[Spaltenumbruch]
Welches auch der Zweck Johannis mit diesem Briefe war.
5. Gleichwie die Gemeinschaft mit der Welt, oder den Welt-Kindern eine irdische und vergängliche Freude bringet: also führet die Ge- meinschaft mit GOtt eine geistliche Freude mit sich, und diese characterisiret sich damit am al- lermeisten, wenn man sich über der Welt-Freude betrübet, und sie als einen Unflat meidet.
6. Wie wir zur völligen Freude gelangen können, und sie in uns zu bewahren haben, zei- get unser Heyland an Joh. 16, 24. wenn er spricht: Bittet, so werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen sey. Siehe auch v. 21. und c. 15, 11.
7. Wer eines niedergeschlagenen Gemüths und dabey voller Bekümmerniß ist, aber doch die- ses zum Kennzeichen seines Gnaden-Standes hat, daß ihm die eitle Welt-Freude ein rechter Eckel ist, und daher von seiner Gemeinschaft mit GOtt versichert seyn kan, der hat Ursache sich zur Freude und zum guten Muth zu erwecken: wel- ches denn geschiehet, wenn er sich die Gnade GOt- tes, als für ihn gehörig, recht zueignet, und sich gleichsam darinnen recht lagert. Jst er derselben gleich nicht werth, so ist er ihrer doch bedürftig und nicht unfähig. Davon man den Anfang der Berg-Predigt Christi sehe, wie er darinnen die Seligkeit den Leidtragenden, und den Armen am Geiste und den Hungrigen und Durstigen nach der Gerechtigkeit zueignet.
V. 5.
Und diß ist die Verkündigung (Gr. die Verheissung) die wir von ihm (dem Sohne GOttes, als dem Worte und interprete GOTTES Joh. 1, 18.) gehöret haben (al- so daß das gehörete Wort mit dem Glauben recht vereiniget und dadurch recht digeriret und zur Kraft und Frucht gekommen ist Hebr. 4, 2.) und euch verkündigen, daß GOTT ein Licht ist (das uns erleuchtet und zu seiner Gemeinschaft ziehet,) und in ihm ist keine Finsterniß (Gr. es ist durch- aus keine Finsterniß in ihm; so wenig er selbst voller Unvollkommenheit ist, oder einiges Bö- ses an sich hat, so wenig kan er auch in seiner Ge- meinschaft einiges herrschendes böses an den Menschen leiden.)
Anmerckungen.
1. Daß GOTT ein Licht ist, das ist an sich selbst zwar ein Lehr-Satz, Johannes aber stellet solches alhier vor als eine Verheissung, nach der Bedeutung des Griechischen Worts epaggelia, dieweil er alhier GOtt, als das we- sentliche Licht, betrachtet nach der Ausstrahlung und Mittheilung seiner Lichts-Kraft, womit er unsere Finsterniß zu vertreiben, und uns in sei- ner Gemeinschaft immer mehr zum Genuß des Lichts zu bringen suchet.
2. Wenn GOTT ein Licht heißt, und zwar im Lehr-Satze, so wird damit gesehen auf sein reines, heiliges, allwissendes, allweises und sehr kräftig wirckendes, auch höchst erfreu- [Spaltenumbruch]
liches Wesen: Jn Ansehung welcher letztern Lichts-Eigenschaften es alhier eine Verheissung heißt, daß GOtt ein Licht ist.
3. Weil keinesweges einige Finsterniß, oder einiges Sünden-Ubel in GOTT ist, so kömmt dieses auch so vielweniger von ihm her, als von seinem Urheber. Siehe desgleichen Jac. 1, 17.
4. Jst GOTT gleich ein Licht, und woh- net in einem Lichte, dazu in diesem Leben, was das völlige Anschauen betrift, niemand kom- men kan 1 Tim. 6, 16. so werden doch die Gläu- bigen in der Gemeinschaft mit ihm schon ein Licht in ihm, Eph. 5, 8. und beweisen es mit dem Wandel im Lichte.
5. Da GOTT ein Licht ist, so haben wir in der Gemeinschaft mit ihm zum öftern zu seuf- zen: Der HErr lasse sein Angesicht leuchten über uns, und sey uns gnädig! 4 B. Mos. 6, 25. Und Ps. 4, 7. HErr, erhebe über uns das Licht deines Antlitzes.
