Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 1. v. 1. 2.
[Spaltenumbruch]
die Einigkeit des Sinnes, in welcher er mit ih- nen stünde, zu bezeugen, und dadurch die Thessa- lonicher destomehr zu bevestigen, wie in allem dem, was er itzo schrieb, also auch in dem, was er mit diesen beyden Männern ihnen mündlich vor- getragen hatte.
3. Diese drey getreue Arbeiter sind nun nach aller ihrer Arbeit, Mühe und Trübsal schon vorlängst in ihre Ruhe eingegangen, und genies- sen der Früchte ihrer Arbeit aus Gnaden in voll- kommner Seligkeit. Wohl dem, der unter den Lehrern ihnen in aller Treue nachfolget; und wer unter den Zuhörern und Lesern zum See- gen annimt, was auch in diesem Briefe von ih- nen uns hinterlassen ist. Denn der wird sie dermaleins in der Herrlichkeit zu vieler Freude auch von Person kennen lernen. Wie denn, wenn dieses nicht seyn solte, im ewigen Leben sich eine Unvollkommenheit finden müßte; aber ge- wiß ein Stück der Seligkeit mit seyn wird, wenn man sich wird in der Gemeinschaft der in diesem Leben nur bloß aus einiger Beschreibung be- kannt gewordenen Patriarchen, Propheten, A- postel, und so vieler andern Glaubens-Helden und Heldinnen, sonderlich aber JESU Christi selbst, besinden.
4. Die Stadt Thessalonich ist zwar noch vorhanden, aber nach so vielfältiger Verände- rung in einem gantz andern Zustande unter der Botmäßigkeit des Türckischen Kaysers, und wird mehr von Türcken und Juden, als von Christen bewohnet. Wie denn die particu- lair-Kirchen auf Erden der Mosaischen Stifts- Hütte gleich sind, die vieler Veränderung un- terworfen war. GOtt lasse in Christo gesegnet seyn, die noch itzo sich daselbst von dem Namen Christi nennen, und lasse Türcken und Juden auch zu ihm gebracht werden:
5. Da wir diesen an die Thessalonicher ge- schriebenen Brief noch übrig haben, als eine theure Beylage; und er gewiß auch um unsert- willen durch die gütige Providentz GOttes auf uns gekommen ist; so hat ein jeglicher Leser zu ge- dencken, als sey er an ihn insonderheit mit ge- schrieben; damit er die Application in allen sich auch auf ihn schickenden Materien so viel ge- wisser und richtiger mache. Schicket sich denn gleich manches nicht auf ihn, so kan er doch dar- aus die gütigen Wege des HErrn an seiner Kirche und an seinen Kindern zu vieler guten Er- innerung mit zum Lobe GOttes erkennen.
6. Die Thessalonicensische Gemeine war dergestalt durch den Dienst Pauli und seiner ge- treuen Mitarbeiter von GOtt gepflantzet und gegründet, daß sie sich auch darauf in GOtt, das ist, in der gläubigen und seligen Gemeinschaft mit GOtt dem Vater und dem HErrn JEsu Christo befunde. Ein solcher Baumeister ist GOTT, der nicht allein das Gebäude seiner Kirche aufrichtet, sondern es auch selbst ge- treulich in der genauesten Vereinigung mit sich unterhält.
7. Des Heiligen Geistes wird in diesen und den folgenden Worten deswegen nicht ge- dacht, weil Pauli Vorhaben nicht war von [Spaltenumbruch]
dem Geheimniß der Heiligen Dreyeinigkeit zu handeln, davon auch die Gläubigen bey ihrer Bekehrung dergestalt waren unterrichtet wor- den, daß sie daran gar keinen Zweifel trugen, auch wohl wüsten, daß sie durch die kräftige Salbung und Wirckung des Heiligen Geistes zur seligen Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes ge- langet waren.
8. Gnade und Friede gehören immer zu- sammen, nicht anders, als ein Baum und seine Früchte, als eine Quelle und ihre Bächlein. Denn die Gnade bringet den Frieden, und durch den Frieden geniesset man der Gnade. Gnade ohne Friede ist nur ein Werck mensch- licher Einbildung. Und Friede ohne Gnade ist nichts, als eine fleischliche Sicherheit. Doch findet sich bey angefochtenen Seelen die Gnade ohne den Frieden; sie bleibet doch aber nicht oh- ne diesen.
