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Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729.

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Erklärung des andern Briefes Pauli C. 1. v. 3-6.
[Spaltenumbruch] Eltern und Groß-Eltern im Judenthum gehabt
hatte, wie aus diesem Orte zu schliessen ist; so
konte er wol sagen, daß er GOTT von seinen
Voreltern her in einem reinen Gewissen diene;
obgleich sein erster verderbter Zustand dazwi-
schen gekommen war. Es lassen sich auch die
Worte, von meinen Voreltern her, gar füg-
lich mehr auf das Wort GOTT, als auf die
Worte: diene im reinen Gewissen ziehen, daß
damit angezeiget werde, wie daß er bey dem
Christenthum noch eben denselben einigen wah-
ren GOtt erkenne, dem seine Voreltern gedie-
net haben, theils im Geiste und in der Wahr-
heit, theils nach der Verfassung des Levitischen
Gottesdienstes. Siehe von dem Gewissen Pau-
li auch Ap. Gesch. 23, 1. c. 24, 16. 2 Cor. 1,
12. u. s. w.

5. Es findet sich in diesem Verse eine ge-
doppelte ellipsis, da etwas ausgelassen, wel-
ches aber aus den übrigen Worten leichtlich zu
ergäntzen ist. Denn erstlich ist ausgelassen, wo-
für Paulus GOtt dancket, nemlich für den Ti-
motheum, daß er ihm von GOtt zu einem so gar
getreuen Gehülfen gegeben worden: und das
Wort der Anzeige, daß Paulus seiner so oft
und fleißig gedencke. Nach welcher Ergän-
tzung es denn eben so viel ist, als was wir Röm.
1, 8. 9. lesen, da es heißt: Jch dancke meinem
GOTT euer aller halber: und GOtt ist
mein Zeuge, daß ich ohne Unterlaß euer
gedencke.

6. Die Redens-Art, ohne Unterlaß,
und Tag und Nacht, ist schon öfter in den vo-
rigen Briefen erkläret worden; wie daß nem-
lich solche Worte der Vergessenheit und gäntz-
lichen Unterlassung entgegen stehen, und zu der
Nacht nach jüdischer Art auch die Abend-und
Frühe-Stunden mit gerechnet worden: wiewol
auch Paulus in mancher schlaflosen Nacht oder
Stunde der Nacht, das Gebet und die Fürbitte
seine rechte Ubung hat seyn lassen.

V. 4.

Und mich verlanget dich zu sehen (und
durch deine Gegenwart erquicket zu werden,
Röm. 1, 12. c. 32.) wenn ich gedencke an dei-
ne Thränen
(die du aus zartester Liebe zu mir
bey dem von mir genommenen Abschiede, wie
auch anderwärtig nach Ap. Ges. 20, 37. 38. c. 21,
13. geschehen ist, vergossen hast, von welcher Be-
zeugung deiner Liebe ich noch einen tiefen Ein-
druck habe,) daß ich mit Freuden erfüllet
werde
(wie denn gläubige Knechte und Kinder
GOttes dadurch, daß einer in dem andern die
Gleichheit des geistlichen Sinnes, und darinnen
das Bild Christi siehet, nicht wenig erfreuet und
gestärcket werden.

V. 5.

Und erinnere mich (mit vielem Vergnü-
gen) des ungefärbten (rechtschafnen und un-
geheuchelten 1 Tim. 1, 5.) Glaubens (als des
rechten Haupt-Stückes im Christenthum) in
dir; welcher
(von gleicher Lauterkeit zuvor ge-
wohnet hat,) in deiner Großmutter Loide,
und in deiner Mutter
Eunice, bin auch ge-
wiß, daß auch in dir.

[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. So verderbt auch gleich das jüdische
Volck zu Christi und der Apostel Zeiten war, so
hatte doch GOtt darunter die Seinigen, die ihm
im Geiste und in der Wahrheit dieneten: welche
denn auch aus dem Jüdenthum gern zu dem Chri-
stenthum, darinnen des Jüdenthums rechte
Vollendung und Erfüllung war, schritten; wie
auch diese fromme Matronen gethan, welche
Paulus, als er Timotheum vor 17 Jahren zu
Lystra zu sich genommen, von Person kennen ge-
lernet, und so viel gutes bey ihnen gefunden hat.
Der Vater, der ein Grieche, oder ein Heyde, ie-
doch aber allem Ansehen nach ein Jüden-Genoß,
obwol ohne Beschneidung, gewesen, scheinet
Paulo nicht bekannt geworden und schon damals
verstorben gewesen zu seyn.

