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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Cap. 10. v. 37-39. C. 11. v. 1. an die Hebräer.
[Spaltenumbruch] ben. Welcher Verstand dieser Worte so viel
nachdrücklicher ist, und sich gar schön wie zu die-
sem Contexte, also auch zum Haupt-Jnnhalt
und Zweck des gantzen Briefes sehr wohl schicket.
Da dieser Ort auch Gal. 3, 11. Röm. 1, 17. ange-
führet ist, so ist die Richtigkeit dieser Constru-
ction
auch daselbst gezeiget worden. Hieher
gehöret die Redens-Art Gal. 3, 7. 9. oi ek pi-
steos, scilicet dikaioi, die Glaubens-Gerech-
ten.

V. 39.

Wir aber sind nicht von denen, die da
weichen, und verdammet werden, sondern
von denen, die da glauben,
(also, daß sie im
Glauben verharren) und die Seele erretten
(vermöge ihres Glaubens ewiglich leben v. 38.)

[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. Da der Apostel alhier der Abweichung
den Glauben entgegen setzet, so siehet man, daß
er einen beharrlichen Glauben verstehet; wie
denn auch kein anderer Glaube rechter Art ist.
Der Nachdruck aber von der Beharrung im
Glauben
ist dem gantzen vorhergehenden Con-
texte von v. 22. ja dem Zweck der gantzen Epistel,
gemäß.

2. Wenn der Apostel von sich und den
gläubigen Hebräern die Beharrung ausspricht,
als eine wircklich sich also verhaltende Sache, so
will er sie durch sein gutes Vertrauen dazu desto
mehr ermuntern. Man conferire hierbey,
was wir oben c. 3. v. 6. und 14. von der Bestän-
digkeit gehabt haben.

Das Eilfte Capitel,
Darinnen
Der Apostel die vorhergetriebene Lehre von der Behar-
rung im Glauben mit den Exempeln der Gläubigen/ und darunter sonder-
lich der Glaubens-Helden des alten Testaments/ erläutert/ zuvorderst aber
eine nachdrückliche Beschreibung von der Natur des Glau-
bens machet.
[Spaltenumbruch]
V. 1.

ES ist aber der Glaube eine ge-
wisse Zuversicht deß, das man
hoffet und nicht zweifelt an
dem, das man nicht siehet.

Anmerckungen.

1. Es redet zwar der Apostel alhier von
dem Glauben insgemein: doch siehet er inson-
derheit auf den gerecht- und seligmachenden:
als welches dem vorhergehenden Contexte, darauf
er sich mit dem Wörtlein de, aber, beziehet, ge-
mäß ist: worauf auch das Geschäfte des Glau-
bens bey den Gläubigen des alten Testaments
am meisten gerichtet war, sich aber von diesem
seinem Mittel-Puncte, den der Glaube am
Meßia hatte, auch auf die gantze periphe-
ri
e aller übrigen göttlichen Wahrheiten ge-
schäftig und in aller Liebe thätig erwiese.

2. Es halten aber die Worte des Apostels
vom Glauben zweyerley in sich: Objectum,
die Sache, womit er es am meisten zu thun ha-
be: und denn naturam, seine wesentliche Be-
schaffenheit.
Und dieses setzet er also, daß er
das erstere durch das letztere erläutert. Denn
da er das Objectum erstlich genannt hat ta el-
pizomena, Dinge, die man hoffet; so nennet
er sie darauf pragmata ou blepomena, Sachen
die man nicht siehet.
Und nach dem er den
Glauben selbst seiner Natur nach genennet hatte
upostasin, eine gewisse Zuversicht, so erläutert
er dieses durch das Wort elegkhos, gewisse U-
berzeugung.
So viel vom buchstäblichen
Wort-Verstande. Nun ist nöthig, daß wir
[Spaltenumbruch] auch den Nachdruck dieser Worte ins besondere
erwegen.

