Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 6, 8-10. [Spaltenumbruch]
aller bürgerlichen Lebens-Arten bestehet, führetauch diesen mit sich, daß sie das gantze Leben ei- nes Christen und darinnen alle Handlungen, auch die allergeringsten und verächtlichsten, der- gestalt heiliget, und gleichsam adelt, daß sie dieselbe zu lauter GOttes-Dienst machet. Denn diß ists, was Paulus alhier bezeuget, da er saget, daß die Knechte und Mägde, wenn sie ihre ihnen anbefohlne Dienste im Glauben und in der Furcht GOttes nach ihrem Gewissen ver- richten, und darinnen nicht so wol auf ihre Herrschaft, als auf Christum sehen, dadurch nicht so wol Menschen, als Christo selbst dienen, so gar, daß sie daher von ihm auch eine Gnaden- Belohnung zu gewarten haben. 4. Und also wird hiemit auch die irrige Meinung entdecket, da man den GOttes- Dienst eigentlich nur in den äusserlichen Hand- lungen des Kirchen-gehens und dessen, was da- zu gehöret, zu setzen pfleget. Denn obgleich GOtt damit, wenn es in rechter Art geschiehet, öffentlich bedienet und geehret wird: so ist es doch das allerwenigste von dem eigentlichen GOttes-Dienste des neuen Testaments: als welcher eigentlich unsichtbar ist und im Glau- ben und in der Liebe des Hertzens bestehet, und, wenn er also im Geiste und in der Wahrheit ge- übet wird, sich sonderlich darinnen äussern muß, daß er das gantze Leben und darinnen alle Hand- lungen recht reguliret, sie heiliget, und mit zum GOttes-Dienste machet. Und eben dieses ist eine von den rechten Haupt-Lehren unsers seli- gen Lutheri, die er in seinen Schriften wider das abgöttische und abergläubische Gepränge des papistischen äusserlichen GOttes-Dienstes sehr nachdrücklich in seinen Schriften treibet. V. 9. Und ihr HErren (eines höhern und nie- Anmerckungen. 1. Es ist nichts, daß einen Menschen seiner Pflicht gegen andere mehr erinnern kan, als wenn er die von Christo selbst gebrauchte Grund- Regel des Rechts der Natur wohl überleget, da es heißt: Alles, was ihr wollet, das euch die Leute thun sollen, das thut ihr ihnen: das ist das Gesetz und die Propheten. Denn man setze sich nur in ernstlichen Gedancken in des andern Stelle; der Knecht in des Herrn, der Herr in des Knechts u. s. w. und bedencke, was man von rechtswegen alsdenn von dem an- dern erwarten und gerne sehen würde: so hat man in sich selbst den klaren Ausspruch von dem, was man dem andern schuldig ist. 2. Es kan sich eine Herrschaft es gar leicht angewehnen, daß sie mit dem Gesinde nur immer schilt und drauet, ja wol gar fluchet: damit man sich denn nicht allein sehr versündiget, sondern gemeiniglich auch das Gesinde des Schel- tens und Dräuens gantz gewohnet, dabey aber nur immer in der Widrigkeit des Sinnes und der Untreue unterhalten wird: und also richtet man auch das damit nicht aus, was man mit guten Worten ausrichten würde. Man beden- cke unter andern doch nur sonderlich den Eingang und den Ausgang des Lebens, welchen man mit den allergeringsten gemein hat; so wird einem gewißlich auch dadurch der Mißbrauch äusserli- cher Vorzüge schon vergehen. V. 10. Zuletzt (im übrigen, was euer aller Pflicht Anmerckungen. 1. Die menschliche Natur hat an der Sün- de ein gedoppeltes Ubel an und in sich, die zur Strafe führende Schuld, und den die Herr- schaft mit sich führenden Schaden; welcher so groß ist, daß er am geistlichen Unvermögen gar den geistlichen Tod in sich hält. Die- sem gedoppelten Sünden-Ubel hilft nun die Gnade also ab, daß sie durch die Rechtferti- gung, oder der Sünden Vergebung, die Schuld mit der Strafe, durch die Salbung, oder Wie- dergeburt und Erneurung, der Sünden-Herr- schaft hinwegnimmt, und von dem, was von der Sünde noch übrig bleibet, den Menschen immer mehr und mehr reiniget, und solcher ge- stalt ihn stärcket, und das verlohrne Ebenbild GOttes in ihm wieder aufrichtet. Und also ist die Gnade forensis, nach ihrer gerichtlichen Han- delung in Vergebung der Sünden, da uns Chri-
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 6, 8-10. [Spaltenumbruch]