2. Mit der Redens-Art von der Einwoh-
nung des Glaubens im Hertzen,
wird ange-
zeiget, wie daß der Glaube die rechte Haupt-Sa-
che im Christenthum sey: darum denn, was hie
vom Glauben gesaget wird, sonst von Christo ste-
het, daß er durch den Glauben in dem Her-
tzen wohne
Eph. 3, 17. Denn wo der Glaube
ist, da ist Christus, als an welchen er sich hält
und den er sich zueignet. Und wo Christus ist, da
ist er vermöge der gläubigen Ergreifung und
Vereinigung.

3. Es ist ein grosses Gut, gottselige El-
tern
und Groß-Eltern gehabt zu haben, oder
auch noch zu haben, sonderlich wenn man in ihre
Faßstapfen tritt, wie Timotheus gethan: daher
sich denn der Segen in Christo so vielmehr über
solche Kinder ergiesset: gleichwie hingegen die
Verantwortung so viel schwerer ist, wenn man
sich auch durch seiner GOtt-ergebnen Eltern ihr
löbliches Exempel, getreue Anführung und Gebet
nicht einmal zu GOtt führen lassen.

4. Daß der würdige Gebrauch des göttli-
chen Worts das Mittel sey zum Glauben zu ge-
langen, das siehet man auch aus dem Exempel
Timothei, als dem die geistliche lautere Milch
des Evangelii von seiner Mutter und Groß-Mut-
ter von der zarten Kindheit an eingeflösset wor-
den 1 Tim. 3, 15. 16.

5. Auch haben alle Eltern und Groß-Eltern
sich hiebey zu prüfen, ob auch der Glaube an
Christum dergestatt in ihnen wohne, daß davon
alle ihre Seelen-Kräfte erfüllet sind, und ihr gan-
tzes Leben in Beweisung der Früchte des Glau-
bens regieret werde? welches der Nachdruck sol-
cher Redens-Art mit sich bringet.

V. 6.

Um welcher Sache willen (da der Glau-
be mit so vielen Heyls-Gütern und Gnaden-Ga-
ben in dir wohnet) ich dich erinnere (wie es
denn im Christenthum gar dienlich ist, einen schon
laufenden zu desto mehrer Treue und Bestän-
digkeit noch mehr anzusporen) daß du (durch
das Gebet, durch oft erneuerten guten Vorsatz
und durch getreue Anwendung) erweckest die
Gabe, die in dir ist durch die Auflegung
meiner
(und der Aeltesten in der Gemeine 1 Tim.
4, 14.) Hände (da unter Anrufung GOttes bey

dei-

Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 1. v. 3-6.
[Spaltenumbruch] Eltern und Groß-Eltern im Judenthum gehabt
hatte, wie aus dieſem Orte zu ſchlieſſen iſt; ſo
konte er wol ſagen, daß er GOTT von ſeinen
Voreltern her in einem reinen Gewiſſen diene;
obgleich ſein erſter verderbter Zuſtand dazwi-
ſchen gekommen war. Es laſſen ſich auch die
Worte, von meinen Voreltern her, gar fuͤg-
lich mehr auf das Wort GOTT, als auf die
Worte: diene im reinen Gewiſſen ziehen, daß
damit angezeiget werde, wie daß er bey dem
Chriſtenthum noch eben denſelben einigen wah-
ren GOtt erkenne, dem ſeine Voreltern gedie-
net haben, theils im Geiſte und in der Wahr-
heit, theils nach der Verfaſſung des Levitiſchen
Gottesdienſtes. Siehe von dem Gewiſſen Pau-
li auch Ap. Geſch. 23, 1. c. 24, 16. 2 Cor. 1,
12. u. ſ. w.

5. Es findet ſich in dieſem Verſe eine ge-
doppelte ellipſis, da etwas ausgelaſſen, wel-
ches aber aus den uͤbrigen Worten leichtlich zu
ergaͤntzen iſt. Denn erſtlich iſt ausgelaſſen, wo-
fuͤr Paulus GOtt dancket, nemlich fuͤr den Ti-
motheum, daß er ihm von GOtt zu einem ſo gar
getreuen Gehuͤlfen gegeben worden: und das
Wort der Anzeige, daß Paulus ſeiner ſo oft
und fleißig gedencke. Nach welcher Ergaͤn-
tzung es denn eben ſo viel iſt, als was wir Roͤm.
1, 8. 9. leſen, da es heißt: Jch dancke meinem
GOTT euer aller halber: und GOtt iſt
mein Zeuge, daß ich ohne Unterlaß euer
gedencke.

