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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 3, v. 27-29. an die Römer.
[Spaltenumbruch] Evangelii. Denn ehe der Mensch nicht recht
zum Evangelio kömmt, gehen ihm die Augen
nicht recht auf, sein eigenes Elend und Verder-
ben nach dem Gesetz recht einzusehen. Werden
ihm aber diese aus dem Evangelio geöffnet, so
empfindet er erst recht die Strenge der gesetzli-
chen Forderung; und bey seinem höchsten Un-
vermögen die Nothwendigkeit der Gnade. Da
er sonst nach dem Gesetze, ausser dem Evange-
lio, ihm selbst gelassen, noch immer zu seiner
Seligkeit selbst wircken, und damit einiger mas-
sen vor GOTT bestehen will. Man kan dem-
nach erkennen, was es für ein schnöder Miß-
brauch des Evangelii sey, wenn ein Mensch da-
bey geistlich stoltz und übermüthig wird: da doch
das Evangelium von der lautern Gnade, ob
wol nicht ohne Behuf des Gesetzes, den Men-
schen von allem eignen Ruhm recht nackend aus-
ziehet, und solcher gestalt recht demüthiget.
Dabey ist dieses etwas recht göttliches an dem
Evangelio, daß es den Menschen bey solcher sei-
ner Erniedrigung zu seiner rechten Hoheit, und
zu seinem rechten Adel, bringet.

V. 28.

So halten wir es nun (dafür, oder da
der Mensch ohne allen eignen Ruhm bleibet,
und GOTT seinen Sohn, CHristum JEsum,
zum Gnaden-Stul im Evangelio vorgestellet
hat, so machen wir daraus, mit kurtzer Wie-
derholung dessen, was schon gesaget ist, diesen
vesten Schluß,) daß der Mensch (der aus
dem Gesetze seine Sünden erkennet, und also
bußfertig ist, und sich durch die Vorstellung
von der lautern Gnade GOttes in Christo noch
zu mehrer Freudigkeit seines Geistes bringen
läßt, vor dem Gerichte GOttes, davor er sich
mit seinem unruhigen Gewissen stellet,) gerecht
(gesprochen und absolviret werde, um der Er-
lösung CHristi willen,) ohne des Gesetzes
Werck,
(also daß dieses nichts dazu beyträget
vor in und nach der Bekehrung und Rechtferti-
gung,) allein durch den Glauben, (so fern
nemlich derselbe nach v. 25. auf das Blut, oder
den Versöhnungs-Tod CHristi sich gründet,
und auf den in ihm vorgestelleten Gnaden-Stul
siehet. Man conferire hiebey Apost. Gesch.
13, 38. 39. Rom. 4, 5. Galat. 2, 16. Ephes.
2, 8.)

