Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Cap. 1. v. 19. 20. des andern Briefes Petri. [Spaltenumbruch]
risey gehören, verbieten; dabey sie denn auchvon dieser aus den Augen und allen Menschen- Satzungen nachgesetzet wird. c. Zur Warnung vor dem Mißbrauch der Criticae: damit manche Gelehrte also über gewisse Oerter des Grund-Textes herfahren, wie manche unbehutsame Hand mit der Licht- putze über ein Licht, daß es gar ausgelöschet wird. Diß heißt nicht auf das Wort achten, sondern es verachten. d. Zur Ermahnung, daß man durch den wür- digen Gebrauch des göttlichen Worts sich zu einem brennenden und scheinenden Lichte ma- chen lasse; wie Johannes der Täufer war. Joh. 5, 35. e. Zum Troste, daß das, welches uns in dem Prophetischen Worte noch dunckel ist, uns zu lauter Licht werden solle, wo nicht noch in dieser Zeit, nach der Verheissung GOttes, Dan. 12, 4. 9. 10. doch alsdenn, wenn uns Christus, der rechte Morgenstern, an jenem grossen Tage des Gerichts und zugleich des Lichts aufgehen wird. V. 20. Und das solt ihr für das erste wissen, Anmerckungen. 1. Die Verbindung dieses Verses mit 2. Das Wort proton gehet alhier auf kei- 3. Die Worte propheteia graphes, die Weis- 4. Wenn man das Wort epilusis von der 5. Da nun das Wort idia weder auf die 6. Nun ist es zwar an sich selbst wahr, daß a. Die natürliche Bedeutung des Worts idia, wenn man solches von dem, was nach dem ei- genen Willen und Gutdüncken geschiehet, verstehet; als davon es nicht füglich kan an- genommen werden. Vielmehr heißt idios, idion, eigen, das, was einer für sich besonders hat G g g g 2
Cap. 1. v. 19. 20. des andern Briefes Petri. [Spaltenumbruch]
riſey gehoͤren, verbieten; dabey ſie denn auchvon dieſer aus den Augen und allen Menſchen- Satzungen nachgeſetzet wird. c. Zur Warnung vor dem Mißbrauch der Criticæ: damit manche Gelehrte alſo uͤber gewiſſe Oerter des Grund-Textes herfahren, wie manche unbehutſame Hand mit der Licht- putze uͤber ein Licht, daß es gar ausgeloͤſchet wird. Diß heißt nicht auf das Wort achten, ſondern es verachten. d. Zur Ermahnung, daß man durch den wuͤr- digen Gebrauch des goͤttlichen Worts ſich zu einem brennenden und ſcheinenden Lichte ma- chen laſſe; wie Johannes der Taͤufer war. Joh. 5, 35. e. Zum Troſte, daß das, welches uns in dem Prophetiſchen Worte noch dunckel iſt, uns zu lauter Licht werden ſolle, wo nicht noch in dieſer Zeit, nach der Verheiſſung GOttes, Dan. 12, 4. 9. 10. doch alsdenn, wenn uns Chriſtus, der rechte Morgenſtern, an jenem groſſen Tage des Gerichts und zugleich des Lichts aufgehen wird. V. 20. Und das ſolt ihr fuͤr das erſte wiſſen, Anmerckungen. 1. Die Verbindung dieſes Verſes mit 2. Das Wort πρῶτον gehet alhier auf kei- 3. Die Worte προφητεία γραφῆς, die Weiſ- 4. Wenn man das Wort ἐπίλυσις von der 5. Da nun das Wort ἰδία weder auf die 6. Nun iſt es zwar an ſich ſelbſt wahr, daß a. Die natuͤrliche Bedeutung des Worts ἰδία, wenn man ſolches von dem, was nach dem ei- genen Willen und Gutduͤncken geſchiehet, verſtehet; als davon es nicht fuͤglich kan an- genommen werden. Vielmehr heißt ἴδιος, ἴδιον, eigen, das, was einer fuͤr ſich beſonders hat G g g g 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <list> <item><pb facs="#f0605" n="603"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 1. v. 19. 20. des andern Briefes Petri.</hi></fw><lb/><cb/> riſey gehoͤren, verbieten; dabey ſie denn auch<lb/> von dieſer aus den Augen und allen Menſchen-<lb/> Satzungen nachgeſetzet wird.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">c.