aller buͤrgerlichen Lebens-Arten beſtehet, fuͤhretauch dieſen mit ſich, daß ſie das gantze Leben ei- nes Chriſten und darinnen alle Handlungen, auch die allergeringſten und veraͤchtlichſten, der- geſtalt heiliget, und gleichſam adelt, daß ſie dieſelbe zu lauter GOttes-Dienſt machet. Denn diß iſts, was Paulus alhier bezeuget, da er ſaget, daß die Knechte und Maͤgde, wenn ſie ihre ihnen anbefohlne Dienſte im Glauben und in der Furcht GOttes nach ihrem Gewiſſen ver- richten, und darinnen nicht ſo wol auf ihre Herrſchaft, als auf Chriſtum ſehen, dadurch nicht ſo wol Menſchen, als Chriſto ſelbſt dienen, ſo gar, daß ſie daher von ihm auch eine Gnaden- Belohnung zu gewarten haben. 4. Und alſo wird hiemit auch die irrige Meinung entdecket, da man den GOttes- Dienſt eigentlich nur in den aͤuſſerlichen Hand- lungen des Kirchen-gehens und deſſen, was da- zu gehoͤret, zu ſetzen pfleget. Denn obgleich GOtt damit, wenn es in rechter Art geſchiehet, oͤffentlich bedienet und geehret wird: ſo iſt es doch das allerwenigſte von dem eigentlichen GOttes-Dienſte des neuen Teſtaments: als welcher eigentlich unſichtbar iſt und im Glau- ben und in der Liebe des Hertzens beſtehet, und, wenn er alſo im Geiſte und in der Wahrheit ge- uͤbet wird, ſich ſonderlich darinnen aͤuſſern muß, daß er das gantze Leben und darinnen alle Hand- lungen recht reguliret, ſie heiliget, und mit zum GOttes-Dienſte machet. Und eben dieſes iſt eine von den rechten Haupt-Lehren unſers ſeli- gen Lutheri, die er in ſeinen Schriften wider das abgoͤttiſche und aberglaͤubiſche Gepraͤnge des papiſtiſchen aͤuſſerlichen GOttes-Dienſtes ſehr nachdruͤcklich in ſeinen Schriften treibet. V. 9. Und ihr HErren (eines hoͤhern und nie- Anmerckungen. 1. Es iſt nichts, daß einen Menſchen ſeiner Pflicht gegen andere mehr erinnern kan, als wenn er die von Chriſto ſelbſt gebrauchte Grund- Regel des Rechts der Natur wohl uͤberleget, da es heißt: Alles, was ihr wollet, das euch die Leute thun ſollen, das thut ihr ihnen: das iſt das Geſetz und die Propheten. Denn man ſetze ſich nur in ernſtlichen Gedancken in des andern Stelle; der Knecht in des Herrn, der Herr in des Knechts u. ſ. w. und bedencke, was man von rechtswegen alsdenn von dem an- dern erwarten und gerne ſehen wuͤrde: ſo hat man in ſich ſelbſt den klaren Ausſpruch von dem, was man dem andern ſchuldig iſt. 2. Es kan ſich eine Herrſchaft es gar leicht angewehnen, daß ſie mit dem Geſinde nur immer ſchilt und drauet, ja wol gar fluchet: damit man ſich denn nicht allein ſehr verſuͤndiget, ſondern gemeiniglich auch das Geſinde des Schel- tens und Draͤuens gantz gewohnet, dabey aber nur immer in der Widrigkeit des Sinnes und der Untreue unterhalten wird: und alſo richtet man auch das damit nicht aus, was man mit guten Worten ausrichten wuͤrde. Man beden- cke unter andern doch nur ſonderlich den Eingang und den Ausgang des Lebens, welchen man mit den allergeringſten gemein hat; ſo wird einem gewißlich auch dadurch der Mißbrauch aͤuſſerli- cher Vorzuͤge ſchon vergehen. V. 10. Zuletzt (im uͤbrigen, was euer aller Pflicht Anmerckungen. 1. Die menſchliche Natur hat an der Suͤn- de ein gedoppeltes Ubel an und in ſich, die zur Strafe fuͤhrende Schuld, und den die Herr- ſchaft mit ſich fuͤhrenden Schaden; welcher ſo groß iſt, daß er am geiſtlichen Unvermoͤgen gar den geiſtlichen Tod in ſich haͤlt. Die- ſem gedoppelten Suͤnden-Ubel hilft nun die Gnade alſo ab, daß ſie durch die Rechtferti- gung, oder der Suͤnden Vergebung, die Schuld mit der Strafe, durch die Salbung, oder Wie- dergeburt und Erneurung, der Suͤnden-Herr- ſchaft hinwegnimmt, und von dem, was von der Suͤnde noch uͤbrig bleibet, den Menſchen immer mehr und mehr reiniget, und ſolcher ge- ſtalt ihn ſtaͤrcket, und das verlohrne Ebenbild GOttes in ihm wieder aufrichtet. Und alſo iſt die Gnade forenſis, nach ihrer gerichtlichen Han- delung in Vergebung der Suͤnden, da uns Chri-
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 6, 8-10.
