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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 4. v. 18.
[Spaltenumbruch] den Namen hat: die knechtische bey denen,
welche noch Knechte der Sünden sind und sich
aus Anklage des Gewissens vor der Strafe
fürchten.
b. Die kindliche entstehet aus dem Glauben
und aus der Betrachtung des Temperments,
welches sich bey GOTT in der Liebe, und in
der Gerechtigkeit befindet, und daher ist sie mit
einem Vertrauen gegen GOtt verknüpfet:
die knechtische aber entstehet bey dem Un-
glauben aus Vorstellung der blossen Gerech-
tigkeit und Allmacht GOttes.
c. Die kindliche siehet GOTT an als einen
versöhnten und gnädigen Vater; die knech-
tische
als einen gerechten Richter.
d. Die kindliche gehet vor der Handlung vor-
her und dirigiret sie, und, wenn sie sündlich
ist, verhindert sie dieselbe: die knechtische
aber folget eigentlich erst nach der sündlichen
That.
e. Die kindliche gebieret einen willigen und
dabey zuvorderst einen innerlichen Dienst
GOttes; die knechtische einen äusserlichen
und dabey gezwungenen.

2. Bey den Gläubigen des alten Testa-
ments war eine mittlere Art der Furcht GOttes.
Denn sie war kindlich in Ansehung des Glau-
bens an den Meßiam und der Gnade GOttes,
in welcher die Gläubigen stunden. Sie war aber
auch noch knechtisch; in dem die Erlösung nur
noch erst verheissen und vorgebildet, aber noch
nicht geleistet war. Und solchergestalt konten
sie noch nicht zu einer solchen Glaubens-Freudig-
keit kommen, welche der Oeconomie des neuen
Bundes eigen ist. Sie waren demnach zwar
Kinder, aber noch wie die Unmündigen, welche
unter den Vormündern und Pflegern gehalten
werden, und auf gewisse Art den Knechten gleich
waren Gal. 4, 1. u. f. Welches geringere und
noch mit vieler Furcht verknüpfte Maaß des
Glaubens Röm. 8, 15. Der knechtische Geist
heißt, wenn Paulus spricht: Jhr habt nicht
einen knechtischen Geist empfangen, daß
ihr euch abermal fürchten müsset, sondern
ihr habt einen kindlichen Geist empfangen,
durch welchen wir ruffen: Abba! lieber
Vater!

3. Die Liebe ist alhier nicht unsere eigene
Liebe, welche wir üben, sondern die Liebe GOt-
tes gegen uns, und heisset in der Liebe soviel als
im Genuß der Liebe. Welches daher erhellet:

a. Weil Johannes im gantzen Contexte sonder-
lich von der Liebe GOttes gegen uns handelt,
und bezeuget, daß wir daher eine Freudigkeit
haben vor GOTT, auch auf den Tag des Ge-
richts.
b. Weil GOttes Liebe gegen uns die knechtische
Furcht hinweg nimmt. Denn so bald man
erkennet, daß man von GOtt geliebet wird,
und bey ihm in Gnaden stehet, so fällt alle
knechtische Furcht vor der Strafe hinweg.
c. Weil unsere thätige Liebe viel zu schwach ist,
die Furcht vor dem Gerichte GOttes hinweg
zu nehmen; als welches allein der Glaube kan,
[Spaltenumbruch] der sich auf die in CHristo JEsu gegründete
Liebe GOttes gegen uns verläßt.
d. Weil man nicht schlechterdinge sagen kan, daß
keine Furcht in unserer Liebe sey. Denn unsere
Liebe muß ja auch auf die Feinde gehen: und
folglich kan sie deßwegen doch wol hertzlich ge-
gen sie seyn, wenn man sich schon nichts gu-
tes von ihnen versiehet, ja in der Furcht stehen
muß, daß einem dieses und jenes zu Leide von ih-
nen geschehen werde. So kan auch manchmal
die Liebe gegen einen guten Freund nicht ohne
Furcht bleiben, wenn man ihn nemlich sehr
schwach findet, und man sich bey seiner Ge-
müths-Schwachheit das und das von ihm be-
sorget. Es findet demnach die Furcht bey der
Liebe statt, und zwar soviel mehr, soviel weni-
ger das Vertrauen dabey Platz hat.

