Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 3, v. 2. 3. an die Colosser. [Spaltenumbruch]
der Gnaden verharren (oder auch dazu gelangen)und ewig selig werden. Wohl dem, der solches Zeugniß bey sich hat! 12. Man darf aber gar nicht gedencken, als wenn bey solchem ernstlichen und beständigen Trachten nach dem Reiche GOttes alle häusli- che und Amts-Geschäfte würden müssen liegen bleiben. Nein, keines weges. Denn diese geistliche Bemühung der Seelen kan statt finden, wenn auch gleich der Leib äusserlich noch so be- schäftiget ist. Ja durch die geistliche Seelen- Sorge werden die äusserlichen Geschäfte so gar nicht verhindert, daß sie dadurch vielmehr recht wohl geordnet, geheiliget und gesegnet werden. Denn je frömmer Christ, je besserer Ar- beiter. 13. Man siehet demnach, was die wohl- geordnete Liebe bey einem Menschen sey, nem- lich daß er zuvorderst seine geistliche und ewige Wohlfahrt suche, und in dieser Ordnung auch verhüte, was ihm am Leibe und an zeitlichen Dingen schädlich ist, und auch darinn sein be- stes suche, so fern es mit der Wohlfahrt der See- len bestehen kan. 14. Von diesem Trachten nach dem, was droben ist, haben wir unter so vielen andern son- derlich den nachdrücklichen Ort Phil. 3, 8. u. f. Jch achte es alles für Schaden gegen die überschwengliche Erkäntniß Christi JE- su meines HErrn - - nicht daß ichs schon ergriffen habe, oder vollkommen sey: ich jage ihm aber nach, daß ichs ergriffen möchte, nachdem ich von Christo JEsu ergriffen bin - - Eins aber sage ich, ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung in Christo JEsu. Und v. 21. Unser Wandel ist im Himmel u. f. V. 3. Denn ihr seyd gestorben, und euer Anmerckungen. 1. Die im Anfange des Capitels angeführ- te Ursache, warum man mit Verleugnung des irdischen Sinnes himmlisch solle gesinnet seyn, nemlich weil man mit Christo auferstanden sey, schärfet der Apostel alhier damit noch mehr ein, daß er spricht: ihr seyd gestorben, nemlich mit Christo, und habet bereits ein besseres, obgleich noch verborgenes, Leben empfangen; welches demnach einen himmlischen Sinn erfodert; und zwar um so viel mehr, jemehr ihm die rechte Offenbarung, dahin der Sinn billig gerichtet seyn muß, bevorstehet. 2. Was es sey gestorben seyn, und zwar, wie alhier aus den folgenden Worten dazu zu setzen ist, mit Christo, das ist oben c. 2, 12. 13. mit mehrern angezeiget worden: Es kurtz zu sa- gen, so ist es so viel, als in der Ordnung der Wiedergeburt, darinn man zum Glauben ge- kommen ist, sich durch den Glauben den Ver- [Spaltenumbruch] söhnungs-Tod Christi zur Gerechtigkeit und Vergebung der Sünden zugeeignet haben, und desselben würcklich theilhaftig worden seyn. 3. Da aber nun mit der Gemeinschaft des Todes auch die Gemeinschaft des Lebens verbun- den ist, so spricht der Apostel: und euer Leben ist verborgen mit Christo in GOtt: das ist, ihr seyd durch die Gemeinschaft des Todes Chri- sti auch zum geistlichen Leben kommen; aber es ist noch verborgen, und, weil die Offenbarung noch künftig ist, so ist euer Tichten und Trachten billig dahin gerichtet. 4. Es liegen in den letztern Worten dieses Verses zwo Sätze, die wohl zu mercken sind: der erste ist: Christi Leben war in GOTT verborgen: der andere: euer Leben ist auch also in GOtt verborgen, nemlich wie Christi Leben verborgen war. 5. Der Verstand vom ersten Satze ist die- ser: Christi Leben ist alhier das Leben, wo- mit er GOtt gelebet hat im Stande der Ernie- drigung; nemlich nach der ihm beywohnenden Fülle der Gottheit. Die war aber in ihm ver- borgen nebst allen Schätzen der Weisheit, und zwar war sie verborgen in GOtt, da sie GOtt kante und er selbst, und GOtt sie durch die Er- höhung offenbar machete; und ob sie gleich der Welt bey ihrem Unglauben verdecket blieb; den Gläubigen aber durch die Strahlen, mit welchen die Sonne gleichsam unter dem Gewöl- cke der geringen Knechts-Gestalt hervor trat, kund wurde. 