Denn ich habe es von keinem Men- schen empfangen, noch erlernet, sondern durch die Offenbarung JEsu Christi (die mir auf dem Wege nach Damascus wiederfahren ist; da habe ichs also empfangen, und also gelernet, daß ich aus einem Schüler zugleich ein Lehrer, ja Apostel worden bin.
Anmerckung.
Da der Apostel alhier Christum zum an- dernmal (zum erstenmal v. 1.) den blossen Men- schen entgegen setzet; so siehet man wol, daß er ihn für den wahren GOtt gehalten, und auch sol- ches vor dem den Galatern mit mehrern vorge- stellet habe.
V. 13.
Denn ihr habet ja wohl gehöret mei- nen Wandel weyland im Judenthum (wie er denn allenthalben kund worden, auch manche von euch selbst zu der Zeit auf die hohen Feste nach Jerusalem gereiset sind, auch sonst ihre Verkeh- rung mit denen aus dem jüdischen Lande, als größ- ten theils gebohrne, obgleich ausländische, Ju- den gehabt haben) wie ich über die massen die Gemeine GOttes (nemlich die neue Christliche, die damals aus und in der Jüdischen gesammlet wurde) verfolgte und sie verstörete (und also keines weges der alten Jüdischen Kirche entge- gen gewesen bin, daher ihr erkennen könnet, daß es etwas höchst wichtiges seyn muß, welches mich bewogen, davon auszugehen, und an statt dessen, daß ich andere verfolget habe, selbst Ver- folgung über mich zu nehmen. Siehe Act 8, 3. 9, 1. sqq. 23, 4. 26, 9. 1 Cor. 15, 9. Phil. 3, 6. 1 Tim. 1, 13.)
V. 14.
Und (damit ihr sehet, daß ich nicht ein ge- meiner Jude und Eiferer gewesen bin, so thue ich dieses hinzu) nahm zu im Judenthum (in der jüdischen Religion, und in den väterlichen Satzungen) über viele meines gleichen in meinem Geschlechte (über viele meiner Mit- Schüler von meinem Alter in der Schule Ga- maliels und anderer Pharisäer) und eiferte über die Masse (aber recht blindlings und mit Unverstande im fleischlichen Sinne Rom. 10, 2. Phil. 3, 5. 6. 1 Tim. 1, 13. Ap. Gesch. 22, 3.) um das väterliche Gesetz (um die väterlichen Traditiones, überlieferten Satzungen; zwar um das durch Mosen den Vorfahren übergebene, aber nicht recht verstandene Gesetz Ap. Gesch. 22, 3. aber nicht weniger, ja wol noch mehr über die von unsern Vor-Eltern her empfangene, und von meinen Lehrmeistern mir aufs schärfste anbe- fohlne bloß menschliche Satzungen.)
Anmerckungen.
1. Wie hoch die Pharisaer diese von ihren Vorfahren selbst ersonnene Satzungen gehalten, und wie sie dieselbe der heiligen Schrift zur Sei- te gesetzet haben, und von welcher Beschaffenheit sie gewesen sind, auch wie sehr unser Heiland da- gegen geeifert hat, davon ist die gantze evange- [Spaltenumbruch]
lische Historie voll. Man sehe unter andern Matth. 5, 21. u. f. 15, 2. 3. u. f. c. 23. Marc. 7, 5. u. f. Auch siehet Petrus darauf 1 Ep. c. 1, 18. wenn er solche nennet den eitelen Wandel nach väterlicher Weise, und saget, daß uns CHri- stus durch sein theures Blut davon erlöset habe.
2. Man siehet an Paulo nach seinem vori- gen Zustande ein Bild eines falschen Religions- Eiferers auch unter den Christen, sonderlich den Papisten. Nichts ist unvernünftiger und un- menschlicher, als iemanden in Religions-Sa- chen, darinnen ein ieder unter GOTT mit sei- nem freyen Gewissen stehet, zu drücken und zu verfolgen: gleichwie auch keine Verfolgung grim- miger ist, als wo man meinet, von GOttes wegen dazu berechtiget zu seyn.
