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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 20.
[Spaltenumbruch] rühmen, daß er von CHristo gesandt sey? Sol-
te denn CHristus wol Hirten senden, die selbst
noch keine Schafe worden sind? Solte er die,
welche da mit ihren herrschenden Sünden wider
GOTT streiten, wol zu Botschaftern des Frie-
dens gebrauchen? Nimmermehr, Bileams
Exempel war ausserordentlich; und hat er auch
die Wahrheit nicht öfter und weiter verkündi-
get, als so oft sie ihm GOTT zu reden unmit-
telbar eingab. Ausser dem war er ein Verfüh-
rer des Midianitischen und durch dieses auch des
Jsraelitischen Volckes. Hat gleich mancher
eine Vocation, die vor Menschen gültig ist,
dazu er auch selbst nichts gethan hat: so ist sie
doch nicht göttlich, wo einer nicht den Sinn
CHristi, sondern der Welt hat. Denn unser
Heiland setzet keinen Bock zum Gärtner, und
machet keinen Mietling zum Hirten der Scha-
fe.
6. GOTT vermahnet (und also auch
lehret, bestrafet und tröstet) durch uns, spricht
Paulus. Das dienet den Lehrern zur Selbst-
Prüfung,
ob sie auch das Wort GOttes alle-
zeit in solcher Einfalt und Lauterkeit vortragen,
daß es könne angesehen werden, als vermahne,
oder tröste GOTT durch sie. O welch eine
sehr heilsame homiletische Regel ist es, wenn
ein Lehrer gedencket: Wie würde doch wol
dein Heiland dieses und jenes vortragen?
Wie würde es Paulus machen? Solte
auch wol CHristus, oder auch nur Pau-
lus und Timotheus also reden, wie du?

Gewiß diese Betrachtung, wo noch einige Furcht
vor GOTT im Hertzen ist, würde manches un-
nützes und eiteles vom Vortrage abschneiden,
das Hertz des Lehrers auch in mehrere Ehr-
Furcht vor GOTT setzen und folglich vielen Se-
gen bey den Zuhörern haben.
7. Nicht weniger haben auch Zuhörer
diese Worte Pauli wohl zu erwegen. Denn
lehret und vermahnet GOTT durch die Lehrer;
so haben wir es nicht so wol mit den Lehrern, als
mit GOTT selbst zu thun. Was kan einen
mehr zur wahren Folgsamkeit reitzen, als eben
dieses? Und was solte einen kräftiger vom Un-
gehorsam zurück halten, als dieses? Gewiß,
nichts ist, welches unter der Anhörung des
Worts die folgsame Aufmercksamkeit mehr er-
wecken kan, als wenn man in Ehr-Furcht vor
GOTT an diese Worte gedencket: GOTT
vermahnet durch uns.
Siehe ietzo hörest du
des HErrn Stimme. Darum heute, so ihr
seine Stimme höret, so verstocket eure
Hertzen nicht.
Hebr. 4. Es sind Worte von
grosser Wichtigkeit, wenn unser Heiland saget:
Wer euch höret, der höret mich: und
wer euch verachtet, der verachtet mich:
wer aber mich verachtet, der verachtet
den, der mich gesandt hat.
Luc. 10, 16.
8. Mit den Worten: So bitten wir
nun an CHristi statt: Lasset euch versöh-
nen mit GOTT!
siehet Paulus zwar zuvor-
derst auf die Corinthier, und unter ihnen son-
derlich auf die, welche dieser Anrede noch ge-
brauchten, auch bey communicirtem Briefe noch
immer in mehrer Anzahl zur Christlichen Ge-
[Spaltenumbruch] meine würden herzu gezogen werden: weil er a-
ber von dem Amte des Evangelii insgemein re-
det, so wol wie es verordnet, als wie es zu ver-
walten sey, so drucket er mit diesen Worten
den Haupt-Jnnhalt von allem dem aus, was
er im Namen Christi vortrage, da es denn heis-
se: Lasset euch versöhnen mit GOTT.
9. Der Verstand dieser Worte ist: Er-
kennet euren von Natur so gar sündlichen und
verdammlichen Zustand, darinnen ihr Feinde
GOTTes seyd, und wie unter dem Fluche des
Gesetzes, also auch unter GOttes Zorn lieget.