</hi><hi rendition="#fr">Zur Warnung</hi> vor dem Mißbrauch der<lb/><hi rendition="#aq">Criticæ:</hi> damit manche Gelehrte alſo uͤber<lb/> gewiſſe Oerter des Grund-Textes herfahren,<lb/> wie manche unbehutſame Hand mit der Licht-<lb/> putze uͤber ein Licht, daß es gar ausgeloͤſchet<lb/> wird. Diß heißt nicht auf das Wort <hi rendition="#fr">achten,</hi><lb/> ſondern es <hi rendition="#fr">verachten.</hi></item><lb/> <item><hi rendition="#aq">d.</hi> Zur <hi rendition="#fr">Ermahnung,</hi> daß man durch den wuͤr-<lb/> digen Gebrauch des goͤttlichen Worts ſich zu<lb/> einem brennenden und ſcheinenden Lichte ma-<lb/> chen laſſe; wie Johannes der Taͤufer war.<lb/> Joh. 5, 35.</item><lb/> <item><hi rendition="#aq">e.</hi> Zum <hi rendition="#fr">Troſte,</hi> daß das, welches uns in dem<lb/> Prophetiſchen Worte noch dunckel iſt, uns<lb/> zu lauter Licht werden ſolle, wo nicht noch in<lb/> dieſer Zeit, nach der Verheiſſung GOttes,<lb/> Dan. 12, 4. 9. 10. doch alsdenn, wenn uns<lb/> Chriſtus, der rechte Morgenſtern, an jenem<lb/> groſſen Tage des Gerichts und zugleich des<lb/> Lichts aufgehen wird.</item> </list> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">V. 20.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#fr">Und das ſolt ihr fuͤr das erſte wiſſen,<lb/> daß keine Weiſſagung in der Schrift ge-<lb/> ſchiehet aus eigner Auslegung,</hi> (oder ſey<lb/> eigner Aufloͤſung.)</p><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/> <p>1. Die <hi rendition="#fr">Verbindung</hi> dieſes Verſes mit<lb/> dem vorhergehenden iſt dieſe: Nachdem der Apo-<lb/> ſtel den Glaͤubigen das Prophetiſche Wort an-<lb/> geprieſen hatte nach ſeiner Veſtigkeit und Lichts-<lb/> Kraft, mit der Ermahnung, ferner darauf<lb/> wohl zu achten, ſo bekraͤftiget er ſolches, und<lb/> nimmt den Erweis daher, daß es ſich ſelbſt nicht<lb/> widerſpreche, und damit aufloͤſe, oder aufhebe,<lb/> ſondern nach allen ſeinen Theilen in einer voll-<lb/> kommenen Ubereinſtimmung ſtehe.</p><lb/> <p>2. Das Wort πρῶτον gehet alhier auf kei-<lb/> ne Ordnung, nach welcher etwas zuerſt zu mer-<lb/> cken waͤre, ſintemal nichts darauf folget, wel-<lb/> ches zum andern Stuͤcke gehoͤrete: ſondern es<lb/> heißt ſoviel als <hi rendition="#fr">zuvorderſt,</hi> fuͤrnemlich, vor<lb/> allen Dingen. Jn welchem Verſtande wir die-<lb/> ſes Wort auch finden c. 3, 3. Siehe desgleichen<lb/> Roͤm. 3, 2.</p><lb/> <p>3. Die Worte προφητεία γραφῆς, die <hi rendition="#fr">Weiſ-<lb/> ſagung der Schrift,</hi> iſt alhier eben ſoviel als<lb/> λόγος προφητικὸς, das Prophetiſche Wort, die<lb/> ſchriftliche, oder in Schriften verfaſſete Weiſ-<lb/> ſagung. Jn welchem Verſtande das Wort<lb/> προφητέια auch ſonſt genommen wird. Matth.<lb/> 13, 14. Offenb. 1, 3. c. 22, 7. 10. 18. 19. Es<lb/> wird zwar auch von der Auslegung verſtanden<lb/> 1 Cor. 14, 1. u. f. allein dieſe Bedeutung ſchicket<lb/> ſich alhier nicht; zumal wenn man nach der ge-<lb/> meinen Meynung das Wort ἐπί<foreign xml:lang="gre"><gap reason="fm"/></foreign>υσις von der<lb/> Auslegung verſtehen wolte; ſintemal man die<lb/> Auslegung von der Auslegung nicht ſagen kan.<lb/> Die Worte πᾶσα γραφὴ heiſſen mit dem darauf<lb/> folgenden Woͤrtlein der Verneinung ου<foreign xml:lang="gre"><gap reason="fm"/></foreign>, nach<lb/> dem <hi rendition="#aq">Hebraiſmo,</hi> ſoviel, als keine Weiſſagung<lb/><cb/> der Schrift, oder in der Schrift, wie es der ſel.<lb/><hi rendition="#aq">Lutherus</hi> gar recht uͤberſetzet hat.