Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.Erklärung des Briefes Pauli Cap. 11. v. 3. 4. [Spaltenumbruch]
Luft, auch, was den, um des menschlichen Ge-schlechts Willen am meisten geziereten und am weitläuftigsten beschriebenen, Erdboden betrift, in die Meere und in das Trockene, unterschieden hatte, so schritte er zu der Ergäntzung, oder Aus- zierung des grossen Welt-Gebäudes, da er es gleichsam ausmeublirete, von oben bey der obern Luft anfinge, sie mit himmlischen Lichtern besetzte, und so fort fuhr, bis auf die Erde, und darauf endlich den Menschen erschuff zu seinem Bilde, als das rechte vollkommene Meisterstück seiner Güte und Weisheit, und denselben unter den sichtbaren Geschöpfen auf Erden gleichsam zum Statthalter setzte; und daher mit einer solchen Natur begabte, daß er, der sichtbaren Dinge we- gen, sichtbar wäre, aber seinem unsichtbaren Thei- le, oder dem unsterblichen Geiste nach, zur Statthalterschaft und sonderlich zur seligen Ge- meinschaft mit seinem souverainen Schöpfer und Ober-Herrn umgehen und ihm dienen könte. Dieses alles, und was dazu gehöret, davon wir Menschen bey unserer grossen durch den Sünden- Fall zugezognen Unvollkommenheit nur lallen können nennet Paulus katarti zein, fertig und vollkommen machen. Und das sind ta rolepo- mena, die sichtbaren Dinge. 8. Die phainomena, in die Augen fallen- V. 4. Durch den Glauben hat Abel GOtt Anmerckungen. 1. Es kömmt zur Erläuterung dieses Orts a. Woher die Opfer entstanden sind? ob, wenn und wie sie von GOtt verordnet, oder von den ersten Menschen erfunden sind? b. Wie GOtt von Abels Opfer-Gabe gezeuget, das ist, was er davon für ein Gnaden-Zeichen gegeben habe? c. Wie Abel durch solches Zeichen ein Zeugniß überkommen habe, daß er gerecht sey, und was alhier für eine Gerechtigkeit verstanden werde? d. Wie Abel durch seinen Glauben noch itzo rede? 2. Die Opfer sind nicht von den Menschen a. Die Meldung des Glaubens, daß die Opfer im Glauben gebracht worden. Nun aber ist des Glaubens Eigenschaft, daß er ein Wort GOttes muß vor sich haben, dar- nach er sich richte, und daraus der Gläubige gewiß sey, daß sein Fürnehmen GOtt gefalle. Ausser, oder ohne göttliche Verordnung aber auf eine Sache fallen, und seinen Glauben in eigner Wahl darauf richten, das wäre ein selbst erwehlter Gottesdienst und GOtt ein Greuel. Und also hätte es von den Opfern der ersten Menschen auch heissen müssen: Vergeblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehre, die nichts denn Menschen Gebo- te sind. Matth. 15, 9. b. Das besondere Gnaden-Zeichen, welches GOtt zur Bezeugung seines Wohlgefallens vor dem Opfer Abels gegeben hat, aber nim- mermehr würde gegeben haben, wenn es aus eigener Wahl geschehen wäre. Hat nun GOtt das Opfer sich also wohl gefallen lassen, warum solte er denn nicht selbst vorher eine Verordnung vom Opfern gemachet haben? c. Die Levitische ausführliche Verfassung des Opfer-Wesens: als wodurch GOtt ge- nugsam bezeuget hat, daß auch die ersten Opfer-Handlungen seynd ein Werck seiner Verordnung gewesen. Und da er der Jsrae- litischen Kirche die Gnade gethan, und sie un- ter dem so vielfachen Vorbilde der Opfer auf das eintzige Versöhnopfer Christi gewiesen hat; Wie solte er solches bey den uralten Patriar- chen gar unterlassen haben? 3. Da
Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 11. v. 3. 4. [Spaltenumbruch]