6. Die Redens-Art, ohne Unterlaß,
und Tag und Nacht, iſt ſchon oͤfter in den vo-
rigen Briefen erklaͤret worden; wie daß nem-
lich ſolche Worte der Vergeſſenheit und gaͤntz-
lichen Unterlaſſung entgegen ſtehen, und zu der
Nacht nach juͤdiſcher Art auch die Abend-und
Fruͤhe-Stunden mit gerechnet worden: wiewol
auch Paulus in mancher ſchlafloſen Nacht oder
Stunde der Nacht, das Gebet und die Fuͤrbitte
ſeine rechte Ubung hat ſeyn laſſen.

V. 4.

Und mich verlanget dich zu ſehen (und
durch deine Gegenwart erquicket zu werden,
Roͤm. 1, 12. c. 32.) wenn ich gedencke an dei-
ne Thraͤnen
(die du aus zarteſter Liebe zu mir
bey dem von mir genommenen Abſchiede, wie
auch anderwaͤrtig nach Ap. Geſ. 20, 37. 38. c. 21,
13. geſchehen iſt, vergoſſen haſt, von welcher Be-
zeugung deiner Liebe ich noch einen tiefen Ein-
druck habe,) daß ich mit Freuden erfuͤllet
werde
(wie denn glaͤubige Knechte und Kinder
GOttes dadurch, daß einer in dem andern die
Gleichheit des geiſtlichen Sinnes, und darinnen
das Bild Chriſti ſiehet, nicht wenig erfreuet und
geſtaͤrcket werden.

V. 5.

Und erinnere mich (mit vielem Vergnuͤ-
gen) des ungefaͤrbten (rechtſchafnen und un-
geheuchelten 1 Tim. 1, 5.) Glaubens (als des
rechten Haupt-Stuͤckes im Chriſtenthum) in
dir; welcher
(von gleicher Lauterkeit zuvor ge-
wohnet hat,) in deiner Großmutter Loide,
und in deiner Mutter
Eunice, bin auch ge-
wiß, daß auch in dir.

[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.

1. So verderbt auch gleich das juͤdiſche
Volck zu Chriſti und der Apoſtel Zeiten war, ſo
hatte doch GOtt darunter die Seinigen, die ihm
im Geiſte und in der Wahrheit dieneten: welche
denn auch aus dem Juͤdenthum gern zu dem Chri-
ſtenthum, darinnen des Juͤdenthums rechte
Vollendung und Erfuͤllung war, ſchritten; wie
auch dieſe fromme Matronen gethan, welche
Paulus, als er Timotheum vor 17 Jahren zu
Lyſtra zu ſich genommen, von Perſon kennen ge-
lernet, und ſo viel gutes bey ihnen gefunden hat.
Der Vater, der ein Grieche, oder ein Heyde, ie-
doch aber allem Anſehen nach ein Juͤden-Genoß,
obwol ohne Beſchneidung, geweſen, ſcheinet
Paulo nicht bekannt geworden und ſchon damals
verſtorben geweſen zu ſeyn.

2. Mit der Redens-Art von der Einwoh-
nung des Glaubens im Hertzen,
wird ange-
zeiget, wie daß der Glaube die rechte Haupt-Sa-
che im Chriſtenthum ſey: darum denn, was hie
vom Glauben geſaget wird, ſonſt von Chriſto ſte-
het, daß er durch den Glauben in dem Her-
tzen wohne
Eph. 3, 17. Denn wo der Glaube
iſt, da iſt Chriſtus, als an welchen er ſich haͤlt
und den er ſich zueignet. Und wo Chriſtus iſt, da
iſt er vermoͤge der glaͤubigen Ergreifung und
Vereinigung.

3. Es iſt ein groſſes Gut, gottſelige El-
tern
und Groß-Eltern gehabt zu haben, oder
auch noch zu haben, ſonderlich wenn man in ihre
Faßſtapfen tritt, wie Timotheus gethan: daher
ſich denn der Segen in Chriſto ſo vielmehr uͤber
ſolche Kinder ergieſſet: gleichwie hingegen die
Verantwortung ſo viel ſchwerer iſt, wenn man
ſich auch durch ſeiner GOtt-ergebnen Eltern ihr
loͤbliches Exempel, getreue Anfuͤhrung und Gebet
nicht einmal zu GOtt fuͤhren laſſen.

4. Daß der wuͤrdige Gebrauch des goͤttli-
chen Worts das Mittel ſey zum Glauben zu ge-
langen, das ſiehet man auch aus dem Exempel
Timothei, als dem die geiſtliche lautere Milch
des Evangelii von ſeiner Mutter und Groß-Mut-
ter von der zarten Kindheit an eingefloͤſſet wor-
den 1 Tim. 3, 15. 16.

