Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 12, v. 10-13. [Spaltenumbruch]
keine Kräfte habe) so bin ich starck (und ver-mag alles, durch den, der mich mächtig machet, CHristum. Phil. 4, 13.) Anmerckungen. 1. Dieser Ausspruch Pauli: Wenn ich 2. Es befindet sich die Wahrheit von die- V. 11. Jch bin ein Narr worden über dem V. 12. Denn es sind ja eines Apostels Zeichen Anmerckungen. 1. Das Wort semei~a, Zeichen, gebrau- chet der Apostel zweymal in diesem Vers: das erste mal heißt es so viel, als Prob[e] oder Be- weis-Gründe, daraus man Paulum als einen wahren von CHristo gesandten Apostel erkennen und von den falschen Aposteln gar wohl unter- scheiden konte und solte. 2. Wenn der Apostel darauf dieses Wort wiederholet, und dazu setzet Wunder und Tha- ten, so verstehet er damit überhaupt alles das, was auf eine wunderthätige Art und ausseror- dentlich zu Corinthen geschehen war, also, daß solche Wunder-Gaben durch die von ihm getha- ne Verkündigung des Evangelii auch unter- schiedlichen von der Gemeine waren mitgethei- let worden. Da denn mit dem Worte duname- si, welches Lutherus Thaten übersetzet hat, die übernatürliche Kraft, durch welche alles ge- schehen, angezeiget wird. Da aber, was gescha- he, so gar ausserordentlich war, daß es alle, die es sahen und höreten, in solche Verwunderung satzte, daß sie darüber erstauneten, so gebrau- chet der Apostel davon das Wort terata. Weil denn aber alle solche Wercke nur äusserlich die in- nern Kräfte, Rechte und Güter des verborgenen Reichs GOttes bezeichneten, so werden sie daher auch semei~a, Zeichen genennet, und war der Zweck GOttes, die Menschen zu erwecken, daß sie von den signis oder Zeichen solten auf rem signatam, die bezeichnete Sache gehen: wie alle Gläubige gethan haben; welche denn GOTT von dieser durch jene so viel mehr hat überzeuget und gestärcket werden lassen. 3. Vor andern aber ist bey diesem Verse dieses anzumercken, daß der Apostel den Chara- cter seines Amts nicht allein im Thun, und bey dem Thun insonderheit in Wunder-Thaten, sondern auch in den Leiden setzet; und daß er, da er der Leiden gedencken wollen, dafür das Wort der Geduld gebrauchet, und spricht: mit aller Geduld: sintemal seine Leiden, daß er sie um CHristi willen getragen hat, sich sonderlich durch die grosse Geduld und Gelassenheit, als ein rechtes Creutz CHristi erwiesen haben. Welche Proben die falschen Apostel gewiß nicht aufwei- sen konten. Siehe auch c. 6, 4. seqq. V. 13. Welches ists, darinnen ihr (die ihr daß
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 12, v. 10-13. [Spaltenumbruch]
keine Kraͤfte habe) ſo bin ich ſtarck (und ver-mag alles, durch den, der mich maͤchtig machet, CHriſtum. Phil. 4, 13.) Anmerckungen. 1. Dieſer Ausſpruch Pauli: Wenn ich 2. Es befindet ſich die Wahrheit von die- V. 11. Jch bin ein Narr worden uͤber dem V. 12. Denn es ſind ja eines Apoſtels Zeichen Anmerckungen. 1. Das Wort σημει῀α, Zeichen, gebrau- chet der Apoſtel zweymal in dieſem Vers: das erſte mal heißt es ſo viel, als Prob[e] oder Be- weis-Gruͤnde, daraus man Paulum als einen wahren von CHriſto geſandten Apoſtel erkennen und von den falſchen Apoſteln gar wohl unter- ſcheiden konte und ſolte. 