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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Richtige und erbauliche Erklärung Cap. 2. v. 9. 10. 11.
[Spaltenumbruch] Seiten es an glaubiger Folgsamkeit nicht ge-
fehlet hatte. Man conferire hiebey inson-
derheit den herrlichen Ort Col. 1, 12.
d. Daß GOtt unter seinen Tugenden, oder we-
sentlichen Eigenschaften, an den Gläubigen
insonderheit bewiesen hatte die Gnade und
die Allmacht: die Gnade, daß er sie, die
doch seine Feinde waren, geliebet, seinen Sohn
für sie in den Tod zur Versöhnung gegeben,
ihnen das Evangelium antragen lassen, auch
die Gerechtigkeit Christi geschencket und alle
Sünden vergeben, und sie noch dazu mit vie-
len andern Heyls-Gütern reichlich beseliget
hatte. Er hatte aber auch nicht weniger die
Allmacht an ihnen erwiesen, denn da sie
von Natur so ohnmächtig waren, daß sie
sich selbst nicht bekehren, ja nicht einmal einen
geistlich guten Gedancken mit einer geistlich
guten Begierde in sich erwecken konten, so
war ihre Bekehrung allein GOttes Werck.
e. Daß sie, was sie solchergestalt von den Tu-
genden GOttes in sich wircklich erfahren hat-
ten, verkündigen sollen; und zwar nicht
allein mit Worten, sondern auch, und zwar
am meisten, mit der That selbst in ihrem gan-
tzen Leben: auf welche Art denn iedermann
sehen würde, daß sie wären Kinder des Lichts
und also auch Kinder GOttes, von welchen
Christus mit dem gantzen Christenthum Ehre
hätte.
f. Daß es demnach bey dieser Verkündigung
der Tugenden GOttes in Ansehung der Gna-
de
und Liebe heissen konte: die Liebe GOt-
tes ist ausgegossen in unser Hertz durch
den Heiligen Geist
Röm. 5, 5. und jn Anse-
hung der Allmacht GOttes: Jch vermag
alles durch den, der mich mächtig ma-
chet, Christum.
Siehe auch Phil. 4, 13.
V. 10.

Die ihr weiland (im unglaubigen Juden-
denthum) nicht ein Volck waret, (nemlich ein
solches, wie itzo, daß die Tugenden GOttes nach
der Oeconomie des neuen Testaments an und
von sich verkündigen kan) nun aber (in diesem
Verstande nach v. 9.) GOttes Volck seyd,
und weiland nicht in Gnaden waret, nun
aber in Gnaden seyd.
(Siehe Hos. 1, 10. c. 2,
23. und Cph. 5, 8. Da der Apostel fast der-
gleichen von den ehemaligen Heyden saget.)

V. 11.

Lieben Brüder, ich ermahne euch (und
GOTT durch mich 2 Cor. 5, 20.) als die
Fremdlinge und Pilgrimme
(die ihr nicht al-
lein außer dem euren Vätern zum irdischen Ei-
genthum eingegebnen Lande Canaans in der Zer-
streuung unter den Heyden wohnet, nach c. 1, 1.
sondern auch auf dieser Welt keine bleibende
Stelle habet, und deßwegen euren Lauf nach
dem himmlischen Vaterlande richten müsset,)
enthaltet euch von fleischlichen Lüsten (zu-
vorderst innerlich, daß ihr der aufsteigenden Lust
nicht nachhenget, und sie noch vielweniger äußer-
lich ausbrechen lasset) welche wider die Seele
(so ferne diese in der Ordnung der Wiedergeburt
[Spaltenumbruch] und der fortgesetzten Heiligung in euch schon er-
neuert ist) streiten (also daß sie wieder die Ober-
hand haben wollen, oder doch, wo es dazu nicht
kömmt, den mehrern Wachsthum im Guten
hindern.)

Anmerckungen.

1. Die Lust ist in dem Menschen nach dem
Sünden-Fall kein adiaphorum, keine indiffe-
rent
e Sache, welche nur erst durch ihre Uber-
maße zur Sünde werde: sondern sie ist an sich
selbst unrein und sundlich: und darum im neun-
ten und zehenden Gebote verboten. Siehe auch
Röm. 7, 7. Gal. 5, 16. 17.

2. Widergeboren, ja zum auserwehlten
Geschiechte, königlichen Priesterthum, u. s. w.
gehören, auch in Gnaden seyn, wie Petrus vor-
her bezeuget, und doch noch Sünde an sich ha-
ben,
und sich mit Lüsten tragen müssen, welche
wider die Seele streiten, kan wohl beyeinander
stehen, also daß dieses jenes nicht aufhebet.
Welches den angefochtenen und ungeübten, die
sich das Christenthum als einen beständigen
Sieg ohne Kampf vorstellen, zum Troste und
zur Ausmunterung dienet, daß sie daher, wenn
sie sich in manchem Kampfe befinden, den Muth
nicht sincken lassen.

3. Wer vor dem Ausbruch der Lüste will
frey bleiben, der muß sie ja bey der Wurtzel an-
greifen, und, wenn sie mit ihren Lockungen auf-
steigen, seinen Willen nicht darein geben, und
sie nicht zur Empfängniß, und noch vielweniger
zur Geburt kommen lassen, sondern bald im An-
fange ersticken: und, wo er ja die Empfindung
selbst nicht verhindern kan, nur im Streite da-
gegen bleiben. Denn also bleibet man beym gu-
ten Gewissen und beym Glauben; und folglich
sind es, wenn es gleich zu einigen Ubereilungen
kömmt, Sünden der Schwachheit, welche den
Gläubigen nicht zugerechnet werden.

4. Nichts ist, was einem die Lüste der
Welt eher und mehr verleiden kan, als die öste-
re Vorstellung unserer Sterblichkeit, wie bald
wir davon müssen; darauf Petrus die Gläubi-
gen als Fremdlinge, führet. Gewißlich, wer
gedencket: Wie? wenn du morgen, oder
auch nur übers Jahr um diese Zeit schon
todt wärest!
so wird einem der Vorsatz, der
sündlichen Lust nachzuhengen, schon vergehen.
Siehe 1 Chron. 30, 15. Ps. 39, 13. Ps. 119, 19.
Hebr. 11, 13. c. 13. 17.

5. Bey allen Gründen aber, die man sich
zur Creutzigung des Fleisches samt den Lüsten
und Begierden oft vorzustellen hat, ist wol der
allerwichtigste derjenige, auf welchen der Apo-
stel die Gläubigen vorher geführet hat; nemlich
der Evangelische, da man der bösen und un-
reinen Lust
die reine und heilige entgegen se-
tzet, wenn man bey der Nahrung des Evangelii
bleibet, und schmecket, daß der HErr freund-
lich ist.
Denn die unsterbliche Seele will doch
immer etwas haben, darinnen sie ruhet. Je-
mehr sie es nun in GOtt findet, ie weniger su-
chet und findet sie es ausser GOtt in der Welt
und in sündlichen Dingen.

V. 12.
Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 2. v. 9. 10. 11.
[Spaltenumbruch] Seiten es an glaubiger Folgſamkeit nicht ge-
fehlet hatte. Man conferire hiebey inſon-
derheit den herrlichen Ort Col. 1, 12.
d. Daß GOtt unter ſeinen Tugenden, oder we-
ſentlichen Eigenſchaften, an den Glaͤubigen
inſonderheit bewieſen hatte die Gnade und
die Allmacht: die Gnade, daß er ſie, die
doch ſeine Feinde waren, geliebet, ſeinen Sohn
fuͤr ſie in den Tod zur Verſoͤhnung gegeben,
ihnen das Evangelium antragen laſſen, auch
die Gerechtigkeit Chriſti geſchencket und alle
Suͤnden vergeben, und ſie noch dazu mit vie-
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hatte. Er hatte aber auch nicht weniger die
Allmacht an ihnen erwieſen, denn da ſie
von Natur ſo ohnmaͤchtig waren, daß ſie
ſich ſelbſt nicht bekehren, ja nicht einmal einen
geiſtlich guten Gedancken mit einer geiſtlich
guten Begierde in ſich erwecken konten, ſo
war ihre Bekehrung allein GOttes Werck.
e. Daß ſie, was ſie ſolchergeſtalt von den Tu-
genden GOttes in ſich wircklich erfahren hat-
ten, verkuͤndigen ſollen; und zwar nicht
allein mit Worten, ſondern auch, und zwar
am meiſten, mit der That ſelbſt in ihrem gan-
tzen Leben: auf welche Art denn iedermann
ſehen wuͤrde, daß ſie waͤren Kinder des Lichts
und alſo auch Kinder GOttes, von welchen
Chriſtus mit dem gantzen Chriſtenthum Ehre
haͤtte.
f. Daß es demnach bey dieſer Verkuͤndigung
der Tugenden GOttes in Anſehung der Gna-
de
und Liebe heiſſen konte: die Liebe GOt-
tes iſt ausgegoſſen in unſer Hertz durch
den Heiligen Geiſt
Roͤm. 5, 5. und jn Anſe-
hung der Allmacht GOttes: Jch vermag
alles durch den, der mich maͤchtig ma-
chet, Chriſtum.
Siehe auch Phil. 4, 13.
V. 10.