Erkennet dabey die unverdiente höchste Gnade
und Wohlthat, daß der Sohn GOttes selbst
ist Mensch worden, und in angenommener
menschlichen Natur alle eure Sünden-Schuld
und Strafe auf sich genommen und abgetragen,
und euch also mit GOTT versöhnet hat: und,
wie er euch dieses verkündigen läßt, also ist er
zugleich bereit, euch seine Gnade zur Aenderung
und gäntzlichen Umkehrung eures Sinnes und
zur Anzündung des Glaubens zu geben, um in
der Ordnung der Wiedergeburt, da ihr neue
Creaturen werden müsset, euch die geschehene
Versöhnung zur Vergebung eurer Sünde, zur
Gerechtigkeit vor GOTT und zur Seligkeit zu-
zueignen, euer Hertz darinnen zu beruhigen und
zu erfreuen. Alles dieses nun wird euch ange-
boten. Darum so laßt euch dieser Versöhnung
theilhaftig machen.
10. Man siehet hieraus die unendliche Lie-
be GOttes gegen das menschliche Geschlecht,
daß er nicht allein ungebeten das Mittel zur Ver-
söhnung ausgefunden, auch diese selbst lassen
ausgeführet werden durch das Werck der Er-
lösung, sondern es auch den Menschen so freund-
lich lässet antragen, ja, da er befehlen könte,
auch in andern Fällen mit grossem Ernst befieh-
let, hierzu aber bittet und flehet und aufs aller
liebreichste einladet. Wie unser Heiland auch
in eigner Person thut, wenn er unter andern
sagt: Kommet her zu mir alle, die ihr
mühselig und beladen seyd, ich will euch
erquicken.
Matth. 11, 28. Wem solte dieses
nicht zu Hertzen gehen und das Hertze nehmen
und es Christo zuführen?
11. Und hieraus siehet man zugleich ein
Kennzeichen eines rechtschaffnen Evangeli-
schen Lehrers,
welches ist, daß er allewege
lasse die Liebe herrschen, und suche auch die
allerhärtesten Hertzen mit Liebe zu erweichen.
Zwar muß es, zu rechter Zeit und am rechten Or-
te, am Ernste und an ernstlicher Einschärfung
des Gesetzes nicht fehlen; wie es denn auch Pau-
lus daran nicht fehlen lassen: allein der Ernst
und Eifer selbst muß doch die Liebe zum Grunde
und zur Meisterin haben und behalten, und der
Aufschluß der Liebe in allen so mercklich seyn,
daß auch ein felsenhartes Hertz, wenn es sich
nicht muthwillig verstocken will, dadurch kön-
ne erweichet werden. Wie denn die Erfah-
rung lehret, daß durch den Weg der Liebe, der
doch auch nicht ohne einen heiligen Ernst ist, o-
der seyn muß, gemeiniglich mehr erhalten wird,
als durch die strengsten Befehle und härtesten
Dräuungen.
12. Wenn
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 20.
[Spaltenumbruch] ruͤhmen, daß er von CHriſto geſandt ſey? Sol-
te denn CHriſtus wol Hirten ſenden, die ſelbſt
noch keine Schafe worden ſind? Solte er die,
welche da mit ihren herrſchenden Suͤnden wider
GOTT ſtreiten, wol zu Botſchaftern des Frie-
dens gebrauchen? Nimmermehr, Bileams
Exempel war auſſerordentlich; und hat er auch
die Wahrheit nicht oͤfter und weiter verkuͤndi-
get, als ſo oft ſie ihm GOTT zu reden unmit-
telbar eingab. Auſſer dem war er ein Verfuͤh-
rer des Midianitiſchen und durch dieſes auch des
Jſraelitiſchen Volckes. Hat gleich mancher
eine Vocation, die vor Menſchen guͤltig iſt,
dazu er auch ſelbſt nichts gethan hat: ſo iſt ſie
doch nicht goͤttlich, wo einer nicht den Sinn
CHriſti, ſondern der Welt hat. Denn unſer
Heiland ſetzet keinen Bock zum Gaͤrtner, und
machet keinen Mietling zum Hirten der Scha-
fe.
6. GOTT vermahnet (und alſo auch
lehret, beſtrafet und troͤſtet) durch uns, ſpricht
Paulus. Das dienet den Lehrern zur Selbſt-
Pruͤfung,
ob ſie auch das Wort GOttes alle-
zeit in ſolcher Einfalt und Lauterkeit vortragen,
daß es koͤnne angeſehen werden, als vermahne,
oder troͤſte GOTT durch ſie. O welch eine
ſehr heilſame homiletiſche Regel iſt es, wenn
ein Lehrer gedencket: Wie wuͤrde doch wol
dein Heiland dieſes und jenes vortragen?
Wie wuͤrde es Paulus machen? Solte
auch wol CHriſtus, oder auch nur Pau-
lus und Timotheus alſo reden, wie du?