2. Wenn der Apoſtel darauf dieſes Wort wiederholet, und dazu ſetzet Wunder und Tha- ten, ſo verſtehet er damit uͤberhaupt alles das, was auf eine wunderthaͤtige Art und auſſeror- dentlich zu Corinthen geſchehen war, alſo, daß ſolche Wunder-Gaben durch die von ihm getha- ne Verkuͤndigung des Evangelii auch unter- ſchiedlichen von der Gemeine waren mitgethei- let worden. Da denn mit dem Worte δυνάμε- σι, welches Lutherus Thaten uͤberſetzet hat, die uͤbernatuͤrliche Kraft, durch welche alles ge- ſchehen, angezeiget wird. Da aber, was geſcha- he, ſo gar auſſerordentlich war, daß es alle, die es ſahen und hoͤreten, in ſolche Verwunderung ſatzte, daß ſie daruͤber erſtauneten, ſo gebrau- chet der Apoſtel davon das Wort τέρατα. Weil denn aber alle ſolche Wercke nur aͤuſſerlich die in- nern Kraͤfte, Rechte und Guͤter des verborgenen Reichs GOttes bezeichneten, ſo werden ſie daher auch σημει῀α, Zeichen genennet, und war der Zweck GOttes, die Menſchen zu erwecken, daß ſie von den ſignis oder Zeichen ſolten auf rem ſignatam, die bezeichnete Sache gehen: wie alle Glaͤubige gethan haben; welche denn GOTT von dieſer durch jene ſo viel mehr hat uͤberzeuget und geſtaͤrcket werden laſſen. 3. Vor andern aber iſt bey dieſem Verſe dieſes anzumercken, daß der Apoſtel den Chara- cter ſeines Amts nicht allein im Thun, und bey dem Thun inſonderheit in Wunder-Thaten, ſondern auch in den Leiden ſetzet; und daß er, da er der Leiden gedencken wollen, dafuͤr das Wort der Geduld gebrauchet, und ſpricht: mit aller Geduld: ſintemal ſeine Leiden, daß er ſie um CHriſti willen getragen hat, ſich ſonderlich durch die groſſe Geduld und Gelaſſenheit, als ein rechtes Creutz CHriſti erwieſen haben. Welche Proben die falſchen Apoſtel gewiß nicht aufwei- ſen konten. Siehe auch c. 6, 4. ſeqq. V. 13. Welches iſts, darinnen ihr (die ihr daß
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Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 12, v. 10-13.
keine Kraͤfte habe) ſo bin ich ſtarck (und ver-
mag alles, durch den, der mich maͤchtig machet,
CHriſtum. Phil. 4, 13.)
Anmerckungen.
1. Dieſer Ausſpruch Pauli: Wenn ich
ſchwach bin, ſo bin ich ſtarck, gehoͤret zu
den paradoxis des Geheimniſſes des Creutzes, da
es Cap. 6, 8. ſeqq. heißt: Durch Ehre und
Schande, durch boͤſe Geruͤchte und gute
Geruͤchte: als die Verfuͤhrer und doch
wahrhaftig; als die Unbekanten, und doch
bekant: als die Sterbenden, und ſiehe wir
leben ꝛc.
2. Es befindet ſich die Wahrheit von die-
ſem Spruche Pauli gemeiniglich bey allen Ange-
fochtenen; inſonderheit bey denen, welche in der
ſchweren Verſuchung ſtehen, als waͤren ſie gantz
ohne Glauben, oder haͤtten kaum ein Fuͤncklein
mehr davon, und ſtuͤnden alſo in der aͤuſſerſten
Schwachheit des Glaubens: da doch der Glau-
be in ſolchem Zuſtande wol am ſtaͤrckſten bey ih-
nen iſt, ihnen auch recht empfindlich ſeyn wuͤrde,
wonn ſie ſich nur nicht einen unrichtigen Begrif
vom Glauben gemacht haͤtten. Denn der Glau-
be beſtehet nicht allein, wie ſolche Seelen meinen,
in einer freudigen und beruhigenden Zuver-
ſicht, ſondern auch in einem bey groſſer Duͤrre
des Hertzens ſich befindenden ſehnlichen Ver-
langen, oder innigen Hunger und Durſt nach
GOTT; da ja unſer Heyland ſelbſt geſaget hat,
daß die, welche hungert und durſtet nach
der Gerechtigkeit, ſelig ſind Matth. 5, 6.
Da nun dieſer Hunger und Durſt in ihnen ſo viel
groͤſſer iſt, ſo viel ſtaͤrcker die Anfechtung iſt, und
ſie darinnen wahrhaftig den Glauben haben, und
auch empfinden: ſo kan eine ſolche Seele auch
mit Wahrheit ſagen: Wenn ich ſchwach bin,
ſo bin ich ſtarck; und kan alſo in dem HErrn
mit Paulo getroſt und gutes Muthes ſeyn.
V. 11.
Jch bin ein Narr worden uͤber dem
Ruͤhmen (wenn man es alſo anſehen will, als
haͤtte, was ich anfuͤhre, keinen Grund, o-
der geſchaͤhe doch nur des eitlen Ruhms we-
gen) dazu ihr mich gezwungen habet (da
ihr den falſchen Apoſteln bey der Verkleinerung
meines Amts ſo viel Gehoͤr gegeben habet.) Denn
ich ſolte von euch gelobet werden, (nach der
Wahrheit ſchon wider die Verunglimpfungen
gerettet worden ſeyn, daß ich nicht noͤthig haͤtte,
mich ſelbſt zu retten) ſintemal ich nicht weni-
ger bin, denn die hohen Apoſtel, (die dafuͤr
nach der Wahrheit gehalten werden. Siehe c.