5. Auch haben alle Eltern und Groß-Eltern
ſich hiebey zu pruͤfen, ob auch der Glaube an
Chriſtum dergeſtatt in ihnen wohne, daß davon
alle ihre Seelen-Kraͤfte erfuͤllet ſind, und ihr gan-
tzes Leben in Beweiſung der Fruͤchte des Glau-
bens regieret werde? welches der Nachdruck ſol-
cher Redens-Art mit ſich bringet.

V. 6.

Um welcher Sache willen (da der Glau-
be mit ſo vielen Heyls-Guͤtern und Gnaden-Ga-
ben in dir wohnet) ich dich erinnere (wie es
denn im Chriſtenthum gar dienlich iſt, einen ſchon
laufenden zu deſto mehrer Treue und Beſtaͤn-
digkeit noch mehr anzuſporen) daß du (durch
das Gebet, durch oft erneuerten guten Vorſatz
und durch getreue Anwendung) erweckeſt die
Gabe, die in dir iſt durch die Auflegung
meiner
(und der Aelteſten in der Gemeine 1 Tim.
4, 14.) Haͤnde (da unter Anrufung GOttes bey

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[146/0148] Erklaͤrung des andern Briefes Pauli C. 1. v. 3-6. Eltern und Groß-Eltern im Judenthum gehabt hatte, wie aus dieſem Orte zu ſchlieſſen iſt; ſo konte er wol ſagen, daß er GOTT von ſeinen Voreltern her in einem reinen Gewiſſen diene; obgleich ſein erſter verderbter Zuſtand dazwi- ſchen gekommen war. Es laſſen ſich auch die Worte, von meinen Voreltern her, gar fuͤg- lich mehr auf das Wort GOTT, als auf die Worte: diene im reinen Gewiſſen ziehen, daß damit angezeiget werde, wie daß er bey dem Chriſtenthum noch eben denſelben einigen wah- ren GOtt erkenne, dem ſeine Voreltern gedie- net haben, theils im Geiſte und in der Wahr- heit, theils nach der Verfaſſung des Levitiſchen Gottesdienſtes. Siehe von dem Gewiſſen Pau- li auch Ap. Geſch. 23, 1. c. 24, 16. 2 Cor. 1, 12. u. ſ. w. 5. Es findet ſich in dieſem Verſe eine ge- doppelte ellipſis, da etwas ausgelaſſen, wel- ches aber aus den uͤbrigen Worten leichtlich zu ergaͤntzen iſt. Denn erſtlich iſt ausgelaſſen, wo- fuͤr Paulus GOtt dancket, nemlich fuͤr den Ti- motheum, daß er ihm von GOtt zu einem ſo gar getreuen Gehuͤlfen gegeben worden: und das Wort der Anzeige, daß Paulus ſeiner ſo oft und fleißig gedencke. Nach welcher Ergaͤn- tzung es denn eben ſo viel iſt, als was wir Roͤm. 1, 8. 9. leſen, da es heißt: Jch dancke meinem GOTT euer aller halber: und GOtt iſt mein Zeuge, daß ich ohne Unterlaß euer gedencke. 6. Die Redens-Art, ohne Unterlaß, und Tag und Nacht, iſt ſchon oͤfter in den vo- rigen Briefen erklaͤret worden; wie daß nem- lich ſolche Worte der Vergeſſenheit und gaͤntz- lichen Unterlaſſung entgegen ſtehen, und zu der Nacht nach juͤdiſcher Art auch die Abend-und Fruͤhe-Stunden mit gerechnet worden: wiewol auch Paulus in mancher ſchlafloſen Nacht oder Stunde der Nacht, das Gebet und die Fuͤrbitte ſeine rechte Ubung hat ſeyn laſſen. V. 4. Und mich verlanget dich zu ſehen (und durch deine Gegenwart erquicket zu werden, Roͤm. 1, 12. c. 32.) wenn ich gedencke an dei- ne Thraͤnen (die du aus zarteſter Liebe zu mir bey dem von mir genommenen Abſchiede, wie auch anderwaͤrtig nach Ap. Geſ. 20, 37. 