</p><lb/> <p>4. Wenn man das Wort ἐπίλυσις von der<lb/> Auslegung verſtehet, ſo kan das dabey geſetzte<lb/> Wort <foreign xml:lang="gre"><gap reason="fm"/></foreign>δία weder auf die heilige Schrift ſelbſt,<lb/> noch auf die Freyheit der eignen Auslegung ge-<lb/> hen. Denn die Schrift iſt eigner Auslegung,<lb/> das iſt, ſie iſt von der Beſchaffenheit, daß, da von<lb/> einer Sache an vielen Orten gehandelt wird,<lb/> und immer einer den andern erlaͤutert, ſie ſich<lb/> ſelbſt erklaͤret: wie denn unter den <hi rendition="#aq">hermenev-<lb/> ti</hi>ſchen Regeln dieſe eine der beſten und wichtig-<lb/> ſten iſt, daß man Schrift mit Schrift erklaͤre.<lb/> So hat auch ein ieglicher Chriſt die Freyheit<lb/> wie zum leſen, alſo auch zum Erklaͤren der heili-<lb/> gen Schrift: ſintemal das Leſen ohne das Ver-<lb/> ſtehen und Erklaͤren, welches eine eigene Ausle-<lb/> gung iſt, die ein ieder bey fleißiger Forſchung ſich<lb/> ſelbſt machet, vergeblich ſeyn wuͤrde. Und alſo<lb/> kan das Wort ἰδία alhier nicht von dem, was ei-<lb/> ner daheim fuͤr ſich ſelbſt thut, und dem was<lb/> oͤffentlich geſchiehet, entgegen geſetzet iſt ver-<lb/> ſtanden werden: zumal wenn man den Gegen-<lb/> ſatz von einer allgemeinen, oder kirchlichen Aus-<lb/> legung, welche ſich, wenn man es beym Lichte<lb/> beſiehet, in die menſchliche <hi rendition="#aq">Auctorit</hi>aͤt <hi rendition="#aq">reſol-<lb/> vir</hi>en wuͤrde, verſtehen wolte. Denn das waͤ-<lb/> re ein papiſtiſcher Jrrthum, nach welchem man<lb/> den Ausſpruch auf den Pabſt wuͤrde ankommen<lb/> laſſen. Da man keinem <hi rendition="#aq">Concilio,</hi> und wenn<lb/> es auch aus tauſend Perſonen beſtuͤnde, dieſes<lb/> einraͤumen kan, daß es Macht habe, die heilige<lb/> Schrift alſo auszulegen, daß ein ieder ohne<lb/> Pruͤfung und Uberzeugung an ſolche Auslegung<lb/> gebunden ſey: ſo kan es noch vielweniger einem<lb/> einigen Biſchof der Kirchen, am allerwenigſten<lb/> einem ſolchen, der ſich in ſo vielen Stuͤcken als<lb/> einen rechten Antichriſt erweiſet, zugeſtanden<lb/> werden.</p><lb/> <p>5. Da nun das Wort ἰδία weder auf die<lb/> heilige Schrift ſelbſt, noch auf den Leſer alſo ge-<lb/> hen kan, daß dieſem die Auslegung, welche er<lb/> fuͤr ſich ſelbſt aus eigenem Fleiſſe machet, ſolte<lb/> verbothen ſeyn; ſo muß es, wenn ἐπίλυσις eine<lb/> Auslegung heiſſen ſoll, ſo viel ſeyn, als <hi rendition="#fr">eigen-<lb/> willig,</hi> da man die Auslegung nicht aus der<lb/> Schrift nimmt, ſondern ſie aus ſeinen irrigen<lb/> Verurtheilen dazu bringet, und den Sinn der<lb/> Schrift damit verkehret.</p><lb/> <p>6. Nun iſt es zwar an ſich ſelbſt wahr, daß<lb/> niemand die heilige Schrift wider den Sinn<lb/> des heiligen Geiſtes nach ſeinem eignen Gut-<lb/> duͤncken und nach ſeinen Vorurtheilen verſtehen<lb/> und auslegen muͤſſe, und iſt der Verſtand die-<lb/> ſer Worte, wenn ſie alſo genommen werden, an<lb/> ſich ſelbſt richtig: ob aber dieſes alhier gemeynet<lb/> ſey, laͤßt ſich ſo leichtlich nicht erweiſen. Viel-<lb/> mehr ſtehen dieſer Erklaͤrung drey <hi rendition="#aq">rationes</hi> ent-<lb/> gegen:</p><lb/> <list> <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Die natuͤrliche Bedeutung des Worts ἰδία,<lb/> wenn man ſolches von dem, was nach dem ei-<lb/> genen Willen und Gutduͤncken geſchiehet,<lb/> verſtehet; als davon es nicht fuͤglich kan an-<lb/> genommen werden. Vielmehr heißt ἴδιος,<lb/> ἴδιον, <hi rendition="#fr">eigen,</hi> das, was einer fuͤr ſich beſonders<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G g g g 2</fw><fw place="bottom" type="catch">hat</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [603/0605]
Cap. 1. v. 19. 20. des andern Briefes Petri.