6. Der Verstand des andern Satzes ist dieser: Die Glieder Christi haben zwar an dem Glauben, der ein geistliches Leben und Licht ist, das Leben aus GOtt in sich, und vermöge des Glaubens alles, was zum geistlichen Leben gehö- ret; als zuvorderst die erworbene Gerechtigkeit Christi zur Vergebung ihrer Sünde, und alle übrige durch den Tod Christi erworbene, und durch die Gemeinschaft mit der Auferstehung Christi zugeeignete Heils-Güter: aber dieses Le- ben ist mit seinen Schätzen noch verborgen, so wol an sich selbst, in Ansehung der grossen Unvoll- kommenheit und der künftigen Offenbarung, als auch in Ansehung der ungläubigen Welt- Kinder: als welche nichts weniger an ihnen er- kennen, ja es wol verlachen, wenn sie davon hö- ren, und es für lauter Einbildung halten. 7. Und diese Verborgenheit haben sie mit Christo gemein. Denn so wahrhaftig Christus die Fülle der Gottheit der menschlichen Natur nach in sich gehabt hat, so wahrhaftig sind sie auch aus seiner Fülle erfüllet mit dem göttli- chen Leben nach c. 2, 10. Joh. 1, 16. Aber so wenig die ungläubigen Juden Christi Gottheit erkannten, und ihn für den Sohn GOttes hiel- ten, so wenig werden seine gläubigen Glieder, nach ihrem innern Adel erkannt, und für Kin- der GOttes gehalten, sondern wol gar für ein Fegeopfer geachtet, und wie die ärgesten Ketzer, (die man doch auch nicht verfolgen, sondern in Liebe durch die Wahrheit zu gewinnen suchen soll) tractiret und verdammet. Gleichwie aber doch die göttliche Natur und Herrlichkeit Christi von H h h h h 2
Cap. 3, v. 2. 3. an die Coloſſer. [Spaltenumbruch]
der Gnaden verharren (oder auch dazu gelangen)und ewig ſelig werden. Wohl dem, der ſolches Zeugniß bey ſich hat! 12. Man darf aber gar nicht gedencken, als wenn bey ſolchem ernſtlichen und beſtaͤndigen Trachten nach dem Reiche GOttes alle haͤusli- che und Amts-Geſchaͤfte wuͤrden muͤſſen liegen bleiben. Nein, keines weges. Denn dieſe geiſtliche Bemuͤhung der Seelen kan ſtatt finden, wenn auch gleich der Leib aͤuſſerlich noch ſo be- ſchaͤftiget iſt. Ja durch die geiſtliche Seelen- Sorge werden die aͤuſſerlichen Geſchaͤfte ſo gar nicht verhindert, daß ſie dadurch vielmehr recht wohl geordnet, geheiliget und geſegnet werden. Denn je froͤmmer Chriſt, je beſſerer Ar- beiter. 13. Man ſiehet demnach, was die wohl- geordnete Liebe bey einem Menſchen ſey, nem- lich daß er zuvorderſt ſeine geiſtliche und ewige Wohlfahrt ſuche, und in dieſer Ordnung auch verhuͤte, was ihm am Leibe und an zeitlichen Dingen ſchaͤdlich iſt, und auch darinn ſein be- ſtes ſuche, ſo fern es mit der Wohlfahrt der See- len beſtehen kan. 14. Von dieſem Trachten nach dem, was droben iſt, haben wir unter ſo vielen andern ſon- derlich den nachdruͤcklichen Ort Phil. 3, 8. u. f. Jch achte es alles fuͤr Schaden gegen die uͤberſchwengliche Erkaͤntniß Chriſti JE- ſu meines HErrn ‒ ‒ nicht daß ichs ſchon ergriffen habe, oder vollkommen ſey: ich jage ihm aber nach, daß ichs ergriffen moͤchte, nachdem ich von Chriſto JEſu ergriffen bin ‒ ‒ Eins aber ſage ich, ich vergeſſe, was dahinten iſt, und ſtrecke mich zu dem, das da vorne iſt, und jage nach dem vorgeſteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhaͤlt die himmliſche Berufung in Chriſto JEſu. Und v. 21. Unſer Wandel iſt im Himmel u. f. V. 3. Denn ihr ſeyd geſtorben, und euer Anmerckungen. 