11, 5.) wiewol ich nichts bin (von mir ſelbſt,
auch das, was ich durch die Gnade GOttes ge-
worden, mir ſelbſt nicht im geringſten zuſchrei-
ben kan. Siehe auch 2 Cor. 3, 7. da es heißt:
So iſt nun weder der da pflantzet, noch
der da begeußt, etwas, ſondern GOTT,
der das Gedeyen giebt. Ferner c. 15, 8. 9.
10. Jch bin der geringſte unter den Apo-
ſteln- aber von GOttes Gnaden bin ich,
das ich bin ꝛc.
V. 12.
Denn es ſind ja eines Apoſtels Zeichen
unter euch geſchehen mit aller Geduld,
mit Zeichen, mit Wundern, und mit Tha-
ten.
Anmerckungen.
1. Das Wort σημει῀α, Zeichen, gebrau-
chet der Apoſtel zweymal in dieſem Vers: das
erſte mal heißt es ſo viel, als Probe oder Be-
weis-Gruͤnde, daraus man Paulum als einen
wahren von CHriſto geſandten Apoſtel erkennen
und von den falſchen Apoſteln gar wohl unter-
ſcheiden konte und ſolte.
2. Wenn der Apoſtel darauf dieſes Wort
wiederholet, und dazu ſetzet Wunder und Tha-
ten, ſo verſtehet er damit uͤberhaupt alles das,
was auf eine wunderthaͤtige Art und auſſeror-
dentlich zu Corinthen geſchehen war, alſo, daß
ſolche Wunder-Gaben durch die von ihm getha-
ne Verkuͤndigung des Evangelii auch unter-
ſchiedlichen von der Gemeine waren mitgethei-
let worden. Da denn mit dem Worte δυνάμε-
σι, welches Lutherus Thaten uͤberſetzet hat, die
uͤbernatuͤrliche Kraft, durch welche alles ge-
ſchehen, angezeiget wird. Da aber, was geſcha-
he, ſo gar auſſerordentlich war, daß es alle, die es
ſahen und hoͤreten, in ſolche Verwunderung
ſatzte, daß ſie daruͤber erſtauneten, ſo gebrau-
chet der Apoſtel davon das Wort τέρατα. Weil
denn aber alle ſolche Wercke nur aͤuſſerlich die in-
nern Kraͤfte, Rechte und Guͤter des verborgenen
Reichs GOttes bezeichneten, ſo werden ſie daher
auch σημει῀α, Zeichen genennet, und war der
Zweck GOttes, die Menſchen zu erwecken, daß
ſie von den ſignis oder Zeichen ſolten auf rem
ſignatam, die bezeichnete Sache gehen: wie alle
Glaͤubige gethan haben; welche denn GOTT
von dieſer durch jene ſo viel mehr hat uͤberzeuget
und geſtaͤrcket werden laſſen.
3. Vor andern aber iſt bey dieſem Verſe
dieſes anzumercken, daß der Apoſtel den Chara-
cter ſeines Amts nicht allein im Thun, und bey
dem Thun inſonderheit in Wunder-Thaten,
ſondern auch in den Leiden ſetzet; und daß er,
da er der Leiden gedencken wollen, dafuͤr das
Wort der Geduld gebrauchet, und ſpricht: mit
aller Geduld: ſintemal ſeine Leiden, daß er ſie
um CHriſti willen getragen hat, ſich ſonderlich
durch die groſſe Geduld und Gelaſſenheit, als ein
rechtes Creutz CHriſti erwieſen haben. Welche
Proben die falſchen Apoſtel gewiß nicht aufwei-
ſen konten. Siehe auch c. 6, 4. ſeqq.
V. 13.
Welches iſts, darinnen ihr (die ihr
mit ſo herrlichen Gnaden-Gaben gezieret ſeyd
1 Cor. 12. c. 14.) geringer ſeyd, denn die an-
dern (von andern Apoſteln gepflantzten) Ge-
meinen? ohne daß ich ſelbſt euch nicht ha-
be beſchweret, (und mir meinen Unterhalt von
euch geben laſſen c. 9, 6. ſeqq. 12. ſeqq. 2 Cor.
11, 8. ſeqq.) Vergebet mir dieſe Suͤnde (hal-
tet mir dieſes Verfahren zu gute, wenn ihr es ja
nicht, wie ihr billig ſoltet, mit Danck erkennet,
daß
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