Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Erklärung des ersten Briefes Pauli Cap. 4. v. 9-11.
[Spaltenumbruch] sich der Lehr-Stand im Papstthum selbst genom-
men hat: so ist doch dagegen ihre geistliche Au-
ctori
tät, die sie Amts wegen tragen, so viel grös-
ser, wenn sie wahrhaftig von GOtt gesalbet und
gesandt sind und in GOttes Namen zeugen.
Darum auch unser Heyland Luc. 10, 16. spricht:
Wer euch höret, der höret mich: und
wer euch verachtet, der verachtet mich:
wer aber mich verachtet, der verachtet
den, der mich gesandt hat.
Siehe auch
Apost. Gesch. 5, 4. u. f. Da es vom Anania
und seinem Weibe Sapphira heißt: Du
hast nicht Menschen, sondern GOTT
gelogen.

3. Zu den Worten: der seinen Heiligen
Geist gegeben hat,
haben einige Codices
euch für uns: da denn der Verstand wäre, daß,
weil die Gläubigen den Heiligen Geist auch selbst
zum Lehrer und Leiter in sich hätten, so würden sie
durch Hintansetzung der gegebnen guten Lebens-
Regeln den Heiligen Geist betrüben Eph. 4, 30.
und also damit nicht sowol wider einen Menschen,
als wider GOtt selbst sündigen. Doch schei-
net die Lectio emas, uns, die beqvemeste
zu seyn.

V. 9.

Von der brüderlichen Liebe aber
(wie sie in besondern Fällen und Umständen, bey
dieser und jener Gelegenheit auszuüben sey) ist
nicht noth euch zu schreiben
(viele besondere
Erinnerung zu geben) denn ihr seyd (von eurer
ersten Bekehrung an, da ihr unser Wort, als
GOttes Wort, wie es auch wahrhaftig ist, auf-
nahmet, bis hieher durch die innerliche Salbung
und Erleuchtung des Heiligen Geistes,) selbst
von GOtt
gelehret (alle wege zu erkennen und
zu prüfen, was zu thun, und zu lassen, oder das
beste und nützlichste sey Phil. 1, 9. 10.) euch un-
ter einander zu lieben
(die Regel von der Lie-
be in allerhand Begebenheiten zu appliciren und
auszuüben.)

Anmerckungen.

1. Ein herrliches Zeugniß von dem vortrefli-
chen Zustande der Thessalonicensischen Gemeine.
O welch ein grosser Unterscheid findet sich zwischen
derselben und zwischen den heutigen Gemeinen
fast aller Orten! wie bald kamen die Thessaloni-
cher dazu! und wie lange währet es nicht, daß es
ein rechtschaffener Knecht GOttes, der doch die
Apostolische Lehre in aller Treue und Lauterkeit,
öffentlich und besonders vorträget, nur bey einigen
dahin bringet. Aber was ists wunder, daß die
Brüderliche Liebe sowol der Erkentniß, als auch
der Ausübung nach so unbekant bleibet, da man
nicht aus GOtt geboren ist und nicht im Grunde
der Kindschaft GOttes unter einander stehet?
wo denn diese fehlet, wo kan da die wahre geist-
liche Bruder-Liebe statt finden?

2. Daß es an der Brüderlichen Liebe und
Kindschaft GOttes fehlet, kömmt daher, daß
man sich nicht von GOtt selbst lehren und leiten
läßt, und das Wort GOttes nicht also annimt,
wie von den Thessalonichern gesaget wird Cap.
[Spaltenumbruch] 2, 13. sondern nur aus bloß natürlichen Kräften
bey dem Vortrage oder bey Lesung und Betrach-
tung des göttlichen Worts sich einen bloß buch-
stäblichen und historischen Begrif von göttlichen
Dingen machet. Da hingegen sich von GOtt
lehren lassen
heißt, also hören, lesen und be-
trachten, daß man das Wort GOttes durch die
mitwirckende Kraft des Heiligen Geistes, wie
zur gründlichen Veränderung und Heiligung des
Willens, also auch zur wahren Erleuchtung des
Verstandes, sich ins Hertze schreiben lasse. Wer
nicht also von GOtt gelehret ist, der ist wie noch
unbekehrt, also auch noch unerleuchtet, und wenn
er auch gleich noch ein so angesehener Lehrer der
Kirche wäre.