V. 15. 16. 17.
Da es aber GOTT (dem ich alles, nichts aber dißfalls den Menschen, zu dancken habe) wohl gefiel, der mich von meiner Mutter Leibe (her, noch ehe, als ich gebohren worden) ausgesondert (vor andern Juden zum Apostel verordnet Rom. 1, 1.) und (darauf zur rechten Zeit, da ich mich dessen am wenigsten versahe, auf dem Wege nach Damascus) berufen durch seine Gnade (da ich vielmehr desselben Ungnade verdienet hatte,) V. 16. daß er seinen Sohn offenbarete in mir (mir, da er mich ergriff, bey dem mich plötzlich umgebenden Lichte, einen sol- chen Lichts-Strahl ins Hertze gab daß ich CHri- stum, den ich bis dahin in seinen Gliedern aufs heftigste verfolget hatte, für den wahren Mes- siam, für meinen und aller Welt Heiland erkante Ap. Gesch. 9, 3. u. f. zu dem Zweck) daß ich ihn durchs Evangelinm verkündigen solte unter den Heiden; alsobald fuhr ich zu, und besprach mich nicht darüber mit Fleisch und Blut (so habe ich mich mit keinem Men- schen, oder einigem Apostel, des Evangelii wegen, um dasselbe erst von ihnen zu lernen, so gleich dar- auf eingelassen.) V. 17. Kam auch nicht gen Jerusalem zu denen, die vor mir Apostel waren, (nachdem ich zu Damascus von Ana- nia war getaufet worden, daselbst auch CHri- stum auf einige Zeit zu grosser Verwunderung und Uberzeugung der Juden in ihren Schulen verkündiget hatte Ap. Gesch. 9, 19. u. f.) son- dern zog hin in Arabiam, und kam wieder gen Damascum (da mir erst begegnet, was Ap. Gesch. 9, 23. u. f. 2 Cor. 9, 32. 33. zu le- sen ist.)
Anmerckungen.
1. Was Paulus von seiner Aussonderung von Mutter Leibe saget, läßt sich gar fein er- läutern durch das Exempel des Propheten Jere- miä, zu dem GOTT sagete: Jch kante dich, ehe denn ich dich in Mutter Leibe bereite- te, und sonderte dich aus, ehe denn du von Mutter Leibe gebohren wurdest, und stellete dich zum Propheten unter die Völcker.
2. Man findet aber darinnen eine grosse Tiefe des Raths und der Wege GOttes, daß,
da
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Cap. 1, v. 12-17. an die Galater.
[Spaltenumbruch]
V. 12.
Denn ich habe es von keinem Men- ſchen empfangen, noch erlernet, ſondern durch die Offenbarung JEſu Chriſti (die mir auf dem Wege nach Damaſcus wiederfahren iſt; da habe ichs alſo empfangen, und alſo gelernet, daß ich aus einem Schuͤler zugleich ein Lehrer, ja Apoſtel worden bin.
Anmerckung.
Da der Apoſtel alhier Chriſtum zum an- dernmal (zum erſtenmal v. 1.) den bloſſen Men- ſchen entgegen ſetzet; ſo ſiehet man wol, daß er ihn fuͤr den wahren GOtt gehalten, und auch ſol- ches vor dem den Galatern mit mehrern vorge- ſtellet habe.
V. 13.
Denn ihr habet ja wohl gehoͤret mei- nen Wandel weyland im Judenthum (wie er denn allenthalben kund worden, auch manche von euch ſelbſt zu der Zeit auf die hohen Feſte nach Jeruſalem gereiſet ſind, auch ſonſt ihre Verkeh- rung mit denen aus dem juͤdiſchen Lande, als groͤß- ten theils gebohrne, obgleich auslaͤndiſche, Ju- den gehabt haben) wie ich uͤber die maſſen die Gemeine GOttes (nemlich die neue Chriſtliche, die damals aus und in der Juͤdiſchen geſammlet wurde) verfolgte und ſie verſtoͤrete (und alſo keines weges der alten Juͤdiſchen Kirche entge- gen geweſen bin, daher ihr erkennen koͤnnet, daß es etwas hoͤchſt wichtiges ſeyn muß, welches mich bewogen, davon auszugehen, und an ſtatt deſſen, daß ich andere verfolget habe, ſelbſt Ver- folgung uͤber mich zu nehmen. Siehe Act 8, 3. 9, 1. ſqq. 23, 4. 26, 9. 1 Cor. 15, 9. Phil. 3, 6. 1 Tim. 1, 13.)
