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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Erklärung des andern Briefs Pauli Cap. 3, 18.
[Spaltenumbruch]
b. Der Spiegel oder das Spiegeln.
c. Des HErrn Klarheit, und sein Bild,
welches man in dem Spiegel siehet, oder dar-
ein fällt.
d. Jn dasselbe Bild verkläret werden von einer
Klarheit zur andern.
e. Und wie dieses vom Geiste des HErrn geschie-
het.
2. Was das aufgedeckte Angesicht sey,
siehet man aus dem, was vorher stehet von einem
mit einer Decke behengten Angesichte, und aus
dem, wodurch nach v. 16. die Decke hinweg ge-
nommen wird. Nemlich gleichwie ein verdeck-
tes Angesicht ist ein noch unbekehrtes und also
noch blindes und unerleuchtetes Hertze; also ist
hingegen ein aufgedecktes Angesicht eine zu Chri-
sto wahrhaftig bekehrete und in der Ordnung
der Bekehrung zugleich auch erleuchtete Seele.
Wer nun von solcher Beschaffenheit ist, der hat
ein aufgedecktes Angesicht.
3. Der Spiegel sind sonderlich die Schrif-
ten des alten Testaments; wozu nun die Schrif-
ten der Evangelisten und Apostel gekommen sind.
Auf diese siehet Paulus 1 Cor. 13, 12. wenn er
spricht: Wir sehen itzt durch (oder in) einen
Spiegel,
und von den Schriften des alten Te-
staments hat der Apostel in diesem dritten Capi-
tel vorher geredet, daß sie mit der gantzen Mo-
saischen Oeconomie auch zwar an der Lehre von
CHristo ihre herrliche Klarheit hätten, und also
einem hellen Spiegel gleich wären, aber von
den Juden ihrer ihnen vor den Augen hangenden
Decke des Unglaubens und der Blindheit wegen
nicht eingesehen würden. Und kan GOttes
Wort gar füglich mit einem Spiegel vergli-
chen werden, und zwar wie in Ansehung der
Klarheit, welchen ein heller und reiner Spiegel
hat; also auch deßwegen, weil, was wir im
Spiegel sehen, wir noch nicht selbst im Wesen,
sondern nur ein repraesentirtes Bild davon se-
hen. Auf welche Art wir GOtt in diesem Le-
ben noch nicht von Angesicht zu Angesicht seinem
Wesen nach schauen, als welches erst in jenem
Leben geschehen wird 1 Joh. 3, 2. sondern in sei-
nem Worte mit den Augen der gläubigen Er-
käntniß.
4. Der HErr ist nach dem gantzen Con-
text
e CHristus, und seine doxa, Herrlich-
keit,
oder Klarheit ist die reale Wahrheit von
seiner Person, nach welcher er ist theanthropos,
GOtt-Mensch; und von seinem Mitleramte
in seinen beyden Ständen, der Erniedrigung
[Spaltenumbruch] und Erhöhung, nach welcher er ist unser Hoher-
priester, oder Erlöser und Seligmacher, auch
unser Prophet und König, unser Hirte und
Haupt. Jn welchen Haupt-Lehren nebst dem
vollkommnen geistlichen Verstande des Gesetzes
die Schriften des alten Testnments ihre Klar-
heit und Vortreflichkeit haben; als die da sind
das helle Licht des Evangelii von der
Klarheit CHristi
nach c. 4, 4.
5. Da nun gedachte Schriften diese Klar-
heit an sich selbst in sich haben, und gleichsam in
sich praesentiren und von sich werfen, wie ein
Spiegel, so kan es nicht anders seyn, als daß
einer, der mit einem aufgedeckten Angesichte da-
vor tritt, ausser dem, daß er sich selbst darinnen
beschauet oder recht erkennen lernet, die ge-
dachte Herrlichkeit CHristi siehet. Und dieses
ist denn ein solches Sehen, ein solches Schauen,
wodurch der glaubige Mensch gleichsam auch
selbst zum aufgedeckten Spiegel wird, in wel-
chen die Klarheit CHristi aus dem Spiegel des
Worts also hinein fält, und sein Bild sich also in
ihn eindrucket, auch in ihm abgedrucket wird,
daß das Bild CHristi in ihm immer mehr ver-
kläret und also das verlohrne Ebenbild GOttes
in ihm angerichtet wird. Welche Verklärung
denn geschiehet Stufenweise von einer Klar-
heit zu der andern,
sowol in Ansehung des
göttlichen Worts, welches eine Tiefe und Herr-
lichkeit CHristi nach der andern und über die
andere in sich hat; als auch wegen unserer schwa-
chen Fassung, nach welcher wir in der Erkäntniß
der Herrlichkeit CHristi und der damit verknüpf-
ten Erneurung stufenweise gehen.