Luft, auch, was den, um des menſchlichen Ge-ſchlechts Willen am meiſten geziereten und am weitlaͤuftigſten beſchriebenen, Erdboden betrift, in die Meere und in das Trockene, unterſchieden hatte, ſo ſchritte er zu der Ergaͤntzung, oder Aus- zierung des groſſen Welt-Gebaͤudes, da er es gleichſam ausmeublirete, von oben bey der obern Luft anfinge, ſie mit himmliſchen Lichtern beſetzte, und ſo fort fuhr, bis auf die Erde, und darauf endlich den Menſchen erſchuff zu ſeinem Bilde, als das rechte vollkommene Meiſterſtuͤck ſeiner Guͤte und Weisheit, und denſelben unter den ſichtbaren Geſchoͤpfen auf Erden gleichſam zum Statthalter ſetzte; und daher mit einer ſolchen Natur begabte, daß er, der ſichtbaren Dinge we- gen, ſichtbar waͤre, aber ſeinem unſichtbaren Thei- le, oder dem unſterblichen Geiſte nach, zur Statthalterſchaft und ſonderlich zur ſeligen Ge- meinſchaft mit ſeinem ſouverainen Schoͤpfer und Ober-Herrn umgehen und ihm dienen koͤnte. Dieſes alles, und was dazu gehoͤret, davon wir Menſchen bey unſerer groſſen durch den Suͤnden- Fall zugezognen Unvollkommenheit nur lallen koͤnnen nennet Paulus καταρτί ζειν, fertig und vollkommen machen. Und das ſind τὰ ρολεπό- μενα, die ſichtbaren Dinge. 8. Die φαινόμενα, in die Augen fallen- V. 4. Durch den Glauben hat Abel GOtt Anmerckungen. 1. Es koͤmmt zur Erlaͤuterung dieſes Orts a. Woher die Opfer entſtanden ſind? ob, wenn und wie ſie von GOtt verordnet, oder von den erſten Menſchen erfunden ſind? b. Wie GOtt von Abels Opfer-Gabe gezeuget, das iſt, was er davon fuͤr ein Gnaden-Zeichen gegeben habe? c. Wie Abel durch ſolches Zeichen ein Zeugniß uͤberkommen habe, daß er gerecht ſey, und was alhier fuͤr eine Gerechtigkeit verſtanden werde? d. Wie Abel durch ſeinen Glauben noch itzo rede? 2. Die Opfer ſind nicht von den Menſchen a. Die Meldung des Glaubens, daß die Opfer im Glauben gebracht worden. Nun aber iſt des Glaubens Eigenſchaft, daß er ein Wort GOttes muß vor ſich haben, dar- nach er ſich richte, und daraus der Glaͤubige gewiß ſey, daß ſein Fuͤrnehmen GOtt gefalle. Auſſer, oder ohne goͤttliche Verordnung aber auf eine Sache fallen, und ſeinen Glauben in eigner Wahl darauf richten, das waͤre ein ſelbſt erwehlter Gottesdienſt und GOtt ein Greuel. Und alſo haͤtte es von den Opfern der erſten Menſchen auch heiſſen muͤſſen: Vergeblich dienen ſie mir, dieweil ſie lehren ſolche Lehre, die nichts denn Menſchen Gebo- te ſind. Matth. 15, 9. b. Das beſondere Gnaden-Zeichen, welches GOtt zur Bezeugung ſeines Wohlgefallens vor dem Opfer Abels gegeben hat, aber nim- mermehr wuͤrde gegeben haben, wenn es aus eigener Wahl geſchehen waͤre. Hat nun GOtt das Opfer ſich alſo wohl gefallen laſſen, warum ſolte er denn nicht ſelbſt vorher eine Verordnung vom Opfern gemachet haben? c. Die Levitiſche ausfuͤhrliche Verfaſſung des Opfer-Weſens: als wodurch GOtt ge- nugſam bezeuget hat, daß auch die erſten Opfer-Handlungen ſeynd ein Werck ſeiner Verordnung geweſen. Und da er der Jſrae- litiſchen Kirche die Gnade gethan, und ſie un- ter dem ſo vielfachen Vorbilde der Opfer auf das eintzige Verſoͤhnopfer Chriſti gewieſen hat; Wie ſolte er ſolches bey den uralten Patriar- chen gar unterlaſſen haben? 3. Da
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Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 11. v. 3. 4.
