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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 4. v. 9-11.
[Spaltenumbruch]

4. Sind die Fremden gleich keine Exulan-
t
en, so hat man ihnen doch, wenn sie gewisser
Geschäfte wegen durch diesen und jenen Ort rei-
sen, sich auch hier und da etwas verweilen müssen,
alle Liebe zu erweisen, sonderlich wenn sie unsers
Raths, und auch unserer Hülfe bedürfen. Denn
unter fremden Leuten unvermuthet gleichsam sicht-
bare Engel finden, ist sehr erqvicklich und bringet
Segen von GOtt. Was meynen wir, wird
nicht Paulo und seinen Gefehrten es für eine erfreu-
liche Sache gewesen seyn, als sie nach erlittenem
Schiffbruche und nach überstandener vieler
Roth auf der Jnsel Melite von den Heydnischen
Einwohnern so gütlich aufgenommen wurden,
daß sie ihnen viele Freundschaft erzeigeten, wie
Lucas von ihnen rühmet Ap. Ges. 27, 2.

V. 10.

Und dienet einander, ein ieglicher mit
der Gabe, die er empfangen hat, als die
guten Haushalter der mancherley Gnaden
GOttes.

Anmerckungen.

1. Diese Erinnerung gehet nicht allein auf
die Pflicht gegen die Fremdlinge und Exulanten,
sondern auch gegen andere insgemein, nach dem
Grunde, darnach sich die Gläubigen als Glieder
anzusehen haben an dem geistlichen Leibe Christi.

2. Die Gaben, davon der Apostel redet,
waren eigentlich kharismata, Gnaden-Gaben:
und diese waren theils ausserordentliche, davon
4 Cor. 12. und 14. mit mehrern gehandelt wird;
theils ordentliche, welche noch näher auf die Hei-
ligung (dahin auch jene gerichtet werden solten)
gingen, ja dazu gehöreten. Denn da war an ei-
nem sonderlich käntlich die Gabe ein Wort zur
gemeinschaftlichen Erbauung zu reden, an ei-
nem andern ein besonderes Maß der Leutselig-
keit,
oder Sanftmuth und Demuth, oder der
Geduld und Verleugnung seiner selbst, oder
auch des geistlichen Verstandes, andern mit
heylsamen Rath zu dienen, oder der Brün-
stigkeit im Gebet
u. s. w. Von solchen sowol
ausserordentlichen als ordentlichen Gnaden-Ga-
ben saget nun der Apostel, daß einer dem andern
damit dienen, und also keiner sein daran empfan-
genes Pfund vergraben, sondern alles in Einfalt
und Demuth wohl anlegen soll. Matth. 25,
14. u. f.

3. Es fodert der Apostel auch nicht weni-
ger, daß man sich der geistlichen Gabe eines an-
dern getreulich bedienen soll, wozu zuvorderst
dieses gehöret, daß man die mancherley Gnade
Gottes an andern recht erkenne: da sich denn fin-
det, daß, wie immer eine Blume eine andere Ge-
stalt und Schönheit hat, als die andern, also auch
die manchfaltige Güte GOttes sich an seinen Kin-
dern zeiget. Und da alles zum gemeinen besten
gerichtet seyn soll, so hat man sich nicht allein
über das Gute, was man an andern erkennet,
zu erfreuen, sondern es sich auch zur Erweckung
und zur Nachfolge zu Nutze zu machen.

4. Es kan und muß einer, der von GOtt
Gnade und Gabe empfangen hat, solches auch
[Spaltenumbruch] an sich selbst wohl erkennen: um GOTT dafür
preisen und alles recht anwenden zu können: und
dabey kan und muß er doch als in der Armuth
des Geistes bleiben, daß er sich deßwegen nicht
erhebe, noch sich selbst etwas zuschreibe, sondern
alles ansehe, als göttliche deposita, als solche
Beylagen, welche wohl bewahret werden müs-
sen, nemlich durch getreue Anlegung; als wor-
innen der geistlichen Beylagen beste Bewahrung
bestehet.

5. Und eben dieses ist es, was Petrus mit
den Worten, als die guten Haushalter, an-
zeigen will. Denn es sind zwar die himmlischen
Beylagen zum Eigenthum gegeben, daß sie zu-
vorderst dem Besitzer solten zu einem solchen Heyl
angedeyen, welches nimmermehr wieder von
ihn genommen wird: aber mit Bedinge, daß sie
wohl angeleget werden; sonst sie wieder von ei-
nem genommen werden. Denn der Mangel
der rechten Anwendung bleibet nicht allein, son-
dern er gehet dabey in einen solchen Mißbrauch
der empfangenen Heyls-Güter ein, dadurch sie
leichtlich wieder verlohren werden.

