Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

stimmenden Natur zu deuten, statt vielmehr darin ihren
Warnungsspiegel zu erkennen, oder in solchem Verkehr
gewisse dem Lehrer gegebene kecke Antworten für heiter
und mutterwitzig und als die pädagogisch erfreulichen An-
zeichen zu nehmen, daß die Männer einst von solchen
Frauen nicht gelangweilt sein werden
, während
eine zuhörende Mutter nur den verderblichen Mangel des
sittigenden Einflusses der Lehrerinnen darin erkennen
würde, denen nicht Raum gegeben worden, in den jungen
leicht erregten Herzen die heilige Flamme der Sitte zu
schüren, der völkererhaltenden, und deren feinere Empfin-
dung sie davor bewahrt, es für eine Aufgabe der höheren
Töchterschule zu halten, den Männern amüsante, kurz-
weilige Frauen aufzuziehen."

Wie nun die Frauen mit anderer Liebe und anderem
Verständnis an die Bildung und Erziehung der Mädchen
herantreten, wie sie allein imstande sind, sie zu echt weib-
licher Sitte zu bilden, den pietätlosen Ton fernzuhalten,
der heutzutage mehr und mehr einreißt1), so giebt ihnen ihre
weibliche Eigenart auch in Bezug auf den eigentlichen Unter-Die Frauen haben ver
möge ihrer Eigenart auch
in Beziehung auf den
eigentlichen Unterricht
Mädchen gegenüber vor
den Männern entschiedene
Vorzüge.

richt der Mädchen für gewisse Fächer nicht geringe Vorteile
über den Mann. Es ist weibliche Eigenart, die Wissenschaft
weniger als Selbstzweck, wie als Mittel zu ethischer Wirkung
zu betrachten -- und eben das wünschen wir ja -- während
dem Mann gerade die heutige, durch Examina und Be-

1) Die Berliner Denkschrift warnt mit Rücksicht darauf ganz beson-
ders vor den modernen Schulkasernen, "in welchen die Zahl der Schüle-
rinnen noch über die Stärke eines militärischen Bataillons hinausgeht!"...
"Daß auch in solchen Kolossal-Schulen bei treuster und angestrengtester
Arbeit der Lehrer den Mädchen eine Summe von Kenntnissen eingeprägt
werden könne, wird niemand leugnen; daß ihnen eine höhere weib-
liche Erziehung
gegeben werden könne, jeder bezweifeln. Hier,
in der Werkstatt der pädagogischen Fabrikarbeit, ist die Quelle der weib-
lichen Scheinbildung
, die keinen Einsichtigen täuscht. Hier, des
zügelnden Einflusses von Lehrerinnen ledig
, holen die jungen
Mädchen den studentischen Ton, den die Familien so sehr beklagen; hier
wird der Emanzipationsgeist genährt und die feinere Sitte ein Fremdling.

stimmenden Natur zu deuten, statt vielmehr darin ihren
Warnungsspiegel zu erkennen, oder in solchem Verkehr
gewisse dem Lehrer gegebene kecke Antworten für heiter
und mutterwitzig und als die pädagogisch erfreulichen An-
zeichen zu nehmen, daß die Männer einst von solchen
Frauen nicht gelangweilt sein werden
, während
eine zuhörende Mutter nur den verderblichen Mangel des
sittigenden Einflusses der Lehrerinnen darin erkennen
würde, denen nicht Raum gegeben worden, in den jungen
leicht erregten Herzen die heilige Flamme der Sitte zu
schüren, der völkererhaltenden, und deren feinere Empfin-
dung sie davor bewahrt, es für eine Aufgabe der höheren
Töchterschule zu halten, den Männern amüsante, kurz-
weilige Frauen aufzuziehen.“

Wie nun die Frauen mit anderer Liebe und anderem
Verständnis an die Bildung und Erziehung der Mädchen
herantreten, wie sie allein imstande sind, sie zu echt weib-
licher Sitte zu bilden, den pietätlosen Ton fernzuhalten,
der heutzutage mehr und mehr einreißt1), so giebt ihnen ihre
weibliche Eigenart auch in Bezug auf den eigentlichen Unter-Die Frauen haben ver
möge ihrer Eigenart auch
in Beziehung auf den
eigentlichen Unterricht
Mädchen gegenüber vor
den Männern entschiedene
Vorzüge.

