Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite
Cap. 4. v. 12-14. des ersten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] ner Worte höretet ihr; aber kein Gleich-
niß sahet ihr ausser der Stimme.
d. Nun könnte es zwar das Ansehen haben, als
wenn von Mose das Gegentheil stehe, wenn
es 2 B. Mos. 33, 11. heißt: Der HERR
redete mit Mose von Angesicht zu
Angesicht, wie ein Mann mit seinem
Freund redet.
Deßgleichen 4 B. Mos. 12,
8. Mündlich rede ich mit ihm, und er
siehet den HErrn in seiner Gestalt, nicht
durch dunckle Worte, oder Gleichniß.

Allein ob GOtt gleich dem Mosi sich auf eine
nahere und herrlichere Art geoffenbahret hat,
als andern Patriarchen und Propheten, ihm
auch seine Gegenwart sichtbarlich gezeiget; so
ist diese Darstellung doch nur unter gewissen
sichtbaren Figuren, welche das Wesen GOt-
tes selbst nicht gewesen sind, geschehen. Es
bleibet demnach dabey, daß wir GOtt nicht
eher sehen werden wie er ist, als bis es erschei-
nen wird in der Herrlichkeit, was wir seyn
werden. 1 Joh. 3, 1. 2.

2. Bey den übrigen Worten dieses Textes
ist folgendes zu mercken:

a. Die Liebe unter einander ist keine Ursache un-
serer Gemeinschaft mit GOtt, sondern nur
eine Frucht davon, an welcher wir das Kenn-
zeichen von derselben nehmen: gleichwie der
Apostel oben c. 3, 14. 15. gar deutlich, und da-
bey zugleich das Gegentheil bezeiget hat,
wenn er daselbst saget: Wir wissen, daß
wir aus dem Tode in das Leben kommen
sind. Denn wir lieben die Brüder. Wer
den Bruder nicht liebet, der bleibet im
Tode.
b. Das bleiben GOttes in uns hat die gnädi-
ge Zukunft, oder diejenige gnädige Wirckung
des allgegenwärtigen GOttes zum Grunde,
nach welcher er sich mit den Glaubigen verei-
niget, und sie, als seinen Tempel, bewohnet
und regieret. Welches denn auf Seiten des
Menschen ein Werck des Glaubens ist, der
sich durch die Liebe gegen den Nächsten thätig
erweiset.
c. Die Liebe GOttes ist alhier diejenige, die
GOTT zu uns träget; und wie er sie in der
Erwerbung des Heyls damit bezeuget hat, daß
er seinen eingebornen Sohn dazu in die Welt
gesandt: also erweiset er sie damit der Appli-
cation
nach auch thätig, daß er sie durch den
Heiligen Geist in unsere Hertzen ausgiesset, um
sie zu schmecken und zu sehen, oder dabey zu er-
kennen, wie freundlich der HErr ist. Röm. 5,
5. 1 Pet. 2, 3. Da man denn in zarter Gegen-
Liebe sagen kan: Abba! lieber Vater!
Röm. 8, 15. Gal. 4, 6. Auf welche Art denn
die Liebe GOttes völlig bey uns ist. Davon es
oben c. 2, 5. heißt: Wer sein Wort hält (und
solches mit der Liebe gegen den Nächsten be-
zeuget) in solchem ist wahrlich die Liebe
GOttes vollkommen,
oder zu ihrem rechten
Zwecke gelanget.
V. 13.

Daran erkennen wir, daß wir in ihm
[Spaltenumbruch] bleiben, und er in uns, daß er uns von sei-
nem Geist gegeben hat.

Anmerckungen.

1. Der Apostel wiederhohlet hiermit, was
er vorher c. 3, 24. schon bezeuget hat. Und ge-
schiehet solche Wiederhohlung des Nachdrucks
willen, weil ihm das Hertz davon voll, und den
Gläubigen daran viel gelegen war, nemlich von
der seligen Gemeinschaft mit GOtt recht versi-
chert zu seyn, dazu deßwegen der Zweck des gan-
tzen Briefes hauptsächlich gerichtet war.