6. Da man mit den Gnaden-Gaben an-
dern also dienen soll, kathos wie man sie em-
pfangen hat,
man aber von GOTT sie um-
sonst überkommen, so hat man sich bey derosel-
ben Anwendung vor allem Eigennutz wohl zu
hüten. Doch ist damit nicht verboten, sich ge-
gen den, von welchem man eine geistliche Gabe
empfangen hat, sich mit einer leiblichen danck-
bar zu erweisen, so man sie hat, jener aber nicht;
sondern diß ist vielmehr seine Schuldigkeit; zu-
mal gegen einen öffentlichen Lehrer.

7. Je mehr geistliche Gaben einer hat, [j]e
weniger muß er über andere die Herrschaft su-
chen, sonderlich in Gewissens-Sachen. Denn
solche Gaben sind nicht zum herrschen, sondern,
wie Petrus ausdrücklich saget, zum dienen ge-
geben.

8. Es ist nicht genug ein Haushalter zu
seyn; sonder darauf kömmt es an, daß man sey
ein Haushalter über die Gaben GOttes. Zu
der Güte aber eines Haushalters gehöret Klug-
heit
und Treue Luc. 12, 42. 1 Cor. 4. 7. c. 4, 4.

9. Was Petrus von den geistlichen Gaben
saget, daß man darüber ein guter Haushalter
seyn soll, das gilt auch von den leiblichen und
natürlichen Gaben, auch allerley nützlichen
Wissenschaften, als von deren Anwendung der
Mensch auch GOTT Rechenschaft geben muß.
Man sehe davon den Ausspruch unsers Heylan-
des, Luc. 16, 10-12. da es unter andern heißt:
So ihr in dem ungerechten Mammon nicht
treue seyd, wer will euch das wahrhaftige
Vertrauen?

10. Vermeinet iemand nichts zu haben,
womit er dem andern dienen könne, so hat er doch
das Gebet zur Fürbitte: welcher Liebes-Dienst
so viel lauterer ist, so viel geheimer er geschiehet,
und eigentlich nur GOTT allein bekant ist und
bleibet.

V. 11.

So iemand redet, (es sey öffentlich, oder
daheime) daß ers rede, als GOttes Wort,

(nichts
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 4. v. 9-11.
[Spaltenumbruch]

4. Sind die Fremden gleich keine Exulan-
t
en, ſo hat man ihnen doch, wenn ſie gewiſſer
Geſchaͤfte wegen durch dieſen und jenen Ort rei-
ſen, ſich auch hier und da etwas verweilen muͤſſen,
alle Liebe zu erweiſen, ſonderlich wenn ſie unſers
Raths, und auch unſerer Huͤlfe beduͤrfen. Denn
unter fremden Leuten unvermuthet gleichſam ſicht-
bare Engel finden, iſt ſehr erqvicklich und bringet
Segen von GOtt. Was meynen wir, wird
nicht Paulo und ſeinen Gefehrten es fuͤr eine erfreu-
liche Sache geweſen ſeyn, als ſie nach erlittenem
Schiffbruche und nach uͤberſtandener vieler
Roth auf der Jnſel Melite von den Heydniſchen
Einwohnern ſo guͤtlich aufgenommen wurden,
daß ſie ihnen viele Freundſchaft erzeigeten, wie
Lucas von ihnen ruͤhmet Ap. Geſ. 27, 2.

V. 10.

Und dienet einander, ein ieglicher mit
der Gabe, die er empfangen hat, als die
guten Haushalter der mancherley Gnaden
GOttes.

Anmerckungen.

1. Dieſe Erinnerung gehet nicht allein auf
die Pflicht gegen die Fremdlinge und Exulanten,
ſondern auch gegen andere insgemein, nach dem
Grunde, darnach ſich die Glaͤubigen als Glieder
anzuſehen haben an dem geiſtlichen Leibe Chriſti.