V. 14.
Und (damit ihr ſehet, daß ich nicht ein ge- meiner Jude und Eiferer geweſen bin, ſo thue ich dieſes hinzu) nahm zu im Judenthum (in der juͤdiſchen Religion, und in den vaͤterlichen Satzungen) uͤber viele meines gleichen in meinem Geſchlechte (uͤber viele meiner Mit- Schuͤler von meinem Alter in der Schule Ga- maliels und anderer Phariſaͤer) und eiferte uͤber die Maſſe (aber recht blindlings und mit Unverſtande im fleiſchlichen Sinne Rom. 10, 2. Phil. 3, 5. 6. 1 Tim. 1, 13. Ap. Geſch. 22, 3.) um das vaͤterliche Geſetz (um die vaͤterlichen Traditiones, uͤberlieferten Satzungen; zwar um das durch Moſen den Vorfahren uͤbergebene, aber nicht recht verſtandene Geſetz Ap. Geſch. 22, 3. aber nicht weniger, ja wol noch mehr uͤber die von unſern Vor-Eltern her empfangene, und von meinen Lehrmeiſtern mir aufs ſchaͤrfſte anbe- fohlne bloß menſchliche Satzungen.)
Anmerckungen.
1. Wie hoch die Phariſaer dieſe von ihren Vorfahren ſelbſt erſonnene Satzungen gehalten, und wie ſie dieſelbe der heiligen Schrift zur Sei- te geſetzet haben, und von welcher Beſchaffenheit ſie geweſen ſind, auch wie ſehr unſer Heiland da- gegen geeifert hat, davon iſt die gantze evange- [Spaltenumbruch]
liſche Hiſtorie voll. Man ſehe unter andern Matth. 5, 21. u. f. 15, 2. 3. u. f. c. 23. Marc. 7, 5. u. f. Auch ſiehet Petrus darauf 1 Ep. c. 1, 18. wenn er ſolche nennet den eitelen Wandel nach vaͤterlicher Weiſe, und ſaget, daß uns CHri- ſtus durch ſein theures Blut davon erloͤſet habe.
2. Man ſiehet an Paulo nach ſeinem vori- gen Zuſtande ein Bild eines falſchen Religions- Eiferers auch unter den Chriſten, ſonderlich den Papiſten. Nichts iſt unvernuͤnftiger und un- menſchlicher, als iemanden in Religions-Sa- chen, darinnen ein ieder unter GOTT mit ſei- nem freyen Gewiſſen ſtehet, zu druͤcken und zu verfolgen: gleichwie auch keine Verfolgung grim- miger iſt, als wo man meinet, von GOttes wegen dazu berechtiget zu ſeyn.
V. 15. 16. 17.
Da es aber GOTT (dem ich alles, nichts aber dißfalls den Menſchen, zu dancken habe) wohl gefiel, der mich von meiner Mutter Leibe (her, noch ehe, als ich gebohren worden) ausgeſondert (vor andern Juden zum Apoſtel verordnet Rom. 1, 1.) und (darauf zur rechten Zeit, da ich mich deſſen am wenigſten verſahe, auf dem Wege nach Damaſcus) berufen durch ſeine Gnade (da ich vielmehr deſſelben Ungnade verdienet hatte,) V. 16. daß er ſeinen Sohn offenbarete in mir (mir, da er mich ergriff, bey dem mich ploͤtzlich umgebenden Lichte, einen ſol- chen Lichts-Strahl ins Hertze gab daß ich CHri- ſtum, den ich bis dahin in ſeinen Gliedern aufs heftigſte verfolget hatte, fuͤr den wahren Mes- ſiam, fuͤr meinen und aller Welt Heiland erkante Ap. Geſch. 9, 3. u. f. zu dem Zweck) daß ich ihn durchs Evangelinm verkuͤndigen ſolte unter den Heiden; alſobald fuhr ich zu, und beſprach mich nicht daruͤber mit Fleiſch und Blut (ſo habe ich mich mit keinem Men- ſchen, oder einigem Apoſtel, des Evangelii wegen, um daſſelbe erſt von ihnen zu lernen, ſo gleich dar- auf eingelaſſen.) V. 17. Kam auch nicht gen Jeruſalem zu denen, die vor mir Apoſtel waren, (nachdem ich zu Damaſcus von Ana- nia war getaufet worden, daſelbſt auch CHri- ſtum auf einige Zeit zu groſſer Verwunderung und Uberzeugung der Juden in ihren Schulen verkuͤndiget hatte Ap. Geſch. 9, 19. u. f.) ſon- dern zog hin in Arabiam, und kam wieder gen Damaſcum (da mir erſt begegnet, was Ap. Geſch. 9, 23. u. f. 2 Cor. 9, 32. 33. zu le- ſen iſt.)