3. Von der allen gläubigen Christen zukom-
menden wahren GOttes-Gelahrtheit sehe man
Jes. 54, 13. Jer. 31, 34. Joh. 6, 45. 14, 26. 1 Joh.
2, 20. 27. da es von den gläubigen Christen ins-
gesamt heißt: Jhr habt die Salbung von
dem, der da heilig ist, und wisset alles.
Und die Salbung, die ihr von ihm em-
pfangen habet, bleibet bey euch, und dür-
fet nicht, daß euch iemand lehre, sondern
wie euch die Salbung allerley lehret,
so
ist es wahr. u. s. w. Es ist demnach keiner ein
wahrer Christ, er sey denn also gesalbet, obgleich
in einem noch gantz geringen Masse: sintemal
ein Christ und gesalbet seyn, desgleichen ge-
salbet
und von GOtt gelehret seyn, syno-
nyma
oder Worte von gleicher Bedeutung
sind.

V. 10.

Und das (daß ihr euch nach Anweisung
der Bruder-Liebe unter einander selbst liebet)
thut ihr auch an allen Brüdern, die in
gantz Macedonia sind
(bey der Gelegenheit,
die euch dazu gegeben, theils auch von euch
gesuchet wird.) Wir ermahnen euch aber,
lieben Brüder, daß ihr noch völliger
werdet.

Anmerckungen.

1. Wie schön stehet Erkentniß und wirck-
liche Ubung
zusammen. Jhr seyd von GOtt
gelehret, oder wisset, daß und wie ihr euch unter
einander lieben sollet, und thuts auch.

2. Nichts schicket sich weniger zum recht-
schaffnen Christenthum, als die Meynung, daß
man schon satt und reich sey, und in der Liebe ge-
gen GOTT, uns selbst und den Nächsten schon
genug thue. Darum dringet Paulus immer
auf das eti mallon kai mallon und auf das
perisseuein mallon, immer völliger werden.
Siehe auch 2 Corinth. 8, 7. 9, 8. Philipp. 1, 19.
1 Thessal. 4, 1.

V. 11.

Und ringet darnach (daß ihr noch völli-
ger werdet, kai philotimeisthai, und strebet dar-
nach, wie die thun, die nach Ehren streben, und
sich darüber in viel Dinge verwickeln, und sehr
zerstreuen; ihr hingegen lasset euch die Stille
angelegen seyn) daß ihr stille seyd (euch nicht

in

Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 4. v. 9-11.
[Spaltenumbruch] ſich der Lehr-Stand im Papſtthum ſelbſt genom-
men hat: ſo iſt doch dagegen ihre geiſtliche Au-
ctori
taͤt, die ſie Amts wegen tragen, ſo viel groͤſ-
ſer, wenn ſie wahrhaftig von GOtt geſalbet und
geſandt ſind und in GOttes Namen zeugen.
Darum auch unſer Heyland Luc. 10, 16. ſpricht:
Wer euch hoͤret, der hoͤret mich: und
wer euch verachtet, der verachtet mich:
wer aber mich verachtet, der verachtet
den, der mich geſandt hat.
Siehe auch
Apoſt. Geſch. 5, 4. u. f. Da es vom Anania
und ſeinem Weibe Sapphira heißt: Du
haſt nicht Menſchen, ſondern GOTT
gelogen.

3. Zu den Worten: der ſeinen Heiligen
Geiſt gegeben hat,
haben einige Codices
euch fuͤr uns: da denn der Verſtand waͤre, daß,
weil die Glaͤubigen den Heiligen Geiſt auch ſelbſt
zum Lehrer und Leiter in ſich haͤtten, ſo wuͤrden ſie
durch Hintanſetzung der gegebnen guten Lebens-
Regeln den Heiligen Geiſt betruͤben Eph. 4, 30.
und alſo damit nicht ſowol wider einen Menſchen,
als wider GOtt ſelbſt ſuͤndigen. Doch ſchei-
net die Lectio ημᾶς, uns, die beqvemeſte
zu ſeyn.