4. Die völlige Liebe, agape teleia ist alhier
soviel als teteleiomene v. 12. und, wie gedacht, von
ihrem wircklichen Genuß zu verstehen, da man sich
durch den Glauben von derselben versichert hält.
diese treibet die knechtische Furcht dergestalt aus,
daß sie dagegen die ihr entgegen stehende Glau-
bens-Freudigkeit mit sich bringet und ver-
mehret.

5. Die Pein, welche in der knechtischen
Furcht ist, kömmt aus dem, der Sünden wegen
über der Vorstellung der Strafe, erschrocknen
Gewissen, und bestehet in einer ängstlichen Unru-
he: wie wir sehen am Exempel Davids in seinen
Buß-Psalmen. Welche Pein fühlen unser
Heyland bey den Bußfertigen nennet mühselig
und beladen seyn.
Matth. 11, 28.

6. Hat die Furcht Pein, so hat hingegen
die völlige Liebe, oder die Versicherung von der
Liebe GOttes gegen uns viele Erqvickung und in-
nige Hertzens-Freude, welche unser Heyland auch
den furchtsamen Seelen Matth. 11, 18. versi-
chert.

7. Es dienet demnach dieser Ort noch fol-
gender gestalt zur fernern Application:

a. Zur Lehre, daß es im gantzen Christenthum,
damit man dem lieben GOtt vieles in der thäti-
gen Liebe geben könne, zuvorderst auf das Neh-
men ankomme, damit man sich in der Liebe
GOttes immer vester setze. Welches geschie-
het, wenn man sich in der Ordnung der wahren
Bekehrung und täglichen Erneuerung die Liebe
GOttes in Christo vorstellet, und aus der Fülle
JEsu Gnade um Gnade, Liebe um Liebe nimmt,
also daß man schmecket und siehet, daß der HErr
freundlich ist. Ferner dienet dieser Text zu die-
ser Lehre, daß die Gläubigen alhier in der Liebe
GOttes schon gleichsam den Himmel auf Erden
haben, und daß ihnen in der Liebe GOttes der
Weg zum Himmel viel leichter werde, als den
Gottlosen zur Hölle. Und gesetzet auch, daß
ein Gottloser an statt der knechtischen Furcht in
einer fleischlichen Sicherheit stehe, so ist doch
auch diese bey dem frechen Sünden-Dienste
so voller Unruhe, daß er seines Lebens nicht recht
froh wird. Und wenn denn das schlafende
Gewissen endlich dabey aufwachet, ist die pein-
liche Furcht vor der Strafe desto grösser.
b. Zur
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 4. v. 18.
[Spaltenumbruch] den Namen hat: die knechtiſche bey denen,
welche noch Knechte der Suͤnden ſind und ſich
aus Anklage des Gewiſſens vor der Strafe
fuͤrchten.
b. Die kindliche entſtehet aus dem Glauben
und aus der Betrachtung des Temperments,
welches ſich bey GOTT in der Liebe, und in
der Gerechtigkeit befindet, und daher iſt ſie mit
einem Vertrauen gegen GOtt verknuͤpfet:
die knechtiſche aber entſtehet bey dem Un-
glauben aus Vorſtellung der bloſſen Gerech-
tigkeit und Allmacht GOttes.
c. Die kindliche ſiehet GOTT an als einen
verſoͤhnten und gnaͤdigen Vater; die knech-
tiſche
als einen gerechten Richter.
d. Die kindliche gehet vor der Handlung vor-
her und dirigiret ſie, und, wenn ſie ſuͤndlich
iſt, verhindert ſie dieſelbe: die knechtiſche
aber folget eigentlich erſt nach der ſuͤndlichen
That.
e. Die kindliche gebieret einen willigen und
dabey zuvorderſt einen innerlichen Dienſt
GOttes; die knechtiſche einen aͤuſſerlichen
und dabey gezwungenen.

