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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 3, v. 4-11. an die Philipper.
[Spaltenumbruch] schaft mit ihm stehe; wozu man durch die geist-
liche Beschneidung gelanget.
V. 4. 5. 6.

Wiewol ich auch habe, daß ich
mich Fleisches rühmen möchte: so ein
ander sich düncken lässet, er möge sich
Fleisches rühmen, ich vielmehr:
V. 5. Der
ich am achten Tage beschnitten bin, einer
aus dem Volcke von Jsrael, des Geschlechts
Benjamin, ein Hebräer aus den Hebräern,

(von uralten Zeiten her, und also nicht einer, der
ein Proselyt ist, oder von Proselyten herkömmt)
und nach dem Gesetz (nach desselben besonde-
rer Auslegung und sectirischen Satzungen) ein
Pharisäer;
V. 6. nach dem Eiver ein Ver-
folger der Gemeine
(CHristi) nach der
Gerechtigkeit im Gesetz gewesen unsträf-
lich.

Anmerckungen.

1. Der Apostel fasset alhier zusammen, was
er mit den jüdischen Gesetz-Lehrern gemein und
vor ihnen voraus hatte. Zu den letztern Stü-
cken gehörete, daß er war aus dem Geschlechte
Benjamin, und nach der Secte ein Pharisäer.
Denn gleichwie die aus dem Stamm Juda und
Benjamin des Tempels und Gottes-Dienstes
wegen einen Vorzug hatten vor andern Stämmen:
also machte sich die Secte der Pharisäer selbst
mancherley Vorzüge. Und dazu kam bey Paulo
ein solcher Religions-Eiver, dadurch er sich vor
vielen andern ein grosses Ansehen und viele Ver-
dienste bey dem hohen Rathe zu Jerusalem und
dem gantzen Volcke gemachet hatte; wie er denn
von ihm gleichsam zum General-Fiscal, oder
Ober-Inquisitore wider die Christen war bestellet
worden; wie man aus Ap. Gesch. 9. siehet.
Und weil er dabey äusserlich eines gestrengen und
unsträflichen Wandels war, so wurde daher sein
Ansehen so viel grösser.

2. O wie mancher blinder Gesetz-Eiverer
ist nicht gewesen und zum Theil noch, zwar zu-
vörderst im Papstthum; aber auch leider hie und
da in der Evangelischen Kirche, der für seine ver-
meinte Orthodoxie gestritten hat, auch wol noch
streitet, mündlich und schriftlich, wider getreue
Knechte und Kinder GOttes, und dasjenige,
was ein Heil der Kirche ist, für ein grosses ma-
lum,
oder Unheil ausrufet, und sein pharisäi-
sches malum, worinn er nach Verstand und Wil-
len stecket, so viel weniger erkennet, so viel mehr
er meinet, GOtt daran einen besondern Dienst
zu thun, auch von denen, die ihm blindlings an-
hangen, dafür gehalten wird. Joh. 16, 2. Und
was thut zur Verblendung die Unsträflichkeit ei-
nes äusserlichen und kirchlichen Wandels nicht?
welche doch nur, ohne die innere Beschneidung des
Hertzens, ein loser Kalck, oder lose Tünche über
eine alte heßliche Wand und ein Schafs-Kleid
ist.

V. 7.

Aber was mir Gewinn war, das ha-
be ich um CHristi willen für Schaden ge-
achtet.