V. 9.

Von der bruͤderlichen Liebe aber
(wie ſie in beſondern Faͤllen und Umſtaͤnden, bey
dieſer und jener Gelegenheit auszuuͤben ſey) iſt
nicht noth euch zu ſchreiben
(viele beſondere
Erinnerung zu geben) denn ihr ſeyd (von eurer
erſten Bekehrung an, da ihr unſer Wort, als
GOttes Wort, wie es auch wahrhaftig iſt, auf-
nahmet, bis hieher durch die innerliche Salbung
und Erleuchtung des Heiligen Geiſtes,) ſelbſt
von GOtt
gelehret (alle wege zu erkennen und
zu pruͤfen, was zu thun, und zu laſſen, oder das
beſte und nuͤtzlichſte ſey Phil. 1, 9. 10.) euch un-
ter einander zu lieben
(die Regel von der Lie-
be in allerhand Begebenheiten zu appliciren und
auszuuͤben.)

Anmerckungen.

1. Ein herrliches Zeugniß von dem vortrefli-
chen Zuſtande der Theſſalonicenſiſchen Gemeine.
O welch ein groſſer Unterſcheid findet ſich zwiſchen
derſelben und zwiſchen den heutigen Gemeinen
faſt aller Orten! wie bald kamen die Theſſaloni-
cher dazu! und wie lange waͤhret es nicht, daß es
ein rechtſchaffener Knecht GOttes, der doch die
Apoſtoliſche Lehre in aller Treue und Lauterkeit,
oͤffentlich und beſonders vortraͤget, nur bey einigen
dahin bringet. Aber was iſts wunder, daß die
Bruͤderliche Liebe ſowol der Erkentniß, als auch
der Ausuͤbung nach ſo unbekant bleibet, da man
nicht aus GOtt geboren iſt und nicht im Grunde
der Kindſchaft GOttes unter einander ſtehet?
wo denn dieſe fehlet, wo kan da die wahre geiſt-
liche Bruder-Liebe ſtatt finden?

2. Daß es an der Bruͤderlichen Liebe und
Kindſchaft GOttes fehlet, koͤmmt daher, daß
man ſich nicht von GOtt ſelbſt lehren und leiten
laͤßt, und das Wort GOttes nicht alſo annimt,
wie von den Theſſalonichern geſaget wird Cap.
[Spaltenumbruch] 2, 13. ſondern nur aus bloß natuͤrlichen Kraͤften
bey dem Vortrage oder bey Leſung und Betrach-
tung des goͤttlichen Worts ſich einen bloß buch-
ſtaͤblichen und hiſtoriſchen Begrif von goͤttlichen
Dingen machet. Da hingegen ſich von GOtt
lehren laſſen
heißt, alſo hoͤren, leſen und be-
trachten, daß man das Wort GOttes durch die
mitwirckende Kraft des Heiligen Geiſtes, wie
zur gruͤndlichen Veraͤnderung und Heiligung des
Willens, alſo auch zur wahren Erleuchtung des
Verſtandes, ſich ins Hertze ſchreiben laſſe. Wer
nicht alſo von GOtt gelehret iſt, der iſt wie noch
unbekehrt, alſo auch noch unerleuchtet, und wenn
er auch gleich noch ein ſo angeſehener Lehrer der
Kirche waͤre.

3. Von der allen glaͤubigen Chriſten zukom-
menden wahren GOttes-Gelahrtheit ſehe man
Jeſ. 54, 13. Jer. 31, 34. Joh. 6, 45. 14, 26. 1 Joh.
2, 20. 27. da es von den glaͤubigen Chriſten ins-
geſamt heißt: Jhr habt die Salbung von
dem, der da heilig iſt, und wiſſet alles.
Und die Salbung, die ihr von ihm em-
pfangen habet, bleibet bey euch, und duͤr-
fet nicht, daß euch iemand lehre, ſondern
wie euch die Salbung allerley lehret,
ſo
iſt es wahr. u. ſ. w. Es iſt demnach keiner ein
wahrer Chriſt, er ſey denn alſo geſalbet, obgleich
in einem noch gantz geringen Maſſe: ſintemal
ein Chriſt und geſalbet ſeyn, desgleichen ge-
ſalbet
und von GOtt gelehret ſeyn, ſyno-
nyma
oder Worte von gleicher Bedeutung
ſind.

V. 10.

Und das (daß ihr euch nach Anweiſung
der Bruder-Liebe unter einander ſelbſt liebet)
thut ihr auch an allen Bruͤdern, die in
gantz Macedonia ſind
(bey der Gelegenheit,
die euch dazu gegeben, theils auch von euch
geſuchet wird.) Wir ermahnen euch aber,
lieben Bruͤder, daß ihr noch voͤlliger
werdet.