2. Die Gaben, davon der Apoſtel redet,
waren eigentlich χαρίσματα, Gnaden-Gaben:
und dieſe waren theils auſſerordentliche, davon
4 Cor. 12. und 14. mit mehrern gehandelt wird;
theils ordentliche, welche noch naͤher auf die Hei-
ligung (dahin auch jene gerichtet werden ſolten)
gingen, ja dazu gehoͤreten. Denn da war an ei-
nem ſonderlich kaͤntlich die Gabe ein Wort zur
gemeinſchaftlichen Erbauung zu reden, an ei-
nem andern ein beſonderes Maß der Leutſelig-
keit,
oder Sanftmuth und Demuth, oder der
Geduld und Verleugnung ſeiner ſelbſt, oder
auch des geiſtlichen Verſtandes, andern mit
heylſamen Rath zu dienen, oder der Bruͤn-
ſtigkeit im Gebet
u. ſ. w. Von ſolchen ſowol
auſſerordentlichen als ordentlichen Gnaden-Ga-
ben ſaget nun der Apoſtel, daß einer dem andern
damit dienen, und alſo keiner ſein daran empfan-
genes Pfund vergraben, ſondern alles in Einfalt
und Demuth wohl anlegen ſoll. Matth. 25,
14. u. f.

3. Es fodert der Apoſtel auch nicht weni-
ger, daß man ſich der geiſtlichen Gabe eines an-
dern getreulich bedienen ſoll, wozu zuvorderſt
dieſes gehoͤret, daß man die mancherley Gnade
Gottes an andern recht erkenne: da ſich denn fin-
det, daß, wie immer eine Blume eine andere Ge-
ſtalt und Schoͤnheit hat, als die andern, alſo auch
die manchfaltige Guͤte GOttes ſich an ſeinen Kin-
dern zeiget. Und da alles zum gemeinen beſten
gerichtet ſeyn ſoll, ſo hat man ſich nicht allein
uͤber das Gute, was man an andern erkennet,
zu erfreuen, ſondern es ſich auch zur Erweckung
und zur Nachfolge zu Nutze zu machen.

4. Es kan und muß einer, der von GOtt
Gnade und Gabe empfangen hat, ſolches auch
[Spaltenumbruch] an ſich ſelbſt wohl erkennen: um GOTT dafuͤr
preiſen und alles recht anwenden zu koͤnnen: und
dabey kan und muß er doch als in der Armuth
des Geiſtes bleiben, daß er ſich deßwegen nicht
erhebe, noch ſich ſelbſt etwas zuſchreibe, ſondern
alles anſehe, als goͤttliche depoſita, als ſolche
Beylagen, welche wohl bewahret werden muͤſ-
ſen, nemlich durch getreue Anlegung; als wor-
innen der geiſtlichen Beylagen beſte Bewahrung
beſtehet.

5. Und eben dieſes iſt es, was Petrus mit
den Worten, als die guten Haushalter, an-
zeigen will. Denn es ſind zwar die himmliſchen
Beylagen zum Eigenthum gegeben, daß ſie zu-
vorderſt dem Beſitzer ſolten zu einem ſolchen Heyl
angedeyen, welches nimmermehr wieder von
ihn genommen wird: aber mit Bedinge, daß ſie
wohl angeleget werden; ſonſt ſie wieder von ei-
nem genommen werden. Denn der Mangel
der rechten Anwendung bleibet nicht allein, ſon-
dern er gehet dabey in einen ſolchen Mißbrauch
der empfangenen Heyls-Guͤter ein, dadurch ſie
leichtlich wieder verlohren werden.

6. Da man mit den Gnaden-Gaben an-
dern alſo dienen ſoll, καϑώς wie man ſie em-
pfangen hat,
man aber von GOTT ſie um-
ſonſt uͤberkommen, ſo hat man ſich bey deroſel-
ben Anwendung vor allem Eigennutz wohl zu
huͤten. Doch iſt damit nicht verboten, ſich ge-
gen den, von welchem man eine geiſtliche Gabe
empfangen hat, ſich mit einer leiblichen danck-
bar zu erweiſen, ſo man ſie hat, jener aber nicht;
ſondern diß iſt vielmehr ſeine Schuldigkeit; zu-
mal gegen einen oͤffentlichen Lehrer.

7. Je mehr geiſtliche Gaben einer hat, [j]e
weniger muß er uͤber andere die Herrſchaft ſu-
chen, ſonderlich in Gewiſſens-Sachen. Denn
ſolche Gaben ſind nicht zum herrſchen, ſondern,
wie Petrus ausdruͤcklich ſaget, zum dienen ge-
geben.

8. Es iſt nicht genug ein Haushalter zu
ſeyn; ſonder darauf koͤmmt es an, daß man ſey
ein Haushalter uͤber die Gaben GOttes. Zu
der Guͤte aber eines Haushalters gehoͤret Klug-
heit
und Treue Luc. 12, 42. 1 Cor. 4. 7. c. 4, 4.

9. Was Petrus von den geiſtlichen Gaben
ſaget, daß man daruͤber ein guter Haushalter
ſeyn ſoll, das gilt auch von den leiblichen und
natuͤrlichen Gaben, auch allerley nuͤtzlichen
Wiſſenſchaften, als von deren Anwendung der
Menſch auch GOTT Rechenſchaft geben muß.
Man ſehe davon den Ausſpruch unſers Heylan-
des, Luc. 16, 10-12. da es unter andern heißt:
So ihr in dem ungerechten Mammon nicht
treue ſeyd, wer will euch das wahrhaftige
Vertrauen?

10. Vermeinet iemand nichts zu haben,
womit er dem andern dienen koͤnne, ſo hat er doch
das Gebet zur Fuͤrbitte: welcher Liebes-Dienſt
ſo viel lauterer iſt, ſo viel geheimer er geſchiehet,
und eigentlich nur GOTT allein bekant iſt und
bleibet.

V. 11.

So iemand redet, (es ſey oͤffentlich, oder
daheime) daß ers rede, als GOttes Wort,

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[566/0568] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 4. v. 9-11. 4. Sind die Fremden gleich keine Exulan- ten, ſo hat man ihnen doch, wenn ſie gewiſſer Geſchaͤfte wegen durch dieſen und jenen Ort rei- ſen, ſich auch hier und da etwas verweilen muͤſſen, alle Liebe zu erweiſen, ſonderlich wenn ſie unſers Raths, und auch unſerer Huͤlfe beduͤrfen. Denn unter fremden Leuten unvermuthet gleichſam ſicht- bare Engel finden, iſt ſehr erqvicklich und bringet Segen von GOtt. Was meynen wir, wird nicht Paulo und ſeinen Gefehrten es fuͤr eine erfreu- liche Sache geweſen ſeyn, als ſie nach erlittenem Schiffbruche und nach uͤberſtandener vieler Roth auf der Jnſel Melite von den Heydniſchen Einwohnern ſo guͤtlich aufgenommen wurden, daß ſie ihnen viele Freundſchaft erzeigeten, wie Lucas von ihnen ruͤhmet Ap. Geſ. 27, 2. V. 10. Und dienet einander, ein ieglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherley Gnaden GOttes. Anmerckungen. 1. Dieſe Erinnerung gehet nicht allein auf die Pflicht gegen die Fremdlinge und Exulanten, ſondern auch gegen andere insgemein, nach dem Grunde, darnach ſich die Glaͤubigen als Glieder anzuſehen haben an dem geiſtlichen Leibe Chriſti. 2. Die Gaben, davon der Apoſtel redet, waren eigentlich χαρίσματα, Gnaden-Gaben: und dieſe waren theils auſſerordentliche, davon 4 Cor. 12. und 14. mit mehrern gehandelt wird; theils ordentliche, welche noch naͤher auf die Hei- ligung (dahin auch jene gerichtet werden ſolten) gingen, ja dazu gehoͤreten. Denn da war an ei- nem ſonderlich kaͤntlich die Gabe ein Wort zur gemeinſchaftlichen Erbauung zu reden, an ei- nem andern ein beſonderes Maß der Leutſelig- keit, oder Sanftmuth und Demuth, oder der Geduld und Verleugnung ſeiner ſelbſt, oder auch des geiſtlichen Verſtandes, andern mit heylſamen Rath zu dienen, oder der Bruͤn- ſtigkeit im Gebet u. ſ. w. Von ſolchen ſowol auſſerordentlichen als ordentlichen Gnaden-Ga- ben ſaget nun der Apoſtel, daß einer dem andern damit dienen, und alſo keiner ſein daran empfan- genes Pfund vergraben, ſondern alles in Einfalt und Demuth wohl anlegen ſoll. Matth. 25, 14. u. f. 3. Es fodert der Apoſtel auch nicht weni- ger, daß man ſich der geiſtlichen Gabe eines an- dern getreulich bedienen ſoll, wozu zuvorderſt dieſes gehoͤret, daß man die mancherley Gnade Gottes an andern recht erkenne: da ſich denn fin- det, daß, wie immer eine Blume eine andere Ge- ſtalt und Schoͤnheit hat, als die andern, alſo auch die manchfaltige Guͤte GOttes ſich an ſeinen Kin- dern zeiget. Und da alles zum gemeinen beſten gerichtet ſeyn ſoll, ſo hat man ſich nicht allein uͤber das Gute, was man an andern erkennet, zu erfreuen, ſondern es ſich auch zur Erweckung und zur Nachfolge zu Nutze zu machen. 4. Es kan und muß einer, der von GOtt Gnade und Gabe empfangen hat, ſolches auch an ſich ſelbſt wohl erkennen: um GOTT dafuͤr preiſen und alles recht anwenden zu koͤnnen: und dabey kan und muß er doch als in der Armuth des Geiſtes bleiben, daß er ſich deßwegen nicht erhebe, noch ſich ſelbſt etwas zuſchreibe, ſondern alles anſehe, als goͤttliche depoſita, als ſolche Beylagen, welche wohl bewahret werden muͤſ- ſen, nemlich durch getreue Anlegung; als wor- innen der geiſtlichen Beylagen beſte Bewahrung beſtehet. 5. Und eben dieſes iſt es, was Petrus mit den Worten, als die guten Haushalter, an- zeigen will. Denn es ſind zwar die himmliſchen Beylagen zum Eigenthum gegeben, daß ſie zu- vorderſt dem Beſitzer ſolten zu einem ſolchen Heyl angedeyen, welches nimmermehr wieder von ihn genommen wird: aber mit Bedinge, daß ſie wohl angeleget werden; ſonſt ſie wieder von ei- nem genommen werden. Denn der Mangel der rechten Anwendung bleibet nicht allein, ſon- dern er gehet dabey in einen ſolchen Mißbrauch der empfangenen Heyls-Guͤter ein, dadurch ſie leichtlich wieder verlohren werden. 6. Da man mit den Gnaden-Gaben an- dern alſo dienen ſoll, καϑώς wie man ſie em- pfangen hat, man aber von GOTT ſie um- ſonſt uͤberkommen, ſo hat man ſich bey deroſel- ben Anwendung vor allem Eigennutz wohl zu huͤten. Doch iſt damit nicht verboten, ſich ge- gen den, von welchem man eine geiſtliche Gabe empfangen hat, ſich mit einer leiblichen danck- bar zu erweiſen, ſo man ſie hat, jener aber nicht; ſondern diß iſt vielmehr ſeine Schuldigkeit; zu- mal gegen einen oͤffentlichen Lehrer. 7. Je mehr geiſtliche Gaben einer hat, je weniger muß er uͤber andere die Herrſchaft ſu- chen, ſonderlich in Gewiſſens-Sachen. Denn ſolche Gaben ſind nicht zum herrſchen, ſondern, wie Petrus ausdruͤcklich ſaget, zum dienen ge- geben. 8. Es iſt nicht genug ein Haushalter zu ſeyn; ſonder darauf koͤmmt es an, daß man ſey ein Haushalter uͤber die Gaben GOttes. Zu der Guͤte aber eines Haushalters gehoͤret Klug- heit und Treue Luc. 12, 42. 1 Cor. 4. 7. c. 4, 4. 9. Was Petrus von den geiſtlichen Gaben ſaget, daß man daruͤber ein guter Haushalter ſeyn ſoll, das gilt auch von den leiblichen und natuͤrlichen Gaben, auch allerley nuͤtzlichen Wiſſenſchaften, als von deren Anwendung der Menſch auch GOTT Rechenſchaft geben muß. Man ſehe davon den Ausſpruch unſers Heylan- des, Luc. 16, 10-12. da es unter andern heißt: So ihr in dem ungerechten Mammon nicht treue ſeyd, wer will euch das wahrhaftige Vertrauen? 10. Vermeinet iemand nichts zu haben, womit er dem andern dienen koͤnne, ſo hat er doch das Gebet zur Fuͤrbitte: welcher Liebes-Dienſt ſo viel lauterer iſt, ſo viel geheimer er geſchiehet, und eigentlich nur GOTT allein bekant iſt und bleibet. V. 11. So iemand redet, (es ſey oͤffentlich, oder daheime) daß ers rede, als GOttes Wort, (nichts

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/568>, abgerufen am 26.06.2024.