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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 1. v. 25. 26. Erklärung des Briefes Jacobi.
[Spaltenumbruch] sonderbaren Preise und zu einer grossen Würde,
daß man darinn bereits selig ist, und es wirck-
lich schon auf dieser Welt auch unter dem Creutze
gut hat: wie es denn auch das nachdrückliche
Teutsche Wort der Gottseligkeit und der
Gottseligen also mit sich bringet. Da hinge-
gen die Gottlosen nicht allein künftig die Unse-
ligkeit zu gewarten haben, sondern bereits itzo,
ausser der Gemeinschaft mit GOtt, in einem recht
unseligen Zustande sind: wie denn die herr-
schende Sünde auch schon in dieser Welt ihre
Strafe mit sich führet, da sie dem Menschen so
viel Unlust und Unruhe verursachet, und er in
dem, was ihm von andern Leides zugefüget
wird, oder durch Unglücks-Fälle Ubels begegnet,
sich mit nichts recht zu rathen und zu helfen weiß.
Wer wolte demnach nicht lieber GOtt, als der
Sünde und der Welt, dienen?

V. 26.

So sich aber iemand läßt düncken, er
diene GOtt, und hält seine Zunge nicht im
Zaum, sondern verführet sein Hertz
(durch
solchen Eigendünckel) deß Gottesdienst ist
eitel.

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apostel von dem, wie man
GOtt in der That innerlich und äusserlich mit
dem Hertzen und gantzen Leben nach seinem Wil-
len, dienen solle, gehandelt hat; viele sich aber
damit selbst betrogen, und nichts weniger in der
That selbst erwiesen; so setzet er davon ein solches
Kennzeichen, welches leichtlich den Ausschlag ge-
ben konte. Denn weil zum Gottesdienste unter
andern dieses gehörete, daß man innerlich seine
böse Affecten recht beherrsche, und daher auch
seine Zunge im Zaum halte, das Gegentheil aber
bey manchen sich befunde, so führet er solche da-
durch zur Erkenntniß ihrer selbst. Und solcher ge-
stalt erläutert er zugleich alhier mit mehrern, was
er vorher v. 19. von der Rede und von dem Zorn
gesaget hatte, daß man langsam dazu seyn solle;
und daß solches ausser denen, welche ins Lehr-Amt
treten, auch eine Lection für alle übrige Christen
sey.

2. Was das Düncken, oder sich düncken
lassen
im Christenthum für eine gemeine und arge
Sache sey, kan kaum genug gesaget werden. Der
Grund davon ist die Eigen-Liebe, nach welcher
man theils das Böse an sich nicht erkennet, oder
doch für sehr geringe hält; theils das Gute bey
sich viel zu hoch schätzet; und wie hier ein Loth
gleichsam zum Pfunde, wo nicht zum Centner;
also dort einen Centner zum Lothe machet. Wel-
chem Eigendünckel viel Sprüche der heiligen
Schrift entgegen gesetzet sind: insonderheit fol-
gende: Röm. 2, 17. u. f. Siehe aber zu, du
heissest ein Jude, und verlässest dich aufs
Gesetze, und rühmest dich GOttes, und
weissest seinen Willen.
u. s. w. Gal. 6, 3. So
sich iemand lässet düncken, er sey etwas, so
er doch nichts ist, der betreuget sich selbst.

Siehe auch 2 Cor. 10, 12. und sonderlich Off.
3, 17. 18. Du sprichst, ich bin reich, und habe
[Spaltenumbruch] gar satt, und darf nichts; und weissest
nicht, daß du bist elend, jämmerlich, arm
blind und bloß.
u. f.