Anmerckungen.

1. Wie ſchoͤn ſtehet Erkentniß und wirck-
liche Ubung
zuſammen. Jhr ſeyd von GOtt
gelehret, oder wiſſet, daß und wie ihr euch unter
einander lieben ſollet, und thuts auch.

2. Nichts ſchicket ſich weniger zum recht-
ſchaffnen Chriſtenthum, als die Meynung, daß
man ſchon ſatt und reich ſey, und in der Liebe ge-
gen GOTT, uns ſelbſt und den Naͤchſten ſchon
genug thue. Darum dringet Paulus immer
auf das ἔτι μᾶλλον καὶ μᾶλλον und auf das
περισσέυειν μᾶλλον, immer voͤlliger werden.
Siehe auch 2 Corinth. 8, 7. 9, 8. Philipp. 1, 19.
1 Theſſal. 4, 1.

V. 11.

Und ringet darnach (daß ihr noch voͤlli-
ger werdet, καί ϕιλοτιμεἵσϑαι, und ſtrebet dar-
nach, wie die thun, die nach Ehren ſtreben, und
ſich daruͤber in viel Dinge verwickeln, und ſehr
zerſtreuen; ihr hingegen laſſet euch die Stille
angelegen ſeyn) daß ihr ſtille ſeyd (euch nicht