riſey gehoͤren, verbieten; dabey ſie denn auch
von dieſer aus den Augen und allen Menſchen-
Satzungen nachgeſetzet wird.
c. Zur Warnung vor dem Mißbrauch der
Criticæ: damit manche Gelehrte alſo uͤber
gewiſſe Oerter des Grund-Textes herfahren,
wie manche unbehutſame Hand mit der Licht-
putze uͤber ein Licht, daß es gar ausgeloͤſchet
wird. Diß heißt nicht auf das Wort achten,
ſondern es verachten.
d. Zur Ermahnung, daß man durch den wuͤr-
digen Gebrauch des goͤttlichen Worts ſich zu
einem brennenden und ſcheinenden Lichte ma-
chen laſſe; wie Johannes der Taͤufer war.
Joh. 5, 35.
e. Zum Troſte, daß das, welches uns in dem
Prophetiſchen Worte noch dunckel iſt, uns
zu lauter Licht werden ſolle, wo nicht noch in
dieſer Zeit, nach der Verheiſſung GOttes,
Dan. 12, 4. 9. 10. doch alsdenn, wenn uns
Chriſtus, der rechte Morgenſtern, an jenem
groſſen Tage des Gerichts und zugleich des
Lichts aufgehen wird.
V. 20.
Und das ſolt ihr fuͤr das erſte wiſſen,
daß keine Weiſſagung in der Schrift ge-
ſchiehet aus eigner Auslegung, (oder ſey
eigner Aufloͤſung.)
Anmerckungen.
1. Die Verbindung dieſes Verſes mit
dem vorhergehenden iſt dieſe: Nachdem der Apo-
ſtel den Glaͤubigen das Prophetiſche Wort an-
geprieſen hatte nach ſeiner Veſtigkeit und Lichts-
Kraft, mit der Ermahnung, ferner darauf
wohl zu achten, ſo bekraͤftiget er ſolches, und
nimmt den Erweis daher, daß es ſich ſelbſt nicht
widerſpreche, und damit aufloͤſe, oder aufhebe,
ſondern nach allen ſeinen Theilen in einer voll-
kommenen Ubereinſtimmung ſtehe.
2. Das Wort πρῶτον gehet alhier auf kei-
ne Ordnung, nach welcher etwas zuerſt zu mer-
cken waͤre, ſintemal nichts darauf folget, wel-
ches zum andern Stuͤcke gehoͤrete: ſondern es
heißt ſoviel als zuvorderſt, fuͤrnemlich, vor
allen Dingen. Jn welchem Verſtande wir die-
ſes Wort auch finden c. 3, 3. Siehe desgleichen
Roͤm. 3, 2.
3. Die Worte προφητεία γραφῆς, die Weiſ-
ſagung der Schrift, iſt alhier eben ſoviel als
λόγος προφητικὸς, das Prophetiſche Wort, die
ſchriftliche, oder in Schriften verfaſſete Weiſ-
ſagung. Jn welchem Verſtande das Wort
προφητέια auch ſonſt genommen wird. Matth.
13, 14. Offenb. 1, 3. c. 22, 7. 10. 18. 19. Es
wird zwar auch von der Auslegung verſtanden
1 Cor. 14, 1. u. f. allein dieſe Bedeutung ſchicket
ſich alhier nicht; zumal wenn man nach der ge-
meinen Meynung das Wort ἐπί_ υσις von der
Auslegung verſtehen wolte; ſintemal man die
Auslegung von der Auslegung nicht ſagen kan.