Die ihr weiland (im unglaubigen Juden-
denthum) nicht ein Volck waret, (nemlich ein
ſolches, wie itzo, daß die Tugenden GOttes nach
der Oeconomie des neuen Teſtaments an und
von ſich verkuͤndigen kan) nun aber (in dieſem
Verſtande nach v. 9.) GOttes Volck ſeyd,
und weiland nicht in Gnaden waret, nun
aber in Gnaden ſeyd.
(Siehe Hoſ. 1, 10. c. 2,
23. und Cph. 5, 8. Da der Apoſtel faſt der-
gleichen von den ehemaligen Heyden ſaget.)

V. 11.

Lieben Bruͤder, ich ermahne euch (und
GOTT durch mich 2 Cor. 5, 20.) als die
Fremdlinge und Pilgrimme
(die ihr nicht al-
lein außer dem euren Vaͤtern zum irdiſchen Ei-
genthum eingegebnen Lande Canaans in der Zer-
ſtreuung unter den Heyden wohnet, nach c. 1, 1.
ſondern auch auf dieſer Welt keine bleibende
Stelle habet, und deßwegen euren Lauf nach
dem himmliſchen Vaterlande richten muͤſſet,)
enthaltet euch von fleiſchlichen Luͤſten (zu-
vorderſt innerlich, daß ihr der aufſteigenden Luſt
nicht nachhenget, und ſie noch vielweniger aͤußer-
lich ausbrechen laſſet) welche wider die Seele
(ſo ferne dieſe in der Ordnung der Wiedergeburt
[Spaltenumbruch] und der fortgeſetzten Heiligung in euch ſchon er-
neuert iſt) ſtreiten (alſo daß ſie wieder die Ober-
hand haben wollen, oder doch, wo es dazu nicht
koͤmmt, den mehrern Wachsthum im Guten
hindern.)

Anmerckungen.

1. Die Luſt iſt in dem Menſchen nach dem
Suͤnden-Fall kein adiaphorum, keine indiffe-
rent
e Sache, welche nur erſt durch ihre Uber-
maße zur Suͤnde werde: ſondern ſie iſt an ſich
ſelbſt unrein und ſundlich: und darum im neun-
ten und zehenden Gebote verboten. Siehe auch
Roͤm. 7, 7. Gal. 5, 16. 17.

2. Widergeboren, ja zum auserwehlten
Geſchiechte, koͤniglichen Prieſterthum, u. ſ. w.
gehoͤren, auch in Gnaden ſeyn, wie Petrus vor-
her bezeuget, und doch noch Suͤnde an ſich ha-
ben,
und ſich mit Luͤſten tragen muͤſſen, welche
wider die Seele ſtreiten, kan wohl beyeinander
ſtehen, alſo daß dieſes jenes nicht aufhebet.
Welches den angefochtenen und ungeuͤbten, die
ſich das Chriſtenthum als einen beſtaͤndigen
Sieg ohne Kampf vorſtellen, zum Troſte und
zur Auſmunterung dienet, daß ſie daher, wenn
ſie ſich in manchem Kampfe befinden, den Muth
nicht ſincken laſſen.

3. Wer vor dem Ausbruch der Luͤſte will
frey bleiben, der muß ſie ja bey der Wurtzel an-
greifen, und, wenn ſie mit ihren Lockungen auf-
ſteigen, ſeinen Willen nicht darein geben, und
ſie nicht zur Empfaͤngniß, und noch vielweniger
zur Geburt kommen laſſen, ſondern bald im An-
fange erſticken: und, wo er ja die Empfindung
ſelbſt nicht verhindern kan, nur im Streite da-
gegen bleiben. Denn alſo bleibet man beym gu-
ten Gewiſſen und beym Glauben; und folglich
ſind es, wenn es gleich zu einigen Ubereilungen
koͤmmt, Suͤnden der Schwachheit, welche den
Glaͤubigen nicht zugerechnet werden.