3. Mit solchen Dünckelern hat es sonderlich
Johannes in seinem ersten Briefe zu thun, da es so
ofte von ihnen heißt: Wer da saget, wer da
saget:
zum Exempel c. 1, 6. So wir sagen,
daß wir Gemeinschaft mit ihm
(GOtt, dem
ewigen Lichte) haben, und wandeln im Fin-
sterniß, so lügen wir, und thun nicht die
Wahrheit.
Ferner v. 8. So wir sagen, wir
haben keine Sünde, so verführen wir uns
selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.

v. 10. So wir sagen, wir haben nicht ge-
sündiget, so machen wir ihn zum Lügner,
und sein Wort ist nicht bey uns.
Siehe der-
gleichen c. 2, 4. 6. 9. u. s. w.

4. Es ist fast kein Jrrthum gemeiner und
schädlicher, als dieser, welchen sich die Menschen
vom Gottesdienst machen, da sie meynen, er be-
stehe allein in äusserlichen Formen und Weisen,
und, wenn sie die mit annehmen, so sey GOTT
gedienet; da denn der Dienst GOttes zugleich
an gewisse Tage und Stunden gebunden wird.
Weil aber GOtt ein Geist ist, so will er zuvorderst
im Geist und in der Wahrheit und dazu allezeit
bedienet seyn Joh. 4, 24. und muß alles äussere
was zu gewissen Zeiten geschiehet, aus dem innern
Grunde hergeleitet, oder daraus geheiliget wer-
den, sonsten es GOtt nur ein Greuel ist, und wenn
es gleich noch so grossen und guten Schein hat.

5. Und wenn der Apostel der Zunge, als
einer äusserlichen, oder sich äussernden, Sache
gedencket, führet er damit auf das innere, auf den
Grund. Denn es ist bekannter massen, die Zun-
ge nur ein Instrument der Seelen, und kan sie
unmöglich anders bezähmet werden, als durch die
Bezähmung des Affects, welcher in der sündli-
chen und herrschenden Lust lieget, und den Men-
schen bald zum Zorn und Ungeduld, bald zu fau-
len, unnützen, eitelen und fürwitzigen Geschwätze
reitzet nach v. 14. 15. Dieser muß Einhalt gesche-
hen, dazu aber natürliche Kräfte nicht hinreichen,
sondern solche Gnaden-Kräfte erfordert werden,
welche, als eine gute und vollkommene Gabe,
von oben kommen von dem Vater des Lichts,
und nicht anders, als in der Wiedergeburt erlan-
get werden, nach v. 17. 18.

6. Sein Hertz verführen, ist sich selbst
verführen. Und da der Mensch dieses thut, so la-
det er die Schuld der Verdammniß durch den
Mißbrauch seines freyen Willens auf sich selbst,
und ist ohne Entschuldigung. Paulus nennet
solche Tit. 1, 10. phrenapatas, Selbst-Betrü-
ger,
Gemüths-Verführer.

7. Wenn nun der Mensch soll und kan seine
Zunge im Zaum halten,
wo wollen denn heute
zu Tage die falschen Philosophi mit ihrem Me-
chanismo
bleiben, welchen sie auch auf alle will-
kührliche Bewegungen und Handlungen des Lei-
bes extendiren, und statuiren, daß die Seele
damit gar nichts zu thun habe, sondern daß sie alle
von sich selbst kämen nach den Mechanischen
Gesetzen der Bewegung, und daß der Mensch
gleichsam wie ein Rädlein an dem grossen Uhr-