3. Die Sachen, damit es der Glaube zu
thun hat, sind elpizomena, Dinge die man hof-
fet.
Dabey dreyerley zu mercken ist:

a. Daß mit diesem Worte zugleich die Hoff-
nung
selbst ausgedrucket und zum Grunde
gesetzet wird: Wie denn die Hoffnung eine
solche Tochter des Glaubens ist, wie die Liebe,
also daß sie mit dieser von dem Glauben gleich-
sam zugleich empfangen und geboren wor-
den.
b. Daß die Hoffnung mit dem Glauben die
Verheissung, und also das Evangelium,
das voller Verheissungen ist, zum Grunde
habe. Denn was solte man glauben und
hoffen ohne Verheissung?
c. Daß die Verheissungen zwar eines theils sind
erfüllet worden, nemlich was die, auch unter
andern in dem Spruche Habacucs enthalte-
ne, Versprechung von der Zukunft und folg-
lich von der Erlösung des Meßiä betrift:
theils aber noch zu erfüllen sind; nemlich was
die völlige Ausführung der Wercke GOttes
und die Vollendung der Seligkeit betrift;
und daß also die ta elpizomena noch zukünf-
tige
sind, und, nach den schon im Glauben
besessenen Erstlingen des Heyls, auf desselben
volle Erndte im ewigen Leben gehen; im
Gegenbilde von dem Allerheiligsten in der
Stifts-Hütte und im Tempel, darauf der
Apostel in den vorhergehenden Capiteln so oft
geführet, und es zum Object des Glaubens,
oder
B b b

Cap. 10. v. 37-39. C. 11. v. 1. an die Hebraͤer.
[Spaltenumbruch] ben. Welcher Verſtand dieſer Worte ſo viel
nachdruͤcklicher iſt, und ſich gar ſchoͤn wie zu die-
ſem Contexte, alſo auch zum Haupt-Jnnhalt
und Zweck des gantzen Briefes ſehr wohl ſchicket.
Da dieſer Ort auch Gal. 3, 11. Roͤm. 1, 17. ange-
fuͤhret iſt, ſo iſt die Richtigkeit dieſer Conſtru-
ction
auch daſelbſt gezeiget worden. Hieher
gehoͤret die Redens-Art Gal. 3, 7. 9. ὁι ἐκ πί-
στεως, ſcilicet δίκαιοι, die Glaubens-Gerech-
ten.

V. 39.

Wir aber ſind nicht von denen, die da
weichen, und verdammet werden, ſondern
von denen, die da glauben,
(alſo, daß ſie im
Glauben verharren) und die Seele erretten
(vermoͤge ihres Glaubens ewiglich leben v. 38.)

[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. Da der Apoſtel alhier der Abweichung
den Glauben entgegen ſetzet, ſo ſiehet man, daß
er einen beharrlichen Glauben verſtehet; wie
denn auch kein anderer Glaube rechter Art iſt.
Der Nachdruck aber von der Beharrung im
Glauben
iſt dem gantzen vorhergehenden Con-
texte von v. 22. ja dem Zweck der gantzen Epiſtel,
gemaͤß.

2. Wenn der Apoſtel von ſich und den
glaͤubigen Hebraͤern die Beharrung ausſpricht,
als eine wircklich ſich alſo verhaltende Sache, ſo
will er ſie durch ſein gutes Vertrauen dazu deſto
mehr ermuntern. Man conferire hierbey,
was wir oben c. 3. v. 6. und 14. von der Beſtaͤn-
digkeit gehabt haben.

Das Eilfte Capitel,
Darinnen
Der Apoſtel die vorhergetriebene Lehre von der Behar-
rung im Glauben mit den Exempeln der Glaͤubigen/ und darunter ſonder-
lich der Glaubens-Helden des alten Teſtaments/ erlaͤutert/ zuvorderſt aber
eine nachdruͤckliche Beſchreibung von der Natur des Glau-
bens machet.
[Spaltenumbruch]
V. 1.

ES iſt aber der Glaube eine ge-
wiſſe Zuverſicht deß, das man
hoffet und nicht zweifelt an
dem, das man nicht ſiehet.

Anmerckungen.

1. Es redet zwar der Apoſtel alhier von
dem Glauben insgemein: doch ſiehet er inſon-
derheit auf den gerecht- und ſeligmachenden:
als welches dem vorhergehenden Contexte, darauf
er ſich mit dem Woͤrtlein δὲ, aber, beziehet, ge-
maͤß iſt: worauf auch das Geſchaͤfte des Glau-
bens bey den Glaͤubigen des alten Teſtaments
am meiſten gerichtet war, ſich aber von dieſem
ſeinem Mittel-Puncte, den der Glaube am
Meßia hatte, auch auf die gantze periphe-
ri
e aller uͤbrigen goͤttlichen Wahrheiten ge-
ſchaͤftig und in aller Liebe thaͤtig erwieſe.

