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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des ersten Briefes Pauli Cap. 2. v. 1.
Das Andere Capitel,
Darinnen
Paulus befiehlet, wie man solle in Ansehung des allgemei-
nen Verdienstes Christi für alle Menschen beten/ und wie man sich solle bey
dem Gebet/ sonderlich dem öffentlichen in der Versamlung/ verhalten/ und
wie daß den Weibern nicht zu verstatten sey/ darinnen zu lehren; und
daß ihnen die Unterthänigkeit gegen ihre Ehe-Männer
obliege.
V. 1.
[Spaltenumbruch]

SO ermahne ich nun, daß man
vor allen Dingen zu erst thue
Bitte, Gebet, Fürbitte, und
Dancksagung für alle Men-
schen
(wie ein jeder daheim für
sich, als auch fürnemlich wenn ihr
zur gemeinen Erbauung zusammen kommet.)

Anmerckungen.

1. Mit der particula illativa ou nun o-
der derohalben, zeiget der Apostel an, wie daß
er nach der allgemeinen Erinnerung, wie Timo-
theus eine gute Ritterschaft zu üben, oder sein
Amt zu Ephesus zu führen habe, nun eines nach
dem andern insonderheit anzeigen wolle, wie es
in der Christlichen Gemeine solle gehalten wer-
den.

2. Die Worte proton panton vor allen
Dingen,
oder zuvorderst, welche Lutherus
nicht unfüglich zu den folgenden Worten poi-
ei~sthai deeseis gezogen hat, lassen sich noch fügli-
cher zu den ersten Worten parakalo, ich er-
mahne,
ziehen und übersetzen: so ermahne ich
nun zuvorderst, oder vor allen Dingen, daß u. s.
w. wiewol es dem Verstande nach fast auf eines
hinaus lauft.

3. Das Verbum poieisthai, thun setzet
der Apostel nur so schlechthin, ohne dabey zu zei-
gen, wie das Gebet gethan werden solle: als
wozu die Ephesier schon waren angeführet wor-
den. Es gehet aber auch der folgende Context
darauf nicht undeutlich. Denn da der Bewe-
gungs-Grund zum Gebet und zur Fürbitte für
andere von dem Verdienste Christi hergenom-
men wird, so ist damit zugleich angezeiget, wie
das Gebet im Namen Christi geschehen solle.
Darauf er v. 8. schreibet, daß man heilige Hän-
de ohne Zorn und zweifel aufheben müsse. Und
da das Gebet, sonderlich darinnen die Fürbitte,
eine Pflicht der Liebe ist, die Liebe aber nach c. 1.
v. 5. aus einem reinen Hertzen, guten Gewissen
und ungefärbten Glauben kommen und geübet
werden soll; so ist damit auch zugleich die rechte
Beschaffenheit des Gebets und des Betenden
angewiesen.

4. Es ist alhier der Unterscheid unter Bit-
te, Gebet, Fürbitte
und Dancksagung wohl
zu mercken. Zwar stehen die beyden ersten
Wort, wenn sie ein jedes für sich allein gese-
[Spaltenumbruch] tzet sind, öfters also, daß sie das Gebet über-
haupt mit allem, was dazu gehöret, bedeuten,
und also dasjenige, was an diesem Orte mit den
übrigen Worten ausgedrucket wird, mit in sich
halten: aber da alhier vier Worte beyeinander
stehen, und auf unterschiedene Gattungen des
Gebets gehen, so ist der Unterscheid dabey leicht-
lich zu machen.

5. Der Mensch hat von Natur viel böses
an sich, es pfleget ihm auch viel widriges nach
Leib und Seel und dem, was ihn sonst eigentlich
angehöret, zu begegnen; und hingegen erman-
gelt er alles Guten, sonderlich im Geistlichen.
Und folglich hat er es mit GOtt im Gebet also
zu thun, daß er das böse, und darunter am aller-
meisten das Sünden-Ubel verbittet, oder GOtt
die Schuld abbittet, auch um Erlösung von der-
selben Herrschaft und Versuchung anrufet;
welches denn ist deesis die Bitte: hingegen
das Gute, oder allen Seegen im geistlichen
und leiblichen von ihm erbittet: welches denn
ist proseukhe das Gebet. Und da er beydes,
Bitte und Gebet auch für seinen Nechsten, ja
für seinen ärgsten Feind, zu thun hat; so kömmt
dazu enteuxis, die Fürbitte. Und weil das Bit-
ten und Beten für uns und andere nicht ohne
Erhörung bleibet, wir auch oft ohne unsere
Bitte und Gebet viel gutes empfangen haben,
und noch ferner empfangen, auch von manchem
Ubel erlöset oder davor bewahret werden; so
muß denn auch freylich die Dancksagung dazu
kommen: und zwar auch in Ansehung unsers
Nechsten. Denn da wir unter einander als
Glieder anzusehen sind an einem geistlichen Lei-
be, so wiederfähret das, was einem begegnet,
auch auf gewisse Art den andern mit, und sind
wir daher wie zum Gebet, also auch zur Danck-
sagung für einander verbunden.

6. Da deesi[fremdsprachliches Material], die Bitte herkömmt von
dem Wort deomai, egeo, ich bin dürftig und
bitte; so ist deesis nach dieser norione gram-
matica
eigentlich ein solches Gebet, worinn
wir unsere Dürftigkeit GOtt vortragen; da wir
nemlich bedürfen vom Ubel immer mehr und
mehr erlöset und mit dem Segen GOttes be-
gnadiget zu werden. Proseukhe hat seinen Na-
men von eu und kheein bene fundere. Wel-
ches anzeiget, wie das Gebet auf eine evangeli-

sche
Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 2. v. 1.
Das Andere Capitel,
Darinnen
Paulus befiehlet, wie man ſolle in Anſehung des allgemei-
nen Verdienſtes Chriſti fuͤr alle Menſchen beten/ und wie man ſich ſolle bey
dem Gebet/ ſonderlich dem oͤffentlichen in der Verſamlung/ verhalten/ und
wie daß den Weibern nicht zu verſtatten ſey/ darinnen zu lehren; und
daß ihnen die Unterthaͤnigkeit gegen ihre Ehe-Maͤnner
obliege.
V. 1.
[Spaltenumbruch]

SO ermahne ich nun, daß man
vor allen Dingen zu erſt thue
Bitte, Gebet, Fuͤrbitte, und
Danckſagung fuͤr alle Men-
ſchen
(wie ein jeder daheim fuͤr
ſich, als auch fuͤrnemlich wenn ihr
zur gemeinen Erbauung zuſammen kommet.)

Anmerckungen.

1. Mit der particula illativa οὖ nun o-
der derohalben, zeiget der Apoſtel an, wie daß
er nach der allgemeinen Erinnerung, wie Timo-
theus eine gute Ritterſchaft zu uͤben, oder ſein
Amt zu Epheſus zu fuͤhren habe, nun eines nach
dem andern inſonderheit anzeigen wolle, wie es
in der Chriſtlichen Gemeine ſolle gehalten wer-
den.

2. Die Worte πρῶτον πάντων vor allen
Dingen,
oder zuvorderſt, welche Lutherus
nicht unfuͤglich zu den folgenden Worten ϖοι-
ει῀σθαι δεήσεις gezogen hat, laſſen ſich noch fuͤgli-
cher zu den erſten Worten ϖαρακαλῶ, ich er-
mahne,
ziehen und uͤberſetzen: ſo ermahne ich
nun zuvorderſt, oder vor allen Dingen, daß u. ſ.
w. wiewol es dem Verſtande nach faſt auf eines
hinaus lauft.

3. Das Verbum ποιεῖσθαι, thun ſetzet
der Apoſtel nur ſo ſchlechthin, ohne dabey zu zei-
gen, wie das Gebet gethan werden ſolle: als
wozu die Epheſier ſchon waren angefuͤhret wor-
den. Es gehet aber auch der folgende Context
darauf nicht undeutlich. Denn da der Bewe-
gungs-Grund zum Gebet und zur Fuͤrbitte fuͤr
andere von dem Verdienſte Chriſti hergenom-
men wird, ſo iſt damit zugleich angezeiget, wie
das Gebet im Namen Chriſti geſchehen ſolle.
Darauf er v. 8. ſchreibet, daß man heilige Haͤn-
de ohne Zorn und zweifel aufheben muͤſſe. Und
da das Gebet, ſonderlich darinnen die Fuͤrbitte,
eine Pflicht der Liebe iſt, die Liebe aber nach c. 1.
v. 5. aus einem reinen Hertzen, guten Gewiſſen
und ungefaͤrbten Glauben kommen und geuͤbet
werden ſoll; ſo iſt damit auch zugleich die rechte
Beſchaffenheit des Gebets und des Betenden
angewieſen.

4. Es iſt alhier der Unterſcheid unter Bit-
te, Gebet, Fuͤrbitte
und Danckſagung wohl
zu mercken. Zwar ſtehen die beyden erſten
Wort, wenn ſie ein jedes fuͤr ſich allein geſe-
[Spaltenumbruch] tzet ſind, oͤfters alſo, daß ſie das Gebet uͤber-
haupt mit allem, was dazu gehoͤret, bedeuten,
und alſo dasjenige, was an dieſem Orte mit den
uͤbrigen Worten ausgedrucket wird, mit in ſich
halten: aber da alhier vier Worte beyeinander
ſtehen, und auf unterſchiedene Gattungen des
Gebets gehen, ſo iſt der Unterſcheid dabey leicht-
lich zu machen.

5. Der Menſch hat von Natur viel boͤſes
an ſich, es pfleget ihm auch viel widriges nach
Leib und Seel und dem, was ihn ſonſt eigentlich
angehoͤret, zu begegnen; und hingegen erman-
gelt er alles Guten, ſonderlich im Geiſtlichen.
Und folglich hat er es mit GOtt im Gebet alſo
zu thun, daß er das boͤſe, und darunter am aller-
meiſten das Suͤnden-Ubel verbittet, oder GOtt
die Schuld abbittet, auch um Erloͤſung von der-
ſelben Herrſchaft und Verſuchung anrufet;
welches denn iſt δέησις die Bitte: hingegen
das Gute, oder allen Seegen im geiſtlichen
und leiblichen von ihm erbittet: welches denn
iſt προσευχὴ das Gebet. Und da er beydes,
Bitte und Gebet auch fuͤr ſeinen Nechſten, ja
fuͤr ſeinen aͤrgſten Feind, zu thun hat; ſo koͤmmt
dazu ἔντευξις, die Fuͤrbitte. Und weil das Bit-
ten und Beten fuͤr uns und andere nicht ohne
Erhoͤrung bleibet, wir auch oft ohne unſere
Bitte und Gebet viel gutes empfangen haben,
und noch ferner empfangen, auch von manchem
Ubel erloͤſet oder davor bewahret werden; ſo
muß denn auch freylich die Danckſagung dazu
kommen: und zwar auch in Anſehung unſers
Nechſten. Denn da wir unter einander als
Glieder anzuſehen ſind an einem geiſtlichen Lei-
be, ſo wiederfaͤhret das, was einem begegnet,
auch auf gewiſſe Art den andern mit, und ſind
wir daher wie zum Gebet, alſo auch zur Danck-
ſagung fuͤr einander verbunden.

6. Da δέησι[fremdsprachliches Material], die Bitte herkoͤmmt von
dem Wort δέομαι, egeo, ich bin duͤrftig und
bitte; ſo iſt δεησις nach dieſer norione gram-
matica
eigentlich ein ſolches Gebet, worinn
wir unſere Duͤrftigkeit GOtt vortragen; da wir
nemlich beduͤrfen vom Ubel immer mehr und
mehr erloͤſet und mit dem Segen GOttes be-
gnadiget zu werden. Προσευχὴ hat ſeinen Na-
men von ἐυ und χέειν bene fundere. Wel-
ches anzeiget, wie das Gebet auf eine evangeli-