aller buͤrgerlichen Lebens-Arten beſtehet, fuͤhret
auch dieſen mit ſich, daß ſie das gantze Leben ei-
nes Chriſten und darinnen alle Handlungen,
auch die allergeringſten und veraͤchtlichſten, der-
geſtalt heiliget, und gleichſam adelt, daß ſie
dieſelbe zu lauter GOttes-Dienſt machet.
Denn diß iſts, was Paulus alhier bezeuget, da
er ſaget, daß die Knechte und Maͤgde, wenn ſie
ihre ihnen anbefohlne Dienſte im Glauben und
in der Furcht GOttes nach ihrem Gewiſſen ver-
richten, und darinnen nicht ſo wol auf ihre
Herrſchaft, als auf Chriſtum ſehen, dadurch
nicht ſo wol Menſchen, als Chriſto ſelbſt dienen,
ſo gar, daß ſie daher von ihm auch eine Gnaden-
Belohnung zu gewarten haben.
4. Und alſo wird hiemit auch die irrige
Meinung entdecket, da man den GOttes-
Dienſt eigentlich nur in den aͤuſſerlichen Hand-
lungen des Kirchen-gehens und deſſen, was da-
zu gehoͤret, zu ſetzen pfleget. Denn obgleich
GOtt damit, wenn es in rechter Art geſchiehet,
oͤffentlich bedienet und geehret wird: ſo iſt es
doch das allerwenigſte von dem eigentlichen
GOttes-Dienſte des neuen Teſtaments: als
welcher eigentlich unſichtbar iſt und im Glau-
ben und in der Liebe des Hertzens beſtehet, und,
wenn er alſo im Geiſte und in der Wahrheit ge-
uͤbet wird, ſich ſonderlich darinnen aͤuſſern muß,
daß er das gantze Leben und darinnen alle Hand-
lungen recht reguliret, ſie heiliget, und mit zum
GOttes-Dienſte machet. Und eben dieſes iſt
eine von den rechten Haupt-Lehren unſers ſeli-
gen Lutheri, die er in ſeinen Schriften wider das
abgoͤttiſche und aberglaͤubiſche Gepraͤnge des
papiſtiſchen aͤuſſerlichen GOttes-Dienſtes ſehr
nachdruͤcklich in ſeinen Schriften treibet.
V. 9.
Und ihr HErren (eines hoͤhern und nie-
drigern Standes) thut auch daſſelbe (was bil-
lig iſt, und ihr woltet, daß euch die Herrſchaft
thun ſolte, wenn ihr Knechte waͤret) gegen ih-
nen, und laſſet das Draͤuen (und die damit
verknuͤpfte harten Schelt-Worte, und darauf
oft erfolgendes noch haͤrteres Tractament, wenn
ſolches nicht noͤthig iſt, und man mit Liebe und
Gelindigkeit eben das, ja noch ein mehrers er-
halten kan:) und wiſſet, daß auch euer
HErr im Himmel iſt (der da iſt der HERR
aller Herren Off. 17, 14. 19, 16. der alles ſiehet
und hoͤret, und der alle Herren und Knechte vor
ſein Gericht zur Rechenſchaft ziehen wird) und
iſt bey ihm kein Anſehen der Perſon (oder
deſſen, was zu iemandes Stande und aͤuſſerlicher
Beſchaffenheit, ob er hoch, oder niedrig, reich,
oder arm, edel, oder unedel, Mann, oder Weib
u. ſ. w. iſt, gehoͤret: darauf ſiehet er nicht, ſon-
dern auf den Zuſtand ſeiner Seelen und ſeines
Lebens, wie er ſich bey ſeinem Stande und bey
ſeinen uͤbrigen Umſtaͤnden nach ſeinem Gewiſſen
verhalten habe: darnach wird er einen jeden
richten. Siehe 5 B. M. 10, 17. 2 Chron. 19, 7.