9. Es thut ein jeglicher Leser wohl, wenn er bey diesen Worten mit seinem Gemüthe ein wenig still stehet, und sie sich gläubig zueignet, in der Versicherung, daß auch ihm Gnade und Friede angetragen werde, und, was er davon schon hat, zur Bevestigung und Vermehrung kommen müsse. Ach wie mancher bewirbet sich mehr, und doch dabey oft vergeblich, um die Gnade bey Menschen, als bey GOtt. Hat hin- gegen ein gedrückter keine Gnade bey Men- schen, und keinen Frieden unter Menschen; so kan er doch getrost seyn und bleiben, daß er bey- des bey GOtt hat und behält.
10. Daß unser Heyland wahrhaftiger GOtt und eines Wesens, auch gleicher Wir- ckung und Ehre, mit dem Vater sey, das siehet man auch daraus, daß die Christliche Kirche nicht weniger ist von und in ihm, als von und in dem Vater; Und daß Gnade und Friede, als recht göttliche Gaben, welche kein Mensch er- theilen kan, nicht weniger von ihm, als vom Vater, herkommen.
V. 2.
Wir dancken GOtt allezeit (also daß es bey einer und der andern Dancksagung nicht bleibet, sondern wir damit fortfahren) für euch alle (daß ihr zu seiner Gemeinschaft euch habet bringen lassen, und bisher unter so vielerley Lei- den darinn beständig beharret seyd) und geden- cken euer (mit aller Liebe und vielem Seegens- Wunsche) in unserm (theils gemeinschaftlichen, theils besondern) Gebete (also, wie euer uns wohl bekannter Zustand es erfordert) ohn Un- terlaß (durch den Trieb unsers Amts und un- serer Liebe, ja des Heiligen Geistes, der uns im Gebet nicht lässet müde werden.)
Anmerckungen.
1. Eines rechtschaffen Lehrers Pflicht für seine Gemeine ist, daß er fleißig für sie betet. Wie ungeschickt aber ein Unbekehrter- und Fleischlich-Gesinneter in so vielen Stücken zum Amte des Geistes sey, das siehet man unter an- dern auch daher, daß er nicht für seine Zuhörer betet und beten kan, so lange er unbekehret blei-
bet.
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 1. v. 1. 2.
[Spaltenumbruch]
die Einigkeit des Sinnes, in welcher er mit ih- nen ſtuͤnde, zu bezeugen, und dadurch die Theſſa- lonicher deſtomehr zu beveſtigen, wie in allem dem, was er itzo ſchrieb, alſo auch in dem, was er mit dieſen beyden Maͤnnern ihnen muͤndlich vor- getragen hatte.
3. Dieſe drey getreue Arbeiter ſind nun nach aller ihrer Arbeit, Muͤhe und Truͤbſal ſchon vorlaͤngſt in ihre Ruhe eingegangen, und genieſ- ſen der Fruͤchte ihrer Arbeit aus Gnaden in voll- kommner Seligkeit. Wohl dem, der unter den Lehrern ihnen in aller Treue nachfolget; und wer unter den Zuhoͤrern und Leſern zum See- gen annimt, was auch in dieſem Briefe von ih- nen uns hinterlaſſen iſt. Denn der wird ſie dermaleins in der Herrlichkeit zu vieler Freude auch von Perſon kennen lernen. Wie denn, wenn dieſes nicht ſeyn ſolte, im ewigen Leben ſich eine Unvollkommenheit finden muͤßte; aber ge- wiß ein Stuͤck der Seligkeit mit ſeyn wird, wenn man ſich wird in der Gemeinſchaft der in dieſem Leben nur bloß aus einiger Beſchreibung be- kannt gewordenen Patriarchen, Propheten, A- poſtel, und ſo vieler andern Glaubens-Helden und Heldinnen, ſonderlich aber JESU Chriſti ſelbſt, beſinden.