Die Worte πᾶσα γραφὴ heiſſen mit dem darauf
folgenden Woͤrtlein der Verneinung ου_ , nach
dem Hebraiſmo, ſoviel, als keine Weiſſagung
der Schrift, oder in der Schrift, wie es der ſel.
Lutherus gar recht uͤberſetzet hat.
4. Wenn man das Wort ἐπίλυσις von der
Auslegung verſtehet, ſo kan das dabey geſetzte
Wort _ δία weder auf die heilige Schrift ſelbſt,
noch auf die Freyheit der eignen Auslegung ge-
hen. Denn die Schrift iſt eigner Auslegung,
das iſt, ſie iſt von der Beſchaffenheit, daß, da von
einer Sache an vielen Orten gehandelt wird,
und immer einer den andern erlaͤutert, ſie ſich
ſelbſt erklaͤret: wie denn unter den hermenev-
tiſchen Regeln dieſe eine der beſten und wichtig-
ſten iſt, daß man Schrift mit Schrift erklaͤre.
So hat auch ein ieglicher Chriſt die Freyheit
wie zum leſen, alſo auch zum Erklaͤren der heili-
gen Schrift: ſintemal das Leſen ohne das Ver-
ſtehen und Erklaͤren, welches eine eigene Ausle-
gung iſt, die ein ieder bey fleißiger Forſchung ſich
ſelbſt machet, vergeblich ſeyn wuͤrde. Und alſo
kan das Wort ἰδία alhier nicht von dem, was ei-
ner daheim fuͤr ſich ſelbſt thut, und dem was
oͤffentlich geſchiehet, entgegen geſetzet iſt ver-
ſtanden werden: zumal wenn man den Gegen-
ſatz von einer allgemeinen, oder kirchlichen Aus-
legung, welche ſich, wenn man es beym Lichte
beſiehet, in die menſchliche Auctoritaͤt reſol-
viren wuͤrde, verſtehen wolte. Denn das waͤ-
re ein papiſtiſcher Jrrthum, nach welchem man
den Ausſpruch auf den Pabſt wuͤrde ankommen
laſſen. Da man keinem Concilio, und wenn
es auch aus tauſend Perſonen beſtuͤnde, dieſes
einraͤumen kan, daß es Macht habe, die heilige
Schrift alſo auszulegen, daß ein ieder ohne
Pruͤfung und Uberzeugung an ſolche Auslegung
gebunden ſey: ſo kan es noch vielweniger einem
einigen Biſchof der Kirchen, am allerwenigſten
einem ſolchen, der ſich in ſo vielen Stuͤcken als
einen rechten Antichriſt erweiſet, zugeſtanden
werden.
5. Da nun das Wort ἰδία weder auf die
heilige Schrift ſelbſt, noch auf den Leſer alſo ge-
hen kan, daß dieſem die Auslegung, welche er
fuͤr ſich ſelbſt aus eigenem Fleiſſe machet, ſolte
verbothen ſeyn; ſo muß es, wenn ἐπίλυσις eine
Auslegung heiſſen ſoll, ſo viel ſeyn, als eigen-
willig, da man die Auslegung nicht aus der
Schrift nimmt, ſondern ſie aus ſeinen irrigen
Verurtheilen dazu bringet, und den Sinn der
Schrift damit verkehret.
6. Nun iſt es zwar an ſich ſelbſt wahr, daß
niemand die heilige Schrift wider den Sinn
des heiligen Geiſtes nach ſeinem eignen Gut-
duͤncken und nach ſeinen Vorurtheilen verſtehen
und auslegen muͤſſe, und iſt der Verſtand die-
ſer Worte, wenn ſie alſo genommen werden, an
ſich ſelbſt richtig: ob aber dieſes alhier gemeynet
ſey, laͤßt ſich ſo leichtlich nicht erweiſen. Viel-
mehr ſtehen dieſer Erklaͤrung drey rationes ent-
gegen:
a. Die natuͤrliche Bedeutung des Worts ἰδία,
wenn man ſolches von dem, was nach dem ei-
genen Willen und Gutduͤncken geſchiehet,
verſtehet; als davon es nicht fuͤglich kan an-
genommen werden. Vielmehr heißt ἴδιος,
ἴδιον, eigen, das, was einer fuͤr ſich beſonders
hat
G g g g 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |