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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des Briefes Pauli Cap. 10. v. 26-29.
[Spaltenumbruch] kein Opfer mehr für die Sünde (nemlich
kein ander Opfer, als das Opfer Christi, wel-
ches durch eine muthwillige Verleugnung ist ver-
worfen worden:) sondern ein schrecklich
Warten des Gerichts und des Feuereifers,
der die Widerwärtigen verzehren wird.

(nach 5 B. Mos. 32, 22. Zeph. 1, 18. c. 3, 8.)

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apostel zur Beständigkeit
bey der Evangelischen Wahrheit von Christo
eine gar nachdrückliche und vierfache Ermah-
nung vorher geführet hatte; und er besorgete,
es möchte von einigen ein feindseliger Rückfall
zum Judenthum geschehen, davon er auch viel-
leicht schon einige Exempel erlebet haben mochte:
so thut er dawider noch diese so gar ernstliche
Warnung hinzu.

2. Es zeiget aber der gantze Context an,
daß er von eben derjenigen Sünde des Abfalles
rede, davon er oben c. 6. gehandelt hat. Und
folglich so wird alhier durch das muthwillig
sündigen
nicht eine iede vorsetzliche Sünde ver-
standen; sintemal sonst noch viel tausendmal we-
niger Leute würden zur Seligkeit gelangen, als
doch gleichwol wircklich bekehret werden: son-
dern ein solches muthwilliges sündigen, da man
nach v. 29. den Sohn GOttes mit Füssen tritt,
u. s. w. Und also wird alhier diejenige Sünde
verstanden, welche mit der bey den Evangelisten
Matth. 12. und Marc. 3. bemeldeten Sünde
wider den Heiligen Geist übereinkömmt, ob sie
gleich noch in einigen Stücken davon unterschie-
den ist: wie oben c. 6. mit mehrern ist vorge-
stellet worden.

3. Die Wahrheit ist alhier die rechte
Haupt-Wahrheit, und der kurtze Begriff aller
übrigen seligmachenden Wahrheiten, nemlich
die Lehre von dem Grunde und von der Ordnung
des Heyls in Christo. Die Erkenntniß solcher
Wahrheit empfangen haben, ist wahrhaftig
bekehret und erleuchtet, und also auch durch das
Blut Christi gerecht gemachet worden seyn.

4. Durch die Redens-Art: Kein Opfer
mehr für die Sünde haben,
wird die
Grösse dieser Sünde, davon die Rede ist, an-
gezeiget; daß sie nemlich eine solche sey, dadurch
das Versöhnopfer Christi verworfen werde.
Welches auch damit bekräftiget wird, wenn es
davon v. 19. heißt: den Sohn GOttes mit
Füssen treten,
u. f.

5. Und bey solcher Beschaffenheit dieser
Sünde ist es kein Wunder, wenn man kein
Opfer mehr hat für die Sünde, nemlich ein an-
ders. Denn solte noch ein ander Opfer seyn,
so müste auch noch ein anderer Meßias seyn, und
GOtt durch denselben einen gantz neuen Grund
zur Seligkeit legen, auch eine gantz andere Ord-
nung, dazu zu gelangen, anweisen; und folg-
lich den durch Christum gezeigten Weg und ge-
legten Grund damit selbst wieder aufheben. Da
nun dieses schlechterdinge unmöglich ist, so ist es
auch eben so unmöglich, daß iemand ausser Chri-
sto selig werde, und ein anders Versohnopfer
für seine Sünde überkommen könne.

[Spaltenumbruch]

6. Das schreckliche Warten ist eine
peinliche Furcht vor der bevorstehenden gerech-
ten Strafe, davon das aufwachende Gewissen
sich endlich schon gleichsam zu einiger Vorholle
überzeuget finden wird. Der Feuereifer ist die
Straf-Gerechtigkeit GOttes; welche damit
verglichen wird, nicht in dem Verstande, als
wenn dieselbe die Sünder dermaleins gar ver-
nichten würde; sondern daß sie nebst der poena
damni
auch poenam sensus, das ist, nebst der
Ermangelung aller Seligkeit auch die Empfin-
dung der äussersten Pein haben werden.

