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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 2. v. 3-5. Erklärung des Briefes Jacobi.
[Spaltenumbruch] also hat, als hätte man es nicht, da man denn
wohl sagen kan, daß manche vernünftige und
auch dabey Christliche Creatur der Eitelkeit un-
terworfen sey ohne ihren Willen Röm. 8, 20.
also daß, was andern eine Lust, ihr eine Last
ist.

3. Der Apostel behält das Judische Wort
sunagoge, synagoge von den Versamlungen
der aus den Juden zu Christo bekehrten Gläu-
bigen; und ist wohl kein Zweifel, daß, da die un-
gläubigen Juden gegen sie in grosse Verbitte-
rung stunden, sie ihre besondere Oerter zu ihren
Zusammenkünften gehabt haben. Davon auch
Paulus Hebr. 10, 25. schreibet, wenn er spricht:
Lasset uns nicht verlassen ten episunagogen
emon, unsere Versamlung, wie etliche pfle-
gen.
Der Ort aber Ap. Ges. 15, 21. ist von den
Judischen Synagogen zu verstehen.

4. Es müssen sich die aus den Juden zu
Christo bekehrte in nicht gringer Anzahl vieler
Orten gefunden haben, weil aus der Redens-
Art: setze dich her zu meinen Füssen, zu
schliessen ist, daß die Bäncke, oder Stühle, um
des Platzes willen, damit er so vielmehr fassen
möchte, zum Theil sind erhöhet gewesen, also
daß sich unten zu den Füssen noch ein Raum zum
Sitzen gefunden hat. Da sich auch die bekehr-
ten Heyden zu solchen Versamlungen gehalten
haben, so ist die Anzahl der Versamleten so viel
stärcker gewesen.

5. Man siehet auch dieses hieraus, daß die
ersten Christen ihre freye Religions-Ubung un-
ter den Heyden gehabt haben, wie die Juden:
ob sie ihnen gleich oft sehr beschnitten, und zu-
weilen ist gar genommen worden.

6. Jacobus hat mit diesem gantzen Texte,
und noch einigen andern Stellen dieses Briefes
ohn Zweifel auf etliche Oerter vor andern ge-
sehen, da in den öffentlichen Zusammenkünften
manche alhier bestrafete äusserliche Unordnung
ist vorgegangen; an welche Oerter der Brief
auch wol ohn zweifel zuerst ist geschicket worden.
Weil man aber die eigentlichen Umstände von
dem, was er als etwas unanständiges mißbil-
liget, nicht eigentlich wissen kan, so läßt sich auch
davon keine besondere Auslegung machen.
Uberhaupt erkennet man daraus so viel, daß man
die ächten und rechten Glieder der Kirche, die
auch lebendige Glieder Christi waren, von den
unächten nicht unterschieden, und diese, um ih-
res äusserlichen Ansehens willen, mehr geachtet
habe, als jene.

V. 5.

Höret zu, meine lieben Brüder, hat
nicht GOtt erwehlet die Armen auf dieser
Welt, die am Glauben reich sind, und Er-
ben des Reichs, welches er verheissen hat,
denen die ihn lieben?
Siehe auch 1 Cor. 1, 26.

Anmerckungen.

1. Der Apostel zeiget an, warum man die
Armen, die dabey gottselig sind, nicht verachten
solle; weil sie GOTT in Christo so hoch ge-
würdiget hat, daß er sie in der Ordnung des
[Spaltenumbruch] Heyls zu seinen Kindern und Erben des ewigen
Lebens erwehlet habe. Es wäre aber zu wün-
fchen, daß alle Arme solche wären, die in der
Ordnung des Heyls stünden: da leider bey vie-
len Armen die Gottlosigkeit so groß ist, als sie bey
den Reichen immer seyn mag.

2. Der Apostel wolte einer gar wichtigen
Sache gedencken, darum spricht er: höret zu,
meine lieben Brüder!
Es ist dieses auch oste
in öffentlichen Predigten nöthig, daß man die
Zuhörer zur Aufmercksamkeit erwecke; auch
wenn sie nicht eben schläfrig und unachtsam
sind, man aber doch vermuthet, daß sie etwas,
welches ihnen vor andern nöthig zu mercken ist,
nicht recht nach seiner Würde erwegen möch-
ten.

3. Es ist dieses ein schöner Ort von der
Gnaden-Wahl, da wir zu bemercken haben:
Erstlich, welches der Grund der Erwehlung
sey; hernach, welche GOTT erwehlet habe;
und denn, wie die Erwehlung beschaffen sey,
und endlich worauf sie gehe.