in
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0030" n="28"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erkla&#x0364;rung des er&#x017F;ten Briefes Pauli Cap. 4. v. 9-11.</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;ich der Lehr-Stand im Pap&#x017F;tthum &#x017F;elb&#x017F;t genom-<lb/>
men hat: &#x017F;o i&#x017F;t doch dagegen ihre gei&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">Au-<lb/>
ctori</hi>ta&#x0364;t, die &#x017F;ie Amts wegen tragen, &#x017F;o viel gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er, wenn &#x017F;ie wahrhaftig von GOtt ge&#x017F;albet und<lb/>
ge&#x017F;andt &#x017F;ind und in GOttes Namen zeugen.<lb/>
Darum auch un&#x017F;er Heyland Luc. 10, 16. &#x017F;pricht:<lb/><hi rendition="#fr">Wer euch ho&#x0364;ret, der ho&#x0364;ret mich: und<lb/>
wer euch verachtet, der verachtet mich:<lb/>
wer aber mich verachtet, der verachtet<lb/>
den, der mich ge&#x017F;andt hat.</hi> Siehe auch<lb/>
Apo&#x017F;t. Ge&#x017F;ch. 5, 4. u. f. Da es vom Anania<lb/>
und &#x017F;einem Weibe Sapphira heißt: <hi rendition="#fr">Du<lb/>
ha&#x017F;t nicht Men&#x017F;chen, &#x017F;ondern <hi rendition="#g">GOTT</hi><lb/>
gelogen.</hi></p><lb/>
              <p>3. Zu den Worten: <hi rendition="#fr">der &#x017F;einen Heiligen<lb/>
Gei&#x017F;t gegeben hat,</hi> haben einige <hi rendition="#aq">Codices</hi><lb/><hi rendition="#fr">euch fu&#x0364;r uns:</hi> da denn der Ver&#x017F;tand wa&#x0364;re, daß,<lb/>
weil die Gla&#x0364;ubigen den Heiligen Gei&#x017F;t auch &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zum Lehrer und Leiter in &#x017F;ich ha&#x0364;tten, &#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ie<lb/>
durch Hintan&#x017F;etzung der gegebnen guten Lebens-<lb/>
Regeln den Heiligen Gei&#x017F;t betru&#x0364;ben Eph. 4, 30.<lb/>
und al&#x017F;o damit nicht &#x017F;owol wider einen Men&#x017F;chen,<lb/>
als wider GOtt &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;u&#x0364;ndigen. Doch &#x017F;chei-<lb/>
net die <hi rendition="#aq">Lectio</hi> &#x03B7;&#x03BC;&#x1FB6;&#x03C2;, <hi rendition="#fr">uns,</hi> die beqveme&#x017F;te<lb/>
zu &#x017F;eyn.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 9.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Von der bru&#x0364;derlichen Liebe aber</hi><lb/>
(wie &#x017F;ie in be&#x017F;ondern Fa&#x0364;llen und Um&#x017F;ta&#x0364;nden, bey<lb/>
die&#x017F;er und jener Gelegenheit auszuu&#x0364;ben &#x017F;ey) <hi rendition="#fr">i&#x017F;t<lb/>
nicht noth euch zu &#x017F;chreiben</hi> (viele be&#x017F;ondere<lb/>
Erinnerung zu geben) <hi rendition="#fr">denn ihr &#x017F;eyd</hi> (von eurer<lb/>
er&#x017F;ten Bekehrung an, da ihr un&#x017F;er Wort, als<lb/>
GOttes Wort, wie es auch wahrhaftig i&#x017F;t, auf-<lb/>
nahmet, bis hieher durch die innerliche Salbung<lb/>
und Erleuchtung des Heiligen Gei&#x017F;tes,) <hi rendition="#fr">&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
von GOtt</hi> gelehret (alle wege zu erkennen und<lb/>
zu pru&#x0364;fen, was zu thun, und zu la&#x017F;&#x017F;en, oder das<lb/>
be&#x017F;te und nu&#x0364;tzlich&#x017F;te &#x017F;ey Phil. 1, 9. 10.) <hi rendition="#fr">euch un-<lb/>
ter einander zu lieben</hi> (die Regel von der Lie-<lb/>
be in allerhand Begebenheiten zu <hi rendition="#aq">applicir</hi>en und<lb/>
auszuu&#x0364;ben.)</p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Ein herrliches Zeugniß von dem vortrefli-<lb/>
chen Zu&#x017F;tande der The&#x017F;&#x017F;alonicen&#x017F;i&#x017F;chen Gemeine.<lb/>
O welch ein gro&#x017F;&#x017F;er Unter&#x017F;cheid findet &#x017F;ich zwi&#x017F;chen<lb/>
der&#x017F;elben und zwi&#x017F;chen den heutigen Gemeinen<lb/>
fa&#x017F;t aller Orten! wie bald kamen die The&#x017F;&#x017F;aloni-<lb/>