Gewiß dieſe Betrachtung, wo noch einige Furcht
vor GOTT im Hertzen iſt, wuͤrde manches un-
nuͤtzes und eiteles vom Vortrage abſchneiden,
das Hertz des Lehrers auch in mehrere Ehr-
Furcht vor GOTT ſetzen und folglich vielen Se-
gen bey den Zuhoͤrern haben.
7. Nicht weniger haben auch Zuhoͤrer
dieſe Worte Pauli wohl zu erwegen. Denn
lehret und vermahnet GOTT durch die Lehrer;
ſo haben wir es nicht ſo wol mit den Lehrern, als
mit GOTT ſelbſt zu thun. Was kan einen
mehr zur wahren Folgſamkeit reitzen, als eben
dieſes? Und was ſolte einen kraͤftiger vom Un-
gehorſam zuruͤck halten, als dieſes? Gewiß,
nichts iſt, welches unter der Anhoͤrung des
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wecken kan, als wenn man in Ehr-Furcht vor
GOTT an dieſe Worte gedencket: GOTT
vermahnet durch uns.
Siehe ietzo hoͤreſt du
des HErrn Stimme. Darum heute, ſo ihr
ſeine Stimme hoͤret, ſo verſtocket eure
Hertzen nicht.
Hebr. 4. Es ſind Worte von
groſſer Wichtigkeit, wenn unſer Heiland ſaget:
Wer euch hoͤret, der hoͤret mich: und
wer euch verachtet, der verachtet mich:
wer aber mich verachtet, der verachtet
den, der mich geſandt hat.
Luc. 10, 16.
8. Mit den Worten: So bitten wir
nun an CHriſti ſtatt: Laſſet euch verſoͤh-
nen mit GOTT!
ſiehet Paulus zwar zuvor-
derſt auf die Corinthier, und unter ihnen ſon-
derlich auf die, welche dieſer Anrede noch ge-
brauchten, auch bey communicirtem Briefe noch
immer in mehrer Anzahl zur Chriſtlichen Ge-
[Spaltenumbruch] meine wuͤrden herzu gezogen werden: weil er a-
ber von dem Amte des Evangelii insgemein re-
det, ſo wol wie es verordnet, als wie es zu ver-
walten ſey, ſo drucket er mit dieſen Worten
den Haupt-Jnnhalt von allem dem aus, was
er im Namen Chriſti vortrage, da es denn heiſ-
ſe: Laſſet euch verſoͤhnen mit GOTT.
9. Der Verſtand dieſer Worte iſt: Er-
kennet euren von Natur ſo gar ſuͤndlichen und
verdammlichen Zuſtand, darinnen ihr Feinde
GOTTes ſeyd, und wie unter dem Fluche des
Geſetzes, alſo auch unter GOttes Zorn lieget.
Erkennet dabey die unverdiente hoͤchſte Gnade
und Wohlthat, daß der Sohn GOttes ſelbſt
iſt Menſch worden, und in angenommener
menſchlichen Natur alle eure Suͤnden-Schuld
und Strafe auf ſich genommen und abgetragen,
und euch alſo mit GOTT verſoͤhnet hat: und,
wie er euch dieſes verkuͤndigen laͤßt, alſo iſt er
zugleich bereit, euch ſeine Gnade zur Aenderung
und gaͤntzlichen Umkehrung eures Sinnes und
zur Anzuͤndung des Glaubens zu geben, um in
der Ordnung der Wiedergeburt, da ihr neue
Creaturen werden muͤſſet, euch die geſchehene
Verſoͤhnung zur Vergebung eurer Suͤnde, zur
Gerechtigkeit vor GOTT und zur Seligkeit zu-
zueignen, euer Hertz darinnen zu beruhigen und
zu erfreuen. Alles dieſes nun wird euch ange-
boten. Darum ſo laßt euch dieſer Verſoͤhnung
theilhaftig machen.
10. Man ſiehet hieraus die unendliche Lie-
be GOttes gegen das menſchliche Geſchlecht,
daß er nicht allein ungebeten das Mittel zur Ver-
ſoͤhnung ausgefunden, auch dieſe ſelbſt laſſen
ausgefuͤhret werden durch das Werck der Er-
loͤſung, ſondern es auch den Menſchen ſo freund-
lich laͤſſet antragen, ja, da er befehlen koͤnte,
auch in andern Faͤllen mit groſſem Ernſt befieh-
let, hierzu aber bittet und flehet und aufs aller
liebreichſte einladet. Wie unſer Heiland auch
in eigner Perſon thut, wenn er unter andern
ſagt: Kommet her zu mir alle, die ihr
muͤhſelig und beladen ſeyd, ich will euch
erquicken.