2. Bey den Glaͤubigen des alten Teſta-
ments war eine mittlere Art der Furcht GOttes.
Denn ſie war kindlich in Anſehung des Glau-
bens an den Meßiam und der Gnade GOttes,
in welcher die Glaͤubigen ſtunden. Sie war aber
auch noch knechtiſch; in dem die Erloͤſung nur
noch erſt verheiſſen und vorgebildet, aber noch
nicht geleiſtet war. Und ſolchergeſtalt konten
ſie noch nicht zu einer ſolchen Glaubens-Freudig-
keit kommen, welche der Oeconomie des neuen
Bundes eigen iſt. Sie waren demnach zwar
Kinder, aber noch wie die Unmuͤndigen, welche
unter den Vormuͤndern und Pflegern gehalten
werden, und auf gewiſſe Art den Knechten gleich
waren Gal. 4, 1. u. f. Welches geringere und
noch mit vieler Furcht verknuͤpfte Maaß des
Glaubens Roͤm. 8, 15. Der knechtiſche Geiſt
heißt, wenn Paulus ſpricht: Jhr habt nicht
einen knechtiſchen Geiſt empfangen, daß
ihr euch abermal fuͤrchten muͤſſet, ſondern
ihr habt einen kindlichen Geiſt empfangen,
durch welchen wir ruffen: Abba! lieber
Vater!

3. Die Liebe iſt alhier nicht unſere eigene
Liebe, welche wir uͤben, ſondern die Liebe GOt-
tes gegen uns, und heiſſet in der Liebe ſoviel als
im Genuß der Liebe. Welches daher erhellet:

a. Weil Johannes im gantzen Contexte ſonder-
lich von der Liebe GOttes gegen uns handelt,
und bezeuget, daß wir daher eine Freudigkeit
haben vor GOTT, auch auf den Tag des Ge-
richts.
b. Weil GOttes Liebe gegen uns die knechtiſche
Furcht hinweg nimmt. Denn ſo bald man
erkennet, daß man von GOtt geliebet wird,
und bey ihm in Gnaden ſtehet, ſo faͤllt alle
knechtiſche Furcht vor der Strafe hinweg.
c. Weil unſere thaͤtige Liebe viel zu ſchwach iſt,
die Furcht vor dem Gerichte GOttes hinweg
zu nehmen; als welches allein der Glaube kan,
[Spaltenumbruch] der ſich auf die in CHriſto JEſu gegruͤndete
Liebe GOttes gegen uns verlaͤßt.
d. Weil man nicht ſchlechterdinge ſagen kan, daß
keine Furcht in unſerer Liebe ſey. Denn unſere
Liebe muß ja auch auf die Feinde gehen: und
folglich kan ſie deßwegen doch wol hertzlich ge-
gen ſie ſeyn, wenn man ſich ſchon nichts gu-
tes von ihnen verſiehet, ja in der Furcht ſtehen
muß, daß einem dieſes und jenes zu Leide von ih-
nen geſchehen werde. So kan auch manchmal
die Liebe gegen einen guten Freund nicht ohne
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ſchwach findet, und man ſich bey ſeiner Ge-
muͤths-Schwachheit das und das von ihm be-
ſorget. Es findet demnach die Furcht bey der
Liebe ſtatt, und zwar ſoviel mehr, ſoviel weni-
ger das Vertrauen dabey Platz hat.

4. Die voͤllige Liebe, ἀγάπη τελεία iſt alhier
ſoviel als τετελειωμένη v. 12. und, wie gedacht, von
ihrem wircklichen Genuß zu verſtehen, da man ſich
durch den Glauben von derſelben verſichert haͤlt.
dieſe treibet die knechtiſche Furcht dergeſtalt aus,
daß ſie dagegen die ihr entgegen ſtehende Glau-
bens-Freudigkeit mit ſich bringet und ver-
mehret.

5. Die Pein, welche in der knechtiſchen
Furcht iſt, koͤmmt aus dem, der Suͤnden wegen
uͤber der Vorſtellung der Strafe, erſchrocknen
Gewiſſen, und beſtehet in einer aͤngſtlichen Unru-
he: wie wir ſehen am Exempel Davids in ſeinen
Buß-Pſalmen. Welche Pein fuͤhlen unſer
Heyland bey den Bußfertigen nennet muͤhſelig
und beladen ſeyn.
Matth. 11, 28.

6. Hat die Furcht Pein, ſo hat hingegen
die voͤllige Liebe, oder die Verſicherung von der
Liebe GOttes gegen uns viele Erqvickung und in-
nige Hertzens-Freude, welche unſer Heyland auch
den furchtſamen Seelen Matth. 11, 18. verſi-
chert.