4. Die Stadt Theſſalonich iſt zwar noch vorhanden, aber nach ſo vielfaͤltiger Veraͤnde- rung in einem gantz andern Zuſtande unter der Botmaͤßigkeit des Tuͤrckiſchen Kayſers, und wird mehr von Tuͤrcken und Juden, als von Chriſten bewohnet. Wie denn die particu- lair-Kirchen auf Erden der Moſaiſchen Stifts- Huͤtte gleich ſind, die vieler Veraͤnderung un- terworfen war. GOtt laſſe in Chriſto geſegnet ſeyn, die noch itzo ſich daſelbſt von dem Namen Chriſti nennen, und laſſe Tuͤrcken und Juden auch zu ihm gebracht werden:
5. Da wir dieſen an die Theſſalonicher ge- ſchriebenen Brief noch uͤbrig haben, als eine theure Beylage; und er gewiß auch um unſert- willen durch die guͤtige Providentz GOttes auf uns gekommen iſt; ſo hat ein jeglicher Leſer zu ge- dencken, als ſey er an ihn inſonderheit mit ge- ſchrieben; damit er die Application in allen ſich auch auf ihn ſchickenden Materien ſo viel ge- wiſſer und richtiger mache. Schicket ſich denn gleich manches nicht auf ihn, ſo kan er doch dar- aus die guͤtigen Wege des HErrn an ſeiner Kirche und an ſeinen Kindern zu vieler guten Er- innerung mit zum Lobe GOttes erkennen.
6. Die Theſſalonicenſiſche Gemeine war dergeſtalt durch den Dienſt Pauli und ſeiner ge- treuen Mitarbeiter von GOtt gepflantzet und gegruͤndet, daß ſie ſich auch darauf in GOtt, das iſt, in der glaͤubigen und ſeligen Gemeinſchaft mit GOtt dem Vater und dem HErrn JEſu Chriſto befunde. Ein ſolcher Baumeiſter iſt GOTT, der nicht allein das Gebaͤude ſeiner Kirche aufrichtet, ſondern es auch ſelbſt ge- treulich in der genaueſten Vereinigung mit ſich unterhaͤlt.
7. Des Heiligen Geiſtes wird in dieſen und den folgenden Worten deswegen nicht ge- dacht, weil Pauli Vorhaben nicht war von [Spaltenumbruch]
dem Geheimniß der Heiligen Dreyeinigkeit zu handeln, davon auch die Glaͤubigen bey ihrer Bekehrung dergeſtalt waren unterrichtet wor- den, daß ſie daran gar keinen Zweifel trugen, auch wohl wuͤſten, daß ſie durch die kraͤftige Salbung und Wirckung des Heiligen Geiſtes zur ſeligen Gemeinſchaft des Vaters und des Sohnes ge- langet waren.
8. Gnade und Friede gehoͤren immer zu- ſammen, nicht anders, als ein Baum und ſeine Fruͤchte, als eine Quelle und ihre Baͤchlein. Denn die Gnade bringet den Frieden, und durch den Frieden genieſſet man der Gnade. Gnade ohne Friede iſt nur ein Werck menſch- licher Einbildung. Und Friede ohne Gnade iſt nichts, als eine fleiſchliche Sicherheit. Doch findet ſich bey angefochtenen Seelen die Gnade ohne den Frieden; ſie bleibet doch aber nicht oh- ne dieſen.
9. Es thut ein jeglicher Leſer wohl, wenn er bey dieſen Worten mit ſeinem Gemuͤthe ein wenig ſtill ſtehet, und ſie ſich glaͤubig zueignet, in der Verſicherung, daß auch ihm Gnade und Friede angetragen werde, und, was er davon ſchon hat, zur Beveſtigung und Vermehrung kommen muͤſſe. Ach wie mancher bewirbet ſich mehr, und doch dabey oft vergeblich, um die Gnade bey Menſchen, als bey GOtt. Hat hin- gegen ein gedruͤckter keine Gnade bey Men- ſchen, und keinen Frieden unter Menſchen; ſo kan er doch getroſt ſeyn und bleiben, daß er bey- des bey GOtt hat und behaͤlt.
10. Daß unſer Heyland wahrhaftiger GOtt und eines Weſens, auch gleicher Wir- ckung und Ehre, mit dem Vater ſey, das ſiehet man auch daraus, daß die Chriſtliche Kirche nicht weniger iſt von und in ihm, als von und in dem Vater; Und daß Gnade und Friede, als recht goͤttliche Gaben, welche kein Menſch er- theilen kan, nicht weniger von ihm, als vom Vater, herkommen.