V. 28.

Wenn iemand (er sey sonst, wer er wolle)
das Gesetz Mosis bricht (also daß er sich da-
gegen überhaupt aufleget, oder auch sonst dieses
und jenes Gebot vorsetzlich übertritt,) der muß
sterben
(eines gewaltsamen Todes) ohne
Barmhertzigkeit
(und also auch ohne alles An-
sehen der Person nach der Regel der Gerechtig-
keit) durch zween, oder drey (glaubwür-
dige) Zeugen (vermöge ihrer gerichtlichen und
eidlichen Bestärckung. Siehe 5 B. Mos. 17, 3.
u. f. auch c. 13, 8.)

Anmerckung.

Man siehet hieraus, wie nicht alle und iede
Sünden durch ein Opfer haben können abgethan
werden. Daraus doch aber gar nicht folget, als
wenn Christi Opfer nicht zur Vergebung aller
Sünde gültig wäre. Denn ein anders war die
Vergebung der Sünden von GOtt haben, und
sich solche auch unter Verrichtung, oder Vor-
stellung des Opfers zueignen: ein anders sich durch
das Opfer von der weltlichen Strafe frey machen.
Dieses konte in gewissen Verbrechen gar nicht
angehen; sintemal sonst der Mißbrauch des Opf-
fers die Judische Kirche und Republic würde
über einen Haufen geworfen haben. Aber jenes
funde wohl statt: denn es hat ein Ubelthäter bey an-
gekündigter Todes-Strafe durch Vorstellung der
täglichen und auch der jährlichen am hohen Ver-
söhnungs-Feste fur das gantze Volck und für alle
ihre Sünden gebrachten Opfer in der Ordnung
der Bekehrung die Vergebung der Sünde sowol
erlangen können, als heut zu Tage ein solcher,
wenn er sich gläubig auf Christi Leiden und Ster-
ben verläßt. Siehe oben c. 2, 2.

V. 29.

Wieviel meinet ihr ärgere Strafe
wird der verdienen, der den Sohn GOt-
tes mit Füssen tritt und das Blut des Te-
staments unrein achtet, durch welches er
geheiliget ist
(und sich also an der Person und
an dem Mittler-Amte Christi aufs gröbeste ver-
sündiget) und den Geist der Gnaden schmä-
het
(und eben hiermit die Sünde wider den
Sohn GOttes mit der Sünde wider den Heili-
gen Geist häufet.)

Anmerckungen.

1. Alhier erkläret der Apostel, was er vor-
her v. 26. für eine muthwillige Sünde ver-
stehe, wenn er saget, daß man dagegen kein

ander

Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 10. v. 26-29.
[Spaltenumbruch] kein Opfer mehr fuͤr die Suͤnde (nemlich
kein ander Opfer, als das Opfer Chriſti, wel-
ches durch eine muthwillige Verleugnung iſt ver-
worfen worden:) ſondern ein ſchrecklich
Warten des Gerichts und des Feuereifers,
der die Widerwaͤrtigen verzehren wird.

(nach 5 B. Moſ. 32, 22. Zeph. 1, 18. c. 3, 8.)

Anmerckungen.

1. Nachdem der Apoſtel zur Beſtaͤndigkeit
bey der Evangeliſchen Wahrheit von Chriſto
eine gar nachdruͤckliche und vierfache Ermah-
nung vorher gefuͤhret hatte; und er beſorgete,
es moͤchte von einigen ein feindſeliger Ruͤckfall
zum Judenthum geſchehen, davon er auch viel-
leicht ſchon einige Exempel erlebet haben mochte:
ſo thut er dawider noch dieſe ſo gar ernſtliche
Warnung hinzu.

2. Es zeiget aber der gantze Context an,
daß er von eben derjenigen Suͤnde des Abfalles
rede, davon er oben c. 6. gehandelt hat. Und
folglich ſo wird alhier durch das muthwillig
ſuͤndigen
nicht eine iede vorſetzliche Suͤnde ver-
ſtanden; ſintemal ſonſt noch viel tauſendmal we-
niger Leute wuͤrden zur Seligkeit gelangen, als
doch gleichwol wircklich bekehret werden: ſon-
dern ein ſolches muthwilliges ſuͤndigen, da man
nach v. 29. den Sohn GOttes mit Fuͤſſen tritt,
u. ſ. w. Und alſo wird alhier diejenige Suͤnde
verſtanden, welche mit der bey den Evangeliſten
Matth. 12. und Marc. 3. bemeldeten Suͤnde
wider den Heiligen Geiſt uͤbereinkoͤmmt, ob ſie
gleich noch in einigen Stuͤcken davon unterſchie-
den iſt: wie oben c. 6. mit mehrern iſt vorge-
ſtellet worden.