Matth. 11, 28. Wem ſolte dieſes
nicht zu Hertzen gehen und das Hertze nehmen
und es Chriſto zufuͤhren?
11. Und hieraus ſiehet man zugleich ein
Kennzeichen eines rechtſchaffnen Evangeli-
ſchen Lehrers,
welches iſt, daß er allewege
laſſe die Liebe herrſchen, und ſuche auch die
allerhaͤrteſten Hertzen mit Liebe zu erweichen.
Zwar muß es, zu rechter Zeit und am rechten Or-
te, am Ernſte und an ernſtlicher Einſchaͤrfung
des Geſetzes nicht fehlen; wie es denn auch Pau-
lus daran nicht fehlen laſſen: allein der Ernſt
und Eifer ſelbſt muß doch die Liebe zum Grunde
und zur Meiſterin haben und behalten, und der
Aufſchluß der Liebe in allen ſo mercklich ſeyn,
daß auch ein felſenhartes Hertz, wenn es ſich
nicht muthwillig verſtocken will, dadurch koͤn-
ne erweichet werden. Wie denn die Erfah-
rung lehret, daß durch den Weg der Liebe, der
doch auch nicht ohne einen heiligen Ernſt iſt, o-
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Draͤuungen.
12. Wenn
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[400/0428] Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 5, v. 20. ruͤhmen, daß er von CHriſto geſandt ſey? Sol- te denn CHriſtus wol Hirten ſenden, die ſelbſt noch keine Schafe worden ſind? Solte er die, welche da mit ihren herrſchenden Suͤnden wider GOTT ſtreiten, wol zu Botſchaftern des Frie- dens gebrauchen? Nimmermehr, Bileams Exempel war auſſerordentlich; und hat er auch die Wahrheit nicht oͤfter und weiter verkuͤndi- get, als ſo oft ſie ihm GOTT zu reden unmit- telbar eingab. Auſſer dem war er ein Verfuͤh- rer des Midianitiſchen und durch dieſes auch des Jſraelitiſchen Volckes. Hat gleich mancher eine Vocation, die vor Menſchen guͤltig iſt, dazu er auch ſelbſt nichts gethan hat: ſo iſt ſie doch nicht goͤttlich, wo einer nicht den Sinn CHriſti, ſondern der Welt hat. Denn unſer Heiland ſetzet keinen Bock zum Gaͤrtner, und machet keinen Mietling zum Hirten der Scha- fe. 6. GOTT vermahnet (und alſo auch lehret, beſtrafet und troͤſtet) durch uns, ſpricht Paulus. Das dienet den Lehrern zur Selbſt- Pruͤfung, ob ſie auch das Wort GOttes alle- zeit in ſolcher Einfalt und Lauterkeit vortragen, daß es koͤnne angeſehen werden, als vermahne, oder troͤſte GOTT durch ſie. O welch eine ſehr heilſame homiletiſche Regel iſt es, wenn ein Lehrer gedencket: Wie wuͤrde doch wol dein Heiland dieſes und jenes vortragen? Wie wuͤrde es Paulus machen? Solte auch wol CHriſtus, oder auch nur Pau- lus und Timotheus alſo reden, wie du? Gewiß dieſe Betrachtung, wo noch einige Furcht vor GOTT im Hertzen iſt, wuͤrde manches un- nuͤtzes und eiteles vom Vortrage abſchneiden, das Hertz des Lehrers auch in mehrere Ehr- Furcht vor GOTT ſetzen und folglich vielen Se- gen bey den Zuhoͤrern haben. 7. Nicht weniger haben auch Zuhoͤrer dieſe Worte Pauli wohl zu erwegen. Denn lehret und vermahnet GOTT durch die Lehrer; ſo haben wir es nicht ſo wol mit den Lehrern, als mit GOTT ſelbſt zu thun. Was kan einen mehr zur wahren Folgſamkeit reitzen, als eben dieſes? Und was ſolte einen kraͤftiger vom Un- gehorſam zuruͤck halten, als dieſes? Gewiß, nichts iſt, welches unter der Anhoͤrung des Worts die folgſame Aufmerckſamkeit mehr er- wecken kan, als wenn man in Ehr-Furcht vor GOTT an dieſe Worte gedencket: GOTT vermahnet durch uns. Siehe ietzo hoͤreſt du des HErrn Stimme. Darum heute, ſo ihr ſeine Stimme hoͤret, ſo verſtocket eure Hertzen nicht. Hebr. 4. Es ſind Worte von groſſer Wichtigkeit, wenn unſer Heiland ſaget: Wer euch hoͤret, der hoͤret mich: und wer euch verachtet, der verachtet mich: wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich geſandt hat. Luc. 10, 16. 