4. Nichts iſt, was einem die Luͤſte der
Welt eher und mehr verleiden kan, als die oͤſte-
re Vorſtellung unſerer Sterblichkeit, wie bald
wir davon muͤſſen; darauf Petrus die Glaͤubi-
gen als Fremdlinge, fuͤhret. Gewißlich, wer
gedencket: Wie? wenn du morgen, oder
auch nur uͤbers Jahr um dieſe Zeit ſchon
todt waͤreſt!
ſo wird einem der Vorſatz, der
ſuͤndlichen Luſt nachzuhengen, ſchon vergehen.
Siehe 1 Chron. 30, 15. Pſ. 39, 13. Pſ. 119, 19.
Hebr. 11, 13. c. 13. 17.

5. Bey allen Gruͤnden aber, die man ſich
zur Creutzigung des Fleiſches ſamt den Luͤſten
und Begierden oft vorzuſtellen hat, iſt wol der
allerwichtigſte derjenige, auf welchen der Apo-
ſtel die Glaͤubigen vorher gefuͤhret hat; nemlich
der Evangeliſche, da man der boͤſen und un-
reinen Luſt
die reine und heilige entgegen ſe-
tzet, wenn man bey der Nahrung des Evangelii
bleibet, und ſchmecket, daß der HErr freund-
lich iſt.
Denn die unſterbliche Seele will doch
immer etwas haben, darinnen ſie ruhet. Je-
mehr ſie es nun in GOtt findet, ie weniger ſu-
chet und findet ſie es auſſer GOtt in der Welt
und in ſuͤndlichen Dingen.