7. Es dienet demnach dieſer Ort noch fol-
gender geſtalt zur fernern Application:

a. Zur Lehre, daß es im gantzen Chriſtenthum,
damit man dem lieben GOtt vieles in der thaͤti-
gen Liebe geben koͤnne, zuvorderſt auf das Neh-
men ankomme, damit man ſich in der Liebe
GOttes immer veſter ſetze. Welches geſchie-
het, wenn man ſich in der Ordnung der wahren
Bekehrung und taͤglichen Erneuerung die Liebe
GOttes in Chriſto vorſtellet, und aus der Fuͤlle
JEſu Gnade um Gnade, Liebe um Liebe nimmt,
alſo daß man ſchmecket und ſiehet, daß der HErr
freundlich iſt. Ferner dienet dieſer Text zu die-
ſer Lehre, daß die Glaͤubigen alhier in der Liebe
GOttes ſchon gleichſam den Himmel auf Erden
haben, und daß ihnen in der Liebe GOttes der
Weg zum Himmel viel leichter werde, als den
Gottloſen zur Hoͤlle. Und geſetzet auch, daß
ein Gottloſer an ſtatt der knechtiſchen Furcht in
einer fleiſchlichen Sicherheit ſtehe, ſo iſt doch
auch dieſe bey dem frechen Suͤnden-Dienſte
ſo voller Unruhe, daß er ſeines Lebens nicht recht
froh wird. Und wenn denn das ſchlafende
Gewiſſen endlich dabey aufwachet, iſt die pein-
liche Furcht vor der Strafe deſto groͤſſer.
b. Zur
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[718/0718] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 4. v. 18. den Namen hat: die knechtiſche bey denen, welche noch Knechte der Suͤnden ſind und ſich aus Anklage des Gewiſſens vor der Strafe fuͤrchten. b. Die kindliche entſtehet aus dem Glauben und aus der Betrachtung des Temperments, welches ſich bey GOTT in der Liebe, und in der Gerechtigkeit befindet, und daher iſt ſie mit einem Vertrauen gegen GOtt verknuͤpfet: die knechtiſche aber entſtehet bey dem Un- glauben aus Vorſtellung der bloſſen Gerech- tigkeit und Allmacht GOttes. c. Die kindliche ſiehet GOTT an als einen verſoͤhnten und gnaͤdigen Vater; die knech- tiſche als einen gerechten Richter. d. Die kindliche gehet vor der Handlung vor- her und dirigiret ſie, und, wenn ſie ſuͤndlich iſt, verhindert ſie dieſelbe: die knechtiſche aber folget eigentlich erſt nach der ſuͤndlichen That. e. Die kindliche gebieret einen willigen und dabey zuvorderſt einen innerlichen Dienſt GOttes; die knechtiſche einen aͤuſſerlichen und dabey gezwungenen. 2. Bey den Glaͤubigen des alten Teſta- ments war eine mittlere Art der Furcht GOttes. Denn ſie war kindlich in Anſehung des Glau- bens an den Meßiam und der Gnade GOttes, in welcher die Glaͤubigen ſtunden. Sie war aber auch noch knechtiſch; in dem die Erloͤſung nur noch erſt verheiſſen und vorgebildet, aber noch nicht geleiſtet war. Und ſolchergeſtalt konten ſie noch nicht zu einer ſolchen Glaubens-Freudig- keit kommen, welche der Oeconomie des neuen Bundes eigen iſt. Sie waren demnach zwar Kinder, aber noch wie die Unmuͤndigen, welche unter den Vormuͤndern und Pflegern gehalten werden, und auf gewiſſe Art den Knechten gleich waren Gal. 4, 1. u. f. Welches geringere und noch mit vieler Furcht verknuͤpfte Maaß des Glaubens Roͤm. 8, 15. Der knechtiſche Geiſt heißt, wenn Paulus ſpricht: Jhr habt nicht einen knechtiſchen Geiſt empfangen, daß ihr euch abermal fuͤrchten muͤſſet, ſondern ihr habt einen kindlichen Geiſt empfangen, durch welchen wir ruffen: Abba! lieber Vater! 