wercke
K k k 3

Cap. 1. v. 25. 26. Erklaͤrung des Briefes Jacobi.
[Spaltenumbruch] ſonderbaren Preiſe und zu einer groſſen Wuͤrde,
daß man darinn bereits ſelig iſt, und es wirck-
lich ſchon auf dieſer Welt auch unter dem Creutze
gut hat: wie es denn auch das nachdruͤckliche
Teutſche Wort der Gottſeligkeit und der
Gottſeligen alſo mit ſich bringet. Da hinge-
gen die Gottloſen nicht allein kuͤnftig die Unſe-
ligkeit zu gewarten haben, ſondern bereits itzo,
auſſer der Gemeinſchaft mit GOtt, in einem recht
unſeligen Zuſtande ſind: wie denn die herr-
ſchende Suͤnde auch ſchon in dieſer Welt ihre
Strafe mit ſich fuͤhret, da ſie dem Menſchen ſo
viel Unluſt und Unruhe verurſachet, und er in
dem, was ihm von andern Leides zugefuͤget
wird, oder durch Ungluͤcks-Faͤlle Ubels begegnet,
ſich mit nichts recht zu rathen und zu helfen weiß.
Wer wolte demnach nicht lieber GOtt, als der
Suͤnde und der Welt, dienen?

V. 26.

So ſich aber iemand laͤßt duͤncken, er
diene GOtt, und haͤlt ſeine Zunge nicht im
Zaum, ſondern verfuͤhret ſein Hertz
(durch
ſolchen Eigenduͤnckel) deß Gottesdienſt iſt
eitel.

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apoſtel von dem, wie man
GOtt in der That innerlich und aͤuſſerlich mit
dem Hertzen und gantzen Leben nach ſeinem Wil-
len, dienen ſolle, gehandelt hat; viele ſich aber
damit ſelbſt betrogen, und nichts weniger in der
That ſelbſt erwieſen; ſo ſetzet er davon ein ſolches
Kennzeichen, welches leichtlich den Ausſchlag ge-
ben konte. Denn weil zum Gottesdienſte unter
andern dieſes gehoͤrete, daß man innerlich ſeine
boͤſe Affecten recht beherrſche, und daher auch
ſeine Zunge im Zaum halte, das Gegentheil aber
bey manchen ſich befunde, ſo fuͤhret er ſolche da-
durch zur Erkenntniß ihrer ſelbſt. Und ſolcher ge-
ſtalt erlaͤutert er zugleich alhier mit mehrern, was
er vorher v. 19. von der Rede und von dem Zorn
geſaget hatte, daß man langſam dazu ſeyn ſolle;
und daß ſolches auſſer denen, welche ins Lehr-Amt
treten, auch eine Lection fuͤr alle uͤbrige Chriſten
ſey.

2. Was das Duͤncken, oder ſich duͤncken
laſſen
im Chriſtenthum fuͤr eine gemeine und arge
Sache ſey, kan kaum genug geſaget werden. Der
Grund davon iſt die Eigen-Liebe, nach welcher
man theils das Boͤſe an ſich nicht erkennet, oder
doch fuͤr ſehr geringe haͤlt; theils das Gute bey
ſich viel zu hoch ſchaͤtzet; und wie hier ein Loth
gleichſam zum Pfunde, wo nicht zum Centner;
alſo dort einen Centner zum Lothe machet. Wel-
chem Eigenduͤnckel viel Spruͤche der heiligen
Schrift entgegen geſetzet ſind: inſonderheit fol-
gende: Roͤm. 2, 17. u. f. Siehe aber zu, du
heiſſeſt ein Jude, und verlaͤſſeſt dich aufs
Geſetze, und ruͤhmeſt dich GOttes, und
weiſſeſt ſeinen Willen.
u. ſ. w. Gal. 6, 3. So
ſich iemand laͤſſet duͤncken, er ſey etwas, ſo
er doch nichts iſt, der betreuget ſich ſelbſt.

Siehe auch 2 Cor. 10, 12. und ſonderlich Off.
3, 17. 18. Du ſprichſt, ich bin reich, und habe
[Spaltenumbruch] gar ſatt, und darf nichts; und weiſſeſt
nicht, daß du biſt elend, jaͤmmerlich, arm
blind und bloß.
u. f.