Anmerckungen.
1. Das Wörtlein allein stehet zwar nicht
ausdrücklich im Grund-Texte: aber die Sache
selbst, und die beystehende Worte bringen doch
diesen Verstand allerdings mit sich. Denn es
wird des Glaubens nicht nur allein gedacht im
Geschäfte der Rechtfertigung; sondern es wer-
den auch die Wercke, und zwar alle und iede,
wie zuvor gezeiget ist, davon zurück gesetzet und
ausgeschlossen.
2. Daß alhier der Glaube allein statt fin-
det, erhellet auch aus der Natur des Glaubens,
und aus dem Unterscheide, den er von den Wer-
cken hat. Denn der Glaube bestehet eigent-
lich im Nehmen, nach dem Evangelio, und
hat es mit göttlichen Wohlthaten zu thun:
[Spaltenumbruch] Die Liebe aber, darinn alle Wercke zusam-
men fliessen, im geben nach dem Gesetze, und
ist mit den Pflichten beschäftiget. Da nun
GOTT nach dem Evangelio schencket, so ists
des Glaubens Eigenschaft daß er nimt: ob er
wol auch mit dem Nehmen und mit dem Ver-
trauen GOTT seine gehörige Ehre giebt, oder
anthut, nach Rom. 4, 20.
3. Daß der Glaube uns allein rechtferti-
ge, und die Wercke dazu nichts beytragen, we-
der vor, noch in, noch nach der Rechtferti-
gung, ist gantz offenbar. Denn vor der
Rechtfertigung
sind die Wercke, so scheinbar
sie auch immermehr sind, vor dem strengen Ge-
richte GOttes nur böse und sündlich. Und in
der Rechtfertigung
stehet der bußfertige
Mensch in der Erkäntniß seines Clendes und sei-
ner Unwürdigkeit, und klaget sich vor GOTT
vielmehr selbst an, als daß er einige eigne Wer-
cke dem Gerichte GOttes entgegen setzen solte.
Und nach der Rechtfertigung, wenn er die-
se bereits dnrch den Glauben erhalten hat, darf
er dieselbe nicht erst durch die Wercke erlangen;
ob er wol seinen Glauben durch die Wercke, als
Früchte, thätig erweiset.
4. Und damit dieses, was von dem Glau-
ben mit Ausschliessung der Wercke alhier gesa-
get wird, so viel weniger gemißbrauchet werde,
so ist wohl zu mercken, daß die Worte: ohne
des Gesetzes Wercke,
nicht mit dem Worte
pistei, durch den Glauben, als wenn die
Wercke davon ausgeschlossen wären, sondern
mit dem verbo dikaiousthai, gerecht werden,
construiret, und mit dieser construction ange-
zeiget werde, daß die Rechtfertigung ohne un-
ser eigen Verdienst durch das Verdienst Christi
aus Gnaden geschehe, und also nicht der Glau-
be, welcher rechtfertiget, sondern quatenus, in
so fern er gerecht machet, die eignen Wercke aus-
schliesse. Siehe c. 4, 6. Jac. 2, 20.
5. Jm übrigen ist wegen der connexion
dieses 28ten Verses mit dem 29ten zu mercken,
daß Paulus in dem vorhergehenden gantzen
Contexte das Evangelium von CHristo, und
insonderheit die Rechtfertigung auf das gantze
im Verderben liegende menschliche Geschlecht,
und also nicht allein auf die Jüden, sondern
auch auf die Heyden extendiret hat: Wie er
denn auch schon gleich anfangs c. 1, v. 16. gesa-
get hatte, daß das Evangelium sey eine
Kraft GOttes zur Seligkeit allen, die dar-
an glauben,
oder allen Glaubigen, zuvorderst
den Juden, und auch den Heiden. Weil nun
diese Allgemeinheit der Gnade denen mit so viel
Vorurtheilen eingenommenen Juden gar nicht
anstunde, und sie den wahren GOTT mit sei-
nen Wohlthaten, so fern sie solche noch erkan-
ten, sich allein zueigneten; so fahret der Apo-
stel also fort, und redet auch den Heiden das
Wort:
V. 29.

Oder ist (ist denn) GOtt allein der
Juden GOtt?
(hat er denn damit sich nur
allein für den GOtt der Jüden erkläret, wenn
er gesaget: Jch der GOtt Abrahams, Jsaacs

und
H

Cap. 3, v. 27-29. an die Roͤmer.
[Spaltenumbruch] Evangelii. Denn ehe der Menſch nicht recht
zum Evangelio koͤmmt, gehen ihm die Augen
nicht recht auf, ſein eigenes Elend und Verder-
ben nach dem Geſetz recht einzuſehen. Werden
ihm aber dieſe aus dem Evangelio geoͤffnet, ſo
empfindet er erſt recht die Strenge der geſetzli-
chen Forderung; und bey ſeinem hoͤchſten Un-
vermoͤgen die Nothwendigkeit der Gnade. Da
er ſonſt nach dem Geſetze, auſſer dem Evange-
lio, ihm ſelbſt gelaſſen, noch immer zu ſeiner
Seligkeit ſelbſt wircken, und damit einiger maſ-
ſen vor GOTT beſtehen will. Man kan dem-
nach erkennen, was es fuͤr ein ſchnoͤder Miß-
brauch des Evangelii ſey, wenn ein Menſch da-
bey geiſtlich ſtoltz und uͤbermuͤthig wird: da doch
das Evangelium von der lautern Gnade, ob
wol nicht ohne Behuf des Geſetzes, den Men-
ſchen von allem eignen Ruhm recht nackend aus-
ziehet, und ſolcher geſtalt recht demuͤthiget.
Dabey iſt dieſes etwas recht goͤttliches an dem
Evangelio, daß es den Menſchen bey ſolcher ſei-
ner Erniedrigung zu ſeiner rechten Hoheit, und
zu ſeinem rechten Adel, bringet.