3. Die Liebe iſt alhier nicht unſere eigene Liebe, welche wir uͤben, ſondern die Liebe GOt- tes gegen uns, und heiſſet in der Liebe ſoviel als im Genuß der Liebe. Welches daher erhellet: a. Weil Johannes im gantzen Contexte ſonder- lich von der Liebe GOttes gegen uns handelt, und bezeuget, daß wir daher eine Freudigkeit haben vor GOTT, auch auf den Tag des Ge- richts. b. Weil GOttes Liebe gegen uns die knechtiſche Furcht hinweg nimmt. Denn ſo bald man erkennet, daß man von GOtt geliebet wird, und bey ihm in Gnaden ſtehet, ſo faͤllt alle knechtiſche Furcht vor der Strafe hinweg. c. Weil unſere thaͤtige Liebe viel zu ſchwach iſt, die Furcht vor dem Gerichte GOttes hinweg zu nehmen; als welches allein der Glaube kan, der ſich auf die in CHriſto JEſu gegruͤndete Liebe GOttes gegen uns verlaͤßt. d. Weil man nicht ſchlechterdinge ſagen kan, daß keine Furcht in unſerer Liebe ſey. Denn unſere Liebe muß ja auch auf die Feinde gehen: und folglich kan ſie deßwegen doch wol hertzlich ge- gen ſie ſeyn, wenn man ſich ſchon nichts gu- tes von ihnen verſiehet, ja in der Furcht ſtehen muß, daß einem dieſes und jenes zu Leide von ih- nen geſchehen werde. So kan auch manchmal die Liebe gegen einen guten Freund nicht ohne Furcht bleiben, wenn man ihn nemlich ſehr ſchwach findet, und man ſich bey ſeiner Ge- muͤths-Schwachheit das und das von ihm be- ſorget. Es findet demnach die Furcht bey der Liebe ſtatt, und zwar ſoviel mehr, ſoviel weni- ger das Vertrauen dabey Platz hat. 4. Die voͤllige Liebe, ἀγάπη τελεία iſt alhier ſoviel als τετελειωμένη v. 12. und, wie gedacht, von ihrem wircklichen Genuß zu verſtehen, da man ſich durch den Glauben von derſelben verſichert haͤlt. dieſe treibet die knechtiſche Furcht dergeſtalt aus, daß ſie dagegen die ihr entgegen ſtehende Glau- bens-Freudigkeit mit ſich bringet und ver- mehret. 5. Die Pein, welche in der knechtiſchen Furcht iſt, koͤmmt aus dem, der Suͤnden wegen uͤber der Vorſtellung der Strafe, erſchrocknen Gewiſſen, und beſtehet in einer aͤngſtlichen Unru- he: wie wir ſehen am Exempel Davids in ſeinen Buß-Pſalmen. Welche Pein fuͤhlen unſer Heyland bey den Bußfertigen nennet muͤhſelig und beladen ſeyn. Matth. 11, 28. 6. Hat die Furcht Pein, ſo hat hingegen die voͤllige Liebe, oder die Verſicherung von der Liebe GOttes gegen uns viele Erqvickung und in- nige Hertzens-Freude, welche unſer Heyland auch den furchtſamen Seelen Matth. 11, 18. verſi- chert. 7. Es dienet demnach dieſer Ort noch fol- gender geſtalt zur fernern Application: a. Zur Lehre, daß es im gantzen Chriſtenthum, damit man dem lieben GOtt vieles in der thaͤti- gen Liebe geben koͤnne, zuvorderſt auf das Neh- men ankomme, damit man ſich in der Liebe GOttes immer veſter ſetze. Welches geſchie- het, wenn man ſich in der Ordnung der wahren Bekehrung und taͤglichen Erneuerung die Liebe GOttes in Chriſto vorſtellet, und aus der Fuͤlle JEſu Gnade um Gnade, Liebe um Liebe nimmt, alſo daß man ſchmecket und ſiehet, daß der HErr freundlich iſt. Ferner dienet dieſer Text zu die- ſer Lehre, daß die Glaͤubigen alhier in der Liebe GOttes ſchon gleichſam den Himmel auf Erden haben, und daß ihnen in der Liebe GOttes der Weg zum Himmel viel leichter werde, als den Gottloſen zur Hoͤlle. Und geſetzet auch, daß ein Gottloſer an ſtatt der knechtiſchen Furcht in einer fleiſchlichen Sicherheit ſtehe, ſo iſt doch auch dieſe bey dem frechen Suͤnden-Dienſte ſo voller Unruhe, daß er ſeines Lebens nicht recht froh wird. Und wenn denn das ſchlafende Gewiſſen endlich dabey aufwachet, iſt die pein- liche Furcht vor der Strafe deſto groͤſſer. b. Zur

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/718>, abgerufen am 23.11.2024.