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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli Cap. 12. v. 1.
[Spaltenumbruch] wol der Seele nach selig gestorben sind; und al-
so haben sie auf das Unsichtbare im Glauben ge-
sehen:) Darum daß GOtt etwas bessers
für uns versehen hat, daß sie
(jene Gläu-
bige des alten Testaments,) nicht ohne uns
(ohne daß wir erst geboren und durch den Glau-
ben zu ihrer Gesellschaft gebracht worden wä-
ren,) vollendet würden, (nach Leib und See-
le zur Herrlichkeit gelangten.)

Anmerckungen.

1. Der Verstand dieser letztern Worte ist
dieser: wofern GOtt die Verheissungen von der
Zukunft des Meßiä ins Fleisch und zum Gerich-
te, schon vor den Zeiten, darinnen der Apostel
mit den gläubigen Hebräern lebte, erfüllet, und
folglich auch jene Gläubige schon zur erwarteten
Auferstehung der Gerechten, v. 35. und also be-
reits zur völligen Seligkeit nach Leib und Seele
gebracht hätte; so würden wir nicht einmal ge-
boren, vielweniger gläubig worden seyn, und
zu solcher Herrlichkeit gelangen. Es werden
demnach jene Gläubigen solange bey ihrem der
Seelen nach schon seligen Zustande in der Er-
wartung derselben gehalten, bis daß auch soviele
andere Gläubigen der neuen Oeconomie zu ih-
rer Gemeinschaft kommen, und künftig mit ih-
nen vollendet werden. Und also ist das Wort
[Spaltenumbruch] vollenden, vollkommenmachen alhier in dem
Verstande zu nehmen, darinn es eben von Chri-
sto stehet, c. 2, 10. c. 10, 9. daß er durch viele Lei-
den in die Herrlichkeit eingegangen, und also
vollendet worden.

2. Zur mehrern Erläuterung dieser Worte
kan man hiebey erwegen den Ort Offenb. 6, 9.
10. 11. da die Seelen der Martyrer unter dem
Altar vorgestellet werden mit dieser Stimme:
HERR, du Heiliger und Wahrhaftiger,
wie lange richtest du, und rächest nicht
unser Blut an denen, die auf Erden woh-
nen,
(erfüllest also deine Verheissung, und
bringest uns nach Leib und Seele zur Vollen-
dung?) Darauf, nebst Schenckung eines weis-
sen Kleides, zu ihnen gesaget wurde, daß sie ru-
heten noch eine kleine Zeit, bis vollend
dazu kämen ihre Mitknechte und Brüder,
die auch solten noch getödtet werden,
gleich wie sie.

3. Es kommen demnach die Gläubigen des
neuen Testaments, zuvorderst der geistlichen
Gemeinschaft nach, zu der Gemeine der Erstge-
bornen, die im Himmel angeschrieben sind, und
zu den Geistern der vollkommnen Gerechten nach
c. 12, 23. und endlich gelangen sie mit einander
nach Leib und Seele zum vollkommnen Anschau-
en GOttes.

Das Zwölfte Capitel,
Darinnen
Der Apostel die gläubigen Hebräer, nach vorgestellten
Exempeln der Gläubigen des alten Testaments/ gar nachdrücklich ermah-
net/ nach der vorgelegten Ordnung des Heyls in der Heiligung unter dem
Creutze mit Geduld und aller Beharrung fortzufahren; und zwar also/ daß
ein ieder zuvorderst seiner selbst/ und denn auch seines Neben-Christen/ wohl
wahrnehme; und sich zur Erweisung dieser treuen und schuldigen Pflicht
die in der neuen Oeconomie vor der alten empfangenen grossen
geistlichen Vorzüge wohl vor-
stelle.
[Spaltenumbruch]
V. 1.