V. 12.
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[540/0542] Richtige und erbauliche Erklaͤrung Cap. 2. v. 9. 10. 11. Seiten es an glaubiger Folgſamkeit nicht ge- fehlet hatte. Man conferire hiebey inſon- derheit den herrlichen Ort Col. 1, 12. d. Daß GOtt unter ſeinen Tugenden, oder we- ſentlichen Eigenſchaften, an den Glaͤubigen inſonderheit bewieſen hatte die Gnade und die Allmacht: die Gnade, daß er ſie, die doch ſeine Feinde waren, geliebet, ſeinen Sohn fuͤr ſie in den Tod zur Verſoͤhnung gegeben, ihnen das Evangelium antragen laſſen, auch die Gerechtigkeit Chriſti geſchencket und alle Suͤnden vergeben, und ſie noch dazu mit vie- len andern Heyls-Guͤtern reichlich beſeliget hatte. Er hatte aber auch nicht weniger die Allmacht an ihnen erwieſen, denn da ſie von Natur ſo ohnmaͤchtig waren, daß ſie ſich ſelbſt nicht bekehren, ja nicht einmal einen geiſtlich guten Gedancken mit einer geiſtlich guten Begierde in ſich erwecken konten, ſo war ihre Bekehrung allein GOttes Werck. e. Daß ſie, was ſie ſolchergeſtalt von den Tu- genden GOttes in ſich wircklich erfahren hat- ten, verkuͤndigen ſollen; und zwar nicht allein mit Worten, ſondern auch, und zwar am meiſten, mit der That ſelbſt in ihrem gan- tzen Leben: auf welche Art denn iedermann ſehen wuͤrde, daß ſie waͤren Kinder des Lichts und alſo auch Kinder GOttes, von welchen Chriſtus mit dem gantzen Chriſtenthum Ehre haͤtte. f. Daß es demnach bey dieſer Verkuͤndigung der Tugenden GOttes in Anſehung der Gna- de und Liebe heiſſen konte: die Liebe GOt- tes iſt ausgegoſſen in unſer Hertz durch den Heiligen Geiſt Roͤm. 5, 5. und jn Anſe- hung der Allmacht GOttes: Jch vermag alles durch den, der mich maͤchtig ma- chet, Chriſtum. Siehe auch Phil. 4, 13. V. 10. Die ihr weiland (im unglaubigen Juden- denthum) nicht ein Volck waret, (nemlich ein ſolches, wie itzo, daß die Tugenden GOttes nach der Oeconomie des neuen Teſtaments an und von ſich verkuͤndigen kan) nun aber (in dieſem Verſtande nach v. 9.) GOttes Volck ſeyd, und weiland nicht in Gnaden waret, nun aber in Gnaden ſeyd. (Siehe Hoſ. 1, 10. c. 2, 23. und Cph. 5, 8. Da der Apoſtel faſt der- gleichen von den ehemaligen Heyden ſaget.) V. 11. Lieben Bruͤder, ich ermahne euch (und GOTT durch mich 2 Cor. 5, 20.) als die Fremdlinge und Pilgrimme (die ihr nicht al- lein außer dem euren Vaͤtern zum irdiſchen Ei- genthum eingegebnen Lande Canaans in der Zer- ſtreuung unter den Heyden wohnet, nach c. 1, 1. ſondern auch auf dieſer Welt keine bleibende Stelle habet, und deßwegen euren Lauf nach dem himmliſchen Vaterlande richten muͤſſet,) enthaltet euch von fleiſchlichen Luͤſten (zu- vorderſt innerlich, daß ihr der aufſteigenden Luſt nicht nachhenget, und ſie noch vielweniger aͤußer- lich ausbrechen laſſet) welche wider die Seele (ſo ferne dieſe in der Ordnung der Wiedergeburt und der fortgeſetzten Heiligung in euch ſchon er- neuert iſt) ſtreiten (alſo daß ſie wieder die Ober- hand haben wollen, oder doch, wo es dazu nicht koͤmmt, den mehrern Wachsthum im Guten hindern.) Anmerckungen. 1. Die Luſt iſt in dem Menſchen nach dem Suͤnden-Fall kein adiaphorum, keine indiffe- rente Sache, welche nur erſt durch ihre Uber- maße zur Suͤnde werde: ſondern ſie iſt an ſich ſelbſt unrein und ſundlich: und darum im neun- ten und zehenden Gebote verboten. Siehe auch Roͤm. 7, 7. Gal. 5, 16. 17. 2. Widergeboren, ja zum auserwehlten Geſchiechte, koͤniglichen Prieſterthum, u. ſ. w. gehoͤren, auch in Gnaden ſeyn, wie Petrus vor- her bezeuget, und doch noch Suͤnde an ſich ha- ben, und ſich mit Luͤſten tragen muͤſſen, welche wider die Seele ſtreiten, kan wohl beyeinander ſtehen, alſo daß dieſes jenes nicht aufhebet. Welches den angefochtenen und ungeuͤbten, die ſich das Chriſtenthum als einen beſtaͤndigen Sieg ohne Kampf vorſtellen, zum Troſte und zur Auſmunterung dienet, daß ſie daher, wenn ſie ſich in manchem Kampfe befinden, den Muth nicht ſincken laſſen. 3. Wer vor dem Ausbruch der Luͤſte will frey bleiben, der muß ſie ja bey der Wurtzel an- greifen, und, wenn ſie mit ihren Lockungen auf- ſteigen, ſeinen Willen nicht darein geben, und ſie nicht zur Empfaͤngniß, und noch vielweniger zur Geburt kommen laſſen, ſondern bald im An- fange erſticken: und, wo er ja die Empfindung ſelbſt nicht verhindern kan, nur im Streite da- gegen bleiben. Denn alſo bleibet man beym gu- ten Gewiſſen und beym Glauben; und folglich ſind es, wenn es gleich zu einigen Ubereilungen koͤmmt, Suͤnden der Schwachheit, welche den Glaͤubigen nicht zugerechnet werden. 4. Nichts iſt, was einem die Luͤſte der Welt eher und mehr verleiden kan, als die oͤſte- re Vorſtellung unſerer Sterblichkeit, wie bald wir davon muͤſſen; darauf Petrus die Glaͤubi- gen als Fremdlinge, fuͤhret. Gewißlich, wer gedencket: Wie? wenn du morgen, oder auch nur uͤbers Jahr um dieſe Zeit ſchon todt waͤreſt! ſo wird einem der Vorſatz, der ſuͤndlichen Luſt nachzuhengen, ſchon vergehen. Siehe 1 Chron. 30, 15. Pſ. 39, 13. Pſ. 119, 19. Hebr. 11, 13. c. 13. 17. 5. Bey allen Gruͤnden aber, die man ſich zur Creutzigung des Fleiſches ſamt den Luͤſten und Begierden oft vorzuſtellen hat, iſt wol der allerwichtigſte derjenige, auf welchen der Apo- ſtel die Glaͤubigen vorher gefuͤhret hat; nemlich der Evangeliſche, da man der boͤſen und un- reinen Luſt die reine und heilige entgegen ſe- tzet, wenn man bey der Nahrung des Evangelii bleibet, und ſchmecket, daß der HErr freund- lich iſt. Denn die unſterbliche Seele will doch immer etwas haben, darinnen ſie ruhet. Je- mehr ſie es nun in GOtt findet, ie weniger ſu- chet und findet ſie es auſſer GOtt in der Welt und in ſuͤndlichen Dingen. V. 12.

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/542>, abgerufen am 22.11.2024.