2. Doch findet sich einiger Unterscheid zwi-
schen diesem und jenem Zeugnisse. Denn da es
dort nur allein geheissen hatte, daß GOtt in
uns bleibe, so wird alhier zur mehrern Erleute-
rung hinzugesetzet, daß auch wir in ihm bleiben.
Und an statt der Worte, er hat uns den Geist
gegeben,
heißt es alhier, er hat uns von sei-
nem Geiste gegeben.
Da denn aus beyder
Oerter Zusammenhaltung so viel erhellet, daß
uns nebst den Gaben auch der Heilige Geist selbst
mitgetheilet werde.

V. 14.

Und wir haben gesehen und zeugen,
daß der Vater den Sohn gesandt hat zum
Heyland der Welt.

Anmerckungen.

1. Nach dem der Apostel bezeuget hat, daß
GOtt unsichtbar sey, und seinem Wesen nach
von niemanden noch niemals sey gesehen wor-
den; so zeiget er darauf an, wie daß er sich in dem
Sohne sichtbar gemacht habe: wie denn dieser
daher Joh. 14, 9. Philippo, als dieser bat, daß
er ihm den Vater zeigen möchte, antwortete:
So lange bin ich bey euch, und du kennest
mich noch nicht: Philippe, wer mich sie-
het, der siehet den Vater: wie sprichst du
denn: zeige uns den Vater? glaubest du
nicht, daß ich im Vater bin, und der Vater
in mir ist?
Von dem, wie der Sohn gesehen
worden, hat man die Anmerckungen über c. 1, 1.
zu conferiren.

2. Da die Apostel alles, was mit Christo
vorgegangen war, mit ihren Augen gesehen und
mit ihren Ohren gehöret hatten, so konnten sie
davon auch zeugen; als welches ihr Amt war
nach Ap. Ges. 1. 21, 22. daher ihr Zeugniß wahr-
haftig war, auch so vielen Eingang funde. Und
zu der sinnlichen Erfahrung kam bey ihnen auch
die innerliche Salbung des Heiligen Geistes
samt der davon äusserlich vor den Augen und
Ohren der Menschen sich hervorthuenden Wun-
der-Thätigkeit. Von der Sendung des Soh-
nes siehe v. 9, 10.

3. Das Wort Heyland ist ein Amts-Na-
me des Sohnes GOttes, welcher sonst mit dem
Namen JEsus ausgedrucket wird. Der
Nachdruck davon ist dieser, daß er die Bedeu-
tung seines Namens in der That erfüllet, und
zwar also, daß er uns nicht allein von der Sün-
de und dem daher rührenden Unheil befreyet,
sondern uns auch alles Heyl zuwege bringet,

und,
X x x x
Cap. 4. v. 12-14. des erſten Briefes Johannis.
[Spaltenumbruch] ner Worte hoͤretet ihr; aber kein Gleich-
niß ſahet ihr auſſer der Stimme.
d. Nun koͤnnte es zwar das Anſehen haben, als
wenn von Moſe das Gegentheil ſtehe, wenn
es 2 B. Moſ. 33, 11. heißt: Der HERR
redete mit Moſe von Angeſicht zu
Angeſicht, wie ein Mann mit ſeinem
Freund redet.
Deßgleichen 4 B. Moſ. 12,
8. Muͤndlich rede ich mit ihm, und er
ſiehet den HErrn in ſeiner Geſtalt, nicht
durch dunckle Worte, oder Gleichniß.

Allein ob GOtt gleich dem Moſi ſich auf eine
nahere und herrlichere Art geoffenbahret hat,
als andern Patriarchen und Propheten, ihm
auch ſeine Gegenwart ſichtbarlich gezeiget; ſo
iſt dieſe Darſtellung doch nur unter gewiſſen
ſichtbaren Figuren, welche das Weſen GOt-
tes ſelbſt nicht geweſen ſind, geſchehen. Es
bleibet demnach dabey, daß wir GOtt nicht
eher ſehen werden wie er iſt, als bis es erſchei-
nen wird in der Herrlichkeit, was wir ſeyn
werden. 1 Joh. 3, 1. 2.