2. Es halten aber die Worte des Apoſtels
vom Glauben zweyerley in ſich: Objectum,
die Sache, womit er es am meiſten zu thun ha-
be: und denn naturam, ſeine weſentliche Be-
ſchaffenheit.
Und dieſes ſetzet er alſo, daß er
das erſtere durch das letztere erlaͤutert. Denn
da er das Objectum erſtlich genannt hat τὰ ἐλ-
πιζόμενα, Dinge, die man hoffet; ſo nennet
er ſie darauf πρἀγματα οὐ βλεπόμενα, Sachen
die man nicht ſiehet.
Und nach dem er den
Glauben ſelbſt ſeiner Natur nach genennet hatte
ὑπόστασιν, eine gewiſſe Zuverſicht, ſo erlaͤutert
er dieſes durch das Wort ἔλεγχος, gewiſſe U-
berzeugung.
So viel vom buchſtaͤblichen
Wort-Verſtande. Nun iſt noͤthig, daß wir
[Spaltenumbruch] auch den Nachdruck dieſer Worte ins beſondere
erwegen.

3. Die Sachen, damit es der Glaube zu
thun hat, ſind ἐλπιζόμενα, Dinge die man hof-
fet.
Dabey dreyerley zu mercken iſt:

a. Daß mit dieſem Worte zugleich die Hoff-
nung
ſelbſt ausgedrucket und zum Grunde
geſetzet wird: Wie denn die Hoffnung eine
ſolche Tochter des Glaubens iſt, wie die Liebe,
alſo daß ſie mit dieſer von dem Glauben gleich-
ſam zugleich empfangen und geboren wor-
den.
b. Daß die Hoffnung mit dem Glauben die
Verheiſſung, und alſo das Evangelium,
das voller Verheiſſungen iſt, zum Grunde
habe. Denn was ſolte man glauben und
hoffen ohne Verheiſſung?
c. Daß die Verheiſſungen zwar eines theils ſind
erfuͤllet worden, nemlich was die, auch unter
andern in dem Spruche Habacucs enthalte-
ne, Verſprechung von der Zukunft und folg-
lich von der Erloͤſung des Meßiaͤ betrift:
theils aber noch zu erfuͤllen ſind; nemlich was
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und die Vollendung der Seligkeit betrift;
und daß alſo die τὰ ἐλπιζόμενα noch zukuͤnf-
tige
ſind, und, nach den ſchon im Glauben
beſeſſenen Erſtlingen des Heyls, auf deſſelben
volle Erndte im ewigen Leben gehen; im
Gegenbilde von dem Allerheiligſten in der
Stifts-Huͤtte und im Tempel, darauf der
Apoſtel in den vorhergehenden Capiteln ſo oft
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oder
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[377/0379] Cap. 10. v. 37-39. C. 11. v. 1. an die Hebraͤer. ben. Welcher Verſtand dieſer Worte ſo viel nachdruͤcklicher iſt, und ſich gar ſchoͤn wie zu die- ſem Contexte, alſo auch zum Haupt-Jnnhalt und Zweck des gantzen Briefes ſehr wohl ſchicket. Da dieſer Ort auch Gal. 3, 11. Roͤm. 1, 17. ange- fuͤhret iſt, ſo iſt die Richtigkeit dieſer Conſtru- ction auch daſelbſt gezeiget worden. Hieher gehoͤret die Redens-Art Gal. 3, 7. 9. ὁι ἐκ πί- στεως, ſcilicet δίκαιοι, die Glaubens-Gerech- ten. V. 39. Wir aber ſind nicht von denen, die da weichen, und verdammet werden, ſondern von denen, die da glauben, (alſo, daß ſie im Glauben verharren) und die Seele erretten (vermoͤge ihres Glaubens ewiglich leben v. 38.) Anmerckungen. 