Anmerckungen.
1. Was Paulus von ſeiner Ausſonderung von Mutter Leibe ſaget, laͤßt ſich gar fein er- laͤutern durch das Exempel des Propheten Jere- miaͤ, zu dem GOTT ſagete: Jch kante dich, ehe denn ich dich in Mutter Leibe bereite- te, und ſonderte dich aus, ehe denn du von Mutter Leibe gebohren wurdeſt, und ſtellete dich zum Propheten unter die Voͤlcker.
2. Man findet aber darinnen eine groſſe Tiefe des Raths und der Wege GOttes, daß,
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[493/0521]
Cap. 1, v. 12-17. an die Galater.
V. 12.
Denn ich habe es von keinem Men-
ſchen empfangen, noch erlernet, ſondern
durch die Offenbarung JEſu Chriſti (die mir
auf dem Wege nach Damaſcus wiederfahren iſt;
da habe ichs alſo empfangen, und alſo gelernet,
daß ich aus einem Schuͤler zugleich ein Lehrer,
ja Apoſtel worden bin.
Anmerckung.
Da der Apoſtel alhier Chriſtum zum an-
dernmal (zum erſtenmal v. 1.) den bloſſen Men-
ſchen entgegen ſetzet; ſo ſiehet man wol, daß er
ihn fuͤr den wahren GOtt gehalten, und auch ſol-
ches vor dem den Galatern mit mehrern vorge-
ſtellet habe.
V. 13.
Denn ihr habet ja wohl gehoͤret mei-
nen Wandel weyland im Judenthum (wie
er denn allenthalben kund worden, auch manche
von euch ſelbſt zu der Zeit auf die hohen Feſte nach
Jeruſalem gereiſet ſind, auch ſonſt ihre Verkeh-
rung mit denen aus dem juͤdiſchen Lande, als groͤß-
ten theils gebohrne, obgleich auslaͤndiſche, Ju-
den gehabt haben) wie ich uͤber die maſſen die
Gemeine GOttes (nemlich die neue Chriſtliche,
die damals aus und in der Juͤdiſchen geſammlet
wurde) verfolgte und ſie verſtoͤrete (und alſo
keines weges der alten Juͤdiſchen Kirche entge-
gen geweſen bin, daher ihr erkennen koͤnnet, daß
es etwas hoͤchſt wichtiges ſeyn muß, welches
mich bewogen, davon auszugehen, und an ſtatt
deſſen, daß ich andere verfolget habe, ſelbſt Ver-
folgung uͤber mich zu nehmen. Siehe Act 8, 3.
9, 1. ſqq. 23, 4. 26, 9. 1 Cor. 15, 9. Phil. 3, 6.
1 Tim. 1, 13.)
V. 14.
Und (damit ihr ſehet, daß ich nicht ein ge-
meiner Jude und Eiferer geweſen bin, ſo thue
ich dieſes hinzu) nahm zu im Judenthum (in
der juͤdiſchen Religion, und in den vaͤterlichen
Satzungen) uͤber viele meines gleichen in
meinem Geſchlechte (uͤber viele meiner Mit-
Schuͤler von meinem Alter in der Schule Ga-
maliels und anderer Phariſaͤer) und eiferte
uͤber die Maſſe (aber recht blindlings und mit
Unverſtande im fleiſchlichen Sinne Rom. 10, 2.
Phil. 3, 5. 6. 1 Tim. 1, 13. Ap. Geſch. 22, 3.)
um das vaͤterliche Geſetz (um die vaͤterlichen
Traditiones, uͤberlieferten Satzungen; zwar um
das durch Moſen den Vorfahren uͤbergebene,
aber nicht recht verſtandene Geſetz Ap. Geſch.
22, 3. aber nicht weniger, ja wol noch mehr uͤber
die von unſern Vor-Eltern her empfangene, und
von meinen Lehrmeiſtern mir aufs ſchaͤrfſte anbe-
fohlne bloß menſchliche Satzungen.)
Anmerckungen.