1. Die im Anfange des Capitels angefuͤhr- te Urſache, warum man mit Verleugnung des irdiſchen Sinnes himmliſch ſolle geſinnet ſeyn, nemlich weil man mit Chriſto auferſtanden ſey, ſchaͤrfet der Apoſtel alhier damit noch mehr ein, daß er ſpricht: ihr ſeyd geſtorben, nemlich mit Chriſto, und habet bereits ein beſſeres, obgleich noch verborgenes, Leben empfangen; welches demnach einen himmliſchen Sinn erfodert; und zwar um ſo viel mehr, jemehr ihm die rechte Offenbarung, dahin der Sinn billig gerichtet ſeyn muß, bevorſtehet. 2. Was es ſey geſtorben ſeyn, und zwar, wie alhier aus den folgenden Worten dazu zu ſetzen iſt, mit Chriſto, das iſt oben c. 2, 12. 13. mit mehrern angezeiget worden: Es kurtz zu ſa- gen, ſo iſt es ſo viel, als in der Ordnung der Wiedergeburt, darinn man zum Glauben ge- kommen iſt, ſich durch den Glauben den Ver- [Spaltenumbruch] ſoͤhnungs-Tod Chriſti zur Gerechtigkeit und Vergebung der Suͤnden zugeeignet haben, und deſſelben wuͤrcklich theilhaftig worden ſeyn. 3. Da aber nun mit der Gemeinſchaft des Todes auch die Gemeinſchaft des Lebens verbun- den iſt, ſo ſpricht der Apoſtel: und euer Leben iſt verborgen mit Chriſto in GOtt: das iſt, ihr ſeyd durch die Gemeinſchaft des Todes Chri- ſti auch zum geiſtlichen Leben kommen; aber es iſt noch verborgen, und, weil die Offenbarung noch kuͤnftig iſt, ſo iſt euer Tichten und Trachten billig dahin gerichtet. 4. Es liegen in den letztern Worten dieſes Verſes zwo Saͤtze, die wohl zu mercken ſind: der erſte iſt: Chriſti Leben war in GOTT verborgen: der andere: euer Leben iſt auch alſo in GOtt verborgen, nemlich wie Chriſti Leben verborgen war. 5. Der Verſtand vom erſten Satze iſt die- ſer: Chriſti Leben iſt alhier das Leben, wo- mit er GOtt gelebet hat im Stande der Ernie- drigung; nemlich nach der ihm beywohnenden Fuͤlle der Gottheit. Die war aber in ihm ver- borgen nebſt allen Schaͤtzen der Weisheit, und zwar war ſie verborgen in GOtt, da ſie GOtt kante und er ſelbſt, und GOtt ſie durch die Er- hoͤhung offenbar machete; und ob ſie gleich der Welt bey ihrem Unglauben verdecket blieb; den Glaͤubigen aber durch die Strahlen, mit welchen die Sonne gleichſam unter dem Gewoͤl- cke der geringen Knechts-Geſtalt hervor trat, kund wurde. 6. Der Verſtand des andern Satzes iſt dieſer: Die Glieder Chriſti haben zwar an dem Glauben, der ein geiſtliches Leben und Licht iſt, das Leben aus GOtt in ſich, und vermoͤge des Glaubens alles, was zum geiſtlichen Leben gehoͤ- ret; als zuvorderſt die erworbene Gerechtigkeit Chriſti zur Vergebung ihrer Suͤnde, und alle uͤbrige durch den Tod Chriſti erworbene, und durch die Gemeinſchaft mit der Auferſtehung Chriſti zugeeignete Heils-Guͤter: aber dieſes Le- ben iſt mit ſeinen Schaͤtzen noch verborgen, ſo wol an ſich ſelbſt, in Anſehung der groſſen Unvoll- kommenheit und der kuͤnftigen Offenbarung, als auch in Anſehung der unglaͤubigen Welt- Kinder: als welche nichts weniger an ihnen er- kennen, ja es wol verlachen, wenn ſie davon hoͤ- ren, und es fuͤr lauter Einbildung halten. 7. Und dieſe Verborgenheit haben ſie mit Chriſto gemein. Denn ſo wahrhaftig Chriſtus die Fuͤlle der Gottheit der menſchlichen Natur nach in ſich gehabt hat, ſo wahrhaftig ſind ſie auch aus ſeiner Fuͤlle erfuͤllet mit dem goͤttli- chen Leben nach c. 2, 10. Joh. 1, 16. Aber ſo wenig die unglaͤubigen Juden Chriſti Gottheit erkannten, und ihn fuͤr den Sohn GOttes hiel- ten, ſo wenig werden ſeine glaͤubigen Glieder, nach ihrem innern Adel erkannt, und fuͤr Kin- der GOttes gehalten, ſondern wol gar fuͤr ein Fegeopfer geachtet, und wie die aͤrgeſten Ketzer, (die man doch auch nicht verfolgen, ſondern in Liebe durch die Wahrheit zu gewinnen ſuchen ſoll) tractiret und verdammet. Gleichwie aber doch die goͤttliche Natur und Herrlichkeit Chriſti von H h h h h 2
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Cap. 3, v. 2. 3. an die Coloſſer.