2. Bey den uͤbrigen Worten dieſes Textes
iſt folgendes zu mercken:

a. Die Liebe unter einander iſt keine Urſache un-
ſerer Gemeinſchaft mit GOtt, ſondern nur
eine Frucht davon, an welcher wir das Kenn-
zeichen von derſelben nehmen: gleichwie der
Apoſtel oben c. 3, 14. 15. gar deutlich, und da-
bey zugleich das Gegentheil bezeiget hat,
wenn er daſelbſt ſaget: Wir wiſſen, daß
wir aus dem Tode in das Leben kommen
ſind. Denn wir lieben die Bruͤder. Wer
den Bruder nicht liebet, der bleibet im
Tode.
b. Das bleiben GOttes in uns hat die gnaͤdi-
ge Zukunft, oder diejenige gnaͤdige Wirckung
des allgegenwaͤrtigen GOttes zum Grunde,
nach welcher er ſich mit den Glaubigen verei-
niget, und ſie, als ſeinen Tempel, bewohnet
und regieret. Welches denn auf Seiten des
Menſchen ein Werck des Glaubens iſt, der
ſich durch die Liebe gegen den Naͤchſten thaͤtig
erweiſet.
c. Die Liebe GOttes iſt alhier diejenige, die
GOTT zu uns traͤget; und wie er ſie in der
Erwerbung des Heyls damit bezeuget hat, daß
er ſeinen eingebornen Sohn dazu in die Welt
geſandt: alſo erweiſet er ſie damit der Appli-
cation
nach auch thaͤtig, daß er ſie durch den
Heiligen Geiſt in unſere Hertzen ausgieſſet, um
ſie zu ſchmecken und zu ſehen, oder dabey zu er-
kennen, wie freundlich der HErr iſt. Roͤm. 5,
5. 1 Pet. 2, 3. Da man denn in zarter Gegen-
Liebe ſagen kan: Abba! lieber Vater!
Roͤm. 8, 15. Gal. 4, 6. Auf welche Art denn
die Liebe GOttes voͤllig bey uns iſt. Davon es
oben c. 2, 5. heißt: Wer ſein Wort haͤlt (und
ſolches mit der Liebe gegen den Naͤchſten be-
zeuget) in ſolchem iſt wahrlich die Liebe
GOttes vollkommen,
oder zu ihrem rechten
Zwecke gelanget.
V. 13.

Daran erkennen wir, daß wir in ihm
[Spaltenumbruch] bleiben, und er in uns, daß er uns von ſei-
nem Geiſt gegeben hat.

Anmerckungen.

1. Der Apoſtel wiederhohlet hiermit, was
er vorher c. 3, 24. ſchon bezeuget hat. Und ge-
ſchiehet ſolche Wiederhohlung des Nachdrucks
willen, weil ihm das Hertz davon voll, und den
Glaͤubigen daran viel gelegen war, nemlich von
der ſeligen Gemeinſchaft mit GOtt recht verſi-
chert zu ſeyn, dazu deßwegen der Zweck des gan-
tzen Briefes hauptſaͤchlich gerichtet war.

2. Doch findet ſich einiger Unterſcheid zwi-
ſchen dieſem und jenem Zeugniſſe. Denn da es
dort nur allein geheiſſen hatte, daß GOtt in
uns bleibe, ſo wird alhier zur mehrern Erleute-
rung hinzugeſetzet, daß auch wir in ihm bleiben.
Und an ſtatt der Worte, er hat uns den Geiſt
gegeben,
heißt es alhier, er hat uns von ſei-
nem Geiſte gegeben.
Da denn aus beyder
Oerter Zuſammenhaltung ſo viel erhellet, daß
uns nebſt den Gaben auch der Heilige Geiſt ſelbſt
mitgetheilet werde.

V. 14.

Und wir haben geſehen und zeugen,
daß der Vater den Sohn geſandt hat zum
Heyland der Welt.

Anmerckungen.