V. 28.

So halten wir es nun (dafuͤr, oder da
der Menſch ohne allen eignen Ruhm bleibet,
und GOTT ſeinen Sohn, CHriſtum JEſum,
zum Gnaden-Stul im Evangelio vorgeſtellet
hat, ſo machen wir daraus, mit kurtzer Wie-
derholung deſſen, was ſchon geſaget iſt, dieſen
veſten Schluß,) daß der Menſch (der aus
dem Geſetze ſeine Suͤnden erkennet, und alſo
bußfertig iſt, und ſich durch die Vorſtellung
von der lautern Gnade GOttes in Chriſto noch
zu mehrer Freudigkeit ſeines Geiſtes bringen
laͤßt, vor dem Gerichte GOttes, davor er ſich
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(geſprochen und abſolviret werde, um der Er-
loͤſung CHriſti willen,) ohne des Geſetzes
Werck,
(alſo daß dieſes nichts dazu beytraͤget
vor in und nach der Bekehrung und Rechtferti-
gung,) allein durch den Glauben, (ſo fern
nemlich derſelbe nach v. 25. auf das Blut, oder
den Verſoͤhnungs-Tod CHriſti ſich gruͤndet,
und auf den in ihm vorgeſtelleten Gnaden-Stul
ſiehet. Man conferire hiebey Apoſt. Geſch.
13, 38. 39. Rom. 4, 5. Galat. 2, 16. Epheſ.
2, 8.)

Anmerckungen.
1. Das Woͤrtlein allein ſtehet zwar nicht
ausdruͤcklich im Grund-Texte: aber die Sache
ſelbſt, und die beyſtehende Worte bringen doch
dieſen Verſtand allerdings mit ſich. Denn es
wird des Glaubens nicht nur allein gedacht im
Geſchaͤfte der Rechtfertigung; ſondern es wer-
den auch die Wercke, und zwar alle und iede,
wie zuvor gezeiget iſt, davon zuruͤck geſetzet und
ausgeſchloſſen.
2. Daß alhier der Glaube allein ſtatt fin-
det, erhellet auch aus der Natur des Glaubens,
und aus dem Unterſcheide, den er von den Wer-
cken hat. Denn der Glaube beſtehet eigent-
lich im Nehmen, nach dem Evangelio, und
hat es mit goͤttlichen Wohlthaten zu thun:
[Spaltenumbruch] Die Liebe aber, darinn alle Wercke zuſam-
men flieſſen, im geben nach dem Geſetze, und
iſt mit den Pflichten beſchaͤftiget. Da nun
GOTT nach dem Evangelio ſchencket, ſo iſts
des Glaubens Eigenſchaft daß er nimt: ob er
wol auch mit dem Nehmen und mit dem Ver-
trauen GOTT ſeine gehoͤrige Ehre giebt, oder
anthut, nach Rom. 4, 20.
3. Daß der Glaube uns allein rechtferti-
ge, und die Wercke dazu nichts beytragen, we-
der vor, noch in, noch nach der Rechtferti-
gung, iſt gantz offenbar. Denn vor der
Rechtfertigung
ſind die Wercke, ſo ſcheinbar
ſie auch immermehr ſind, vor dem ſtrengen Ge-
richte GOttes nur boͤſe und ſuͤndlich. Und in
der Rechtfertigung
ſtehet der bußfertige
Menſch in der Erkaͤntniß ſeines Clendes und ſei-
ner Unwuͤrdigkeit, und klaget ſich vor GOTT
vielmehr ſelbſt an, als daß er einige eigne Wer-
cke dem Gerichte GOttes entgegen ſetzen ſolte.
Und nach der Rechtfertigung, wenn er die-
ſe bereits dnrch den Glauben erhalten hat, darf
er dieſelbe nicht erſt durch die Wercke erlangen;
ob er wol ſeinen Glauben durch die Wercke, als
Fruͤchte, thaͤtig erweiſet.
4. Und damit dieſes, was von dem Glau-
ben mit Ausſchlieſſung der Wercke alhier geſa-
get wird, ſo viel weniger gemißbrauchet werde,
ſo iſt wohl zu mercken, daß die Worte: ohne
des Geſetzes Wercke,
nicht mit dem Worte
πίστει, durch den Glauben, als wenn die
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mit dem verbo δικαιοῦσϑαι, gerecht werden,
conſtruiret, und mit dieſer conſtruction ange-
zeiget werde, daß die Rechtfertigung ohne un-
ſer eigen Verdienſt durch das Verdienſt Chriſti
aus Gnaden geſchehe, und alſo nicht der Glau-
be, welcher rechtfertiget, ſondern quatenus, in
ſo fern er gerecht machet, die eignen Wercke aus-
ſchlieſſe. Siehe c. 4, 6. Jac. 2, 20.
5. Jm uͤbrigen iſt wegen der connexion
dieſes 28ten Verſes mit dem 29ten zu mercken,
daß Paulus in dem vorhergehenden gantzen
Contexte das Evangelium von CHriſto, und
inſonderheit die Rechtfertigung auf das gantze
im Verderben liegende menſchliche Geſchlecht,
und alſo nicht allein auf die Juͤden, ſondern
auch auf die Heyden extendiret hat: Wie er
denn auch ſchon gleich anfangs c. 1, v. 16. geſa-
get hatte, daß das Evangelium ſey eine
Kraft GOttes zur Seligkeit allen, die dar-
an glauben,
oder allen Glaubigen, zuvorderſt
den Juden, und auch den Heiden. Weil nun
dieſe Allgemeinheit der Gnade denen mit ſo viel
Vorurtheilen eingenommenen Juden gar nicht
anſtunde, und ſie den wahren GOTT mit ſei-
nen Wohlthaten, ſo fern ſie ſolche noch erkan-
ten, ſich allein zueigneten; ſo fahret der Apo-
ſtel alſo fort, und redet auch den Heiden das
Wort:
V. 29.