der Gnaden verharren (oder auch dazu gelangen)
und ewig ſelig werden. Wohl dem, der ſolches
Zeugniß bey ſich hat!
12. Man darf aber gar nicht gedencken,
als wenn bey ſolchem ernſtlichen und beſtaͤndigen
Trachten nach dem Reiche GOttes alle haͤusli-
che und Amts-Geſchaͤfte wuͤrden muͤſſen liegen
bleiben. Nein, keines weges. Denn dieſe
geiſtliche Bemuͤhung der Seelen kan ſtatt finden,
wenn auch gleich der Leib aͤuſſerlich noch ſo be-
ſchaͤftiget iſt. Ja durch die geiſtliche Seelen-
Sorge werden die aͤuſſerlichen Geſchaͤfte ſo gar
nicht verhindert, daß ſie dadurch vielmehr recht
wohl geordnet, geheiliget und geſegnet werden.
Denn je froͤmmer Chriſt, je beſſerer Ar-
beiter.
13. Man ſiehet demnach, was die wohl-
geordnete Liebe bey einem Menſchen ſey, nem-
lich daß er zuvorderſt ſeine geiſtliche und ewige
Wohlfahrt ſuche, und in dieſer Ordnung auch
verhuͤte, was ihm am Leibe und an zeitlichen
Dingen ſchaͤdlich iſt, und auch darinn ſein be-
ſtes ſuche, ſo fern es mit der Wohlfahrt der See-
len beſtehen kan.
14. Von dieſem Trachten nach dem, was
droben iſt, haben wir unter ſo vielen andern ſon-
derlich den nachdruͤcklichen Ort Phil. 3, 8. u. f.
Jch achte es alles fuͤr Schaden gegen die
uͤberſchwengliche Erkaͤntniß Chriſti JE-
ſu meines HErrn ‒ ‒ nicht daß ichs
ſchon ergriffen habe, oder vollkommen ſey:
ich jage ihm aber nach, daß ichs ergriffen
moͤchte, nachdem ich von Chriſto JEſu
ergriffen bin ‒ ‒ Eins aber ſage ich,
ich vergeſſe, was dahinten iſt, und ſtrecke
mich zu dem, das da vorne iſt, und jage
nach dem vorgeſteckten Ziel, nach dem
Kleinod, welches vorhaͤlt die himmliſche
Berufung in Chriſto JEſu. Und v. 21.
Unſer Wandel iſt im Himmel u. f.
V. 3.
Denn ihr ſeyd geſtorben, und euer
Leben iſt mit CHriſto verborgen in
GOTT.
Anmerckungen.
1. Die im Anfange des Capitels angefuͤhr-
te Urſache, warum man mit Verleugnung des
irdiſchen Sinnes himmliſch ſolle geſinnet ſeyn,
nemlich weil man mit Chriſto auferſtanden ſey,
ſchaͤrfet der Apoſtel alhier damit noch mehr ein,
daß er ſpricht: ihr ſeyd geſtorben, nemlich mit
Chriſto, und habet bereits ein beſſeres, obgleich
noch verborgenes, Leben empfangen; welches
demnach einen himmliſchen Sinn erfodert;
und zwar um ſo viel mehr, jemehr ihm die rechte
Offenbarung, dahin der Sinn billig gerichtet
ſeyn muß, bevorſtehet.