1. Nach dem der Apoſtel bezeuget hat, daß
GOtt unſichtbar ſey, und ſeinem Weſen nach
von niemanden noch niemals ſey geſehen wor-
den; ſo zeiget er darauf an, wie daß er ſich in dem
Sohne ſichtbar gemacht habe: wie denn dieſer
daher Joh. 14, 9. Philippo, als dieſer bat, daß
er ihm den Vater zeigen moͤchte, antwortete:
So lange bin ich bey euch, und du kenneſt
mich noch nicht: Philippe, wer mich ſie-
het, der ſiehet den Vater: wie ſprichſt du
denn: zeige uns den Vater? glaubeſt du
nicht, daß ich im Vater bin, und der Vater
in mir iſt?
Von dem, wie der Sohn geſehen
worden, hat man die Anmerckungen uͤber c. 1, 1.
zu conferiren.

2. Da die Apoſtel alles, was mit Chriſto
vorgegangen war, mit ihren Augen geſehen und
mit ihren Ohren gehoͤret hatten, ſo konnten ſie
davon auch zeugen; als welches ihr Amt war
nach Ap. Geſ. 1. 21, 22. daher ihr Zeugniß wahr-
haftig war, auch ſo vielen Eingang funde. Und
zu der ſinnlichen Erfahrung kam bey ihnen auch
die innerliche Salbung des Heiligen Geiſtes
ſamt der davon aͤuſſerlich vor den Augen und
Ohren der Menſchen ſich hervorthuenden Wun-
der-Thaͤtigkeit. Von der Sendung des Soh-
nes ſiehe v. 9, 10.

3. Das Wort Heyland iſt ein Amts-Na-
me des Sohnes GOttes, welcher ſonſt mit dem
Namen JEſus ausgedrucket wird. Der
Nachdruck davon iſt dieſer, daß er die Bedeu-
tung ſeines Namens in der That erfuͤllet, und
zwar alſo, daß er uns nicht allein von der Suͤn-
de und dem daher ruͤhrenden Unheil befreyet,
ſondern uns auch alles Heyl zuwege bringet,