4. Der Grund der Erwehlung ist das
Evangelium von Christo: darauf uns Jacobus
alhier zwar nicht ausdrücklich, aber doch nicht
undeutlich, führet mit dem Worte verheissen
hat,
nemlich das Reich. Denn das Evange-
lium ist nichts anders, als eine gnädige Ver-
heissung
und Erfüllung, daß Christus solte
seyn der Welt Heyland, und daß alle, die an ihn
gläuben würden, solten das ewige Leben haben.
Und also setzet die Erwehlung die allgemeine
Liebe des Vaters,
nach welcher er seinen Sohn
zum allgemeinen Erlöser in diese Welt gesandt,
nicht weniger auch die allgemeine Erlösung
des Sohnes,
und die allgemeine Wirckung
des heiligen Geistes
zur Anzündung des Glau-
bens an Christum, zum Grunde: als auf welche
drey Haupt-Stücke es bey der Verheissung,
oder bey dem Evangelio ankömmt. Welches
aus daraus erhellt, daß Jacobus saget, die
Gläubigen wären erwehlet worden: der Glau-
be
aber gehet auf Christum, der vom Vater
zum allgemeinen Welt-Heylande gesandt ist;
und er ist nicht ein Werck unserer Kräfte, sondern
des heiligen Geistes.

5. Die Auserwehlten werden genennet
die Armen auf dieser Welt, welche am Glau-
ben reich sind.
Bey welchen Worten folgen-
des zu mercken ist:

a. Der leiblich Armen und geistlich Reichen
wird gedacht im Gegensatze nicht auf alle leib-
lich Reichen, sondern nur auf solche, welche
nicht auch zugleich suchten reich in GOTT zu
werden. Denn unter den Reichen dieser
Welt kömmt doch auch mancher ins Reich
GOttes, ob es gleich schwer hergehet, wie
unser Heyland selbst spricht Luc. 18, 24. Ein
schönes Exempel haben wir am Joseph von
Arimathia, welcher war ein reicher Mann,
und dabey doch ein solcher Jünger JESU
ward, der es seinen eigentlichen zwölf Jün-
gern an der Glaubens-Kraft zuvor that.
Matth. 27, 57. 58.
b. Gleichwie es Reiche dieser Welt giebt, wel-
che
L l l

Cap. 2. v. 3-5. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
[Spaltenumbruch] alſo hat, als haͤtte man es nicht, da man denn
wohl ſagen kan, daß manche vernuͤnftige und
auch dabey Chriſtliche Creatur der Eitelkeit un-
terworfen ſey ohne ihren Willen Roͤm. 8, 20.
alſo daß, was andern eine Luſt, ihr eine Laſt
iſt.

3. Der Apoſtel behaͤlt das Judiſche Wort
συναγωγὴ, ſynagoge von den Verſamlungen
der aus den Juden zu Chriſto bekehrten Glaͤu-
bigen; und iſt wohl kein Zweifel, daß, da die un-
glaͤubigen Juden gegen ſie in groſſe Verbitte-
rung ſtunden, ſie ihre beſondere Oerter zu ihren
Zuſammenkuͤnften gehabt haben. Davon auch
Paulus Hebr. 10, 25. ſchreibet, wenn er ſpricht:
Laſſet uns nicht verlaſſen τὴν ἐπισυναγωγὴν
ἡμῶν, unſere Verſamlung, wie etliche pfle-
gen.
Der Ort aber Ap. Geſ. 15, 21. iſt von den
Judiſchen Synagogen zu verſtehen.

4. Es muͤſſen ſich die aus den Juden zu
Chriſto bekehrte in nicht gringer Anzahl vieler
Orten gefunden haben, weil aus der Redens-
Art: ſetze dich her zu meinen Fuͤſſen, zu
ſchlieſſen iſt, daß die Baͤncke, oder Stuͤhle, um
des Platzes willen, damit er ſo vielmehr faſſen
moͤchte, zum Theil ſind erhoͤhet geweſen, alſo
daß ſich unten zu den Fuͤſſen noch ein Raum zum
Sitzen gefunden hat. Da ſich auch die bekehr-
ten Heyden zu ſolchen Verſamlungen gehalten
haben, ſo iſt die Anzahl der Verſamleten ſo viel
ſtaͤrcker geweſen.