1. Wie hoch die Phariſaer dieſe von ihren
Vorfahren ſelbſt erſonnene Satzungen gehalten,
und wie ſie dieſelbe der heiligen Schrift zur Sei-
te geſetzet haben, und von welcher Beſchaffenheit
ſie geweſen ſind, auch wie ſehr unſer Heiland da-
gegen geeifert hat, davon iſt die gantze evange-
liſche Hiſtorie voll. Man ſehe unter andern
Matth. 5, 21. u. f. 15, 2. 3. u. f. c. 23. Marc. 7,
5. u. f. Auch ſiehet Petrus darauf 1 Ep. c. 1, 18.
wenn er ſolche nennet den eitelen Wandel nach
vaͤterlicher Weiſe, und ſaget, daß uns CHri-
ſtus durch ſein theures Blut davon erloͤſet
habe.
2. Man ſiehet an Paulo nach ſeinem vori-
gen Zuſtande ein Bild eines falſchen Religions-
Eiferers auch unter den Chriſten, ſonderlich den
Papiſten. Nichts iſt unvernuͤnftiger und un-
menſchlicher, als iemanden in Religions-Sa-
chen, darinnen ein ieder unter GOTT mit ſei-
nem freyen Gewiſſen ſtehet, zu druͤcken und zu
verfolgen: gleichwie auch keine Verfolgung grim-
miger iſt, als wo man meinet, von GOttes wegen
dazu berechtiget zu ſeyn.
V. 15. 16. 17.
Da es aber GOTT (dem ich alles, nichts
aber dißfalls den Menſchen, zu dancken habe)
wohl gefiel, der mich von meiner Mutter
Leibe (her, noch ehe, als ich gebohren worden)
ausgeſondert (vor andern Juden zum Apoſtel
verordnet Rom. 1, 1.) und (darauf zur rechten
Zeit, da ich mich deſſen am wenigſten verſahe,
auf dem Wege nach Damaſcus) berufen durch
ſeine Gnade (da ich vielmehr deſſelben Ungnade
verdienet hatte,) V. 16. daß er ſeinen Sohn
offenbarete in mir (mir, da er mich ergriff, bey
dem mich ploͤtzlich umgebenden Lichte, einen ſol-
chen Lichts-Strahl ins Hertze gab daß ich CHri-
ſtum, den ich bis dahin in ſeinen Gliedern aufs
heftigſte verfolget hatte, fuͤr den wahren Mes-
ſiam, fuͤr meinen und aller Welt Heiland erkante
Ap. Geſch. 9, 3. u. f. zu dem Zweck) daß ich
ihn durchs Evangelinm verkuͤndigen ſolte
unter den Heiden; alſobald fuhr ich zu,
und beſprach mich nicht daruͤber mit Fleiſch
und Blut (ſo habe ich mich mit keinem Men-
ſchen, oder einigem Apoſtel, des Evangelii wegen,
um daſſelbe erſt von ihnen zu lernen, ſo gleich dar-
auf eingelaſſen.) V. 17. Kam auch nicht gen
Jeruſalem zu denen, die vor mir Apoſtel
waren, (nachdem ich zu Damaſcus von Ana-
nia war getaufet worden, daſelbſt auch CHri-
ſtum auf einige Zeit zu groſſer Verwunderung
und Uberzeugung der Juden in ihren Schulen
verkuͤndiget hatte Ap. Geſch. 9, 19. u. f.) ſon-
dern zog hin in Arabiam, und kam wieder
gen Damaſcum (da mir erſt begegnet, was
Ap. Geſch. 9, 23. u. f. 2 Cor. 9, 32. 33. zu le-
ſen iſt.)
Anmerckungen.
1. Was Paulus von ſeiner Ausſonderung
von Mutter Leibe ſaget, laͤßt ſich gar fein er-
laͤutern durch das Exempel des Propheten Jere-
miaͤ, zu dem GOTT ſagete: Jch kante dich,
ehe denn ich dich in Mutter Leibe bereite-
te, und ſonderte dich aus, ehe denn du
von Mutter Leibe gebohren wurdeſt, und
ſtellete dich zum Propheten unter die
Voͤlcker.
2. Man findet aber darinnen eine groſſe
Tiefe des Raths und der Wege GOttes, daß,
da
Q q q 3
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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/521>, abgerufen am 24.11.2024.
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Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.