[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. So gehen einem die Augen in der Ord-
nung der Bekehrung erst recht auf, daß man sein
vermeintes bonum für ein rechtes malum, und
das malum für ein bonum erkennet, am aller-
meisten aber vor seinem so blinden u. so unchrist-
lichen Religions-Eiver erschrickt, als vor dem
greulichsten malo, das nur seyn kan. Denn wer
andere in Gewissens-Sachen und des Gewissens
wegen drücket und verfolget, der setzet sich nicht
allein über des andern Gewissen an GOttes
statt, sondern in der That selbst gar über GOtt
hinweg: sintemal GOtt, ob er gleich ein HErr
ist über das Gewissen, dieses doch nicht zur Wahr-
heit und zum Guten zwinget, sondern nur locket,
leitet und überzeuget, dem Gewissen aber die an-
erschaffene Freyheit lässet, und hernach den Miß-
brauch der Freyheit bestrafet. Solche blinde
Religions-Eiverer aber, ob sie gleich S[t]aub und
Asche sind, auch selbst bey ihren Jrrthümern und
Unbefugnissen ungezwungen sind, auch unge-
zwungen bleiben, wollen doch wider GOtt und
über GOtt die Gewissen beherrschen, und be-
schuldigen die, welche sich weder können, noch
wollen beherrschen lassen, dieser und jener Hals-
starrigkeit: wie ehemals die Christen von den
Heiden beschuldiget wurden.
2. Es muß in der wahren Bekehrung zu ei-
ner solchen Verläugnung kommen, daß man alle
Dinge, daraus man ausser CHristo etwas ge-
machet und für einen sonderlichen Gewinn ge-
achtet hat, für Schaden erkennet, nemlich wie
man dadurch Schaden an seiner Seelen genom-
men habe. Was hülfe es aber dem Men-
schen, wenn er die gantze Welt gewönne,
und nähme doch Schaden an seiner Seele?

wie unser Heiland selbst saget und fraget Matth.
16, 26.
3. Kömmt es zur rechten Verläugnung, so
wird hingegen das, was einem vorher daucht
lauter Schaden zu seyn, zu lauter Gewinn, z. E.
der Haß und die bösen Nachreden der Welt
u. s. w.
V. 8. 9. 10. 11.

Denn ich achte es alles für Schaden
gegen der überschwänglichen Erkäntniß
CHristi JESU, meines HErrn; um wel-
ches willen ich alles habe für Schaden ge-
rechnet, und achte es für Dreck, auf daß
ich CHristum gewinne,
V. 9. und in ihm
erfunden werde, daß ich nicht habe meine
Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern
die durch den Glauben an Christum kömmt,
nemlich die Gerechtigkeit, die von GOTT
dem Glauben zugerechnet wird;
V. 10. zu
erkennen ihn, und die Kraft seiner Aufer-
stehung, und die Gemeinschaft seiner Lei-
den, daß ich seinem Tode ähnlich werde;

V. 11. damit ich entgegen komme zur Auf-
erstehung der Todten.
(Rom. 6, 3. 4 5. 8, 17.
19. 2 Cor. 4, 10. 11. Gal. 6, 14. 2 Tim. 2, 11.
12. 1 Pet. 4, 13.)

Anmerckungen.
1. Dieser Text hanget dergestalt an einan-
der
Y y y y
Cap. 3, v. 4-11. an die Philipper.
[Spaltenumbruch] ſchaft mit ihm ſtehe; wozu man durch die geiſt-
liche Beſchneidung gelanget.
V. 4. 5. 6.

Wiewol ich auch habe, daß ich
mich Fleiſches ruͤhmen moͤchte: ſo ein
ander ſich duͤncken laͤſſet, er moͤge ſich
Fleiſches ruͤhmen, ich vielmehr:
V. 5. Der
ich am achten Tage beſchnitten bin, einer
aus dem Volcke von Jſrael, des Geſchlechts
Benjamin, ein Hebraͤer aus den Hebraͤern,

(von uralten Zeiten her, und alſo nicht einer, der
ein Proſelyt iſt, oder von Proſelyten herkoͤmmt)
und nach dem Geſetz (nach deſſelben beſonde-
rer Auslegung und ſectiriſchen Satzungen) ein
Phariſaͤer;
V. 6. nach dem Eiver ein Ver-
folger der Gemeine
(CHriſti) nach der
Gerechtigkeit im Geſetz geweſen unſtraͤf-
lich.

Anmerckungen.

1. Der Apoſtel faſſet alhier zuſammen, was
er mit den juͤdiſchen Geſetz-Lehrern gemein und
vor ihnen voraus hatte. Zu den letztern Stuͤ-
cken gehoͤrete, daß er war aus dem Geſchlechte
Benjamin, und nach der Secte ein Phariſaͤer.
Denn gleichwie die aus dem Stamm Juda und
Benjamin des Tempels und Gottes-Dienſtes
wegen einen Vorzug hatten vor andern Staͤm̃en:
alſo machte ſich die Secte der Phariſaͤer ſelbſt
mancherley Vorzuͤge. Und dazu kam bey Paulo
ein ſolcher Religions-Eiver, dadurch er ſich vor
vielen andern ein groſſes Anſehen und viele Ver-
dienſte bey dem hohen Rathe zu Jeruſalem und
dem gantzen Volcke gemachet hatte; wie er denn
von ihm gleichſam zum General-Fiſcal, oder
Ober-Inquiſitore wider die Chriſten war beſtellet
worden; wie man aus Ap. Geſch. 9. ſiehet.
Und weil er dabey aͤuſſerlich eines geſtrengen und
unſtraͤflichen Wandels war, ſo wurde daher ſein
Anſehen ſo viel groͤſſer.