Luft, auch, was den, um des menſchlichen Ge-
ſchlechts Willen am meiſten geziereten und am
weitlaͤuftigſten beſchriebenen, Erdboden betrift, in
die Meere und in das Trockene, unterſchieden
hatte, ſo ſchritte er zu der Ergaͤntzung, oder Aus-
zierung des groſſen Welt-Gebaͤudes, da er es
gleichſam ausmeublirete, von oben bey der obern
Luft anfinge, ſie mit himmliſchen Lichtern beſetzte,
und ſo fort fuhr, bis auf die Erde, und darauf
endlich den Menſchen erſchuff zu ſeinem Bilde,
als das rechte vollkommene Meiſterſtuͤck ſeiner
Guͤte und Weisheit, und denſelben unter den
ſichtbaren Geſchoͤpfen auf Erden gleichſam zum
Statthalter ſetzte; und daher mit einer ſolchen
Natur begabte, daß er, der ſichtbaren Dinge we-
gen, ſichtbar waͤre, aber ſeinem unſichtbaren Thei-
le, oder dem unſterblichen Geiſte nach, zur
Statthalterſchaft und ſonderlich zur ſeligen Ge-
meinſchaft mit ſeinem ſouverainen Schoͤpfer
und Ober-Herrn umgehen und ihm dienen koͤnte.
Dieſes alles, und was dazu gehoͤret, davon wir
Menſchen bey unſerer groſſen durch den Suͤnden-
Fall zugezognen Unvollkommenheit nur lallen
koͤnnen nennet Paulus καταρτί ζειν, fertig und
vollkommen machen. Und das ſind τὰ ρολεπό-
μενα, die ſichtbaren Dinge.
8. Die φαινόμενα, in die Augen fallen-
de Dinge ſind ſichtbare materialiſche Sachen.
Und wenn nun Paulus ſaget, daß das Welt-
Gebaͤude nicht gemachet ſey aus ſolchen Dingen,
ſo zeiget er damit an, daß vor demſelben keine
Materie geweſen ſey, daraus es gemachet worden
waͤre. Und alſo bedeutet τὸ μὴ φαινό μενον, eben
ſoviel, als nihilum, das nichts iſt: und hat es
Lutherus dem Verſtande nach gar recht durch
nichts uͤberſetzet. Daß ſich aber der Apoſtel die-
ſes Worts bedienet hat, iſt wol ſonderlich geſche-
hen, um ſolchergeſtalt einen Gegenſatz zu machen
auf τὰ βλεπόμενα, ſichtbaꝛe materialiſche Sachen
der Welt. Wenn man alhier unſichtbare Din-
ge gleichſam fuͤr die Materie, oder das principi-
um der Schoͤpfung halten wolte, ſo wuͤrde man
fuͤrs erſte darinnen anſtoſſen, daß man Dinge, die
nicht materialiſch ſind, wolte dafuͤr ausgeben.
Und denn wuͤrde ſolches die Structur der Griechi-
ſchen Worte nicht leiden: ſintemal ſonſt die par-
ticula negativa μὴ, unmittelbar vor dem Wor-
te φαινόμενα alſo ſtehen muͤſte: ἐκ μὴ φαινομένων,
da denn die locutio nicht negativa waͤre, ſon-
dern affirmativa, und nur ſoviel anzeigete, daß
die Schoͤpfung geſchehen ſey ex non apparen-
tibus aus unſichtbaren Dingen. Allein dis lei-
den die Griechiſchen Worte nicht. Und wolte
auch ſchon iemand durch unſichtbare Dinge, da-
von doch der Text nicht redet, die Ideen, die
GOtt vor der Schoͤpfung von allen zu erſchaffen-
den Dingen in ſich gehabt hat, verſtehen; ſo wuͤr-
de er doch damit nichts gewinnen wider das ma-
terialiſche nichts, welches vor der Schoͤpfung
geweſen ſeyn muß. Paulus nennet das nichts
Roͤm. 4, 17. gar wohl τὰ μὴ ὄντα, Dinge die
nicht exiſtiren.