und,
X x x x
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <item>
                  <pb facs="#f0715" n="715"/>
                  <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Cap. 4. v. 12-14. des er&#x017F;ten Briefes Johannis.</hi> </fw><lb/>
                  <cb/> <hi rendition="#fr">ner Worte ho&#x0364;retet ihr; aber kein Gleich-<lb/>
niß &#x017F;ahet ihr au&#x017F;&#x017F;er der Stimme.</hi> </item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">d.</hi> Nun ko&#x0364;nnte es zwar das An&#x017F;ehen haben, als<lb/>
wenn von Mo&#x017F;e das Gegentheil &#x017F;tehe, wenn<lb/>
es 2 B. Mo&#x017F;. 33, 11. heißt: <hi rendition="#fr">Der <hi rendition="#g">HERR</hi><lb/>
redete mit Mo&#x017F;e von Ange&#x017F;icht zu<lb/>
Ange&#x017F;icht, wie ein Mann mit &#x017F;einem<lb/>
Freund redet.</hi> Deßgleichen 4 B. Mo&#x017F;. 12,<lb/>
8. <hi rendition="#fr">Mu&#x0364;ndlich rede ich mit ihm, und er<lb/>
&#x017F;iehet den HErrn in &#x017F;einer Ge&#x017F;talt, nicht<lb/>
durch dunckle Worte, oder Gleichniß.</hi><lb/>
Allein ob GOtt gleich dem Mo&#x017F;i &#x017F;ich auf eine<lb/>
nahere und herrlichere Art geoffenbahret hat,<lb/>
als andern Patriarchen und Propheten, ihm<lb/>
auch &#x017F;eine Gegenwart &#x017F;ichtbarlich gezeiget; &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t die&#x017F;e Dar&#x017F;tellung doch nur unter gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ichtbaren Figuren, welche das We&#x017F;en GOt-<lb/>
tes &#x017F;elb&#x017F;t nicht gewe&#x017F;en &#x017F;ind, ge&#x017F;chehen. Es<lb/>
bleibet demnach dabey, daß wir GOtt nicht<lb/>
eher &#x017F;ehen werden wie er i&#x017F;t, als bis es er&#x017F;chei-<lb/>
nen wird in der Herrlichkeit, was wir &#x017F;eyn<lb/>
werden. 1 Joh. 3, 1. 2.</item>
              </list><lb/>
              <p>2. Bey den u&#x0364;brigen Worten die&#x017F;es Textes<lb/>
i&#x017F;t folgendes zu mercken:</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Die Liebe unter einander i&#x017F;t keine Ur&#x017F;ache un-<lb/>
&#x017F;erer Gemein&#x017F;chaft mit GOtt, &#x017F;ondern nur<lb/>
eine Frucht davon, an welcher wir das Kenn-<lb/>
zeichen von der&#x017F;elben nehmen: gleichwie der<lb/>
Apo&#x017F;tel oben c. 3, 14. 15. gar deutlich, und da-<lb/>
bey zugleich das Gegentheil bezeiget hat,<lb/>
wenn er da&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;aget: <hi rendition="#fr">Wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
wir aus dem Tode in das Leben kommen<lb/>
&#x017F;ind. Denn wir lieben die Bru&#x0364;der. Wer<lb/>
den Bruder nicht liebet, der bleibet im<lb/>
Tode.</hi></item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Das <hi rendition="#fr">bleiben GOttes</hi> in uns hat die gna&#x0364;di-<lb/>
ge Zukunft, oder diejenige gna&#x0364;dige Wirckung<lb/>
des allgegenwa&#x0364;rtigen GOttes zum Grunde,<lb/>
nach welcher er &#x017F;ich mit den Glaubigen verei-<lb/>
niget, und &#x017F;ie, als &#x017F;einen Tempel, bewohnet<lb/>
und regieret. Welches denn auf Seiten des<lb/>
Men&#x017F;chen ein Werck des Glaubens i&#x017F;t, der<lb/>
&#x017F;ich durch die Liebe gegen den Na&#x0364;ch&#x017F;ten tha&#x0364;tig<lb/>
erwei&#x017F;et.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">c.</hi> Die <hi rendition="#fr">Liebe GOttes</hi> i&#x017F;t alhier diejenige, die<lb/>
GOTT zu uns tra&#x0364;get; und wie er &#x017F;ie in der<lb/>
Erwerbung des Heyls damit bezeuget hat, daß<lb/>
er &#x017F;einen eingebornen Sohn dazu in die Welt<lb/>