3. Mit ſolchen Duͤnckelern hat es ſonderlich
Johannes in ſeinem erſten Briefe zu thun, da es ſo
ofte von ihnen heißt: Wer da ſaget, wer da
ſaget:
zum Exempel c. 1, 6. So wir ſagen,
daß wir Gemeinſchaft mit ihm
(GOtt, dem
ewigen Lichte) haben, und wandeln im Fin-
ſterniß, ſo luͤgen wir, und thun nicht die
Wahrheit.
Ferner v. 8. So wir ſagen, wir
haben keine Suͤnde, ſo verfuͤhren wir uns
ſelbſt, und die Wahrheit iſt nicht in uns.

v. 10. So wir ſagen, wir haben nicht ge-
ſuͤndiget, ſo machen wir ihn zum Luͤgner,
und ſein Wort iſt nicht bey uns.
Siehe der-
gleichen c. 2, 4. 6. 9. u. ſ. w.

4. Es iſt faſt kein Jrrthum gemeiner und
ſchaͤdlicher, als dieſer, welchen ſich die Menſchen
vom Gottesdienſt machen, da ſie meynen, er be-
ſtehe allein in aͤuſſerlichen Formen und Weiſen,
und, wenn ſie die mit annehmen, ſo ſey GOTT
gedienet; da denn der Dienſt GOttes zugleich
an gewiſſe Tage und Stunden gebunden wird.
Weil aber GOtt ein Geiſt iſt, ſo will er zuvorderſt
im Geiſt und in der Wahrheit und dazu allezeit
bedienet ſeyn Joh. 4, 24. und muß alles aͤuſſere
was zu gewiſſen Zeiten geſchiehet, aus dem innern
Grunde hergeleitet, oder daraus geheiliget wer-
den, ſonſten es GOtt nur ein Greuel iſt, und wenn
es gleich noch ſo groſſen und guten Schein hat.

5. Und wenn der Apoſtel der Zunge, als
einer aͤuſſerlichen, oder ſich aͤuſſernden, Sache
gedencket, fuͤhret er damit auf das innere, auf den
Grund. Denn es iſt bekannter maſſen, die Zun-
ge nur ein Inſtrument der Seelen, und kan ſie
unmoͤglich anders bezaͤhmet werden, als durch die
Bezaͤhmung des Affects, welcher in der ſuͤndli-
chen und herrſchenden Luſt lieget, und den Men-
ſchen bald zum Zorn und Ungeduld, bald zu fau-
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reitzet nach v. 14. 15. Dieſer muß Einhalt geſche-
hen, dazu aber natuͤrliche Kraͤfte nicht hinreichen,
ſondern ſolche Gnaden-Kraͤfte erfordert werden,
welche, als eine gute und vollkommene Gabe,
von oben kommen von dem Vater des Lichts,
und nicht anders, als in der Wiedergeburt erlan-
get werden, nach v. 17. 18.

6. Sein Hertz verfuͤhren, iſt ſich ſelbſt
verfuͤhren. Und da der Menſch dieſes thut, ſo la-
det er die Schuld der Verdammniß durch den
Mißbrauch ſeines freyen Willens auf ſich ſelbſt,
und iſt ohne Entſchuldigung. Paulus nennet
ſolche Tit. 1, 10. ϕρεναπάτας, Selbſt-Betruͤ-
ger,
Gemuͤths-Verfuͤhrer.