3. Die Wahrheit iſt alhier die rechte
Haupt-Wahrheit, und der kurtze Begriff aller
uͤbrigen ſeligmachenden Wahrheiten, nemlich
die Lehre von dem Grunde und von der Ordnung
des Heyls in Chriſto. Die Erkenntniß ſolcher
Wahrheit empfangen haben, iſt wahrhaftig
bekehret und erleuchtet, und alſo auch durch das
Blut Chriſti gerecht gemachet worden ſeyn.

4. Durch die Redens-Art: Kein Opfer
mehr fuͤr die Suͤnde haben,
wird die
Groͤſſe dieſer Suͤnde, davon die Rede iſt, an-
gezeiget; daß ſie nemlich eine ſolche ſey, dadurch
das Verſoͤhnopfer Chriſti verworfen werde.
Welches auch damit bekraͤftiget wird, wenn es
davon v. 19. heißt: den Sohn GOttes mit
Fuͤſſen treten,
u. f.

5. Und bey ſolcher Beſchaffenheit dieſer
Suͤnde iſt es kein Wunder, wenn man kein
Opfer mehr hat fuͤr die Suͤnde, nemlich ein an-
ders. Denn ſolte noch ein ander Opfer ſeyn,
ſo muͤſte auch noch ein anderer Meßias ſeyn, und
GOtt durch denſelben einen gantz neuen Grund
zur Seligkeit legen, auch eine gantz andere Ord-
nung, dazu zu gelangen, anweiſen; und folg-
lich den durch Chriſtum gezeigten Weg und ge-
legten Grund damit ſelbſt wieder aufheben. Da
nun dieſes ſchlechterdinge unmoͤglich iſt, ſo iſt es
auch eben ſo unmoͤglich, daß iemand auſſer Chri-
ſto ſelig werde, und ein anders Verſohnopfer
fuͤr ſeine Suͤnde uͤberkommen koͤnne.

[Spaltenumbruch]

6. Das ſchreckliche Warten iſt eine
peinliche Furcht vor der bevorſtehenden gerech-
ten Strafe, davon das aufwachende Gewiſſen
ſich endlich ſchon gleichſam zu einiger Vorholle
uͤberzeuget finden wird. Der Feuereifer iſt die
Straf-Gerechtigkeit GOttes; welche damit
verglichen wird, nicht in dem Verſtande, als
wenn dieſelbe die Suͤnder dermaleins gar ver-
nichten wuͤrde; ſondern daß ſie nebſt der pœna
damni
auch pœnam ſenſus, das iſt, nebſt der
Ermangelung aller Seligkeit auch die Empfin-
dung der aͤuſſerſten Pein haben werden.

V. 28.

Wenn iemand (er ſey ſonſt, wer er wolle)
das Geſetz Moſis bricht (alſo daß er ſich da-
gegen uͤberhaupt aufleget, oder auch ſonſt dieſes
und jenes Gebot vorſetzlich uͤbertritt,) der muß
ſterben
(eines gewaltſamen Todes) ohne
Barmhertzigkeit
(und alſo auch ohne alles An-
ſehen der Perſon nach der Regel der Gerechtig-
keit) durch zween, oder drey (glaubwuͤr-
dige) Zeugen (vermoͤge ihrer gerichtlichen und
eidlichen Beſtaͤrckung. Siehe 5 B. Moſ. 17, 3.
u. f. auch c. 13, 8.)

Anmerckung.

Man ſiehet hieraus, wie nicht alle und iede
Suͤnden durch ein Opfer haben koͤnnen abgethan
werden. Daraus doch aber gar nicht folget, als
wenn Chriſti Opfer nicht zur Vergebung aller
Suͤnde guͤltig waͤre. Denn ein anders war die
Vergebung der Suͤnden von GOtt haben, und
ſich ſolche auch unter Verrichtung, oder Vor-
ſtellung des Opfers zueignen: ein anders ſich durch
das Opfer von der weltlichen Strafe frey machen.
Dieſes konte in gewiſſen Verbrechen gar nicht
angehen; ſintemal ſonſt der Mißbrauch des Opf-
fers die Judiſche Kirche und Republic wuͤrde
uͤber einen Haufen geworfen haben. Aber jenes
funde wohl ſtatt: denn es hat ein Ubelthaͤter bey an-
gekuͤndigter Todes-Strafe durch Vorſtellung der
taͤglichen und auch der jaͤhrlichen am hohen Ver-
ſoͤhnungs-Feſte fur das gantze Volck und fuͤr alle
ihre Suͤnden gebrachten Opfer in der Ordnung
der Bekehrung die Vergebung der Suͤnde ſowol
erlangen koͤnnen, als heut zu Tage ein ſolcher,
wenn er ſich glaͤubig auf Chriſti Leiden und Ster-
ben verlaͤßt. Siehe oben c. 2, 2.