Oder iſt (iſt denn) GOtt allein der
Juden GOtt?
(hat er denn damit ſich nur
allein fuͤr den GOtt der Juͤden erklaͤret, wenn
er geſaget: Jch der GOtt Abrahams, Jſaacs

und
H
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[57/0085] Cap. 3, v. 27-29. an die Roͤmer. Evangelii. Denn ehe der Menſch nicht recht zum Evangelio koͤmmt, gehen ihm die Augen nicht recht auf, ſein eigenes Elend und Verder- ben nach dem Geſetz recht einzuſehen. Werden ihm aber dieſe aus dem Evangelio geoͤffnet, ſo empfindet er erſt recht die Strenge der geſetzli- chen Forderung; und bey ſeinem hoͤchſten Un- vermoͤgen die Nothwendigkeit der Gnade. Da er ſonſt nach dem Geſetze, auſſer dem Evange- lio, ihm ſelbſt gelaſſen, noch immer zu ſeiner Seligkeit ſelbſt wircken, und damit einiger maſ- ſen vor GOTT beſtehen will. Man kan dem- nach erkennen, was es fuͤr ein ſchnoͤder Miß- brauch des Evangelii ſey, wenn ein Menſch da- bey geiſtlich ſtoltz und uͤbermuͤthig wird: da doch das Evangelium von der lautern Gnade, ob wol nicht ohne Behuf des Geſetzes, den Men- ſchen von allem eignen Ruhm recht nackend aus- ziehet, und ſolcher geſtalt recht demuͤthiget. Dabey iſt dieſes etwas recht goͤttliches an dem Evangelio, daß es den Menſchen bey ſolcher ſei- ner Erniedrigung zu ſeiner rechten Hoheit, und zu ſeinem rechten Adel, bringet. V. 28. So halten wir es nun (dafuͤr, oder da der Menſch ohne allen eignen Ruhm bleibet, und GOTT ſeinen Sohn, CHriſtum JEſum, zum Gnaden-Stul im Evangelio vorgeſtellet hat, ſo machen wir daraus, mit kurtzer Wie- derholung deſſen, was ſchon geſaget iſt, dieſen veſten Schluß,) daß der Menſch (der aus dem Geſetze ſeine Suͤnden erkennet, und alſo bußfertig iſt, und ſich durch die Vorſtellung von der lautern Gnade GOttes in Chriſto noch zu mehrer Freudigkeit ſeines Geiſtes bringen laͤßt, vor dem Gerichte GOttes, davor er ſich mit ſeinem unruhigen Gewiſſen ſtellet,) gerecht (geſprochen und abſolviret werde, um der Er- loͤſung CHriſti willen,) ohne des Geſetzes Werck, (alſo daß dieſes nichts dazu beytraͤget vor in und nach der Bekehrung und Rechtferti- gung,) allein durch den Glauben, (ſo fern nemlich derſelbe nach v. 25. auf das Blut, oder den Verſoͤhnungs-Tod CHriſti ſich gruͤndet, und auf den in ihm vorgeſtelleten Gnaden-Stul ſiehet. Man conferire hiebey Apoſt. Geſch. 13, 38. 39. Rom. 4, 5. Galat. 2, 16. Epheſ. 2, 8.) Anmerckungen. 1. Das Woͤrtlein allein ſtehet zwar nicht ausdruͤcklich im Grund-Texte: aber die Sache ſelbſt, und die beyſtehende Worte bringen doch dieſen Verſtand allerdings mit ſich. Denn es wird des Glaubens nicht nur allein gedacht im Geſchaͤfte der Rechtfertigung; ſondern es wer- den auch die Wercke, und zwar alle und iede, wie zuvor gezeiget iſt, davon zuruͤck geſetzet und ausgeſchloſſen. 