2. Was es ſey geſtorben ſeyn, und zwar,
wie alhier aus den folgenden Worten dazu zu
ſetzen iſt, mit Chriſto, das iſt oben c. 2, 12. 13.
mit mehrern angezeiget worden: Es kurtz zu ſa-
gen, ſo iſt es ſo viel, als in der Ordnung der
Wiedergeburt, darinn man zum Glauben ge-
kommen iſt, ſich durch den Glauben den Ver-
ſoͤhnungs-Tod Chriſti zur Gerechtigkeit und
Vergebung der Suͤnden zugeeignet haben, und
deſſelben wuͤrcklich theilhaftig worden ſeyn.
3. Da aber nun mit der Gemeinſchaft des
Todes auch die Gemeinſchaft des Lebens verbun-
den iſt, ſo ſpricht der Apoſtel: und euer Leben
iſt verborgen mit Chriſto in GOtt: das iſt,
ihr ſeyd durch die Gemeinſchaft des Todes Chri-
ſti auch zum geiſtlichen Leben kommen; aber es
iſt noch verborgen, und, weil die Offenbarung
noch kuͤnftig iſt, ſo iſt euer Tichten und Trachten
billig dahin gerichtet.
4. Es liegen in den letztern Worten dieſes
Verſes zwo Saͤtze, die wohl zu mercken ſind:
der erſte iſt: Chriſti Leben war in GOTT
verborgen: der andere: euer Leben iſt auch
alſo in GOtt verborgen, nemlich wie Chriſti
Leben verborgen war.
5. Der Verſtand vom erſten Satze iſt die-
ſer: Chriſti Leben iſt alhier das Leben, wo-
mit er GOtt gelebet hat im Stande der Ernie-
drigung; nemlich nach der ihm beywohnenden
Fuͤlle der Gottheit. Die war aber in ihm ver-
borgen nebſt allen Schaͤtzen der Weisheit, und
zwar war ſie verborgen in GOtt, da ſie GOtt
kante und er ſelbſt, und GOtt ſie durch die Er-
hoͤhung offenbar machete; und ob ſie gleich der
Welt bey ihrem Unglauben verdecket blieb;
den Glaͤubigen aber durch die Strahlen, mit
welchen die Sonne gleichſam unter dem Gewoͤl-
cke der geringen Knechts-Geſtalt hervor trat,
kund wurde.
6. Der Verſtand des andern Satzes iſt
dieſer: Die Glieder Chriſti haben zwar an dem
Glauben, der ein geiſtliches Leben und Licht iſt,
das Leben aus GOtt in ſich, und vermoͤge des
Glaubens alles, was zum geiſtlichen Leben gehoͤ-
ret; als zuvorderſt die erworbene Gerechtigkeit
Chriſti zur Vergebung ihrer Suͤnde, und alle
uͤbrige durch den Tod Chriſti erworbene, und
durch die Gemeinſchaft mit der Auferſtehung
Chriſti zugeeignete Heils-Guͤter: aber dieſes Le-
ben iſt mit ſeinen Schaͤtzen noch verborgen, ſo
wol an ſich ſelbſt, in Anſehung der groſſen Unvoll-
kommenheit und der kuͤnftigen Offenbarung,
als auch in Anſehung der unglaͤubigen Welt-
Kinder: als welche nichts weniger an ihnen er-
kennen, ja es wol verlachen, wenn ſie davon hoͤ-
ren, und es fuͤr lauter Einbildung halten.
7. Und dieſe Verborgenheit haben ſie
mit Chriſto gemein. Denn ſo wahrhaftig
Chriſtus die Fuͤlle der Gottheit der menſchlichen
Natur nach in ſich gehabt hat, ſo wahrhaftig ſind
ſie auch aus ſeiner Fuͤlle erfuͤllet mit dem goͤttli-
chen Leben nach c. 2, 10. Joh. 1, 16. Aber ſo
wenig die unglaͤubigen Juden Chriſti Gottheit
erkannten, und ihn fuͤr den Sohn GOttes hiel-
ten, ſo wenig werden ſeine glaͤubigen Glieder,
nach ihrem innern Adel erkannt, und fuͤr Kin-
der GOttes gehalten, ſondern wol gar fuͤr ein
Fegeopfer geachtet, und wie die aͤrgeſten Ketzer,
(die man doch auch nicht verfolgen, ſondern in
Liebe durch die Wahrheit zu gewinnen ſuchen
ſoll) tractiret und verdammet. Gleichwie aber
doch die goͤttliche Natur und Herrlichkeit Chriſti
von
H h h h h 2
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