5. Man ſiehet auch dieſes hieraus, daß die
erſten Chriſten ihre freye Religions-Ubung un-
ter den Heyden gehabt haben, wie die Juden:
ob ſie ihnen gleich oft ſehr beſchnitten, und zu-
weilen iſt gar genommen worden.

6. Jacobus hat mit dieſem gantzen Texte,
und noch einigen andern Stellen dieſes Briefes
ohn Zweifel auf etliche Oerter vor andern ge-
ſehen, da in den oͤffentlichen Zuſammenkuͤnften
manche alhier beſtrafete aͤuſſerliche Unordnung
iſt vorgegangen; an welche Oerter der Brief
auch wol ohn zweifel zuerſt iſt geſchicket worden.
Weil man aber die eigentlichen Umſtaͤnde von
dem, was er als etwas unanſtaͤndiges mißbil-
liget, nicht eigentlich wiſſen kan, ſo laͤßt ſich auch
davon keine beſondere Auslegung machen.
Uberhaupt erkennet man daraus ſo viel, daß man
die aͤchten und rechten Glieder der Kirche, die
auch lebendige Glieder Chriſti waren, von den
unaͤchten nicht unterſchieden, und dieſe, um ih-
res aͤuſſerlichen Anſehens willen, mehr geachtet
habe, als jene.

V. 5.

Hoͤret zu, meine lieben Bruͤder, hat
nicht GOtt erwehlet die Armen auf dieſer
Welt, die am Glauben reich ſind, und Er-
ben des Reichs, welches er verheiſſen hat,
denen die ihn lieben?
Siehe auch 1 Cor. 1, 26.

Anmerckungen.

1. Der Apoſtel zeiget an, warum man die
Armen, die dabey gottſelig ſind, nicht verachten
ſolle; weil ſie GOTT in Chriſto ſo hoch ge-
wuͤrdiget hat, daß er ſie in der Ordnung des
[Spaltenumbruch] Heyls zu ſeinen Kindern und Erben des ewigen
Lebens erwehlet habe. Es waͤre aber zu wuͤn-
fchen, daß alle Arme ſolche waͤren, die in der
Ordnung des Heyls ſtuͤnden: da leider bey vie-
len Armen die Gottloſigkeit ſo groß iſt, als ſie bey
den Reichen immer ſeyn mag.

2. Der Apoſtel wolte einer gar wichtigen
Sache gedencken, darum ſpricht er: hoͤret zu,
meine lieben Bruͤder!
Es iſt dieſes auch oſte
in oͤffentlichen Predigten noͤthig, daß man die
Zuhoͤrer zur Aufmerckſamkeit erwecke; auch
wenn ſie nicht eben ſchlaͤfrig und unachtſam
ſind, man aber doch vermuthet, daß ſie etwas,
welches ihnen vor andern noͤthig zu mercken iſt,
nicht recht nach ſeiner Wuͤrde erwegen moͤch-
ten.

3. Es iſt dieſes ein ſchoͤner Ort von der
Gnaden-Wahl, da wir zu bemercken haben:
Erſtlich, welches der Grund der Erwehlung
ſey; hernach, welche GOTT erwehlet habe;
und denn, wie die Erwehlung beſchaffen ſey,
und endlich worauf ſie gehe.

4. Der Grund der Erwehlung iſt das
Evangelium von Chriſto: darauf uns Jacobus
alhier zwar nicht ausdruͤcklich, aber doch nicht
undeutlich, fuͤhret mit dem Worte verheiſſen
hat,
nemlich das Reich. Denn das Evange-
lium iſt nichts anders, als eine gnaͤdige Ver-
heiſſung
und Erfuͤllung, daß Chriſtus ſolte
ſeyn der Welt Heyland, und daß alle, die an ihn
glaͤuben wuͤrden, ſolten das ewige Leben haben.
Und alſo ſetzet die Erwehlung die allgemeine
Liebe des Vaters,
nach welcher er ſeinen Sohn
zum allgemeinen Erloͤſer in dieſe Welt geſandt,
nicht weniger auch die allgemeine Erloͤſung
des Sohnes,
und die allgemeine Wirckung
des heiligen Geiſtes
zur Anzuͤndung des Glau-
bens an Chriſtum, zum Grunde: als auf welche
drey Haupt-Stuͤcke es bey der Verheiſſung,
oder bey dem Evangelio ankoͤmmt. Welches
aus daraus erhellt, daß Jacobus ſaget, die
Glaͤubigen waͤren erwehlet worden: der Glau-
be
aber gehet auf Chriſtum, der vom Vater
zum allgemeinen Welt-Heylande geſandt iſt;
und er iſt nicht ein Werck unſerer Kraͤfte, ſondern
des heiligen Geiſtes.