6. Jst GOTT ein Licht; so ist auch der Sohn GOttes wahrer GOTT, weil er ein Licht ist, und zwar wie nach seinem Wesen, also auch nach seinem Amte, ein Licht der Welt, das da erleuchtet alle, die in diese Welt kommen, und sich dem Lichte nicht entziehen. Joh. 1, 4. u.f.
7. Damit wir uns GOtt mögen so viel öf- ter als ein Licht vorstellen, und uns zum Wandel im Lichte, als die Kinder des Lichts, erwecken, so haben wir bey dem Anschauen des Lichts der Sonnen, und bey dem täglichen Genuß des sich von desselben Strahlen ausbreitenden Lichts, auch bey dem Gebrauch des Haus-Lichts zur Nacht-Zeit, uns zum öftern GOttes, als des einzigen Urhebers von solchem Lichte, zu erinnern, und zu erkennen, wie nöthig und nützlich uns GOtt, als das wahre wesenliche Licht sey.
8. Kömmts mit einem Gläubigen, der ein Licht im HErrn worden ist, zum Sterben, und dabey dahin, daß ihm auch das Licht der Augen vergehet, oder wenn dieses schon vorher im Al- ter sehr abnimmt; so ist sein lebendiger Trost dieser, daß GOtt sein Licht ist, und sein Licht bleibet, und also sein ewiges Licht seyn wird, wenn er nach dem dunckeln Glauben zum völli- gen Anschauen gelanget.
V. 6.
So wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln im Finster- niß (leben in muthwilligen Sünden) so lügen wir und thun nicht die Wahrheit (wir be- weisen nicht in der That, was wir seyn.)
Anmerckungen.
1. Es war zu Johannis Zeiten am Ende des ersten Seculi schon zu einem so grossen Ver- fall des rechtschafnen Wesens im Christenthum gekommen, daß viele sich GOttes und seiner Ge- meinschaft rühmeten, aber nichts weniger als diese in der That erwiesen. Was manche mit dem Munde nicht sagten, das hatten sie doch in ihrem Sinne und in ihren Gedancken. Und eben diesem grossen Mißbrauche des Evangelii
ist
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 1. v. 4-6.
[Spaltenumbruch]
Welches auch der Zweck Johannis mit dieſem Briefe war.
5. Gleichwie die Gemeinſchaft mit der Welt, oder den Welt-Kindern eine irdiſche und vergaͤngliche Freude bringet: alſo fuͤhret die Ge- meinſchaft mit GOtt eine geiſtliche Freude mit ſich, und dieſe characteriſiret ſich damit am al- lermeiſten, wenn man ſich uͤber der Welt-Freude betruͤbet, und ſie als einen Unflat meidet.
6. Wie wir zur voͤlligen Freude gelangen koͤnnen, und ſie in uns zu bewahren haben, zei- get unſer Heyland an Joh. 16, 24. wenn er ſpricht: Bittet, ſo werdet ihr nehmen, daß eure Freude vollkommen ſey. Siehe auch v. 21. und c. 15, 11.
7. Wer eines niedergeſchlagenen Gemuͤths und dabey voller Bekuͤmmerniß iſt, aber doch die- ſes zum Kennzeichen ſeines Gnaden-Standes hat, daß ihm die eitle Welt-Freude ein rechter Eckel iſt, und daher von ſeiner Gemeinſchaft mit GOtt verſichert ſeyn kan, der hat Urſache ſich zur Freude und zum guten Muth zu erwecken: wel- ches denn geſchiehet, wenn er ſich die Gnade GOt- tes, als fuͤr ihn gehoͤrig, recht zueignet, und ſich gleichſam darinnen recht lagert. Jſt er derſelben gleich nicht werth, ſo iſt er ihrer doch beduͤrftig und nicht unfaͤhig. Davon man den Anfang der Berg-Predigt Chriſti ſehe, wie er darinnen die Seligkeit den Leidtragenden, und den Armen am Geiſte und den Hungrigen und Durſtigen nach der Gerechtigkeit zueignet.
V. 5.
Und diß iſt die Verkuͤndigung (Gr. die Verheiſſung) die wir von ihm (dem Sohne GOttes, als dem Worte und interprete GOTTES Joh. 1, 18.) gehoͤret haben (al- ſo daß das gehoͤrete Wort mit dem Glauben recht vereiniget und dadurch recht digeriret und zur Kraft und Frucht gekommen iſt Hebr. 4, 2.) und euch verkuͤndigen, daß GOTT ein Licht iſt (das uns erleuchtet und zu ſeiner Gemeinſchaft ziehet,) und in ihm iſt keine Finſterniß (Gr. es iſt durch- aus keine Finſterniß in ihm; ſo wenig er ſelbſt voller Unvollkommenheit iſt, oder einiges Boͤ- ſes an ſich hat, ſo wenig kan er auch in ſeiner Ge- meinſchaft einiges herrſchendes boͤſes an den Menſchen leiden.)
Anmerckungen.
1. Daß GOTT ein Licht iſt, das iſt an ſich ſelbſt zwar ein Lehr-Satz, Johannes aber ſtellet ſolches alhier vor als eine Verheiſſung, nach der Bedeutung des Griechiſchen Worts ἐπαγγελία, dieweil er alhier GOtt, als das we- ſentliche Licht, betrachtet nach der Ausſtrahlung und Mittheilung ſeiner Lichts-Kraft, womit er unſere Finſterniß zu vertreiben, und uns in ſei- ner Gemeinſchaft immer mehr zum Genuß des Lichts zu bringen ſuchet.
2. Wenn GOTT ein Licht heißt, und zwar im Lehr-Satze, ſo wird damit geſehen auf ſein reines, heiliges, allwiſſendes, allweiſes und ſehr kraͤftig wirckendes, auch hoͤchſt erfreu- [Spaltenumbruch]
liches Weſen: Jn Anſehung welcher letztern Lichts-Eigenſchaften es alhier eine Verheiſſung heißt, daß GOtt ein Licht iſt.
3. Weil keinesweges einige Finſterniß, oder einiges Suͤnden-Ubel in GOTT iſt, ſo koͤmmt dieſes auch ſo vielweniger von ihm her, als von ſeinem Urheber. Siehe desgleichen Jac. 1, 17.
4. Jſt GOTT gleich ein Licht, und woh- net in einem Lichte, dazu in dieſem Leben, was das voͤllige Anſchauen betrift, niemand kom- men kan 1 Tim. 6, 16. ſo werden doch die Glaͤu- bigen in der Gemeinſchaft mit ihm ſchon ein Licht in ihm, Eph. 5, 8. und beweiſen es mit dem Wandel im Lichte.
5. Da GOTT ein Licht iſt, ſo haben wir in der Gemeinſchaft mit ihm zum oͤftern zu ſeuf- zen: Der HErr laſſe ſein Angeſicht leuchten uͤber uns, und ſey uns gnaͤdig! 4 B. Moſ. 6, 25. Und Pſ. 4, 7. HErr, erhebe uͤber uns das Licht deines Antlitzes.
6. Jſt GOTT ein Licht; ſo iſt auch der Sohn GOttes wahrer GOTT, weil er ein Licht iſt, und zwar wie nach ſeinem Weſen, alſo auch nach ſeinem Amte, ein Licht der Welt, das da erleuchtet alle, die in dieſe Welt kommen, und ſich dem Lichte nicht entziehen. Joh. 1, 4. u.f.
7. Damit wir uns GOtt moͤgen ſo viel oͤf- ter als ein Licht vorſtellen, und uns zum Wandel im Lichte, als die Kinder des Lichts, erwecken, ſo haben wir bey dem Anſchauen des Lichts der Sonnen, und bey dem taͤglichen Genuß des ſich von deſſelben Strahlen ausbreitenden Lichts, auch bey dem Gebrauch des Haus-Lichts zur Nacht-Zeit, uns zum oͤftern GOttes, als des einzigen Urhebers von ſolchem Lichte, zu erinnern, und zu erkennen, wie noͤthig und nuͤtzlich uns GOtt, als das wahre weſenliche Licht ſey.
8. Koͤmmts mit einem Glaͤubigen, der ein Licht im HErrn worden iſt, zum Sterben, und dabey dahin, daß ihm auch das Licht der Augen vergehet, oder wenn dieſes ſchon vorher im Al- ter ſehr abnimmt; ſo iſt ſein lebendiger Troſt dieſer, daß GOtt ſein Licht iſt, und ſein Licht bleibet, und alſo ſein ewiges Licht ſeyn wird, wenn er nach dem dunckeln Glauben zum voͤlli- gen Anſchauen gelanget.
V. 6.
So wir ſagen, daß wir Gemeinſchaft mit ihm haben, und wandeln im Finſter- niß (leben in muthwilligen Suͤnden) ſo luͤgen wir und thun nicht die Wahrheit (wir be- weiſen nicht in der That, was wir ſeyn.)
Anmerckungen.
1. Es war zu Johannis Zeiten am Ende des erſten Seculi ſchon zu einem ſo groſſen Ver- fall des rechtſchafnen Weſens im Chriſtenthum gekommen, daß viele ſich GOttes und ſeiner Ge- meinſchaft ruͤhmeten, aber nichts weniger als dieſe in der That erwieſen. Was manche mit dem Munde nicht ſagten, das hatten ſie doch in ihrem Sinne und in ihren Gedancken. Und eben dieſem groſſen Mißbrauche des Evangelii
iſt
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[650/0652]
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 1. v. 4-6.
Welches auch der Zweck Johannis mit dieſem
Briefe war.
5. Gleichwie die Gemeinſchaft mit der
Welt, oder den Welt-Kindern eine irdiſche und
vergaͤngliche Freude bringet: alſo fuͤhret die Ge-
meinſchaft mit GOtt eine geiſtliche Freude mit
ſich, und dieſe characteriſiret ſich damit am al-
lermeiſten, wenn man ſich uͤber der Welt-Freude
betruͤbet, und ſie als einen Unflat meidet.
6. Wie wir zur voͤlligen Freude gelangen
koͤnnen, und ſie in uns zu bewahren haben, zei-
get unſer Heyland an Joh. 16, 24. wenn er ſpricht:
Bittet, ſo werdet ihr nehmen, daß eure
Freude vollkommen ſey. Siehe auch v. 21.
und c. 15, 11.
7. Wer eines niedergeſchlagenen Gemuͤths
und dabey voller Bekuͤmmerniß iſt, aber doch die-
ſes zum Kennzeichen ſeines Gnaden-Standes
hat, daß ihm die eitle Welt-Freude ein rechter
Eckel iſt, und daher von ſeiner Gemeinſchaft mit
GOtt verſichert ſeyn kan, der hat Urſache ſich zur
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ches denn geſchiehet, wenn er ſich die Gnade GOt-
tes, als fuͤr ihn gehoͤrig, recht zueignet, und ſich
gleichſam darinnen recht lagert. Jſt er derſelben
gleich nicht werth, ſo iſt er ihrer doch beduͤrftig
und nicht unfaͤhig. Davon man den Anfang
der Berg-Predigt Chriſti ſehe, wie er darinnen
die Seligkeit den Leidtragenden, und den Armen
am Geiſte und den Hungrigen und Durſtigen
nach der Gerechtigkeit zueignet.
V. 5.
Und diß iſt die Verkuͤndigung (Gr. die
Verheiſſung) die wir von ihm (dem Sohne
GOttes, als dem Worte und interprete
GOTTES Joh. 1, 18.) gehoͤret haben (al-
ſo daß das gehoͤrete Wort mit dem Glauben
recht vereiniget und dadurch recht digeriret
und zur Kraft und Frucht gekommen iſt
Hebr. 4, 2.) und euch verkuͤndigen, daß
GOTT ein Licht iſt (das uns erleuchtet
und zu ſeiner Gemeinſchaft ziehet,) und in
ihm iſt keine Finſterniß (Gr. es iſt durch-
aus keine Finſterniß in ihm; ſo wenig er ſelbſt
voller Unvollkommenheit iſt, oder einiges Boͤ-
ſes an ſich hat, ſo wenig kan er auch in ſeiner Ge-
meinſchaft einiges herrſchendes boͤſes an den
Menſchen leiden.)
Anmerckungen.
1. Daß GOTT ein Licht iſt, das iſt an
ſich ſelbſt zwar ein Lehr-Satz, Johannes aber
ſtellet ſolches alhier vor als eine Verheiſſung,
nach der Bedeutung des Griechiſchen Worts
ἐπαγγελία, dieweil er alhier GOtt, als das we-
ſentliche Licht, betrachtet nach der Ausſtrahlung
und Mittheilung ſeiner Lichts-Kraft, womit er
unſere Finſterniß zu vertreiben, und uns in ſei-
ner Gemeinſchaft immer mehr zum Genuß des
Lichts zu bringen ſuchet.
2. Wenn GOTT ein Licht heißt, und
zwar im Lehr-Satze, ſo wird damit geſehen auf
ſein reines, heiliges, allwiſſendes, allweiſes und
ſehr kraͤftig wirckendes, auch hoͤchſt erfreu-
liches Weſen: Jn Anſehung welcher letztern
Lichts-Eigenſchaften es alhier eine Verheiſſung
heißt, daß GOtt ein Licht iſt.
3. Weil keinesweges einige Finſterniß,
oder einiges Suͤnden-Ubel in GOTT iſt, ſo
koͤmmt dieſes auch ſo vielweniger von ihm her,
als von ſeinem Urheber. Siehe desgleichen
Jac. 1, 17.
4. Jſt GOTT gleich ein Licht, und woh-
net in einem Lichte, dazu in dieſem Leben, was
das voͤllige Anſchauen betrift, niemand kom-
men kan 1 Tim. 6, 16. ſo werden doch die Glaͤu-
bigen in der Gemeinſchaft mit ihm ſchon ein Licht
in ihm, Eph. 5, 8. und beweiſen es mit dem
Wandel im Lichte.
5. Da GOTT ein Licht iſt, ſo haben wir
in der Gemeinſchaft mit ihm zum oͤftern zu ſeuf-
zen: Der HErr laſſe ſein Angeſicht leuchten
uͤber uns, und ſey uns gnaͤdig! 4 B. Moſ. 6,
25. Und Pſ. 4, 7. HErr, erhebe uͤber uns das
Licht deines Antlitzes.
6. Jſt GOTT ein Licht; ſo iſt auch der
Sohn GOttes wahrer GOTT, weil er ein
Licht iſt, und zwar wie nach ſeinem Weſen, alſo
auch nach ſeinem Amte, ein Licht der Welt, das
da erleuchtet alle, die in dieſe Welt kommen,
und ſich dem Lichte nicht entziehen. Joh. 1, 4. u.f.
7. Damit wir uns GOtt moͤgen ſo viel oͤf-
ter als ein Licht vorſtellen, und uns zum Wandel
im Lichte, als die Kinder des Lichts, erwecken, ſo
haben wir bey dem Anſchauen des Lichts der
Sonnen, und bey dem taͤglichen Genuß des ſich
von deſſelben Strahlen ausbreitenden Lichts,
auch bey dem Gebrauch des Haus-Lichts zur
Nacht-Zeit, uns zum oͤftern GOttes, als des
einzigen Urhebers von ſolchem Lichte, zu erinnern,
und zu erkennen, wie noͤthig und nuͤtzlich uns
GOtt, als das wahre weſenliche Licht ſey.
8. Koͤmmts mit einem Glaͤubigen, der ein
Licht im HErrn worden iſt, zum Sterben, und
dabey dahin, daß ihm auch das Licht der Augen
vergehet, oder wenn dieſes ſchon vorher im Al-
ter ſehr abnimmt; ſo iſt ſein lebendiger Troſt
dieſer, daß GOtt ſein Licht iſt, und ſein Licht
bleibet, und alſo ſein ewiges Licht ſeyn wird,
wenn er nach dem dunckeln Glauben zum voͤlli-
gen Anſchauen gelanget.
V. 6.
So wir ſagen, daß wir Gemeinſchaft
mit ihm haben, und wandeln im Finſter-
niß (leben in muthwilligen Suͤnden) ſo luͤgen
wir und thun nicht die Wahrheit (wir be-
weiſen nicht in der That, was wir ſeyn.)
Anmerckungen.
1. Es war zu Johannis Zeiten am Ende
des erſten Seculi ſchon zu einem ſo groſſen Ver-
fall des rechtſchafnen Weſens im Chriſtenthum
gekommen, daß viele ſich GOttes und ſeiner Ge-
meinſchaft ruͤhmeten, aber nichts weniger als
dieſe in der That erwieſen. Was manche mit
dem Munde nicht ſagten, das hatten ſie doch in
ihrem Sinne und in ihren Gedancken. Und
eben dieſem groſſen Mißbrauche des Evangelii
iſt
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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/652>, abgerufen am 22.11.2024.
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