DArum auch wir, (Gläubigen zur
Zeit der neuen Oeconomie, wie
jene in der alten,) dieweil wir
(an ihnen, wie im vorhergehenden
Capitel ist angezeiget worden,)
einen solchen Haufen (tosou~ton nephos, eine so
grosse Wolcke oder starcke Menge,) Zeugen,
(solcher Bekenner, welche ihren Glauben an den
Meßiam, als eine hypostasin, c. 11, 1. nicht
allein mit Worten, sondern auch mit ihren Wer-
cken, und Leiden, ja guten theils selbst mit ih-
rem Martyr-Tode thätig bewiesen haben,) so
lasser uns
(wie wir angefangen, auch bisher
fortgefahren sind, auch noch ferner und bestän-
dig) ablegen die Sünde, so uns immer
[Spaltenumbruch] anklebet und träge machet,
(ogkon panta,
alle Lasten, alle uns im Laufe belästigende und
aufhaltende Dinge,) und lasset uns laufen
durch Geduld
(di opomones, mit einer solchen
Beharrung, da wir gutes thun, und böses lei-
den,) in dem Kampf, der uns verordnet
ist,
(der zum schmalen Wege des Lebens also
gehöret, daß er uns zum Reiche GOttes vorge-
leget, und unumgänglich ist.)

Anmerckungen.

1. Regeln thun viel zur Ermunterung;
aber Exempel noch mehr: sintemal man an den
Exempeln die Möglichkeit siehet von dem, was
uns die Regeln, als zur Heils-Ordnung noth-
wendig, oder gehörig vorstellen.

2. Hat man lebendige Exempel des Ernstes

im

Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 12. v. 1.
[Spaltenumbruch] wol der Seele nach ſelig geſtorben ſind; und al-
ſo haben ſie auf das Unſichtbare im Glauben ge-
ſehen:) Darum daß GOtt etwas beſſers
fuͤr uns verſehen hat, daß ſie
(jene Glaͤu-
bige des alten Teſtaments,) nicht ohne uns
(ohne daß wir erſt geboren und durch den Glau-
ben zu ihrer Geſellſchaft gebracht worden waͤ-
ren,) vollendet wuͤrden, (nach Leib und See-
le zur Herrlichkeit gelangten.)

Anmerckungen.

1. Der Verſtand dieſer letztern Worte iſt
dieſer: wofern GOtt die Verheiſſungen von der
Zukunft des Meßiaͤ ins Fleiſch und zum Gerich-
te, ſchon vor den Zeiten, darinnen der Apoſtel
mit den glaͤubigen Hebraͤern lebte, erfuͤllet, und
folglich auch jene Glaͤubige ſchon zur erwarteten
Auferſtehung der Gerechten, v. 35. und alſo be-
reits zur voͤlligen Seligkeit nach Leib und Seele
gebracht haͤtte; ſo wuͤrden wir nicht einmal ge-
boren, vielweniger glaͤubig worden ſeyn, und
zu ſolcher Herrlichkeit gelangen. Es werden
demnach jene Glaͤubigen ſolange bey ihrem der
Seelen nach ſchon ſeligen Zuſtande in der Er-
wartung derſelben gehalten, bis daß auch ſoviele
andere Glaͤubigen der neuen Oeconomie zu ih-
rer Gemeinſchaft kommen, und kuͤnftig mit ih-
nen vollendet werden. Und alſo iſt das Wort
[Spaltenumbruch] vollenden, vollkommenmachen alhier in dem
Verſtande zu nehmen, darinn es eben von Chri-
ſto ſtehet, c. 2, 10. c. 10, 9. daß er durch viele Lei-
den in die Herrlichkeit eingegangen, und alſo
vollendet worden.

2. Zur mehrern Erlaͤuterung dieſer Worte
kan man hiebey erwegen den Ort Offenb. 6, 9.
10. 11. da die Seelen der Martyrer unter dem
Altar vorgeſtellet werden mit dieſer Stimme:
HERR, du Heiliger und Wahrhaftiger,
wie lange richteſt du, und raͤcheſt nicht
unſer Blut an denen, die auf Erden woh-
nen,
(erfuͤlleſt alſo deine Verheiſſung, und
bringeſt uns nach Leib und Seele zur Vollen-
dung?) Darauf, nebſt Schenckung eines weiſ-
ſen Kleides, zu ihnen geſaget wurde, daß ſie ru-
heten noch eine kleine Zeit, bis vollend
dazu kaͤmen ihre Mitknechte und Bruͤder,
die auch ſolten noch getoͤdtet werden,
gleich wie ſie.

3. Es kommen demnach die Glaͤubigen des
neuen Teſtaments, zuvorderſt der geiſtlichen
Gemeinſchaft nach, zu der Gemeine der Erſtge-
bornen, die im Himmel angeſchrieben ſind, und
zu den Geiſtern der vollkommnen Gerechten nach
c. 12, 23. und endlich gelangen ſie mit einander
nach Leib und Seele zum vollkommnen Anſchau-
en GOttes.