cher dazu! und wie lange wa&#x0364;hret es nicht, daß es<lb/>
ein recht&#x017F;chaffener Knecht GOttes, der doch die<lb/>
Apo&#x017F;toli&#x017F;che Lehre in aller Treue und Lauterkeit,<lb/>
o&#x0364;ffentlich und be&#x017F;onders vortra&#x0364;get, nur bey einigen<lb/>
dahin bringet. Aber was i&#x017F;ts wunder, daß die<lb/>
Bru&#x0364;derliche Liebe &#x017F;owol der Erkentniß, als auch<lb/>
der Ausu&#x0364;bung nach &#x017F;o unbekant bleibet, da man<lb/>
nicht aus GOtt geboren i&#x017F;t und nicht im Grunde<lb/>
der Kind&#x017F;chaft GOttes unter einander &#x017F;tehet?<lb/>
wo denn die&#x017F;e fehlet, wo kan da die wahre gei&#x017F;t-<lb/>
liche Bruder-Liebe &#x017F;tatt finden?</p><lb/>
              <p>2. Daß es an der Bru&#x0364;derlichen Liebe und<lb/>
Kind&#x017F;chaft GOttes fehlet, ko&#x0364;mmt daher, daß<lb/>
man &#x017F;ich nicht von GOtt &#x017F;elb&#x017F;t lehren und leiten<lb/>
la&#x0364;ßt, und das Wort GOttes nicht al&#x017F;o annimt,<lb/>
wie von den The&#x017F;&#x017F;alonichern ge&#x017F;aget wird Cap.<lb/><cb/>
2, 13. &#x017F;ondern nur aus bloß natu&#x0364;rlichen Kra&#x0364;ften<lb/>
bey dem Vortrage oder bey Le&#x017F;ung und Betrach-<lb/>
tung des go&#x0364;ttlichen Worts &#x017F;ich einen bloß buch-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;blichen und hi&#x017F;tori&#x017F;chen Begrif von go&#x0364;ttlichen<lb/>
Dingen machet. Da hingegen &#x017F;ich <hi rendition="#fr">von GOtt<lb/>
lehren la&#x017F;&#x017F;en</hi> heißt, al&#x017F;o ho&#x0364;ren, le&#x017F;en und be-<lb/>
trachten, daß man das Wort GOttes durch die<lb/>
mitwirckende Kraft des Heiligen Gei&#x017F;tes, wie<lb/>
zur gru&#x0364;ndlichen Vera&#x0364;nderung und Heiligung des<lb/>
Willens, al&#x017F;o auch zur wahren Erleuchtung des<lb/>
Ver&#x017F;tandes, &#x017F;ich ins Hertze &#x017F;chreiben la&#x017F;&#x017F;e. Wer<lb/>
nicht al&#x017F;o von GOtt gelehret i&#x017F;t, der i&#x017F;t wie noch<lb/>
unbekehrt, al&#x017F;o auch noch unerleuchtet, und wenn<lb/>
er auch gleich noch ein &#x017F;o ange&#x017F;ehener Lehrer der<lb/>
Kirche wa&#x0364;re.</p><lb/>
              <p>3. Von der allen gla&#x0364;ubigen Chri&#x017F;ten zukom-<lb/>
menden wahren GOttes-Gelahrtheit &#x017F;ehe man<lb/>
Je&#x017F;. 54, 13. Jer. 31, 34. Joh. 6, 45. 14, 26. 1 Joh.<lb/>
2, 20. 27. da es von den gla&#x0364;ubigen Chri&#x017F;ten ins-<lb/>
ge&#x017F;amt heißt: <hi rendition="#fr">Jhr habt die Salbung von<lb/>
dem, der da heilig i&#x017F;t, und wi&#x017F;&#x017F;et alles.<lb/>
Und die Salbung, die ihr von ihm em-<lb/>
pfangen habet, bleibet bey euch, und du&#x0364;r-<lb/>
fet nicht, daß euch iemand lehre, &#x017F;ondern<lb/>
wie euch die Salbung allerley lehret,</hi> &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t es wahr. u. &#x017F;. w. Es i&#x017F;t demnach keiner ein<lb/>
wahrer Chri&#x017F;t, er &#x017F;ey denn al&#x017F;o ge&#x017F;albet, obgleich<lb/>
in einem noch gantz geringen Ma&#x017F;&#x017F;e: &#x017F;intemal<lb/><hi rendition="#fr">ein Chri&#x017F;t</hi> und <hi rendition="#fr">ge&#x017F;albet</hi> &#x017F;eyn, desgleichen <hi rendition="#fr">ge-<lb/>
&#x017F;albet</hi> und <hi rendition="#fr">von GOtt gelehret &#x017F;eyn,</hi> <hi rendition="#aq">&#x017F;yno-<lb/>
nyma</hi> oder Worte von gleicher Bedeutung<lb/>
&#x017F;ind.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 10.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Und das</hi> (daß ihr euch nach Anwei&#x017F;ung<lb/>
der Bruder-Liebe unter einander &#x017F;elb&#x017F;t liebet)<lb/><hi rendition="#fr">thut ihr auch an allen Bru&#x0364;dern, die in<lb/>
gantz Macedonia &#x017F;ind</hi> (bey der Gelegenheit,<lb/>
die euch dazu gegeben, theils auch von euch<lb/>
ge&#x017F;uchet wird.) <hi rendition="#fr">Wir ermahnen euch aber,<lb/>
lieben Bru&#x0364;der, daß ihr noch vo&#x0364;lliger<lb/>