V. 29.

Wieviel meinet ihr aͤrgere Strafe
wird der verdienen, der den Sohn GOt-
tes mit Fuͤſſen tritt und das Blut des Te-
ſtaments unrein achtet, durch welches er
geheiliget iſt
(und ſich alſo an der Perſon und
an dem Mittler-Amte Chriſti aufs groͤbeſte ver-
ſuͤndiget) und den Geiſt der Gnaden ſchmaͤ-
het
(und eben hiermit die Suͤnde wider den
Sohn GOttes mit der Suͤnde wider den Heili-
gen Geiſt haͤufet.)

Anmerckungen.

1. Alhier erklaͤret der Apoſtel, was er vor-
her v. 26. fuͤr eine muthwillige Suͤnde ver-
ſtehe, wenn er ſaget, daß man dagegen kein

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[372/0374] Erklaͤrung des Briefes Pauli Cap. 10. v. 26-29. kein Opfer mehr fuͤr die Suͤnde (nemlich kein ander Opfer, als das Opfer Chriſti, wel- ches durch eine muthwillige Verleugnung iſt ver- worfen worden:) ſondern ein ſchrecklich Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widerwaͤrtigen verzehren wird. (nach 5 B. Moſ. 32, 22. Zeph. 1, 18. c. 3, 8.) Anmerckungen. 1. Nachdem der Apoſtel zur Beſtaͤndigkeit bey der Evangeliſchen Wahrheit von Chriſto eine gar nachdruͤckliche und vierfache Ermah- nung vorher gefuͤhret hatte; und er beſorgete, es moͤchte von einigen ein feindſeliger Ruͤckfall zum Judenthum geſchehen, davon er auch viel- leicht ſchon einige Exempel erlebet haben mochte: ſo thut er dawider noch dieſe ſo gar ernſtliche Warnung hinzu. 2. Es zeiget aber der gantze Context an, daß er von eben derjenigen Suͤnde des Abfalles rede, davon er oben c. 6. gehandelt hat. Und folglich ſo wird alhier durch das muthwillig ſuͤndigen nicht eine iede vorſetzliche Suͤnde ver- ſtanden; ſintemal ſonſt noch viel tauſendmal we- niger Leute wuͤrden zur Seligkeit gelangen, als doch gleichwol wircklich bekehret werden: ſon- dern ein ſolches muthwilliges ſuͤndigen, da man nach v. 29. den Sohn GOttes mit Fuͤſſen tritt, u. ſ. w. Und alſo wird alhier diejenige Suͤnde verſtanden, welche mit der bey den Evangeliſten Matth. 12. und Marc. 3. bemeldeten Suͤnde wider den Heiligen Geiſt uͤbereinkoͤmmt, ob ſie gleich noch in einigen Stuͤcken davon unterſchie- den iſt: wie oben c. 6. mit mehrern iſt vorge- ſtellet worden. 3. Die Wahrheit iſt alhier die rechte Haupt-Wahrheit, und der kurtze Begriff aller uͤbrigen ſeligmachenden Wahrheiten, nemlich die Lehre von dem Grunde und von der Ordnung des Heyls in Chriſto. Die Erkenntniß ſolcher Wahrheit empfangen haben, iſt wahrhaftig bekehret und erleuchtet, und alſo auch durch das Blut Chriſti gerecht gemachet worden ſeyn. 4. Durch die Redens-Art: Kein Opfer mehr fuͤr die Suͤnde haben, wird die Groͤſſe dieſer Suͤnde, davon die Rede iſt, an- gezeiget; daß ſie nemlich eine ſolche ſey, dadurch das Verſoͤhnopfer Chriſti verworfen werde. Welches auch damit bekraͤftiget wird, wenn es davon v. 19. heißt: den Sohn GOttes mit Fuͤſſen treten, u. f. 5. Und bey ſolcher Beſchaffenheit dieſer Suͤnde iſt es kein Wunder, wenn man kein Opfer mehr hat fuͤr die Suͤnde, nemlich ein an- ders. Denn ſolte noch ein ander Opfer ſeyn, ſo muͤſte auch noch ein anderer Meßias ſeyn, und GOtt durch denſelben einen gantz neuen