6. Da nun das Amt des Heiligen Geistes
darinnen eben bestehet, daß er als der Geist
CHristi CHristum verkläre Joh. 16, 14. so
saget Paulus dazu, daß diese Verklärung, durch
welche wir immer mehr und mehr und von einer
Kraft zur andern Ps. 84, 8. in das Bild CHristi
verkläret werden, vom Geiste des HErrn ge-
schehe: da denn die particula kathaper, als, so
viel bedeutet, als os, oder als das Caph verita-
tis
bey den Hebräern, welches die Bedeutung
einer Sachen nicht verringert, sondern eher ver-
grössert.
7. Jm übrigen siehet man aus diesem schö-
nen Spruche die rechte und grosse Realität des
Christenthums, als einen fürtreflichen Chara-
cter
von der Wahrheit der christlichen Religion;
da sich das, was Paulus bezeuget, bey den Glau-
bigen in der That also befindet.
Das
Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 3, 18.
[Spaltenumbruch]
b. Der Spiegel oder das Spiegeln.
c. Des HErrn Klarheit, und ſein Bild,
welches man in dem Spiegel ſiehet, oder dar-
ein faͤllt.
d. Jn daſſelbe Bild verklaͤret werden von einer
Klarheit zur andern.
e. Und wie dieſes vom Geiſte des HErrn geſchie-
het.
2. Was das aufgedeckte Angeſicht ſey,
ſiehet man aus dem, was vorher ſtehet von einem
mit einer Decke behengten Angeſichte, und aus
dem, wodurch nach v. 16. die Decke hinweg ge-
nommen wird. Nemlich gleichwie ein verdeck-
tes Angeſicht iſt ein noch unbekehrtes und alſo
noch blindes und unerleuchtetes Hertze; alſo iſt
hingegen ein aufgedecktes Angeſicht eine zu Chri-
ſto wahrhaftig bekehrete und in der Ordnung
der Bekehrung zugleich auch erleuchtete Seele.
Wer nun von ſolcher Beſchaffenheit iſt, der hat
ein aufgedecktes Angeſicht.
3. Der Spiegel ſind ſonderlich die Schrif-
ten des alten Teſtaments; wozu nun die Schrif-
ten der Evangeliſten und Apoſtel gekommen ſind.
Auf dieſe ſiehet Paulus 1 Cor. 13, 12. wenn er
ſpricht: Wir ſehen itzt durch (oder in) einen
Spiegel,
und von den Schriften des alten Te-
ſtaments hat der Apoſtel in dieſem dritten Capi-
tel vorher geredet, daß ſie mit der gantzen Mo-
ſaiſchen Oeconomie auch zwar an der Lehre von
CHriſto ihre herrliche Klarheit haͤtten, und alſo
einem hellen Spiegel gleich waͤren, aber von
den Juden ihrer ihnen vor den Augen hangenden
Decke des Unglaubens und der Blindheit wegen
nicht eingeſehen wuͤrden. Und kan GOttes
Wort gar fuͤglich mit einem Spiegel vergli-
chen werden, und zwar wie in Anſehung der
Klarheit, welchen ein heller und reiner Spiegel
hat; alſo auch deßwegen, weil, was wir im
Spiegel ſehen, wir noch nicht ſelbſt im Weſen,
ſondern nur ein repræſentirtes Bild davon ſe-
hen. Auf welche Art wir GOtt in dieſem Le-
ben noch nicht von Angeſicht zu Angeſicht ſeinem
Weſen nach ſchauen, als welches erſt in jenem
Leben geſchehen wird 1 Joh. 3, 2. ſondern in ſei-
nem Worte mit den Augen der glaͤubigen Er-
kaͤntniß.
4. Der HErr iſt nach dem gantzen Con-
text
e CHriſtus, und ſeine δόξα, Herrlich-
keit,
oder Klarheit iſt die reale Wahrheit von
ſeiner Perſon, nach welcher er iſt ϑεάνϑρωπος,
GOtt-Menſch; und von ſeinem Mitleramte
in ſeinen beyden Staͤnden, der Erniedrigung
[Spaltenumbruch] und Erhoͤhung, nach welcher er iſt unſer Hoher-
prieſter, oder Erloͤſer und Seligmacher, auch
unſer Prophet und Koͤnig, unſer Hirte und
Haupt. Jn welchen Haupt-Lehren nebſt dem
vollkommnen geiſtlichen Verſtande des Geſetzes
die Schriften des alten Teſtnments ihre Klar-
heit und Vortreflichkeit haben; als die da ſind
das helle Licht des Evangelii von der
Klarheit CHriſti
nach c. 4, 4.