werdet.</hi></p><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi> </head><lb/>
              <p>1. Wie &#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;tehet <hi rendition="#fr">Erkentniß</hi> und <hi rendition="#fr">wirck-<lb/>
liche Ubung</hi> zu&#x017F;ammen. Jhr &#x017F;eyd von GOtt<lb/>
gelehret, oder <hi rendition="#fr">wi&#x017F;&#x017F;et,</hi> daß und wie ihr euch unter<lb/>
einander lieben &#x017F;ollet, und <hi rendition="#fr">thuts auch.</hi></p><lb/>
              <p>2. Nichts &#x017F;chicket &#x017F;ich weniger zum recht-<lb/>
&#x017F;chaffnen Chri&#x017F;tenthum, als die Meynung, daß<lb/>
man &#x017F;chon &#x017F;att und reich &#x017F;ey, und in der Liebe ge-<lb/>
gen GOTT, uns &#x017F;elb&#x017F;t und den Na&#x0364;ch&#x017F;ten &#x017F;chon<lb/>
genug thue. Darum dringet Paulus immer<lb/>
auf das &#x1F14;&#x03C4;&#x03B9; &#x03BC;&#x1FB6;&#x03BB;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03BC;&#x1FB6;&#x03BB;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD; und auf das<lb/>
&#x03C0;&#x03B5;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C3;&#x03AD;&#x03C5;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; &#x03BC;&#x1FB6;&#x03BB;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD;, <hi rendition="#fr">immer vo&#x0364;lliger werden.</hi><lb/>
Siehe auch 2 Corinth. 8, 7. 9, 8. Philipp. 1, 19.<lb/>
1 The&#x017F;&#x017F;al. 4, 1.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">V. 11.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Und ringet darnach</hi> (daß ihr noch vo&#x0364;lli-<lb/>
ger werdet, &#x03BA;&#x03B1;&#x03AF; &#x03D5;&#x03B9;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BC;&#x03B5;&#x1F35;&#x03C3;&#x03D1;&#x03B1;&#x03B9;, und &#x017F;trebet dar-<lb/>
nach, wie die thun, die nach Ehren &#x017F;treben, und<lb/>
&#x017F;ich daru&#x0364;ber in viel Dinge verwickeln, und &#x017F;ehr<lb/>
zer&#x017F;treuen; ihr hingegen la&#x017F;&#x017F;et euch die Stille<lb/>
angelegen &#x017F;eyn) <hi rendition="#fr">daß ihr &#x017F;tille &#x017F;eyd</hi> (euch nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0030] Erklaͤrung des erſten Briefes Pauli Cap. 4. v. 9-11. ſich der Lehr-Stand im Papſtthum ſelbſt genom- men hat: ſo iſt doch dagegen ihre geiſtliche Au- ctoritaͤt, die ſie Amts wegen tragen, ſo viel groͤſ- ſer, wenn ſie wahrhaftig von GOtt geſalbet und geſandt ſind und in GOttes Namen zeugen. Darum auch unſer Heyland Luc. 10, 16. ſpricht: Wer euch hoͤret, der hoͤret mich: und wer euch verachtet, der verachtet mich: wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich geſandt hat. Siehe auch Apoſt. Geſch. 5, 4. u. f. Da es vom Anania und ſeinem Weibe Sapphira heißt: Du haſt nicht Menſchen, ſondern GOTT gelogen. 3. Zu den Worten: der ſeinen Heiligen Geiſt gegeben hat, haben einige Codices euch fuͤr uns: da denn der Verſtand waͤre, daß, weil die Glaͤubigen den Heiligen Geiſt auch ſelbſt zum Lehrer und Leiter in ſich haͤtten, ſo wuͤrden ſie durch Hintanſetzung der gegebnen guten Lebens- Regeln den Heiligen Geiſt betruͤben Eph. 4, 30. und alſo damit nicht ſowol wider einen Menſchen, als wider GOtt ſelbſt ſuͤndigen. Doch ſchei- net die Lectio ημᾶς, uns, die beqvemeſte zu ſeyn. V. 9. Von der bruͤderlichen Liebe aber (wie ſie in beſondern Faͤllen und Umſtaͤnden, bey dieſer und jener Gelegenheit auszuuͤben ſey) iſt nicht noth euch zu ſchreiben (viele beſondere Erinnerung zu geben) denn ihr ſeyd (von eurer erſten Bekehrung an, da ihr unſer Wort, als GOttes Wort, wie es auch wahrhaftig iſt, auf- nahmet, bis hieher durch die innerliche Salbung und Erleuchtung des Heiligen Geiſtes,) ſelbſt von GOtt gelehret (alle wege zu erkennen und zu pruͤfen, was zu thun, und zu laſſen, oder das beſte und nuͤtzlichſte ſey Phil. 1, 9. 