Ap. Geſch. 10, 34. Rom. 2, 11. Gal. 2, 6. Col.
3, 24. 25. 1 Pet. 1, 17.)
Anmerckungen.
1. Es iſt nichts, daß einen Menſchen ſeiner
Pflicht gegen andere mehr erinnern kan, als
wenn er die von Chriſto ſelbſt gebrauchte Grund-
Regel des Rechts der Natur wohl uͤberleget, da
es heißt: Alles, was ihr wollet, das euch
die Leute thun ſollen, das thut ihr ihnen:
das iſt das Geſetz und die Propheten.
Denn man ſetze ſich nur in ernſtlichen Gedancken
in des andern Stelle; der Knecht in des Herrn,
der Herr in des Knechts u. ſ. w. und bedencke,
was man von rechtswegen alsdenn von dem an-
dern erwarten und gerne ſehen wuͤrde: ſo hat
man in ſich ſelbſt den klaren Ausſpruch von dem,
was man dem andern ſchuldig iſt.
2. Es kan ſich eine Herrſchaft es gar leicht
angewehnen, daß ſie mit dem Geſinde nur immer
ſchilt und drauet, ja wol gar fluchet: damit man
ſich denn nicht allein ſehr verſuͤndiget, ſondern
gemeiniglich auch das Geſinde des Schel-
tens und Draͤuens gantz gewohnet, dabey aber
nur immer in der Widrigkeit des Sinnes und
der Untreue unterhalten wird: und alſo richtet
man auch das damit nicht aus, was man mit
guten Worten ausrichten wuͤrde. Man beden-
cke unter andern doch nur ſonderlich den Eingang
und den Ausgang des Lebens, welchen man mit
den allergeringſten gemein hat; ſo wird einem
gewißlich auch dadurch der Mißbrauch aͤuſſerli-
cher Vorzuͤge ſchon vergehen.
V. 10.
Zuletzt (im uͤbrigen, was euer aller Pflicht
insgemein betrifft) meine Bruͤder (die ihr ſol-
che ſeyd nach dem Grunde der Wiedergeburt und
der Kindſchaft GOttes) ſeyd ſtarck in dem
HErrn (alſo, daß ihr die Staͤrcke des Geiſtes
nicht allein habet von dem HErrn, unſerm Hei-
lande, ſondern auch in ihm, in der ſeligen Ver-
einigung und Gemeinſchaft mit ihm) und in der
Macht ſeiner Staͤrcke (alſo, daß ihr ſeine
maͤchtige Staͤrcke recht anziehet und damit recht
ausgeruͤſtet werdet.)
Anmerckungen.
1. Die menſchliche Natur hat an der Suͤn-
de ein gedoppeltes Ubel an und in ſich, die zur
Strafe fuͤhrende Schuld, und den die Herr-
ſchaft mit ſich fuͤhrenden Schaden; welcher
ſo groß iſt, daß er am geiſtlichen Unvermoͤgen
gar den geiſtlichen Tod in ſich haͤlt. Die-
ſem gedoppelten Suͤnden-Ubel hilft nun die
Gnade alſo ab, daß ſie durch die Rechtferti-
gung, oder der Suͤnden Vergebung, die Schuld
mit der Strafe, durch die Salbung, oder Wie-
dergeburt und Erneurung, der Suͤnden-Herr-
ſchaft hinwegnimmt, und von dem, was von
der Suͤnde noch uͤbrig bleibet, den Menſchen
immer mehr und mehr reiniget, und ſolcher ge-
ſtalt ihn ſtaͤrcket, und das verlohrne Ebenbild
GOttes in ihm wieder aufrichtet. Und alſo iſt
die Gnade forenſis, nach ihrer gerichtlichen Han-
delung in Vergebung der Suͤnden, da uns
Chri-
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