Das Zwoͤlfte Capitel,
Darinnen
Der Apoſtel die glaͤubigen Hebraͤer, nach vorgeſtellten
Exempeln der Glaͤubigen des alten Teſtaments/ gar nachdruͤcklich ermah-
net/ nach der vorgelegten Ordnung des Heyls in der Heiligung unter dem
Creutze mit Geduld und aller Beharrung fortzufahren; und zwar alſo/ daß
ein ieder zuvorderſt ſeiner ſelbſt/ und denn auch ſeines Neben-Chriſten/ wohl
wahrnehme; und ſich zur Erweiſung dieſer treuen und ſchuldigen Pflicht
die in der neuen Oeconomie vor der alten empfangenen groſſen
geiſtlichen Vorzuͤge wohl vor-
ſtelle.
[Spaltenumbruch]
V. 1.

DArum auch wir, (Glaͤubigen zur
Zeit der neuen Oeconomie, wie
jene in der alten,) dieweil wir
(an ihnen, wie im vorhergehenden
Capitel iſt angezeiget worden,)
einen ſolchen Haufen (τοσου῀τον νέφος, eine ſo
groſſe Wolcke oder ſtarcke Menge,) Zeugen,
(ſolcher Bekenner, welche ihren Glauben an den
Meßiam, als eine hypoſtaſin, c. 11, 1. nicht
allein mit Worten, ſondern auch mit ihren Wer-
cken, und Leiden, ja guten theils ſelbſt mit ih-
rem Martyr-Tode thaͤtig bewieſen haben,) ſo
laſſer uns
(wie wir angefangen, auch bisher
fortgefahren ſind, auch noch ferner und beſtaͤn-
dig) ablegen die Suͤnde, ſo uns immer
[Spaltenumbruch] anklebet und traͤge machet,
(ὄγκον πάντα,
alle Laſten, alle uns im Laufe belaͤſtigende und
aufhaltende Dinge,) und laſſet uns laufen
durch Geduld
(δἰ ὁπομονῆς, mit einer ſolchen
Beharrung, da wir gutes thun, und boͤſes lei-
den,) in dem Kampf, der uns verordnet
iſt,
(der zum ſchmalen Wege des Lebens alſo
gehoͤret, daß er uns zum Reiche GOttes vorge-
leget, und unumgaͤnglich iſt.)

Anmerckungen.

1. Regeln thun viel zur Ermunterung;
aber Exempel noch mehr: ſintemal man an den
Exempeln die Moͤglichkeit ſiehet von dem, was
uns die Regeln, als zur Heils-Ordnung noth-
wendig, oder gehoͤrig vorſtellen.