V. 4.
Durch den Glauben hat Abel GOtt
ein groͤſſer (beſſer und GOTT angenehmer)
Opfer gethan, denn Cain, durch welchen
er das Zeugniß uͤbekommen hat, daß er ge-
recht ſey, da GOtt (durch ein vom Himmel
herab gelaſſenes Feuer das Opfer ſelbſt angezuͤn-
det und verzehret hat:) und durch denſelben
(Glauben) redet, (oder zeuget) er noch (mit
ſolchem ſeinem zum beſtaͤndigen Andencken in der
heiligen Schrift aufgezeichneten Exempel) wie
wol er geſtorben iſt. (1 B. Moſ. 3, 3. 4.)
Anmerckungen.
1. Es koͤmmt zur Erlaͤuterung dieſes Orts
ſonderlich auf folgende Fragen an:
a. Woher die Opfer entſtanden ſind? ob, wenn
und wie ſie von GOtt verordnet, oder von den
erſten Menſchen erfunden ſind?
b. Wie GOtt von Abels Opfer-Gabe gezeuget,
das iſt, was er davon fuͤr ein Gnaden-Zeichen
gegeben habe?
c. Wie Abel durch ſolches Zeichen ein Zeugniß
uͤberkommen habe, daß er gerecht ſey, und was
alhier fuͤr eine Gerechtigkeit verſtanden werde?
d. Wie Abel durch ſeinen Glauben noch itzo
rede?
2. Die Opfer ſind nicht von den Menſchen
ſelbſt erfunden, ſondern von GOtt gleich nach
dem Suͤnden-Fall alſo verordnet worden,
daß die Glaͤubigen nebſt der Verheiſſung dadurch
ſo fort ſind auf den verheſſenen Meßiam, oder
Heyland der Welt, und auf ſein Verſoͤhnopfer
gefuͤhret worden. Welches aus folgenden
Gruͤnden erhellet, als da ſind:
a. Die Meldung des Glaubens, daß die
Opfer im Glauben gebracht worden. Nun
aber iſt des Glaubens Eigenſchaft, daß er ein
Wort GOttes muß vor ſich haben, dar-
nach er ſich richte, und daraus der Glaͤubige
gewiß ſey, daß ſein Fuͤrnehmen GOtt gefalle.
Auſſer, oder ohne goͤttliche Verordnung aber
auf eine Sache fallen, und ſeinen Glauben in
eigner Wahl darauf richten, das waͤre ein ſelbſt
erwehlter Gottesdienſt und GOtt ein Greuel.
Und alſo haͤtte es von den Opfern der erſten
Menſchen auch heiſſen muͤſſen: Vergeblich
dienen ſie mir, dieweil ſie lehren ſolche
Lehre, die nichts denn Menſchen Gebo-
te ſind. Matth. 15, 9.
b. Das beſondere Gnaden-Zeichen, welches
GOtt zur Bezeugung ſeines Wohlgefallens
vor dem Opfer Abels gegeben hat, aber nim-
mermehr wuͤrde gegeben haben, wenn es
aus eigener Wahl geſchehen waͤre. Hat nun
GOtt das Opfer ſich alſo wohl gefallen laſſen,
warum ſolte er denn nicht ſelbſt vorher eine
Verordnung vom Opfern gemachet haben?
c. Die Levitiſche ausfuͤhrliche Verfaſſung
des Opfer-Weſens: als wodurch GOtt ge-
nugſam bezeuget hat, daß auch die erſten
Opfer-Handlungen ſeynd ein Werck ſeiner
Verordnung geweſen. Und da er der Jſrae-
litiſchen Kirche die Gnade gethan, und ſie un-
ter dem ſo vielfachen Vorbilde der Opfer auf
das eintzige Verſoͤhnopfer Chriſti gewieſen hat;
Wie ſolte er ſolches bey den uralten Patriar-
chen gar unterlaſſen haben?
3. Da
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