38. c. 21, 13. geſchehen iſt, vergoſſen haſt, von welcher Be- zeugung deiner Liebe ich noch einen tiefen Ein- druck habe,) daß ich mit Freuden erfuͤllet werde (wie denn glaͤubige Knechte und Kinder GOttes dadurch, daß einer in dem andern die Gleichheit des geiſtlichen Sinnes, und darinnen das Bild Chriſti ſiehet, nicht wenig erfreuet und geſtaͤrcket werden. V. 5. Und erinnere mich (mit vielem Vergnuͤ- gen) des ungefaͤrbten (rechtſchafnen und un- geheuchelten 1 Tim. 1, 5.) Glaubens (als des rechten Haupt-Stuͤckes im Chriſtenthum) in dir; welcher (von gleicher Lauterkeit zuvor ge- wohnet hat,) in deiner Großmutter Loide, und in deiner Mutter Eunice, bin auch ge- wiß, daß auch in dir. Anmerckungen. 1. So verderbt auch gleich das juͤdiſche Volck zu Chriſti und der Apoſtel Zeiten war, ſo hatte doch GOtt darunter die Seinigen, die ihm im Geiſte und in der Wahrheit dieneten: welche denn auch aus dem Juͤdenthum gern zu dem Chri- ſtenthum, darinnen des Juͤdenthums rechte Vollendung und Erfuͤllung war, ſchritten; wie auch dieſe fromme Matronen gethan, welche Paulus, als er Timotheum vor 17 Jahren zu Lyſtra zu ſich genommen, von Perſon kennen ge- lernet, und ſo viel gutes bey ihnen gefunden hat. Der Vater, der ein Grieche, oder ein Heyde, ie- doch aber allem Anſehen nach ein Juͤden-Genoß, obwol ohne Beſchneidung, geweſen, ſcheinet Paulo nicht bekannt geworden und ſchon damals verſtorben geweſen zu ſeyn. 2. Mit der Redens-Art von der Einwoh- nung des Glaubens im Hertzen, wird ange- zeiget, wie daß der Glaube die rechte Haupt-Sa- che im Chriſtenthum ſey: darum denn, was hie vom Glauben geſaget wird, ſonſt von Chriſto ſte- het, daß er durch den Glauben in dem Her- tzen wohne Eph. 3, 17. Denn wo der Glaube iſt, da iſt Chriſtus, als an welchen er ſich haͤlt und den er ſich zueignet. Und wo Chriſtus iſt, da iſt er vermoͤge der glaͤubigen Ergreifung und Vereinigung. 3. Es iſt ein groſſes Gut, gottſelige El- tern und Groß-Eltern gehabt zu haben, oder auch noch zu haben, ſonderlich wenn man in ihre Faßſtapfen tritt, wie Timotheus gethan: daher ſich denn der Segen in Chriſto ſo vielmehr uͤber ſolche Kinder ergieſſet: gleichwie hingegen die Verantwortung ſo viel ſchwerer iſt, wenn man ſich auch durch ſeiner GOtt-ergebnen Eltern ihr loͤbliches Exempel, getreue Anfuͤhrung und Gebet nicht einmal zu GOtt fuͤhren laſſen. 4. Daß der wuͤrdige Gebrauch des goͤttli- chen Worts das Mittel ſey zum Glauben zu ge- langen, das ſiehet man auch aus dem Exempel Timothei, als dem die geiſtliche lautere Milch des Evangelii von ſeiner Mutter und Groß-Mut- ter von der zarten Kindheit an eingefloͤſſet wor- den 1 Tim. 3, 15. 16. 5. Auch haben alle Eltern und Groß-Eltern ſich hiebey zu pruͤfen, ob auch der Glaube an Chriſtum dergeſtatt in ihnen wohne, daß davon alle ihre Seelen-Kraͤfte erfuͤllet ſind, und ihr gan- tzes Leben in Beweiſung der Fruͤchte des Glau- bens regieret werde? welches der Nachdruck ſol- cher Redens-Art mit ſich bringet. V. 6. Um welcher Sache willen (da der Glau- be mit ſo vielen Heyls-Guͤtern und Gnaden-Ga- ben in dir wohnet) ich dich erinnere (wie es denn im Chriſtenthum gar dienlich iſt, einen ſchon laufenden zu deſto mehrer Treue und Beſtaͤn- digkeit noch mehr anzuſporen) daß du (durch das Gebet, durch oft erneuerten guten Vorſatz und durch getreue Anwendung) erweckeſt die Gabe, die in dir iſt durch die Auflegung meiner (und der Aelteſten in der Gemeine 1 Tim. 4, 14.) Haͤnde (da unter Anrufung GOttes bey dei-

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Des Apostolischen Lichts und Rechts. Bd. 2. Halle, 1729, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht02_1729/148>, abgerufen am 13.05.2024.