2. O wie mancher blinder Geſetz-Eiverer
iſt nicht geweſen und zum Theil noch, zwar zu-
voͤrderſt im Papſtthum; aber auch leider hie und
da in der Evangeliſchen Kirche, der fuͤr ſeine ver-
meinte Orthodoxie geſtritten hat, auch wol noch
ſtreitet, muͤndlich und ſchriftlich, wider getreue
Knechte und Kinder GOttes, und dasjenige,
was ein Heil der Kirche iſt, fuͤr ein groſſes ma-
lum,
oder Unheil ausrufet, und ſein phariſaͤi-
ſches malum, worinn er nach Verſtand und Wil-
len ſtecket, ſo viel weniger erkennet, ſo viel mehr
er meinet, GOtt daran einen beſondern Dienſt
zu thun, auch von denen, die ihm blindlings an-
hangen, dafuͤr gehalten wird. Joh. 16, 2. Und
was thut zur Verblendung die Unſtraͤflichkeit ei-
nes aͤuſſerlichen und kirchlichen Wandels nicht?
welche doch nur, ohne die innere Beſchneidung des
Hertzens, ein loſer Kalck, oder loſe Tuͤnche uͤber
eine alte heßliche Wand und ein Schafs-Kleid
iſt.

V. 7.

Aber was mir Gewinn war, das ha-
be ich um CHriſti willen fuͤr Schaden ge-
achtet.

[Spaltenumbruch]
Anmerckungen.
1. So gehen einem die Augen in der Ord-
nung der Bekehrung erſt recht auf, daß man ſein
vermeintes bonum fuͤr ein rechtes malum, und
das malum fuͤr ein bonum erkennet, am aller-
meiſten aber vor ſeinem ſo blinden u. ſo unchriſt-
lichen Religions-Eiver erſchrickt, als vor dem
greulichſten malo, das nur ſeyn kan. Denn wer
andere in Gewiſſens-Sachen und des Gewiſſens
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heit und zum Guten zwinget, ſondern nur locket,
leitet und uͤberzeuget, dem Gewiſſen aber die an-
erſchaffene Freyheit laͤſſet, und hernach den Miß-
brauch der Freyheit beſtrafet. Solche blinde
Religions-Eiverer aber, ob ſie gleich S[t]aub und
Aſche ſind, auch ſelbſt bey ihren Jrrthuͤmern und
Unbefugniſſen ungezwungen ſind, auch unge-
zwungen bleiben, wollen doch wider GOtt und
uͤber GOtt die Gewiſſen beherrſchen, und be-
ſchuldigen die, welche ſich weder koͤnnen, noch
wollen beherrſchen laſſen, dieſer und jener Hals-
ſtarrigkeit: wie ehemals die Chriſten von den
Heiden beſchuldiget wurden.
2. Es muß in der wahren Bekehrung zu ei-
ner ſolchen Verlaͤugnung kommen, daß man alle
Dinge, daraus man auſſer CHriſto etwas ge-
machet und fuͤr einen ſonderlichen Gewinn ge-
achtet hat, fuͤr Schaden erkennet, nemlich wie
man dadurch Schaden an ſeiner Seelen genom-
men habe. Was huͤlfe es aber dem Men-
ſchen, wenn er die gantze Welt gewoͤnne,
und naͤhme doch Schaden an ſeiner Seele?

wie unſer Heiland ſelbſt ſaget und fraget Matth.
16, 26.
3. Koͤmmt es zur rechten Verlaͤugnung, ſo
wird hingegen das, was einem vorher daucht
lauter Schaden zu ſeyn, zu lauter Gewinn, z. E.
der Haß und die boͤſen Nachreden der Welt
u. ſ. w.
V. 8. 9. 10. 11.