8. Mit den Worten: So bitten wir nun an CHriſti ſtatt: Laſſet euch verſoͤh- nen mit GOTT! ſiehet Paulus zwar zuvor- derſt auf die Corinthier, und unter ihnen ſon- derlich auf die, welche dieſer Anrede noch ge- brauchten, auch bey communicirtem Briefe noch immer in mehrer Anzahl zur Chriſtlichen Ge- meine wuͤrden herzu gezogen werden: weil er a- ber von dem Amte des Evangelii insgemein re- det, ſo wol wie es verordnet, als wie es zu ver- walten ſey, ſo drucket er mit dieſen Worten den Haupt-Jnnhalt von allem dem aus, was er im Namen Chriſti vortrage, da es denn heiſ- ſe: Laſſet euch verſoͤhnen mit GOTT. 9. Der Verſtand dieſer Worte iſt: Er- kennet euren von Natur ſo gar ſuͤndlichen und verdammlichen Zuſtand, darinnen ihr Feinde GOTTes ſeyd, und wie unter dem Fluche des Geſetzes, alſo auch unter GOttes Zorn lieget. Erkennet dabey die unverdiente hoͤchſte Gnade und Wohlthat, daß der Sohn GOttes ſelbſt iſt Menſch worden, und in angenommener menſchlichen Natur alle eure Suͤnden-Schuld und Strafe auf ſich genommen und abgetragen, und euch alſo mit GOTT verſoͤhnet hat: und, wie er euch dieſes verkuͤndigen laͤßt, alſo iſt er zugleich bereit, euch ſeine Gnade zur Aenderung und gaͤntzlichen Umkehrung eures Sinnes und zur Anzuͤndung des Glaubens zu geben, um in der Ordnung der Wiedergeburt, da ihr neue Creaturen werden muͤſſet, euch die geſchehene Verſoͤhnung zur Vergebung eurer Suͤnde, zur Gerechtigkeit vor GOTT und zur Seligkeit zu- zueignen, euer Hertz darinnen zu beruhigen und zu erfreuen. Alles dieſes nun wird euch ange- boten. Darum ſo laßt euch dieſer Verſoͤhnung theilhaftig machen. 10. Man ſiehet hieraus die unendliche Lie- be GOttes gegen das menſchliche Geſchlecht, daß er nicht allein ungebeten das Mittel zur Ver- ſoͤhnung ausgefunden, auch dieſe ſelbſt laſſen ausgefuͤhret werden durch das Werck der Er- loͤſung, ſondern es auch den Menſchen ſo freund- lich laͤſſet antragen, ja, da er befehlen koͤnte, auch in andern Faͤllen mit groſſem Ernſt befieh- let, hierzu aber bittet und flehet und aufs aller liebreichſte einladet. Wie unſer Heiland auch in eigner Perſon thut, wenn er unter andern ſagt: Kommet her zu mir alle, die ihr muͤhſelig und beladen ſeyd, ich will euch erquicken. Matth. 11, 28. Wem ſolte dieſes nicht zu Hertzen gehen und das Hertze nehmen und es Chriſto zufuͤhren? 11. Und hieraus ſiehet man zugleich ein Kennzeichen eines rechtſchaffnen Evangeli- ſchen Lehrers, welches iſt, daß er allewege laſſe die Liebe herrſchen, und ſuche auch die allerhaͤrteſten Hertzen mit Liebe zu erweichen. Zwar muß es, zu rechter Zeit und am rechten Or- te, am Ernſte und an ernſtlicher Einſchaͤrfung des Geſetzes nicht fehlen; wie es denn auch Pau- lus daran nicht fehlen laſſen: allein der Ernſt und Eifer ſelbſt muß doch die Liebe zum Grunde und zur Meiſterin haben und behalten, und der Aufſchluß der Liebe in allen ſo mercklich ſeyn, daß auch ein felſenhartes Hertz, wenn es ſich nicht muthwillig verſtocken will, dadurch koͤn- ne erweichet werden. Wie denn die Erfah- rung lehret, daß durch den Weg der Liebe, der doch auch nicht ohne einen heiligen Ernſt iſt, o- der ſeyn muß, gemeiniglich mehr erhalten wird, als durch die ſtrengſten Befehle und haͤrteſten Draͤuungen. 12. Wenn

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/428>, abgerufen am 24.11.2024.