10.) euch un- ter einander zu lieben (die Regel von der Lie- be in allerhand Begebenheiten zu appliciren und auszuuͤben.) Anmerckungen. 1. Ein herrliches Zeugniß von dem vortrefli- chen Zuſtande der Theſſalonicenſiſchen Gemeine. O welch ein groſſer Unterſcheid findet ſich zwiſchen derſelben und zwiſchen den heutigen Gemeinen faſt aller Orten! wie bald kamen die Theſſaloni- cher dazu! und wie lange waͤhret es nicht, daß es ein rechtſchaffener Knecht GOttes, der doch die Apoſtoliſche Lehre in aller Treue und Lauterkeit, oͤffentlich und beſonders vortraͤget, nur bey einigen dahin bringet. Aber was iſts wunder, daß die Bruͤderliche Liebe ſowol der Erkentniß, als auch der Ausuͤbung nach ſo unbekant bleibet, da man nicht aus GOtt geboren iſt und nicht im Grunde der Kindſchaft GOttes unter einander ſtehet? wo denn dieſe fehlet, wo kan da die wahre geiſt- liche Bruder-Liebe ſtatt finden? 2. Daß es an der Bruͤderlichen Liebe und Kindſchaft GOttes fehlet, koͤmmt daher, daß man ſich nicht von GOtt ſelbſt lehren und leiten laͤßt, und das Wort GOttes nicht alſo annimt, wie von den Theſſalonichern geſaget wird Cap. 2, 13. ſondern nur aus bloß natuͤrlichen Kraͤften bey dem Vortrage oder bey Leſung und Betrach- tung des goͤttlichen Worts ſich einen bloß buch- ſtaͤblichen und hiſtoriſchen Begrif von goͤttlichen Dingen machet. Da hingegen ſich von GOtt lehren laſſen heißt, alſo hoͤren, leſen und be- trachten, daß man das Wort GOttes durch die mitwirckende Kraft des Heiligen Geiſtes, wie zur gruͤndlichen Veraͤnderung und Heiligung des Willens, alſo auch zur wahren Erleuchtung des Verſtandes, ſich ins Hertze ſchreiben laſſe. Wer nicht alſo von GOtt gelehret iſt, der iſt wie noch unbekehrt, alſo auch noch unerleuchtet, und wenn er auch gleich noch ein ſo angeſehener Lehrer der Kirche waͤre. 3. Von der allen glaͤubigen Chriſten zukom- menden wahren GOttes-Gelahrtheit ſehe man Jeſ. 54, 13. Jer. 31, 34. Joh. 6, 45. 14, 26. 1 Joh. 2, 20. 27. da es von den glaͤubigen Chriſten ins- geſamt heißt: Jhr habt die Salbung von dem, der da heilig iſt, und wiſſet alles. Und die Salbung, die ihr von ihm em- pfangen habet, bleibet bey euch, und duͤr- fet nicht, daß euch iemand lehre, ſondern wie euch die Salbung allerley lehret, ſo iſt es wahr. u. ſ. w. Es iſt demnach keiner ein wahrer Chriſt, er ſey denn alſo geſalbet, obgleich in einem noch gantz geringen Maſſe: ſintemal ein Chriſt und geſalbet ſeyn, desgleichen ge- ſalbet und von GOtt gelehret ſeyn, ſyno- nyma oder Worte von gleicher Bedeutung ſind. V. 10. Und das (daß ihr euch nach Anweiſung der Bruder-Liebe unter einander ſelbſt liebet) thut ihr auch an allen Bruͤdern, die in gantz Macedonia ſind (bey der Gelegenheit, die euch dazu gegeben, theils auch von euch geſuchet wird.) Wir ermahnen euch aber, lieben Bruͤder, daß ihr noch voͤlliger werdet. Anmerckungen. 1. Wie ſchoͤn ſtehet Erkentniß und wirck- liche Ubung zuſammen. Jhr ſeyd von GOtt gelehret, oder wiſſet, daß und wie ihr euch unter einander lieben ſollet, und thuts auch. 2. Nichts ſchicket ſich weniger zum recht- ſchaffnen Chriſtenthum, als die Meynung, daß man ſchon ſatt und reich ſey, und in der Liebe ge- gen GOTT, uns ſelbſt und den Naͤchſten ſchon genug thue. Darum dringet Paulus immer auf das ἔτι μᾶλλον καὶ μᾶλλον und auf das περισσέυειν μᾶλλον, immer voͤlliger werden. Siehe auch 2 Corinth. 8, 7. 9, 8. Philipp. 1, 19. 1 Theſſal. 4, 1. V. 11. Und ringet darnach (daß ihr noch voͤlli- ger werdet, καί ϕιλοτιμεἵσϑαι, und ſtrebet dar- nach, wie die thun, die nach Ehren ſtreben, und ſich daruͤber in viel Dinge verwickeln, und ſehr zerſtreuen; ihr hingegen laſſet euch die Stille angelegen ſeyn) daß ihr ſtille ſeyd (euch nicht in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/30
Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/30>, abgerufen am 27.04.2024.