5. Da nun gedachte Schriften dieſe Klar-
heit an ſich ſelbſt in ſich haben, und gleichſam in
ſich præſentiren und von ſich werfen, wie ein
Spiegel, ſo kan es nicht anders ſeyn, als daß
einer, der mit einem aufgedeckten Angeſichte da-
vor tritt, auſſer dem, daß er ſich ſelbſt darinnen
beſchauet oder recht erkennen lernet, die ge-
dachte Herrlichkeit CHriſti ſiehet. Und dieſes
iſt denn ein ſolches Sehen, ein ſolches Schauen,
wodurch der glaubige Menſch gleichſam auch
ſelbſt zum aufgedeckten Spiegel wird, in wel-
chen die Klarheit CHriſti aus dem Spiegel des
Worts alſo hinein faͤlt, und ſein Bild ſich alſo in
ihn eindrucket, auch in ihm abgedrucket wird,
daß das Bild CHriſti in ihm immer mehr ver-
klaͤret und alſo das verlohrne Ebenbild GOttes
in ihm angerichtet wird. Welche Verklaͤrung
denn geſchiehet Stufenweiſe von einer Klar-
heit zu der andern,
ſowol in Anſehung des
goͤttlichen Worts, welches eine Tiefe und Herr-
lichkeit CHriſti nach der andern und uͤber die
andere in ſich hat; als auch wegen unſerer ſchwa-
chen Faſſung, nach welcher wir in der Erkaͤntniß
der Herrlichkeit CHriſti und der damit verknuͤpf-
ten Erneurung ſtufenweiſe gehen.
6. Da nun das Amt des Heiligen Geiſtes
darinnen eben beſtehet, daß er als der Geiſt
CHriſti CHriſtum verklaͤre Joh. 16, 14. ſo
ſaget Paulus dazu, daß dieſe Verklaͤrung, durch
welche wir immer mehr und mehr und von einer
Kraft zur andern Pſ. 84, 8. in das Bild CHriſti
verklaͤret werden, vom Geiſte des HErrn ge-
ſchehe: da denn die particula καϑάπερ, als, ſo
viel bedeutet, als ὡς, oder als das Caph verita-
tis
bey den Hebraͤern, welches die Bedeutung
einer Sachen nicht verringert, ſondern eher ver-
groͤſſert.
7. Jm uͤbrigen ſiehet man aus dieſem ſchoͤ-
nen Spruche die rechte und groſſe Realitaͤt des
Chriſtenthums, als einen fuͤrtreflichen Chara-
cter
von der Wahrheit der chriſtlichen Religion;
da ſich das, was Paulus bezeuget, bey den Glau-
bigen in der That alſo befindet.
Das
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[374/0402] Erklaͤrung des andern Briefs Pauli Cap. 3, 18. b. Der Spiegel oder das Spiegeln. c. Des HErrn Klarheit, und ſein Bild, welches man in dem Spiegel ſiehet, oder dar- ein faͤllt. d. Jn daſſelbe Bild verklaͤret werden von einer Klarheit zur andern. e. Und wie dieſes vom Geiſte des HErrn geſchie- het. 2. Was das aufgedeckte Angeſicht ſey, ſiehet man aus dem, was vorher ſtehet von einem mit einer Decke behengten Angeſichte, und aus dem, wodurch nach v. 16. die Decke hinweg ge- nommen wird. Nemlich gleichwie ein verdeck- tes Angeſicht iſt ein noch unbekehrtes und alſo noch blindes und unerleuchtetes Hertze; alſo iſt hingegen ein aufgedecktes Angeſicht eine zu Chri- ſto wahrhaftig bekehrete und in der Ordnung der Bekehrung zugleich auch erleuchtete Seele. Wer nun von ſolcher Beſchaffenheit iſt, der hat ein aufgedecktes Angeſicht. 