Grund zur Seligkeit legen, auch eine gantz andere Ord- nung, dazu zu gelangen, anweiſen; und folg- lich den durch Chriſtum gezeigten Weg und ge- legten Grund damit ſelbſt wieder aufheben. Da nun dieſes ſchlechterdinge unmoͤglich iſt, ſo iſt es auch eben ſo unmoͤglich, daß iemand auſſer Chri- ſto ſelig werde, und ein anders Verſohnopfer fuͤr ſeine Suͤnde uͤberkommen koͤnne. 6. Das ſchreckliche Warten iſt eine peinliche Furcht vor der bevorſtehenden gerech- ten Strafe, davon das aufwachende Gewiſſen ſich endlich ſchon gleichſam zu einiger Vorholle uͤberzeuget finden wird. Der Feuereifer iſt die Straf-Gerechtigkeit GOttes; welche damit verglichen wird, nicht in dem Verſtande, als wenn dieſelbe die Suͤnder dermaleins gar ver- nichten wuͤrde; ſondern daß ſie nebſt der pœna damni auch pœnam ſenſus, das iſt, nebſt der Ermangelung aller Seligkeit auch die Empfin- dung der aͤuſſerſten Pein haben werden. V. 28. Wenn iemand (er ſey ſonſt, wer er wolle) das Geſetz Moſis bricht (alſo daß er ſich da- gegen uͤberhaupt aufleget, oder auch ſonſt dieſes und jenes Gebot vorſetzlich uͤbertritt,) der muß ſterben (eines gewaltſamen Todes) ohne Barmhertzigkeit (und alſo auch ohne alles An- ſehen der Perſon nach der Regel der Gerechtig- keit) durch zween, oder drey (glaubwuͤr- dige) Zeugen (vermoͤge ihrer gerichtlichen und eidlichen Beſtaͤrckung. Siehe 5 B. Moſ. 17, 3. u. f. auch c. 13, 8.) Anmerckung. Man ſiehet hieraus, wie nicht alle und iede Suͤnden durch ein Opfer haben koͤnnen abgethan werden. Daraus doch aber gar nicht folget, als wenn Chriſti Opfer nicht zur Vergebung aller Suͤnde guͤltig waͤre. Denn ein anders war die Vergebung der Suͤnden von GOtt haben, und ſich ſolche auch unter Verrichtung, oder Vor- ſtellung des Opfers zueignen: ein anders ſich durch das Opfer von der weltlichen Strafe frey machen. Dieſes konte in gewiſſen Verbrechen gar nicht angehen; ſintemal ſonſt der Mißbrauch des Opf- fers die Judiſche Kirche und Republic wuͤrde uͤber einen Haufen geworfen haben. Aber jenes funde wohl ſtatt: denn es hat ein Ubelthaͤter bey an- gekuͤndigter Todes-Strafe durch Vorſtellung der taͤglichen und auch der jaͤhrlichen am hohen Ver- ſoͤhnungs-Feſte fur das gantze Volck und fuͤr alle ihre Suͤnden gebrachten Opfer in der Ordnung der Bekehrung die Vergebung der Suͤnde ſowol erlangen koͤnnen, als heut zu Tage ein ſolcher, wenn er ſich glaͤubig auf Chriſti Leiden und Ster- ben verlaͤßt. Siehe oben c. 2, 2. V. 29. Wieviel meinet ihr aͤrgere Strafe wird der verdienen, der den Sohn GOt- tes mit Fuͤſſen tritt und das Blut des Te- ſtaments unrein achtet, durch welches er geheiliget iſt (und ſich alſo an der Perſon und an dem Mittler-Amte Chriſti aufs groͤbeſte ver- ſuͤndiget) und den Geiſt der Gnaden ſchmaͤ- het (und eben hiermit die Suͤnde wider den Sohn GOttes mit der Suͤnde wider den Heili- gen Geiſt haͤufet.) Anmerckungen. 1. Alhier erklaͤret der Apoſtel, was er vor- her v. 26. fuͤr eine muthwillige Suͤnde ver- ſtehe, wenn er ſaget, daß man dagegen kein ander

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/374>, abgerufen am 25.11.2024.