2. Daß alhier der Glaube allein ſtatt fin- det, erhellet auch aus der Natur des Glaubens, und aus dem Unterſcheide, den er von den Wer- cken hat. Denn der Glaube beſtehet eigent- lich im Nehmen, nach dem Evangelio, und hat es mit goͤttlichen Wohlthaten zu thun: Die Liebe aber, darinn alle Wercke zuſam- men flieſſen, im geben nach dem Geſetze, und iſt mit den Pflichten beſchaͤftiget. Da nun GOTT nach dem Evangelio ſchencket, ſo iſts des Glaubens Eigenſchaft daß er nimt: ob er wol auch mit dem Nehmen und mit dem Ver- trauen GOTT ſeine gehoͤrige Ehre giebt, oder anthut, nach Rom. 4, 20. 3. Daß der Glaube uns allein rechtferti- ge, und die Wercke dazu nichts beytragen, we- der vor, noch in, noch nach der Rechtferti- gung, iſt gantz offenbar. Denn vor der Rechtfertigung ſind die Wercke, ſo ſcheinbar ſie auch immermehr ſind, vor dem ſtrengen Ge- richte GOttes nur boͤſe und ſuͤndlich. Und in der Rechtfertigung ſtehet der bußfertige Menſch in der Erkaͤntniß ſeines Clendes und ſei- ner Unwuͤrdigkeit, und klaget ſich vor GOTT vielmehr ſelbſt an, als daß er einige eigne Wer- cke dem Gerichte GOttes entgegen ſetzen ſolte. Und nach der Rechtfertigung, wenn er die- ſe bereits dnrch den Glauben erhalten hat, darf er dieſelbe nicht erſt durch die Wercke erlangen; ob er wol ſeinen Glauben durch die Wercke, als Fruͤchte, thaͤtig erweiſet. 4. Und damit dieſes, was von dem Glau- ben mit Ausſchlieſſung der Wercke alhier geſa- get wird, ſo viel weniger gemißbrauchet werde, ſo iſt wohl zu mercken, daß die Worte: ohne des Geſetzes Wercke, nicht mit dem Worte πίστει, durch den Glauben, als wenn die Wercke davon ausgeſchloſſen waͤren, ſondern mit dem verbo δικαιοῦσϑαι, gerecht werden, conſtruiret, und mit dieſer conſtruction ange- zeiget werde, daß die Rechtfertigung ohne un- ſer eigen Verdienſt durch das Verdienſt Chriſti aus Gnaden geſchehe, und alſo nicht der Glau- be, welcher rechtfertiget, ſondern quatenus, in ſo fern er gerecht machet, die eignen Wercke aus- ſchlieſſe. Siehe c. 4, 6. Jac. 2, 20. 5. Jm uͤbrigen iſt wegen der connexion dieſes 28ten Verſes mit dem 29ten zu mercken, daß Paulus in dem vorhergehenden gantzen Contexte das Evangelium von CHriſto, und inſonderheit die Rechtfertigung auf das gantze im Verderben liegende menſchliche Geſchlecht, und alſo nicht allein auf die Juͤden, ſondern auch auf die Heyden extendiret hat: Wie er denn auch ſchon gleich anfangs c. 1, v. 16. geſa- get hatte, daß das Evangelium ſey eine Kraft GOttes zur Seligkeit allen, die dar- an glauben, oder allen Glaubigen, zuvorderſt den Juden, und auch den Heiden. Weil nun dieſe Allgemeinheit der Gnade denen mit ſo viel Vorurtheilen eingenommenen Juden gar nicht anſtunde, und ſie den wahren GOTT mit ſei- nen Wohlthaten, ſo fern ſie ſolche noch erkan- ten, ſich allein zueigneten; ſo fahret der Apo- ſtel alſo fort, und redet auch den Heiden das Wort: V. 29. Oder iſt (iſt denn) GOtt allein der Juden GOtt? (hat er denn damit ſich nur allein fuͤr den GOtt der Juͤden erklaͤret, wenn er geſaget: Jch der GOtt Abrahams, Jſaacs und H

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/85>, abgerufen am 25.11.2024.