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[394/0396] Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 12. v. 1. wol der Seele nach ſelig geſtorben ſind; und al- ſo haben ſie auf das Unſichtbare im Glauben ge- ſehen:) Darum daß GOtt etwas beſſers fuͤr uns verſehen hat, daß ſie (jene Glaͤu- bige des alten Teſtaments,) nicht ohne uns (ohne daß wir erſt geboren und durch den Glau- ben zu ihrer Geſellſchaft gebracht worden waͤ- ren,) vollendet wuͤrden, (nach Leib und See- le zur Herrlichkeit gelangten.) Anmerckungen. 1. Der Verſtand dieſer letztern Worte iſt dieſer: wofern GOtt die Verheiſſungen von der Zukunft des Meßiaͤ ins Fleiſch und zum Gerich- te, ſchon vor den Zeiten, darinnen der Apoſtel mit den glaͤubigen Hebraͤern lebte, erfuͤllet, und folglich auch jene Glaͤubige ſchon zur erwarteten Auferſtehung der Gerechten, v. 35. und alſo be- reits zur voͤlligen Seligkeit nach Leib und Seele gebracht haͤtte; ſo wuͤrden wir nicht einmal ge- boren, vielweniger glaͤubig worden ſeyn, und zu ſolcher Herrlichkeit gelangen. Es werden demnach jene Glaͤubigen ſolange bey ihrem der Seelen nach ſchon ſeligen Zuſtande in der Er- wartung derſelben gehalten, bis daß auch ſoviele andere Glaͤubigen der neuen Oeconomie zu ih- rer Gemeinſchaft kommen, und kuͤnftig mit ih- nen vollendet werden. Und alſo iſt das Wort vollenden, vollkommenmachen alhier in dem Verſtande zu nehmen, darinn es eben von Chri- ſto ſtehet, c. 2, 10. c. 10, 9. daß er durch viele Lei- den in die Herrlichkeit eingegangen, und alſo vollendet worden. 2. Zur mehrern Erlaͤuterung dieſer Worte kan man hiebey erwegen den Ort Offenb. 6, 9. 10. 11. da die Seelen der Martyrer unter dem Altar vorgeſtellet werden mit dieſer Stimme: HERR, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richteſt du, und raͤcheſt nicht unſer Blut an denen, die auf Erden woh- nen, (erfuͤlleſt alſo deine Verheiſſung, und bringeſt uns nach Leib und Seele zur Vollen- dung?) Darauf, nebſt Schenckung eines weiſ- ſen Kleides, zu ihnen geſaget wurde, daß ſie ru- heten noch eine kleine Zeit, bis vollend dazu kaͤmen ihre Mitknechte und Bruͤder, die auch ſolten noch getoͤdtet werden, gleich wie ſie. 3. Es kommen demnach die Glaͤubigen des neuen Teſtaments, zuvorderſt der geiſtlichen Gemeinſchaft nach, zu der Gemeine der Erſtge- bornen, die im Himmel angeſchrieben ſind, und zu den Geiſtern der vollkommnen Gerechten nach c. 12, 23. und endlich gelangen ſie mit einander nach Leib und Seele zum vollkommnen Anſchau- en GOttes. Das Zwoͤlfte Capitel, Darinnen Der Apoſtel die glaͤubigen Hebraͤer, nach vorgeſtellten Exempeln der Glaͤubigen des alten Teſtaments/ gar nachdruͤcklich ermah- net/ nach der vorgelegten Ordnung des Heyls in der Heiligung unter dem Creutze mit Geduld und aller Beharrung fortzufahren; und zwar alſo/ daß ein ieder zuvorderſt ſeiner ſelbſt/ und denn auch ſeines Neben-Chriſten/ wohl wahrnehme; und ſich zur Erweiſung dieſer treuen und ſchuldigen Pflicht die in der neuen Oeconomie vor der alten empfangenen groſſen geiſtlichen Vorzuͤge wohl vor- ſtelle. V. 1. DArum auch wir, (Glaͤubigen zur Zeit der neuen Oeconomie, wie jene in der alten,) dieweil wir (an ihnen, wie im vorhergehenden Capitel iſt angezeiget worden,) einen ſolchen Haufen (τοσου῀τον νέφος, eine ſo groſſe Wolcke oder ſtarcke Menge,) Zeugen, (ſolcher Bekenner, welche ihren Glauben an den Meßiam, als eine hypoſtaſin, c. 11, 1. nicht allein mit Worten, ſondern auch mit ihren Wer- cken, und Leiden, ja guten theils ſelbſt mit ih- rem Martyr-Tode thaͤtig bewieſen haben,) ſo laſſer uns (wie wir angefangen, auch bisher fortgefahren ſind, auch noch ferner und beſtaͤn- dig) ablegen die Suͤnde, ſo uns immer anklebet und traͤge machet, (ὄγκον πάντα, alle Laſten, alle uns im Laufe belaͤſtigende und aufhaltende Dinge,) und laſſet uns laufen durch Geduld (δἰ ὁπομονῆς, mit einer ſolchen Beharrung, da wir gutes thun, und boͤſes lei- den,) in dem Kampf, der uns verordnet iſt, (der zum ſchmalen Wege des Lebens alſo gehoͤret, daß er uns zum Reiche GOttes vorge- leget, und unumgaͤnglich iſt.) Anmerckungen. 1. Regeln thun viel zur Ermunterung; aber Exempel noch mehr: ſintemal man an den Exempeln die Moͤglichkeit ſiehet von dem, was uns die Regeln, als zur Heils-Ordnung noth- wendig, oder gehoͤrig vorſtellen. 2. Hat man lebendige Exempel des Ernſtes im

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/396>, abgerufen am 22.11.2024.