ge&#x017F;andt: al&#x017F;o erwei&#x017F;et er <hi rendition="#fr">&#x017F;i</hi>e damit der <hi rendition="#aq">Appli-<lb/>
cation</hi> nach auch tha&#x0364;tig, daß er &#x017F;ie durch den<lb/>
Heiligen Gei&#x017F;t in un&#x017F;ere Hertzen ausgie&#x017F;&#x017F;et, um<lb/>
&#x017F;ie zu &#x017F;chmecken und zu &#x017F;ehen, oder dabey zu er-<lb/>
kennen, wie freundlich der HErr i&#x017F;t. Ro&#x0364;m. 5,<lb/>
5. 1 Pet. 2, 3. Da man denn in zarter Gegen-<lb/>
Liebe &#x017F;agen kan: <hi rendition="#fr">Abba! lieber Vater!</hi><lb/>
Ro&#x0364;m. 8, 15. Gal. 4, 6. Auf welche Art denn<lb/>
die Liebe GOttes vo&#x0364;llig bey uns i&#x017F;t. Davon es<lb/>
oben c. 2, 5. heißt: <hi rendition="#fr">Wer &#x017F;ein Wort</hi> ha&#x0364;lt (und<lb/>
&#x017F;olches mit der Liebe gegen den Na&#x0364;ch&#x017F;ten be-<lb/>
zeuget) <hi rendition="#fr">in &#x017F;olchem i&#x017F;t wahrlich die Liebe<lb/>
GOttes vollkommen,</hi> oder zu ihrem rechten<lb/>
Zwecke gelanget.</item>
              </list>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 13.</hi> </head><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Daran erkennen wir, daß wir in ihm<lb/><cb/>
bleiben, und er in uns, daß er uns von &#x017F;ei-<lb/>
nem Gei&#x017F;t gegeben hat.</hi> </p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Der Apo&#x017F;tel wiederhohlet hiermit, was<lb/>
er vorher c. 3, 24. &#x017F;chon bezeuget hat. Und ge-<lb/>
&#x017F;chiehet &#x017F;olche Wiederhohlung des Nachdrucks<lb/>
willen, weil ihm das Hertz davon voll, und den<lb/>
Gla&#x0364;ubigen daran viel gelegen war, nemlich von<lb/>
der &#x017F;eligen Gemein&#x017F;chaft mit GOtt recht ver&#x017F;i-<lb/>
chert zu &#x017F;eyn, dazu deßwegen der Zweck des gan-<lb/>
tzen Briefes haupt&#x017F;a&#x0364;chlich gerichtet war.</p><lb/>
              <p>2. Doch findet &#x017F;ich einiger Unter&#x017F;cheid zwi-<lb/>
&#x017F;chen die&#x017F;em und jenem Zeugni&#x017F;&#x017F;e. Denn da es<lb/>
dort nur allein gehei&#x017F;&#x017F;en hatte, daß GOtt in<lb/>
uns bleibe, &#x017F;o wird alhier zur mehrern Erleute-<lb/>
rung hinzuge&#x017F;etzet, daß auch wir in ihm bleiben.<lb/>
Und an &#x017F;tatt der Worte, <hi rendition="#fr">er hat uns den Gei&#x017F;t<lb/>
gegeben,</hi> heißt es alhier, <hi rendition="#fr">er hat uns von &#x017F;ei-<lb/>
nem Gei&#x017F;te gegeben.</hi> Da denn aus beyder<lb/>
Oerter Zu&#x017F;ammenhaltung &#x017F;o viel erhellet, daß<lb/>
uns neb&#x017F;t den Gaben auch der Heilige Gei&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
mitgetheilet werde.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 14.</hi> </head><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Und wir haben ge&#x017F;ehen und zeugen,<lb/>
daß der Vater den Sohn ge&#x017F;andt hat zum<lb/>
Heyland der Welt.</hi> </p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Nach dem der Apo&#x017F;tel bezeuget hat, daß<lb/>
GOtt un&#x017F;ichtbar &#x017F;ey, und &#x017F;einem We&#x017F;en nach<lb/>
von niemanden noch niemals &#x017F;ey ge&#x017F;ehen wor-<lb/>
den; &#x017F;o zeiget er darauf an, wie daß er &#x017F;ich in dem<lb/>
Sohne &#x017F;ichtbar gemacht habe: wie denn die&#x017F;er<lb/>
daher Joh. 14, 9. Philippo, als die&#x017F;er bat, daß<lb/>
er ihm den Vater zeigen mo&#x0364;chte, antwortete:<lb/><hi rendition="#fr">So lange bin ich bey euch, und du kenne&#x017F;t<lb/>
mich noch nicht: Philippe, wer mich &#x017F;ie-<lb/>
het, der &#x017F;iehet den Vater: wie &#x017F;prich&#x017F;t du<lb/>
denn: zeige uns den Vater? glaube&#x017F;t du<lb/>