Denn ich achte es alles fuͤr Schaden
gegen der uͤberſchwaͤnglichen Erkaͤntniß
CHriſti JESU, meines HErrn; um wel-
ches willen ich alles habe fuͤr Schaden ge-
rechnet, und achte es fuͤr Dreck, auf daß
ich CHriſtum gewinne,
V. 9. und in ihm
erfunden werde, daß ich nicht habe meine
Gerechtigkeit, die aus dem Geſetz, ſondern
die durch den Glauben an Chriſtum koͤmmt,
nemlich die Gerechtigkeit, die von GOTT
dem Glauben zugerechnet wird;
V. 10. zu
erkennen ihn, und die Kraft ſeiner Aufer-
ſtehung, und die Gemeinſchaft ſeiner Lei-
den, daß ich ſeinem Tode aͤhnlich werde;

V. 11. damit ich entgegen komme zur Auf-
erſtehung der Todten.
(Rom. 6, 3. 4 5. 8, 17.
19. 2 Cor. 4, 10. 11. Gal. 6, 14. 2 Tim. 2, 11.
12. 1 Pet. 4, 13.)

Anmerckungen.
1. Dieſer Text hanget dergeſtalt an einan-
der
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[721/0749] Cap. 3, v. 4-11. an die Philipper. ſchaft mit ihm ſtehe; wozu man durch die geiſt- liche Beſchneidung gelanget. V. 4. 5. 6. Wiewol ich auch habe, daß ich mich Fleiſches ruͤhmen moͤchte: ſo ein ander ſich duͤncken laͤſſet, er moͤge ſich Fleiſches ruͤhmen, ich vielmehr: V. 5. Der ich am achten Tage beſchnitten bin, einer aus dem Volcke von Jſrael, des Geſchlechts Benjamin, ein Hebraͤer aus den Hebraͤern, (von uralten Zeiten her, und alſo nicht einer, der ein Proſelyt iſt, oder von Proſelyten herkoͤmmt) und nach dem Geſetz (nach deſſelben beſonde- rer Auslegung und ſectiriſchen Satzungen) ein Phariſaͤer; V. 6. nach dem Eiver ein Ver- folger der Gemeine (CHriſti) nach der Gerechtigkeit im Geſetz geweſen unſtraͤf- lich. Anmerckungen. 1. Der Apoſtel faſſet alhier zuſammen, was er mit den juͤdiſchen Geſetz-Lehrern gemein und vor ihnen voraus hatte. Zu den letztern Stuͤ- cken gehoͤrete, daß er war aus dem Geſchlechte Benjamin, und nach der Secte ein Phariſaͤer. Denn gleichwie die aus dem Stamm Juda und Benjamin des Tempels und Gottes-Dienſtes wegen einen Vorzug hatten vor andern Staͤm̃en: alſo machte ſich die Secte der Phariſaͤer ſelbſt mancherley Vorzuͤge. Und dazu kam bey Paulo ein ſolcher Religions-Eiver, dadurch er ſich vor vielen andern ein groſſes Anſehen und viele Ver- dienſte bey dem hohen Rathe zu Jeruſalem und dem gantzen Volcke gemachet hatte; wie er denn von ihm gleichſam zum General-Fiſcal, oder Ober-Inquiſitore wider die Chriſten war beſtellet worden; wie man aus Ap. Geſch. 9. ſiehet. Und weil er dabey aͤuſſerlich eines geſtrengen und unſtraͤflichen Wandels war, ſo wurde daher ſein Anſehen ſo viel groͤſſer. 2. O wie mancher blinder Geſetz-Eiverer iſt nicht geweſen und zum Theil noch, zwar zu- voͤrderſt im Papſtthum; aber auch leider hie und da in der Evangeliſchen Kirche, der fuͤr ſeine ver- meinte Orthodoxie geſtritten hat, auch wol noch ſtreitet, muͤndlich und ſchriftlich, wider getreue Knechte und Kinder GOttes, und dasjenige, was ein Heil der Kirche iſt, fuͤr ein groſſes ma- lum, oder Unheil ausrufet, und ſein phariſaͤi- ſches malum, worinn er nach Verſtand und Wil- len ſtecket, ſo viel weniger erkennet, ſo viel mehr er meinet, GOtt daran einen beſondern Dienſt zu thun, auch von denen, die ihm blindlings an- hangen, dafuͤr gehalten wird. Joh. 16, 2. Und was thut zur Verblendung die Unſtraͤflichkeit ei- nes aͤuſſerlichen und kirchlichen Wandels nicht? welche doch nur, ohne die innere Beſchneidung des Hertzens, ein loſer Kalck, oder loſe Tuͤnche uͤber eine alte heßliche Wand und ein Schafs-Kleid iſt. V. 7. Aber was mir Gewinn war, das ha- be ich um CHriſti willen fuͤr Schaden ge- achtet. Anmerckungen. 