3. Der Spiegel ſind ſonderlich die Schrif- ten des alten Teſtaments; wozu nun die Schrif- ten der Evangeliſten und Apoſtel gekommen ſind. Auf dieſe ſiehet Paulus 1 Cor. 13, 12. wenn er ſpricht: Wir ſehen itzt durch (oder in) einen Spiegel, und von den Schriften des alten Te- ſtaments hat der Apoſtel in dieſem dritten Capi- tel vorher geredet, daß ſie mit der gantzen Mo- ſaiſchen Oeconomie auch zwar an der Lehre von CHriſto ihre herrliche Klarheit haͤtten, und alſo einem hellen Spiegel gleich waͤren, aber von den Juden ihrer ihnen vor den Augen hangenden Decke des Unglaubens und der Blindheit wegen nicht eingeſehen wuͤrden. Und kan GOttes Wort gar fuͤglich mit einem Spiegel vergli- chen werden, und zwar wie in Anſehung der Klarheit, welchen ein heller und reiner Spiegel hat; alſo auch deßwegen, weil, was wir im Spiegel ſehen, wir noch nicht ſelbſt im Weſen, ſondern nur ein repræſentirtes Bild davon ſe- hen. Auf welche Art wir GOtt in dieſem Le- ben noch nicht von Angeſicht zu Angeſicht ſeinem Weſen nach ſchauen, als welches erſt in jenem Leben geſchehen wird 1 Joh. 3, 2. ſondern in ſei- nem Worte mit den Augen der glaͤubigen Er- kaͤntniß. 4. Der HErr iſt nach dem gantzen Con- texte CHriſtus, und ſeine δόξα, Herrlich- keit, oder Klarheit iſt die reale Wahrheit von ſeiner Perſon, nach welcher er iſt ϑεάνϑρωπος, GOtt-Menſch; und von ſeinem Mitleramte in ſeinen beyden Staͤnden, der Erniedrigung und Erhoͤhung, nach welcher er iſt unſer Hoher- prieſter, oder Erloͤſer und Seligmacher, auch unſer Prophet und Koͤnig, unſer Hirte und Haupt. Jn welchen Haupt-Lehren nebſt dem vollkommnen geiſtlichen Verſtande des Geſetzes die Schriften des alten Teſtnments ihre Klar- heit und Vortreflichkeit haben; als die da ſind das helle Licht des Evangelii von der Klarheit CHriſti nach c. 4, 4. 5. Da nun gedachte Schriften dieſe Klar- heit an ſich ſelbſt in ſich haben, und gleichſam in ſich præſentiren und von ſich werfen, wie ein Spiegel, ſo kan es nicht anders ſeyn, als daß einer, der mit einem aufgedeckten Angeſichte da- vor tritt, auſſer dem, daß er ſich ſelbſt darinnen beſchauet oder recht erkennen lernet, die ge- dachte Herrlichkeit CHriſti ſiehet. Und dieſes iſt denn ein ſolches Sehen, ein ſolches Schauen, wodurch der glaubige Menſch gleichſam auch ſelbſt zum aufgedeckten Spiegel wird, in wel- chen die Klarheit CHriſti aus dem Spiegel des Worts alſo hinein faͤlt, und ſein Bild ſich alſo in ihn eindrucket, auch in ihm abgedrucket wird, daß das Bild CHriſti in ihm immer mehr ver- klaͤret und alſo das verlohrne Ebenbild GOttes in ihm angerichtet wird. Welche Verklaͤrung denn geſchiehet Stufenweiſe von einer Klar- heit zu der andern, ſowol in Anſehung des goͤttlichen Worts, welches eine Tiefe und Herr- lichkeit CHriſti nach der andern und uͤber die andere in ſich hat; als auch wegen unſerer ſchwa- chen Faſſung, nach welcher wir in der Erkaͤntniß der Herrlichkeit CHriſti und der damit verknuͤpf- ten Erneurung ſtufenweiſe gehen. 6. Da nun das Amt des Heiligen Geiſtes darinnen eben beſtehet, daß er als der Geiſt CHriſti CHriſtum verklaͤre Joh. 16, 14. ſo ſaget Paulus dazu, daß dieſe Verklaͤrung, durch welche wir immer mehr und mehr und von einer Kraft zur andern Pſ. 84, 8. in das Bild CHriſti verklaͤret werden, vom Geiſte des HErrn ge- ſchehe: da denn die particula καϑάπερ, als, ſo viel bedeutet, als ὡς, oder als das Caph verita- tis bey den Hebraͤern, welches die Bedeutung einer Sachen nicht verringert, ſondern eher ver- groͤſſert. 7. Jm uͤbrigen ſiehet man aus dieſem ſchoͤ- nen Spruche die rechte und groſſe Realitaͤt des Chriſtenthums, als einen fuͤrtreflichen Chara- cter von der Wahrheit der chriſtlichen Religion; da ſich das, was Paulus bezeuget, bey den Glau- bigen in der That alſo befindet. Das

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/402>, abgerufen am 24.11.2024.