7. Wenn nun der Menſch ſoll und kan ſeine
Zunge im Zaum halten,
wo wollen denn heute
zu Tage die falſchen Philoſophi mit ihrem Me-
chaniſmo
bleiben, welchen ſie auch auf alle will-
kuͤhrliche Bewegungen und Handlungen des Lei-
bes extendiren, und ſtatuiren, daß die Seele
damit gar nichts zu thun habe, ſondern daß ſie alle
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[445/0447] Cap. 1. v. 25. 26. Erklaͤrung des Briefes Jacobi. ſonderbaren Preiſe und zu einer groſſen Wuͤrde, daß man darinn bereits ſelig iſt, und es wirck- lich ſchon auf dieſer Welt auch unter dem Creutze gut hat: wie es denn auch das nachdruͤckliche Teutſche Wort der Gottſeligkeit und der Gottſeligen alſo mit ſich bringet. Da hinge- gen die Gottloſen nicht allein kuͤnftig die Unſe- ligkeit zu gewarten haben, ſondern bereits itzo, auſſer der Gemeinſchaft mit GOtt, in einem recht unſeligen Zuſtande ſind: wie denn die herr- ſchende Suͤnde auch ſchon in dieſer Welt ihre Strafe mit ſich fuͤhret, da ſie dem Menſchen ſo viel Unluſt und Unruhe verurſachet, und er in dem, was ihm von andern Leides zugefuͤget wird, oder durch Ungluͤcks-Faͤlle Ubels begegnet, ſich mit nichts recht zu rathen und zu helfen weiß. Wer wolte demnach nicht lieber GOtt, als der Suͤnde und der Welt, dienen? V. 26. So ſich aber iemand laͤßt duͤncken, er diene GOtt, und haͤlt ſeine Zunge nicht im Zaum, ſondern verfuͤhret ſein Hertz (durch ſolchen Eigenduͤnckel) deß Gottesdienſt iſt eitel. Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel von dem, wie man GOtt in der That innerlich und aͤuſſerlich mit dem Hertzen und gantzen Leben nach ſeinem Wil- len, dienen ſolle, gehandelt hat; viele ſich aber damit ſelbſt betrogen, und nichts weniger in der That ſelbſt erwieſen; ſo ſetzet er davon ein ſolches Kennzeichen, welches leichtlich den Ausſchlag ge- ben konte. Denn weil zum Gottesdienſte unter andern dieſes gehoͤrete, daß man innerlich ſeine boͤſe Affecten recht beherrſche, und daher auch ſeine Zunge im Zaum halte, das Gegentheil aber bey manchen ſich befunde, ſo fuͤhret er ſolche da- durch zur Erkenntniß ihrer ſelbſt. Und ſolcher ge- ſtalt erlaͤutert er zugleich alhier mit mehrern, was er vorher v. 19. von der Rede und von dem Zorn geſaget hatte, daß man langſam dazu ſeyn ſolle; und daß ſolches auſſer denen, welche ins Lehr-Amt treten, auch eine Lection fuͤr alle uͤbrige Chriſten ſey. 2. Was das Duͤncken, oder ſich duͤncken laſſen im Chriſtenthum fuͤr eine gemeine und arge Sache ſey, kan kaum genug geſaget werden. Der Grund davon iſt die Eigen-Liebe, nach welcher man theils das Boͤſe an ſich nicht erkennet, oder doch fuͤr ſehr geringe haͤlt; theils das Gute bey ſich viel zu hoch ſchaͤtzet; und wie hier ein Loth gleichſam zum Pfunde, wo nicht zum Centner; alſo dort einen Centner zum Lothe machet. Wel- chem Eigenduͤnckel viel Spruͤche der heiligen Schrift entgegen geſetzet ſind: inſonderheit fol- gende: Roͤm. 2, 17. u. f. Siehe aber zu, du heiſſeſt ein Jude, und verlaͤſſeſt dich aufs Geſetze, und ruͤhmeſt dich GOttes, und weiſſeſt ſeinen Willen. u. ſ. w. Gal. 6, 3. So ſich iemand laͤſſet duͤncken, er ſey etwas, ſo er doch nichts iſt, der betreuget ſich ſelbſt. Siehe auch 2 Cor. 10, 12. und ſonderlich Off. 3, 17. 