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[94/0096] Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 2. v. 1. Das Andere Capitel, Darinnen Paulus befiehlet, wie man ſolle in Anſehung des allgemei- nen Verdienſtes Chriſti fuͤr alle Menſchen beten/ und wie man ſich ſolle bey dem Gebet/ ſonderlich dem oͤffentlichen in der Verſamlung/ verhalten/ und wie daß den Weibern nicht zu verſtatten ſey/ darinnen zu lehren; und daß ihnen die Unterthaͤnigkeit gegen ihre Ehe-Maͤnner obliege. V. 1. SO ermahne ich nun, daß man vor allen Dingen zu erſt thue Bitte, Gebet, Fuͤrbitte, und Danckſagung fuͤr alle Men- ſchen (wie ein jeder daheim fuͤr ſich, als auch fuͤrnemlich wenn ihr zur gemeinen Erbauung zuſammen kommet.) Anmerckungen. 1. Mit der particula illativa οὖ nun o- der derohalben, zeiget der Apoſtel an, wie daß er nach der allgemeinen Erinnerung, wie Timo- theus eine gute Ritterſchaft zu uͤben, oder ſein Amt zu Epheſus zu fuͤhren habe, nun eines nach dem andern inſonderheit anzeigen wolle, wie es in der Chriſtlichen Gemeine ſolle gehalten wer- den. 2. Die Worte πρῶτον πάντων vor allen Dingen, oder zuvorderſt, welche Lutherus nicht unfuͤglich zu den folgenden Worten ϖοι- ει῀σθαι δεήσεις gezogen hat, laſſen ſich noch fuͤgli- cher zu den erſten Worten ϖαρακαλῶ, ich er- mahne, ziehen und uͤberſetzen: ſo ermahne ich nun zuvorderſt, oder vor allen Dingen, daß u. ſ. w. wiewol es dem Verſtande nach faſt auf eines hinaus lauft. 3. Das Verbum ποιεῖσθαι, thun ſetzet der Apoſtel nur ſo ſchlechthin, ohne dabey zu zei- gen, wie das Gebet gethan werden ſolle: als wozu die Epheſier ſchon waren angefuͤhret wor- den. Es gehet aber auch der folgende Context darauf nicht undeutlich. Denn da der Bewe- gungs-Grund zum Gebet und zur Fuͤrbitte fuͤr andere von dem Verdienſte Chriſti hergenom- men wird, ſo iſt damit zugleich angezeiget, wie das Gebet im Namen Chriſti geſchehen ſolle. Darauf er v. 8. ſchreibet, daß man heilige Haͤn- de ohne Zorn und zweifel aufheben muͤſſe. Und da das Gebet, ſonderlich darinnen die Fuͤrbitte, eine Pflicht der Liebe iſt, die Liebe aber nach c. 1. v. 5. aus einem reinen Hertzen, guten Gewiſſen und ungefaͤrbten Glauben kommen und geuͤbet werden ſoll; ſo iſt damit auch zugleich die rechte Beſchaffenheit des Gebets und des Betenden angewieſen. 4. Es iſt alhier der Unterſcheid unter Bit- te, Gebet, Fuͤrbitte und Danckſagung wohl zu mercken. Zwar ſtehen die beyden erſten Wort, wenn ſie ein jedes fuͤr ſich allein geſe- tzet ſind, oͤfters alſo, daß ſie das Gebet uͤber- haupt mit allem, was dazu gehoͤret, bedeuten, und alſo dasjenige, was an dieſem Orte mit den uͤbrigen Worten ausgedrucket wird, mit in ſich halten: aber da alhier vier Worte beyeinander ſtehen, und auf unterſchiedene Gattungen des Gebets gehen, ſo iſt der Unterſcheid dabey leicht- lich zu machen. 5. Der Menſch hat von Natur viel boͤſes an ſich, es pfleget ihm auch viel widriges nach Leib und Seel und dem, was ihn ſonſt eigentlich angehoͤret, zu begegnen; und hingegen erman- gelt er alles Guten, ſonderlich im Geiſtlichen. Und folglich hat er es mit GOtt im Gebet alſo zu thun, daß er das boͤſe, und darunter am aller- meiſten das Suͤnden-Ubel verbittet, oder GOtt die Schuld abbittet, auch um Erloͤſung von der- ſelben Herrſchaft und Verſuchung anrufet; welches denn iſt δέησις die Bitte: hingegen das Gute, oder allen Seegen im geiſtlichen und leiblichen von ihm erbittet: welches denn iſt προσευχὴ das Gebet. Und da er beydes, Bitte und Gebet auch fuͤr ſeinen Nechſten, ja fuͤr ſeinen aͤrgſten Feind, zu thun hat; ſo koͤmmt dazu ἔντευξις, die Fuͤrbitte. Und weil das Bit- ten und Beten fuͤr uns und andere nicht ohne Erhoͤrung bleibet, wir auch oft ohne unſere Bitte und Gebet viel gutes empfangen haben, und noch ferner empfangen, auch von manchem Ubel erloͤſet oder davor bewahret werden; ſo muß denn auch freylich die Danckſagung dazu kommen: und zwar auch in Anſehung unſers Nechſten. Denn da wir unter einander als Glieder anzuſehen ſind an einem geiſtlichen Lei- be, ſo wiederfaͤhret das, was einem begegnet, auch auf gewiſſe Art den andern mit, und ſind wir daher wie zum Gebet, alſo auch zur Danck- ſagung fuͤr einander verbunden. 6. Da δέησι_ , die Bitte herkoͤmmt von dem Wort δέομαι, egeo, ich bin duͤrftig und bitte; ſo iſt δεησις nach dieſer norione gram- matica eigentlich ein ſolches Gebet, worinn wir unſere Duͤrftigkeit GOtt vortragen; da wir nemlich beduͤrfen vom Ubel immer mehr und mehr erloͤſet und mit dem Segen GOttes be- gnadiget zu werden. Προσευχὴ hat ſeinen Na- men von ἐυ und χέειν bene fundere. Wel- ches anzeiget, wie das Gebet auf eine evangeli- ſche

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/96>, abgerufen am 23.11.2024.