richt der Mädchen für gewisse Fächer nicht geringe Vorteile
über den Mann. Es ist weibliche Eigenart, die Wissenschaft
weniger als Selbstzweck, wie als Mittel zu ethischer Wirkung
zu betrachten — und eben das wünschen wir ja — während
dem Mann gerade die heutige, durch Examina und Be-

1) Die Berliner Denkschrift warnt mit Rücksicht darauf ganz beson-
ders vor den modernen Schulkasernen, „in welchen die Zahl der Schüle-
rinnen noch über die Stärke eines militärischen Bataillons hinausgeht!“...
„Daß auch in solchen Kolossal-Schulen bei treuster und angestrengtester
Arbeit der Lehrer den Mädchen eine Summe von Kenntnissen eingeprägt
werden könne, wird niemand leugnen; daß ihnen eine höhere weib-
liche Erziehung
gegeben werden könne, jeder bezweifeln. Hier,
in der Werkstatt der pädagogischen Fabrikarbeit, ist die Quelle der weib-
lichen Scheinbildung
, die keinen Einsichtigen täuscht. Hier, des
zügelnden Einflusses von Lehrerinnen ledig
, holen die jungen
Mädchen den studentischen Ton, den die Familien so sehr beklagen; hier
wird der Emanzipationsgeist genährt und die feinere Sitte ein Fremdling.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="31"/>
stimmenden Natur zu deuten, statt vielmehr darin ihren<lb/>
Warnungsspiegel zu erkennen, oder in solchem Verkehr<lb/>
gewisse dem Lehrer gegebene kecke Antworten für heiter<lb/>
und mutterwitzig und als die pädagogisch erfreulichen An-<lb/>
zeichen zu nehmen, <hi rendition="#g">daß die Männer einst von solchen<lb/>
Frauen nicht gelangweilt sein werden</hi>, während<lb/>
eine zuhörende Mutter nur den verderblichen Mangel des<lb/>
sittigenden Einflusses der <hi rendition="#g">Lehrerinnen</hi> darin erkennen<lb/>
würde, denen nicht Raum gegeben worden, in den jungen<lb/>
leicht erregten Herzen die heilige Flamme der Sitte zu<lb/>
schüren, der völkererhaltenden, und deren feinere Empfin-<lb/>
dung sie davor bewahrt, es für eine Aufgabe der höheren<lb/>
Töchterschule zu halten, den Männern amüsante, kurz-<lb/>
weilige Frauen aufzuziehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wie nun die Frauen mit anderer Liebe und anderem<lb/>
Verständnis an die Bildung und Erziehung der Mädchen<lb/>
herantreten, wie <hi rendition="#g">sie allein</hi> imstande sind, sie zu echt weib-<lb/>
licher <hi rendition="#g">Sitte</hi> zu bilden, den pietätlosen Ton fernzuhalten,<lb/>
der heutzutage mehr und mehr einreißt<note place="foot" n="1)">Die Berliner Denkschrift warnt mit Rücksicht darauf ganz beson-<lb/>
ders vor den modernen Schulkasernen, &#x201E;in welchen die Zahl der Schüle-<lb/>
rinnen noch über die Stärke eines militärischen Bataillons hinausgeht!&#x201C;...<lb/>
&#x201E;Daß auch in solchen Kolossal-Schulen bei treuster und angestrengtester<lb/>
Arbeit der Lehrer den Mädchen eine Summe von Kenntnissen eingeprägt<lb/>
werden könne, wird niemand leugnen; daß ihnen eine <hi rendition="#g">höhere weib-<lb/>
liche Erziehung</hi> gegeben werden könne, <hi rendition="#g">jeder bezweifeln</hi>. Hier,<lb/>
in der Werkstatt der pädagogischen Fabrikarbeit, ist die Quelle der <hi rendition="#g">weib-<lb/>
lichen Scheinbildung</hi>, die keinen Einsichtigen täuscht. Hier, <hi rendition="#g">des<lb/>
zügelnden Einflusses von Lehrerinnen ledig</hi>, holen die jungen<lb/>
Mädchen den studentischen Ton, den die Familien so sehr beklagen; hier<lb/>
wird der Emanzipationsgeist genährt und die feinere Sitte ein Fremdling.</note>, so giebt ihnen ihre<lb/>
weibliche Eigenart auch in Bezug auf den eigentlichen <hi rendition="#g">Unter-</hi><note place="right">Die Frauen haben ver<lb/>
möge ihrer Eigenart auch<lb/>