V. 2.
Wir dancken GOtt allezeit (alſo daß es bey einer und der andern Danckſagung nicht bleibet, ſondern wir damit fortfahren) fuͤr euch alle (daß ihr zu ſeiner Gemeinſchaft euch habet bringen laſſen, und bisher unter ſo vielerley Lei- den darinn beſtaͤndig beharret ſeyd) und geden- cken euer (mit aller Liebe und vielem Seegens- Wunſche) in unſerm (theils gemeinſchaftlichen, theils beſondern) Gebete (alſo, wie euer uns wohl bekannter Zuſtand es erfordert) ohn Un- terlaß (durch den Trieb unſers Amts und un- ſerer Liebe, ja des Heiligen Geiſtes, der uns im Gebet nicht laͤſſet muͤde werden.)
Anmerckungen.
1. Eines rechtſchaffen Lehrers Pflicht fuͤr ſeine Gemeine iſt, daß er fleißig fuͤr ſie betet. Wie ungeſchickt aber ein Unbekehrter- und Fleiſchlich-Geſinneter in ſo vielen Stuͤcken zum Amte des Geiſtes ſey, das ſiehet man unter an- dern auch daher, daß er nicht fuͤr ſeine Zuhoͤrer betet und beten kan, ſo lange er unbekehret blei-
bet.
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[6/0008]
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 1. v. 1. 2.
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nen ſtuͤnde, zu bezeugen, und dadurch die Theſſa-
lonicher deſtomehr zu beveſtigen, wie in allem
dem, was er itzo ſchrieb, alſo auch in dem, was er
mit dieſen beyden Maͤnnern ihnen muͤndlich vor-
getragen hatte.
3. Dieſe drey getreue Arbeiter ſind nun
nach aller ihrer Arbeit, Muͤhe und Truͤbſal ſchon
vorlaͤngſt in ihre Ruhe eingegangen, und genieſ-
ſen der Fruͤchte ihrer Arbeit aus Gnaden in voll-
kommner Seligkeit. Wohl dem, der unter den
Lehrern ihnen in aller Treue nachfolget; und
wer unter den Zuhoͤrern und Leſern zum See-
gen annimt, was auch in dieſem Briefe von ih-
nen uns hinterlaſſen iſt. Denn der wird ſie
dermaleins in der Herrlichkeit zu vieler Freude
auch von Perſon kennen lernen. Wie denn,
wenn dieſes nicht ſeyn ſolte, im ewigen Leben ſich
eine Unvollkommenheit finden muͤßte; aber ge-
wiß ein Stuͤck der Seligkeit mit ſeyn wird, wenn
man ſich wird in der Gemeinſchaft der in dieſem
Leben nur bloß aus einiger Beſchreibung be-
kannt gewordenen Patriarchen, Propheten, A-
poſtel, und ſo vieler andern Glaubens-Helden
und Heldinnen, ſonderlich aber JESU Chriſti
ſelbſt, beſinden.
4. Die Stadt Theſſalonich iſt zwar noch
vorhanden, aber nach ſo vielfaͤltiger Veraͤnde-
rung in einem gantz andern Zuſtande unter der
Botmaͤßigkeit des Tuͤrckiſchen Kayſers, und
wird mehr von Tuͤrcken und Juden, als von
Chriſten bewohnet. Wie denn die particu-
lair-Kirchen auf Erden der Moſaiſchen Stifts-
Huͤtte gleich ſind, die vieler Veraͤnderung un-
terworfen war. GOtt laſſe in Chriſto geſegnet
ſeyn, die noch itzo ſich daſelbſt von dem Namen
Chriſti nennen, und laſſe Tuͤrcken und Juden
auch zu ihm gebracht werden:
5. Da wir dieſen an die Theſſalonicher ge-
ſchriebenen Brief noch uͤbrig haben, als eine
theure Beylage; und er gewiß auch um unſert-
willen durch die guͤtige Providentz GOttes auf
uns gekommen iſt; ſo hat ein jeglicher Leſer zu ge-
dencken, als ſey er an ihn inſonderheit mit ge-
ſchrieben; damit er die Application in allen
ſich auch auf ihn ſchickenden Materien ſo viel ge-
wiſſer und richtiger mache. Schicket ſich denn
gleich manches nicht auf ihn, ſo kan er doch dar-
aus die guͤtigen Wege des HErrn an ſeiner
Kirche und an ſeinen Kindern zu vieler guten Er-
innerung mit zum Lobe GOttes erkennen.