5. Die Auserwehlten werden genennet
die Armen auf dieſer Welt, welche am Glau-
ben reich ſind.
Bey welchen Worten folgen-
des zu mercken iſt:

a. Der leiblich Armen und geiſtlich Reichen
wird gedacht im Gegenſatze nicht auf alle leib-
lich Reichen, ſondern nur auf ſolche, welche
nicht auch zugleich ſuchten reich in GOTT zu
werden. Denn unter den Reichen dieſer
Welt koͤmmt doch auch mancher ins Reich
GOttes, ob es gleich ſchwer hergehet, wie
unſer Heyland ſelbſt ſpricht Luc. 18, 24. Ein
ſchoͤnes Exempel haben wir am Joſeph von
Arimathia, welcher war ein reicher Mann,
und dabey doch ein ſolcher Juͤnger JESU
ward, der es ſeinen eigentlichen zwoͤlf Juͤn-
gern an der Glaubens-Kraft zuvor that.
Matth. 27, 57. 58.
b. Gleichwie es Reiche dieſer Welt giebt, wel-
che
L l l
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[449/0451] Cap. 2. v. 3-5. Erklaͤrung des Briefes Jacobi. alſo hat, als haͤtte man es nicht, da man denn wohl ſagen kan, daß manche vernuͤnftige und auch dabey Chriſtliche Creatur der Eitelkeit un- terworfen ſey ohne ihren Willen Roͤm. 8, 20. alſo daß, was andern eine Luſt, ihr eine Laſt iſt. 3. Der Apoſtel behaͤlt das Judiſche Wort συναγωγὴ, ſynagoge von den Verſamlungen der aus den Juden zu Chriſto bekehrten Glaͤu- bigen; und iſt wohl kein Zweifel, daß, da die un- glaͤubigen Juden gegen ſie in groſſe Verbitte- rung ſtunden, ſie ihre beſondere Oerter zu ihren Zuſammenkuͤnften gehabt haben. Davon auch Paulus Hebr. 10, 25. ſchreibet, wenn er ſpricht: Laſſet uns nicht verlaſſen τὴν ἐπισυναγωγὴν ἡμῶν, unſere Verſamlung, wie etliche pfle- gen. Der Ort aber Ap. Geſ. 15, 21. iſt von den Judiſchen Synagogen zu verſtehen. 4. Es muͤſſen ſich die aus den Juden zu Chriſto bekehrte in nicht gringer Anzahl vieler Orten gefunden haben, weil aus der Redens- Art: ſetze dich her zu meinen Fuͤſſen, zu ſchlieſſen iſt, daß die Baͤncke, oder Stuͤhle, um des Platzes willen, damit er ſo vielmehr faſſen moͤchte, zum Theil ſind erhoͤhet geweſen, alſo daß ſich unten zu den Fuͤſſen noch ein Raum zum Sitzen gefunden hat. Da ſich auch die bekehr- ten Heyden zu ſolchen Verſamlungen gehalten haben, ſo iſt die Anzahl der Verſamleten ſo viel ſtaͤrcker geweſen. 5. Man ſiehet auch dieſes hieraus, daß die erſten Chriſten ihre freye Religions-Ubung un- ter den Heyden gehabt haben, wie die Juden: ob ſie ihnen gleich oft ſehr beſchnitten, und zu- weilen iſt gar genommen worden. 6. Jacobus hat mit dieſem gantzen Texte, und noch einigen andern Stellen dieſes Briefes ohn Zweifel auf etliche Oerter vor andern ge- ſehen, da in den oͤffentlichen Zuſammenkuͤnften manche alhier beſtrafete aͤuſſerliche Unordnung iſt vorgegangen; an welche Oerter der Brief auch wol ohn zweifel zuerſt iſt geſchicket worden. Weil man aber die eigentlichen Umſtaͤnde von dem, was er als etwas unanſtaͤndiges mißbil- liget, nicht eigentlich wiſſen kan, ſo laͤßt ſich auch davon keine beſondere Auslegung machen. Uberhaupt erkennet man daraus ſo viel, daß man die aͤchten und rechten Glieder der Kirche, die auch lebendige Glieder Chriſti waren, von den unaͤchten nicht unterſchieden, und dieſe, um ih- res aͤuſſerlichen Anſehens willen, mehr geachtet habe, als jene. V. 5. Hoͤret zu, meine lieben Bruͤder, hat nicht GOtt erwehlet die Armen auf dieſer Welt, die am Glauben reich ſind, und Er- ben des Reichs, welches er verheiſſen hat, denen die ihn lieben? Siehe auch 1 Cor. 1, 26. Anmerckungen. 