nicht, daß ich im Vater bin, und der Vater<lb/>
in mir i&#x017F;t?</hi> Von dem, wie der Sohn ge&#x017F;ehen<lb/>
worden, hat man die Anmerckungen u&#x0364;ber c. 1, 1.<lb/>
zu <hi rendition="#aq">conferir</hi>en.</p><lb/>
              <p>2. Da die Apo&#x017F;tel alles, was mit Chri&#x017F;to<lb/>
vorgegangen war, mit ihren Augen ge&#x017F;ehen und<lb/>
mit ihren Ohren geho&#x0364;ret hatten, &#x017F;o konnten &#x017F;ie<lb/>
davon auch zeugen; als welches ihr Amt war<lb/>
nach Ap. Ge&#x017F;. 1. 21, 22. daher ihr Zeugniß wahr-<lb/>
haftig war, auch &#x017F;o vielen Eingang funde. Und<lb/>
zu der &#x017F;innlichen Erfahrung kam bey ihnen auch<lb/>
die innerliche Salbung des Heiligen Gei&#x017F;tes<lb/>
&#x017F;amt der davon a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich vor den Augen und<lb/>
Ohren der Men&#x017F;chen &#x017F;ich hervorthuenden Wun-<lb/>
der-Tha&#x0364;tigkeit. Von der Sendung des Soh-<lb/>
nes &#x017F;iehe v. 9, 10.</p><lb/>
              <p>3. Das Wort <hi rendition="#fr">Heyland</hi> i&#x017F;t ein Amts-Na-<lb/>
me des Sohnes GOttes, welcher &#x017F;on&#x017F;t mit dem<lb/>
Namen <hi rendition="#fr">JE&#x017F;us</hi> ausgedrucket wird. Der<lb/>
Nachdruck davon i&#x017F;t die&#x017F;er, daß er die Bedeu-<lb/>
tung &#x017F;eines Namens in der That erfu&#x0364;llet, und<lb/>
zwar al&#x017F;o, daß er uns nicht allein von der Su&#x0364;n-<lb/>
de und dem daher ru&#x0364;hrenden Unheil befreyet,<lb/>
&#x017F;ondern uns auch alles Heyl zuwege bringet,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X x x x</fw><fw place="bottom" type="catch">und,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[715/0715] Cap. 4. v. 12-14. des erſten Briefes Johannis. ner Worte hoͤretet ihr; aber kein Gleich- niß ſahet ihr auſſer der Stimme. d. Nun koͤnnte es zwar das Anſehen haben, als wenn von Moſe das Gegentheil ſtehe, wenn es 2 B. Moſ. 33, 11. heißt: Der HERR redete mit Moſe von Angeſicht zu Angeſicht, wie ein Mann mit ſeinem Freund redet. Deßgleichen 4 B. Moſ. 12, 8. Muͤndlich rede ich mit ihm, und er ſiehet den HErrn in ſeiner Geſtalt, nicht durch dunckle Worte, oder Gleichniß. Allein ob GOtt gleich dem Moſi ſich auf eine nahere und herrlichere Art geoffenbahret hat, als andern Patriarchen und Propheten, ihm auch ſeine Gegenwart ſichtbarlich gezeiget; ſo iſt dieſe Darſtellung doch nur unter gewiſſen ſichtbaren Figuren, welche das Weſen GOt- tes ſelbſt nicht geweſen ſind, geſchehen. Es bleibet demnach dabey, daß wir GOtt nicht eher ſehen werden wie er iſt, als bis es erſchei- nen wird in der Herrlichkeit, was wir ſeyn werden. 1 Joh. 3, 1. 2. 2. Bey den uͤbrigen Worten dieſes Textes iſt folgendes zu mercken: a. Die Liebe unter einander iſt keine Urſache un- ſerer Gemeinſchaft mit GOtt, ſondern nur eine Frucht davon, an welcher wir das Kenn- zeichen von derſelben nehmen: gleichwie der Apoſtel oben c. 3, 14. 15. gar deutlich, und da- bey zugleich das Gegentheil bezeiget hat, wenn er daſelbſt ſaget: Wir wiſſen, daß wir aus dem Tode in das Leben kommen ſind. Denn wir lieben die Bruͤder. Wer den Bruder nicht liebet, der bleibet im Tode. b. Das bleiben GOttes in uns hat die gnaͤdi- ge Zukunft, oder diejenige gnaͤdige Wirckung des allgegenwaͤrtigen GOttes zum Grunde, nach welcher er ſich mit den Glaubigen verei- niget, und ſie, als ſeinen Tempel, bewohnet und regieret. Welches denn auf Seiten des Menſchen ein Werck des Glaubens iſt, der ſich durch die Liebe gegen den Naͤchſten thaͤtig erweiſet. c. Die Liebe GOttes iſt alhier diejenige, die GOTT zu uns traͤget; und wie er ſie in der Erwerbung des Heyls damit bezeuget hat, daß er ſeinen eingebornen Sohn dazu in die Welt geſandt: alſo erweiſet er ſie damit der Appli- cation nach auch thaͤtig, daß er ſie durch den Heiligen Geiſt in unſere Hertzen ausgieſſet, um ſie zu ſchmecken und zu ſehen, oder dabey zu er- kennen, wie freundlich der HErr iſt. Roͤm. 5, 5. 