18. Du ſprichſt, ich bin reich, und habe gar ſatt, und darf nichts; und weiſſeſt nicht, daß du biſt elend, jaͤmmerlich, arm blind und bloß. u. f. 3. Mit ſolchen Duͤnckelern hat es ſonderlich Johannes in ſeinem erſten Briefe zu thun, da es ſo ofte von ihnen heißt: Wer da ſaget, wer da ſaget: zum Exempel c. 1, 6. So wir ſagen, daß wir Gemeinſchaft mit ihm (GOtt, dem ewigen Lichte) haben, und wandeln im Fin- ſterniß, ſo luͤgen wir, und thun nicht die Wahrheit. Ferner v. 8. So wir ſagen, wir haben keine Suͤnde, ſo verfuͤhren wir uns ſelbſt, und die Wahrheit iſt nicht in uns. v. 10. So wir ſagen, wir haben nicht ge- ſuͤndiget, ſo machen wir ihn zum Luͤgner, und ſein Wort iſt nicht bey uns. Siehe der- gleichen c. 2, 4. 6. 9. u. ſ. w. 4. Es iſt faſt kein Jrrthum gemeiner und ſchaͤdlicher, als dieſer, welchen ſich die Menſchen vom Gottesdienſt machen, da ſie meynen, er be- ſtehe allein in aͤuſſerlichen Formen und Weiſen, und, wenn ſie die mit annehmen, ſo ſey GOTT gedienet; da denn der Dienſt GOttes zugleich an gewiſſe Tage und Stunden gebunden wird. Weil aber GOtt ein Geiſt iſt, ſo will er zuvorderſt im Geiſt und in der Wahrheit und dazu allezeit bedienet ſeyn Joh. 4, 24. und muß alles aͤuſſere was zu gewiſſen Zeiten geſchiehet, aus dem innern Grunde hergeleitet, oder daraus geheiliget wer- den, ſonſten es GOtt nur ein Greuel iſt, und wenn es gleich noch ſo groſſen und guten Schein hat. 5. Und wenn der Apoſtel der Zunge, als einer aͤuſſerlichen, oder ſich aͤuſſernden, Sache gedencket, fuͤhret er damit auf das innere, auf den Grund. Denn es iſt bekannter maſſen, die Zun- ge nur ein Inſtrument der Seelen, und kan ſie unmoͤglich anders bezaͤhmet werden, als durch die Bezaͤhmung des Affects, welcher in der ſuͤndli- chen und herrſchenden Luſt lieget, und den Men- ſchen bald zum Zorn und Ungeduld, bald zu fau- len, unnuͤtzen, eitelen und fuͤrwitzigen Geſchwaͤtze reitzet nach v. 14. 15. Dieſer muß Einhalt geſche- hen, dazu aber natuͤrliche Kraͤfte nicht hinreichen, ſondern ſolche Gnaden-Kraͤfte erfordert werden, welche, als eine gute und vollkommene Gabe, von oben kommen von dem Vater des Lichts, und nicht anders, als in der Wiedergeburt erlan- get werden, nach v. 17. 18. 6. Sein Hertz verfuͤhren, iſt ſich ſelbſt verfuͤhren. Und da der Menſch dieſes thut, ſo la- det er die Schuld der Verdammniß durch den Mißbrauch ſeines freyen Willens auf ſich ſelbſt, und iſt ohne Entſchuldigung. Paulus nennet ſolche Tit. 1, 10. ϕρεναπάτας, Selbſt-Betruͤ- ger, Gemuͤths-Verfuͤhrer. 7. Wenn nun der Menſch ſoll und kan ſeine Zunge im Zaum halten, wo wollen denn heute zu Tage die falſchen Philoſophi mit ihrem Me- chaniſmo bleiben, welchen ſie auch auf alle will- kuͤhrliche Bewegungen und Handlungen des Lei- bes extendiren, und ſtatuiren, daß die Seele damit gar nichts zu thun habe, ſondern daß ſie alle von ſich ſelbſt kaͤmen nach den Mechaniſchen Geſetzen der Bewegung, und daß der Menſch gleichſam wie ein Raͤdlein an dem groſſen Uhr- wercke K k k 3

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/447>, abgerufen am 22.11.2024.