1. Der Apoſtel zeiget an, warum man die Armen, die dabey gottſelig ſind, nicht verachten ſolle; weil ſie GOTT in Chriſto ſo hoch ge- wuͤrdiget hat, daß er ſie in der Ordnung des Heyls zu ſeinen Kindern und Erben des ewigen Lebens erwehlet habe. Es waͤre aber zu wuͤn- fchen, daß alle Arme ſolche waͤren, die in der Ordnung des Heyls ſtuͤnden: da leider bey vie- len Armen die Gottloſigkeit ſo groß iſt, als ſie bey den Reichen immer ſeyn mag. 2. Der Apoſtel wolte einer gar wichtigen Sache gedencken, darum ſpricht er: hoͤret zu, meine lieben Bruͤder! Es iſt dieſes auch oſte in oͤffentlichen Predigten noͤthig, daß man die Zuhoͤrer zur Aufmerckſamkeit erwecke; auch wenn ſie nicht eben ſchlaͤfrig und unachtſam ſind, man aber doch vermuthet, daß ſie etwas, welches ihnen vor andern noͤthig zu mercken iſt, nicht recht nach ſeiner Wuͤrde erwegen moͤch- ten. 3. Es iſt dieſes ein ſchoͤner Ort von der Gnaden-Wahl, da wir zu bemercken haben: Erſtlich, welches der Grund der Erwehlung ſey; hernach, welche GOTT erwehlet habe; und denn, wie die Erwehlung beſchaffen ſey, und endlich worauf ſie gehe. 4. Der Grund der Erwehlung iſt das Evangelium von Chriſto: darauf uns Jacobus alhier zwar nicht ausdruͤcklich, aber doch nicht undeutlich, fuͤhret mit dem Worte verheiſſen hat, nemlich das Reich. Denn das Evange- lium iſt nichts anders, als eine gnaͤdige Ver- heiſſung und Erfuͤllung, daß Chriſtus ſolte ſeyn der Welt Heyland, und daß alle, die an ihn glaͤuben wuͤrden, ſolten das ewige Leben haben. Und alſo ſetzet die Erwehlung die allgemeine Liebe des Vaters, nach welcher er ſeinen Sohn zum allgemeinen Erloͤſer in dieſe Welt geſandt, nicht weniger auch die allgemeine Erloͤſung des Sohnes, und die allgemeine Wirckung des heiligen Geiſtes zur Anzuͤndung des Glau- bens an Chriſtum, zum Grunde: als auf welche drey Haupt-Stuͤcke es bey der Verheiſſung, oder bey dem Evangelio ankoͤmmt. Welches aus daraus erhellt, daß Jacobus ſaget, die Glaͤubigen waͤren erwehlet worden: der Glau- be aber gehet auf Chriſtum, der vom Vater zum allgemeinen Welt-Heylande geſandt iſt; und er iſt nicht ein Werck unſerer Kraͤfte, ſondern des heiligen Geiſtes. 5. Die Auserwehlten werden genennet die Armen auf dieſer Welt, welche am Glau- ben reich ſind. Bey welchen Worten folgen- des zu mercken iſt: a. Der leiblich Armen und geiſtlich Reichen wird gedacht im Gegenſatze nicht auf alle leib- lich Reichen, ſondern nur auf ſolche, welche nicht auch zugleich ſuchten reich in GOTT zu werden. Denn unter den Reichen dieſer Welt koͤmmt doch auch mancher ins Reich GOttes, ob es gleich ſchwer hergehet, wie unſer Heyland ſelbſt ſpricht Luc. 18, 24. Ein ſchoͤnes Exempel haben wir am Joſeph von Arimathia, welcher war ein reicher Mann, und dabey doch ein ſolcher Juͤnger JESU ward, der es ſeinen eigentlichen zwoͤlf Juͤn- gern an der Glaubens-Kraft zuvor that. Matth. 27, 57. 58. b. Gleichwie es Reiche dieſer Welt giebt, wel- che L l l

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/451>, abgerufen am 22.11.2024.