1 Pet. 2, 3. Da man denn in zarter Gegen- Liebe ſagen kan: Abba! lieber Vater! Roͤm. 8, 15. Gal. 4, 6. Auf welche Art denn die Liebe GOttes voͤllig bey uns iſt. Davon es oben c. 2, 5. heißt: Wer ſein Wort haͤlt (und ſolches mit der Liebe gegen den Naͤchſten be- zeuget) in ſolchem iſt wahrlich die Liebe GOttes vollkommen, oder zu ihrem rechten Zwecke gelanget. V. 13. Daran erkennen wir, daß wir in ihm bleiben, und er in uns, daß er uns von ſei- nem Geiſt gegeben hat. Anmerckungen. 1. Der Apoſtel wiederhohlet hiermit, was er vorher c. 3, 24. ſchon bezeuget hat. Und ge- ſchiehet ſolche Wiederhohlung des Nachdrucks willen, weil ihm das Hertz davon voll, und den Glaͤubigen daran viel gelegen war, nemlich von der ſeligen Gemeinſchaft mit GOtt recht verſi- chert zu ſeyn, dazu deßwegen der Zweck des gan- tzen Briefes hauptſaͤchlich gerichtet war. 2. Doch findet ſich einiger Unterſcheid zwi- ſchen dieſem und jenem Zeugniſſe. Denn da es dort nur allein geheiſſen hatte, daß GOtt in uns bleibe, ſo wird alhier zur mehrern Erleute- rung hinzugeſetzet, daß auch wir in ihm bleiben. Und an ſtatt der Worte, er hat uns den Geiſt gegeben, heißt es alhier, er hat uns von ſei- nem Geiſte gegeben. Da denn aus beyder Oerter Zuſammenhaltung ſo viel erhellet, daß uns nebſt den Gaben auch der Heilige Geiſt ſelbſt mitgetheilet werde. V. 14. Und wir haben geſehen und zeugen, daß der Vater den Sohn geſandt hat zum Heyland der Welt. Anmerckungen. 1. Nach dem der Apoſtel bezeuget hat, daß GOtt unſichtbar ſey, und ſeinem Weſen nach von niemanden noch niemals ſey geſehen wor- den; ſo zeiget er darauf an, wie daß er ſich in dem Sohne ſichtbar gemacht habe: wie denn dieſer daher Joh. 14, 9. Philippo, als dieſer bat, daß er ihm den Vater zeigen moͤchte, antwortete: So lange bin ich bey euch, und du kenneſt mich noch nicht: Philippe, wer mich ſie- het, der ſiehet den Vater: wie ſprichſt du denn: zeige uns den Vater? glaubeſt du nicht, daß ich im Vater bin, und der Vater in mir iſt? Von dem, wie der Sohn geſehen worden, hat man die Anmerckungen uͤber c. 1, 1. zu conferiren. 2. Da die Apoſtel alles, was mit Chriſto vorgegangen war, mit ihren Augen geſehen und mit ihren Ohren gehoͤret hatten, ſo konnten ſie davon auch zeugen; als welches ihr Amt war nach Ap. Geſ. 1. 21, 22. daher ihr Zeugniß wahr- haftig war, auch ſo vielen Eingang funde. Und zu der ſinnlichen Erfahrung kam bey ihnen auch die innerliche Salbung des Heiligen Geiſtes ſamt der davon aͤuſſerlich vor den Augen und Ohren der Menſchen ſich hervorthuenden Wun- der-Thaͤtigkeit. Von der Sendung des Soh- nes ſiehe v. 9, 10. 3. Das Wort Heyland iſt ein Amts-Na- me des Sohnes GOttes, welcher ſonſt mit dem Namen JEſus ausgedrucket wird. Der Nachdruck davon iſt dieſer, daß er die Bedeu- tung ſeines Namens in der That erfuͤllet, und zwar alſo, daß er uns nicht allein von der Suͤn- de und dem daher ruͤhrenden Unheil befreyet, ſondern uns auch alles Heyl zuwege bringet, und, X x x x

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/715
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 715. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/715>, abgerufen am 27.11.2024.