6. Die Theſſalonicenſiſche Gemeine war
dergeſtalt durch den Dienſt Pauli und ſeiner ge-
treuen Mitarbeiter von GOtt gepflantzet und
gegruͤndet, daß ſie ſich auch darauf in GOtt, das
iſt, in der glaͤubigen und ſeligen Gemeinſchaft
mit GOtt dem Vater und dem HErrn JEſu
Chriſto befunde. Ein ſolcher Baumeiſter iſt
GOTT, der nicht allein das Gebaͤude ſeiner
Kirche aufrichtet, ſondern es auch ſelbſt ge-
treulich in der genaueſten Vereinigung mit ſich
unterhaͤlt.
7. Des Heiligen Geiſtes wird in dieſen
und den folgenden Worten deswegen nicht ge-
dacht, weil Pauli Vorhaben nicht war von
dem Geheimniß der Heiligen Dreyeinigkeit zu
handeln, davon auch die Glaͤubigen bey ihrer
Bekehrung dergeſtalt waren unterrichtet wor-
den, daß ſie daran gar keinen Zweifel trugen, auch
wohl wuͤſten, daß ſie durch die kraͤftige Salbung
und Wirckung des Heiligen Geiſtes zur ſeligen
Gemeinſchaft des Vaters und des Sohnes ge-
langet waren.
8. Gnade und Friede gehoͤren immer zu-
ſammen, nicht anders, als ein Baum und ſeine
Fruͤchte, als eine Quelle und ihre Baͤchlein.
Denn die Gnade bringet den Frieden, und
durch den Frieden genieſſet man der Gnade.
Gnade ohne Friede iſt nur ein Werck menſch-
licher Einbildung. Und Friede ohne Gnade
iſt nichts, als eine fleiſchliche Sicherheit. Doch
findet ſich bey angefochtenen Seelen die Gnade
ohne den Frieden; ſie bleibet doch aber nicht oh-
ne dieſen.
9. Es thut ein jeglicher Leſer wohl, wenn
er bey dieſen Worten mit ſeinem Gemuͤthe ein
wenig ſtill ſtehet, und ſie ſich glaͤubig zueignet,
in der Verſicherung, daß auch ihm Gnade und
Friede angetragen werde, und, was er davon
ſchon hat, zur Beveſtigung und Vermehrung
kommen muͤſſe. Ach wie mancher bewirbet ſich
mehr, und doch dabey oft vergeblich, um die
Gnade bey Menſchen, als bey GOtt. Hat hin-
gegen ein gedruͤckter keine Gnade bey Men-
ſchen, und keinen Frieden unter Menſchen; ſo
kan er doch getroſt ſeyn und bleiben, daß er bey-
des bey GOtt hat und behaͤlt.
10. Daß unſer Heyland wahrhaftiger
GOtt und eines Weſens, auch gleicher Wir-
ckung und Ehre, mit dem Vater ſey, das ſiehet
man auch daraus, daß die Chriſtliche Kirche
nicht weniger iſt von und in ihm, als von und
in dem Vater; Und daß Gnade und Friede,
als recht goͤttliche Gaben, welche kein Menſch er-
theilen kan, nicht weniger von ihm, als vom
Vater, herkommen.
V. 2.
Wir dancken GOtt allezeit (alſo daß
es bey einer und der andern Danckſagung nicht
bleibet, ſondern wir damit fortfahren) fuͤr euch
alle (daß ihr zu ſeiner Gemeinſchaft euch habet
bringen laſſen, und bisher unter ſo vielerley Lei-
den darinn beſtaͤndig beharret ſeyd) und geden-
cken euer (mit aller Liebe und vielem Seegens-
Wunſche) in unſerm (theils gemeinſchaftlichen,
theils beſondern) Gebete (alſo, wie euer uns
wohl bekannter Zuſtand es erfordert) ohn Un-
terlaß (durch den Trieb unſers Amts und un-
ſerer Liebe, ja des Heiligen Geiſtes, der uns im
Gebet nicht laͤſſet muͤde werden.)
Anmerckungen.
1. Eines rechtſchaffen Lehrers Pflicht
fuͤr ſeine Gemeine iſt, daß er fleißig fuͤr ſie betet.
Wie ungeſchickt aber ein Unbekehrter- und
Fleiſchlich-Geſinneter in ſo vielen Stuͤcken zum
Amte des Geiſtes ſey, das ſiehet man unter an-
dern auch daher, daß er nicht fuͤr ſeine Zuhoͤrer
betet und beten kan, ſo lange er unbekehret blei-
bet.
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/8>, abgerufen am 27.07.2024.
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