen nicht durch die kurz-
sichtige und selbstmörderische Politik der bürgerlichen Parteien den

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[11/0011] zwar immer eine eifrige Anhängerin des Deutsch-evangelischen Frauenbundes gewesen sei, aber eine an sie gelangte Petition für das kirchliche Frauenstimmrecht habe sie nicht unterschrieben. Also schon beim kirchlichen Stimmrecht machen die Damen teilweise nicht mehr mit. Wie werden sie sich erst zu dem kommunalen und staatlichen stellen! – Weiter hörte ich folgendes: Jn einer Stadt im mittleren Deutschland besteht ein Frauenverein von etwa 400 Mitgliedern. Eines Tages erschienen zwei große Stimm- rechtsdamen und hielten einen Vortrag. Resultat: Ein Viertel der Damen trat sofort aus, eine große Zahl ist noch schwankend. Also so ganz sicher begründet ist das Solidaritätsgefühl innerhalb der einzelnen Gruppen nicht, wie manche Führerinnen das glauben machen möchten. Von Zeit zu Zeit veranstalten sie einmal eine größere Probe- mobilmachung, um den inneren Zusammenhang zu prüfen und zu stärken oder einen besonders kräftigen Druck auf die öffentliche Meinung oder die Regierung auszuüben. Eine derartige Uebung war auch der Kasseler Frauenkongreß von 1907, der besonders der Durchsetzung der Mädchenschulreform dienen sollte und tatsächlich diente. Die Vorbereitung auf die Politisierung der Frau und die Stimmrechtsforderung haben die Berliner Ausstellung und der Frauenkongreß von 1912 besorgen müssen. Es ist hochbedauerlich, daß unsere Regierungsgewalten, welche doch die eigentlichen Geg- ner dieser ultrademokratischen Bewegung sein müßten, es sich nicht nehmen lassen, solchen Veranstaltungen internationaler Her- kunft durch ihre Anwesenheit und Protektion zu hohem Glanze und großer Wirkung zu verhelfen, obgleich doch die Zusammen- hänge nicht gar so schwer zu erkennen sind. Das Frauenstimm- recht hat, wie Prof. Sigismund an dem Beispiel der amerikani- schen Staaten nachweist, seine Wurzeln nicht in der Begeisterung für die „gute Sache“, sondern in männlicher politischer Selbst- sucht und Schwäche; man könnte hinzusetzen: und in weiblicher Eitelkeit. Wenn Lucia Dora Trost recht behält, daß unsere Frauenbewegung eine „königlich-preu- ßische“ ist, dann wird sie zum unvermeidlichen Verhängnis, dem Preußen und Deutschland ebenso verfallen werden, wie die nordischen Länder. Noch ein Wort über die radikalen Frauenstimmrechts- organisationen. Es würde sich kaum verlohnen, auf diese Ver- bände mit ihren etwa insgesamt 10000 Stimmrechtlerinnen über- haupt hier einzugehen, wenn diese Gruppen nicht durch die kurz- sichtige und selbstmörderische Politik der bürgerlichen Parteien den  

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4), S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1913/11>, abgerufen am 28.11.2024.