1. Da der Apoſtel alhier der Abweichung den Glauben entgegen ſetzet, ſo ſiehet man, daß er einen beharrlichen Glauben verſtehet; wie denn auch kein anderer Glaube rechter Art iſt. Der Nachdruck aber von der Beharrung im Glauben iſt dem gantzen vorhergehenden Con- texte von v. 22. ja dem Zweck der gantzen Epiſtel, gemaͤß. 2. Wenn der Apoſtel von ſich und den glaͤubigen Hebraͤern die Beharrung ausſpricht, als eine wircklich ſich alſo verhaltende Sache, ſo will er ſie durch ſein gutes Vertrauen dazu deſto mehr ermuntern. Man conferire hierbey, was wir oben c. 3. v. 6. und 14. von der Beſtaͤn- digkeit gehabt haben. Das Eilfte Capitel, Darinnen Der Apoſtel die vorhergetriebene Lehre von der Behar- rung im Glauben mit den Exempeln der Glaͤubigen/ und darunter ſonder- lich der Glaubens-Helden des alten Teſtaments/ erlaͤutert/ zuvorderſt aber eine nachdruͤckliche Beſchreibung von der Natur des Glau- bens machet. V. 1. ES iſt aber der Glaube eine ge- wiſſe Zuverſicht deß, das man hoffet und nicht zweifelt an dem, das man nicht ſiehet. Anmerckungen. 1. Es redet zwar der Apoſtel alhier von dem Glauben insgemein: doch ſiehet er inſon- derheit auf den gerecht- und ſeligmachenden: als welches dem vorhergehenden Contexte, darauf er ſich mit dem Woͤrtlein δὲ, aber, beziehet, ge- maͤß iſt: worauf auch das Geſchaͤfte des Glau- bens bey den Glaͤubigen des alten Teſtaments am meiſten gerichtet war, ſich aber von dieſem ſeinem Mittel-Puncte, den der Glaube am Meßia hatte, auch auf die gantze periphe- rie aller uͤbrigen goͤttlichen Wahrheiten ge- ſchaͤftig und in aller Liebe thaͤtig erwieſe. 2. Es halten aber die Worte des Apoſtels vom Glauben zweyerley in ſich: Objectum, die Sache, womit er es am meiſten zu thun ha- be: und denn naturam, ſeine weſentliche Be- ſchaffenheit. Und dieſes ſetzet er alſo, daß er das erſtere durch das letztere erlaͤutert. Denn da er das Objectum erſtlich genannt hat τὰ ἐλ- πιζόμενα, Dinge, die man hoffet; ſo nennet er ſie darauf πρἀγματα οὐ βλεπόμενα, Sachen die man nicht ſiehet. Und nach dem er den Glauben ſelbſt ſeiner Natur nach genennet hatte ὑπόστασιν, eine gewiſſe Zuverſicht, ſo erlaͤutert er dieſes durch das Wort ἔλεγχος, gewiſſe U- berzeugung. So viel vom buchſtaͤblichen Wort-Verſtande. Nun iſt noͤthig, daß wir auch den Nachdruck dieſer Worte ins beſondere erwegen. 3. Die Sachen, damit es der Glaube zu thun hat, ſind ἐλπιζόμενα, Dinge die man hof- fet. Dabey dreyerley zu mercken iſt: a. Daß mit dieſem Worte zugleich die Hoff- nung ſelbſt ausgedrucket und zum Grunde geſetzet wird: Wie denn die Hoffnung eine ſolche Tochter des Glaubens iſt, wie die Liebe, alſo daß ſie mit dieſer von dem Glauben gleich- ſam zugleich empfangen und geboren wor- den. b. Daß die Hoffnung mit dem Glauben die Verheiſſung, und alſo das Evangelium, das voller Verheiſſungen iſt, zum Grunde habe. Denn was ſolte man glauben und hoffen ohne Verheiſſung? c. Daß die Verheiſſungen zwar eines theils ſind erfuͤllet worden, nemlich was die, auch unter andern in dem Spruche Habacucs enthalte- ne, Verſprechung von der Zukunft und folg- lich von der Erloͤſung des Meßiaͤ betrift: theils aber noch zu erfuͤllen ſind; nemlich was die voͤllige Ausfuͤhrung der Wercke GOttes und die Vollendung der Seligkeit betrift; und daß alſo die τὰ ἐλπιζόμενα noch zukuͤnf- tige ſind, und, nach den ſchon im Glauben beſeſſenen Erſtlingen des Heyls, auf deſſelben volle Erndte im ewigen Leben gehen; im Gegenbilde von dem Allerheiligſten in der Stifts-Huͤtte und im Tempel, darauf der Apoſtel in den vorhergehenden Capiteln ſo oft gefuͤhret, und es zum Object des Glaubens, oder B b b

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/379>, abgerufen am 25.11.2024.