1. So gehen einem die Augen in der Ord- nung der Bekehrung erſt recht auf, daß man ſein vermeintes bonum fuͤr ein rechtes malum, und das malum fuͤr ein bonum erkennet, am aller- meiſten aber vor ſeinem ſo blinden u. ſo unchriſt- lichen Religions-Eiver erſchrickt, als vor dem greulichſten malo, das nur ſeyn kan. Denn wer andere in Gewiſſens-Sachen und des Gewiſſens wegen druͤcket und verfolget, der ſetzet ſich nicht allein uͤber des andern Gewiſſen an GOttes ſtatt, ſondern in der That ſelbſt gar uͤber GOtt hinweg: ſintemal GOtt, ob er gleich ein HErr iſt uͤber das Gewiſſen, dieſes doch nicht zur Wahr- heit und zum Guten zwinget, ſondern nur locket, leitet und uͤberzeuget, dem Gewiſſen aber die an- erſchaffene Freyheit laͤſſet, und hernach den Miß- brauch der Freyheit beſtrafet. Solche blinde Religions-Eiverer aber, ob ſie gleich Staub und Aſche ſind, auch ſelbſt bey ihren Jrrthuͤmern und Unbefugniſſen ungezwungen ſind, auch unge- zwungen bleiben, wollen doch wider GOtt und uͤber GOtt die Gewiſſen beherrſchen, und be- ſchuldigen die, welche ſich weder koͤnnen, noch wollen beherrſchen laſſen, dieſer und jener Hals- ſtarrigkeit: wie ehemals die Chriſten von den Heiden beſchuldiget wurden. 2. Es muß in der wahren Bekehrung zu ei- ner ſolchen Verlaͤugnung kommen, daß man alle Dinge, daraus man auſſer CHriſto etwas ge- machet und fuͤr einen ſonderlichen Gewinn ge- achtet hat, fuͤr Schaden erkennet, nemlich wie man dadurch Schaden an ſeiner Seelen genom- men habe. Was huͤlfe es aber dem Men- ſchen, wenn er die gantze Welt gewoͤnne, und naͤhme doch Schaden an ſeiner Seele? wie unſer Heiland ſelbſt ſaget und fraget Matth. 16, 26. 3. Koͤmmt es zur rechten Verlaͤugnung, ſo wird hingegen das, was einem vorher daucht lauter Schaden zu ſeyn, zu lauter Gewinn, z. E. der Haß und die boͤſen Nachreden der Welt u. ſ. w. V. 8. 9. 10. 11. Denn ich achte es alles fuͤr Schaden gegen der uͤberſchwaͤnglichen Erkaͤntniß CHriſti JESU, meines HErrn; um wel- ches willen ich alles habe fuͤr Schaden ge- rechnet, und achte es fuͤr Dreck, auf daß ich CHriſtum gewinne, V. 9. und in ihm erfunden werde, daß ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Geſetz, ſondern die durch den Glauben an Chriſtum koͤmmt, nemlich die Gerechtigkeit, die von GOTT dem Glauben zugerechnet wird; V. 10. zu erkennen ihn, und die Kraft ſeiner Aufer- ſtehung, und die Gemeinſchaft ſeiner Lei- den, daß ich ſeinem Tode aͤhnlich werde; V. 11. damit ich entgegen komme zur Auf- erſtehung der Todten. (Rom. 6, 3. 4 5. 8, 17. 19. 2 Cor. 4, 10. 11. Gal. 6, 14. 2 Tim. 2, 11. 12. 1 Pet. 4, 13.) Anmerckungen. 1. Dieſer Text hanget dergeſtalt an einan- der Y y y y

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/749>, abgerufen am 16.07.2024.