in Beziehung auf den<lb/>
eigentlichen Unterricht<lb/><hi rendition="#g">Mädchen</hi> gegenüber vor<lb/>
den Männern entschiedene<lb/>
Vorzüge.</note><lb/><hi rendition="#g">richt</hi> der Mädchen für gewisse Fächer nicht geringe Vorteile<lb/>
über den Mann. Es ist weibliche Eigenart, die Wissenschaft<lb/>
weniger als Selbstzweck, wie als Mittel zu ethischer Wirkung<lb/>
zu betrachten &#x2014; und eben das wünschen wir ja &#x2014; während<lb/>
dem Mann gerade die heutige, durch Examina und Be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0032] stimmenden Natur zu deuten, statt vielmehr darin ihren Warnungsspiegel zu erkennen, oder in solchem Verkehr gewisse dem Lehrer gegebene kecke Antworten für heiter und mutterwitzig und als die pädagogisch erfreulichen An- zeichen zu nehmen, daß die Männer einst von solchen Frauen nicht gelangweilt sein werden, während eine zuhörende Mutter nur den verderblichen Mangel des sittigenden Einflusses der Lehrerinnen darin erkennen würde, denen nicht Raum gegeben worden, in den jungen leicht erregten Herzen die heilige Flamme der Sitte zu schüren, der völkererhaltenden, und deren feinere Empfin- dung sie davor bewahrt, es für eine Aufgabe der höheren Töchterschule zu halten, den Männern amüsante, kurz- weilige Frauen aufzuziehen.“ Wie nun die Frauen mit anderer Liebe und anderem Verständnis an die Bildung und Erziehung der Mädchen herantreten, wie sie allein imstande sind, sie zu echt weib- licher Sitte zu bilden, den pietätlosen Ton fernzuhalten, der heutzutage mehr und mehr einreißt 1), so giebt ihnen ihre weibliche Eigenart auch in Bezug auf den eigentlichen Unter- richt der Mädchen für gewisse Fächer nicht geringe Vorteile über den Mann. Es ist weibliche Eigenart, die Wissenschaft weniger als Selbstzweck, wie als Mittel zu ethischer Wirkung zu betrachten — und eben das wünschen wir ja — während dem Mann gerade die heutige, durch Examina und Be- Die Frauen haben ver möge ihrer Eigenart auch in Beziehung auf den eigentlichen Unterricht Mädchen gegenüber vor den Männern entschiedene Vorzüge. 1) Die Berliner Denkschrift warnt mit Rücksicht darauf ganz beson- ders vor den modernen Schulkasernen, „in welchen die Zahl der Schüle- rinnen noch über die Stärke eines militärischen Bataillons hinausgeht!“... „Daß auch in solchen Kolossal-Schulen bei treuster und angestrengtester Arbeit der Lehrer den Mädchen eine Summe von Kenntnissen eingeprägt werden könne, wird niemand leugnen; daß ihnen eine höhere weib- liche Erziehung gegeben werden könne, jeder bezweifeln. Hier, in der Werkstatt der pädagogischen Fabrikarbeit, ist die Quelle der weib- lichen Scheinbildung, die keinen Einsichtigen täuscht. Hier, des zügelnden Einflusses von Lehrerinnen ledig, holen die jungen Mädchen den studentischen Ton, den die Familien so sehr beklagen; hier wird der Emanzipationsgeist genährt und die feinere Sitte ein Fremdling.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Melanie Henß, Marc Kuse, Thomas Gloning, Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Texterfassung und Korrekturen, Konversion nach XML (2013-05-22T08:12:00Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-22T08:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes als rundes s erfasst.
  • I/J nach Lautwert transkribiert.
  • Marginalien, Bogensignaturen, Kustoden und Kolumnentitel wurden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/32
Zitationshilfe: Lange, Helene: Die höhere Mädchenschule und ihre Bestimmung. Berlin, 1887, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_maedchenschule_1887/32>, abgerufen am 19.04.2024.