Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 15, v. 30-33. [Spaltenumbruch]
Grunde setzet, daß Leib und Seel, weil sie nachder Schöpfung GOttes zum Wesen des gan- tzen Menschen gehören, wieder vereiniget wer- den müssen, wie sie vereiniget gewesen sind; und wie daß er gar nicht zugiebet, daß die uusterb- liche Seele ohne den Leib im ewigen Leben seyn und bleiben könne, oder solle. Wie es denn auch geschehen ist, daß Leute, welche die Auf- erstehung der Todten geleugnet haben, aus die- sem Jrrthum endlich auch dahin verfallen sind, daß sie auch die Unsterblichkeit der Seele in Zweifel gezogen haben. V. 31. Bey unserm Ruhm, den ich habe in Anmerckung. Die Worte: Bey unserm Ruhm, (oder V. 32. Habe ich menschlicher weise zu Ephe- Anmerckungen. Daß Paulus solte zu Ephesus im eigentli- 2. Die Worte kat' anthropon, menschli- 3. Bey den Worten der Epicurer sehe man V. 33. Lasset euch nicht verführen (durch sol- Anmerckungen. 1. Da Paulus nicht allein hier, sondern auch 2. Daß man auch noch heute zu Tage mit sehen
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 15, v. 30-33. [Spaltenumbruch]
Grunde ſetzet, daß Leib und Seel, weil ſie nachder Schoͤpfung GOttes zum Weſen des gan- tzen Menſchen gehoͤren, wieder vereiniget wer- den muͤſſen, wie ſie vereiniget geweſen ſind; und wie daß er gar nicht zugiebet, daß die uuſterb- liche Seele ohne den Leib im ewigen Leben ſeyn und bleiben koͤnne, oder ſolle. Wie es denn auch geſchehen iſt, daß Leute, welche die Auf- erſtehung der Todten geleugnet haben, aus die- ſem Jrrthum endlich auch dahin verfallen ſind, daß ſie auch die Unſterblichkeit der Seele in Zweifel gezogen haben. V. 31. Bey unſerm Ruhm, den ich habe in Anmerckung. Die Worte: Bey unſerm Ruhm, (oder V. 32. Habe ich menſchlicher weiſe zu Ephe- Anmerckungen. Daß Paulus ſolte zu Epheſus im eigentli- 2. Die Worte κατ᾽ ἄνϑρωπον, menſchli- 3. Bey den Worten der Epicurer ſehe man V. 33. Laſſet euch nicht verfuͤhren (durch ſol- Anmerckungen. 1. Da Paulus nicht allein hier, ſondern auch 2. Daß man auch noch heute zu Tage mit ſehen
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Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 15, v. 30-33.
Grunde ſetzet, daß Leib und Seel, weil ſie nach
der Schoͤpfung GOttes zum Weſen des gan-
tzen Menſchen gehoͤren, wieder vereiniget wer-
den muͤſſen, wie ſie vereiniget geweſen ſind; und
wie daß er gar nicht zugiebet, daß die uuſterb-
liche Seele ohne den Leib im ewigen Leben ſeyn
und bleiben koͤnne, oder ſolle. Wie es denn
auch geſchehen iſt, daß Leute, welche die Auf-
erſtehung der Todten geleugnet haben, aus die-
ſem Jrrthum endlich auch dahin verfallen ſind,
daß ſie auch die Unſterblichkeit der Seele in
Zweifel gezogen haben.
V. 31.
Bey unſerm Ruhm, den ich habe in
Chriſto JEſu, ich ſterbe taͤglich.
Anmerckung.
Die Worte: Bey unſerm Ruhm, (oder
bey unſerer Glaubens-Freudigkeit und guten
Zuverſicht) iſt eine ſolche Redens-Art, womit
etwas unter einer gewiſſen Verſicherung bezeu-
get wird. Und iſt der Verſtand dieſer: So
gewiß als ich deſſen in Freudigkeit verſichert bin,
daß ich CHriſtum angehoͤre und unter andern
ihr auch das Siegel meines Apoſtel-Amts ſeyd
(1 Cor. 9, 1. 2 Cor. 7, 4.) und ſo gewiß ich vie-
le um des Namens JEſu willen uͤberſtandene
Leidenſchaften fuͤr mich anfuͤhren kan, ſo gewiß
iſt es, daß mein Leben gleichſam ein beſtaͤndi-
ges Sterben iſt, da ich unter ſo vieler Verfol-
gung ſtets in der Gefahr des Todes ſtehe, und
mich dazu gefaſt halte; aber in dem allen un-
ter andern Troſt-Gruͤnden mich auch ſonderlich
im Glauben in der gewiſſen Hoffnung der Auf-
erſtehung von den Todten ſtaͤrcke. Und alſo be-
kraͤftiget der Apoſtel hiemit, was er zuvor v.
30. geſaget hatte, daß er alle Stunden in der
Gefahr ſtehe. Siehe 1 Cor. 4, 9. ſeqq. 2 Cor.
1, 8. ſeqq. 11. 12.
V. 32.
Habe ich menſchlicher weiſe zu Ephe-
ſo mit den wilden Thieren gefochten? was
hilft michs, ſo die Todten nicht auferſte-
hen? (viel mehr moͤchten wir ſo denn auch mit
den Epicuraͤern ſagen:) Laſſet uns eſſen und
trincken, (wohl leben nach dem Fleiſche,)
denn morgen (oder doch bald,) ſind wir
todt, (und denn iſt mit uns alles aus.)
Anmerckungen.
Daß Paulus ſolte zu Epheſus im eigentli-
chen Verſtande mit den wilden Thieren gekaͤm-
pfet haben, iſt nicht vermuthlich, weil Lucas
in der Apoſtel-Geſchichte, da er ziemlich aus-
fuͤhrlich erzaͤhlet, was Paulo daſelbſt wiederfah-
ren, davon gar nichts gedencket: welches er
doch, als eine ſehr wichtige Sache, nicht wuͤr-
de uͤbergangen haben. Zu dem ſchicket ſich
auch das Wort ϑηρεομαχεῖν dazu nicht. Denn
wenn die Chriſten mit wilden Thieren, ſonder-
lich den Loͤwen, es zu thun hatten, ſo kaͤmpfe-
ten ſie nicht mit ihnen, als mit ihrem Gegen-
part, ihnen zu widerſtehen, ſondern ſie wurden
denſelben vorgeworfen, als Schlacht-Schafe,
die ſich ihnen ohne alle Widerſetzung, die ohne
das gantz vergeblich geweſen ſeyn wuͤrde, bereit-
willig uͤberlieſſen; wie wir von Ignatio und an-
dern Maͤrtyrern wiſſen. Es werden demnach
durch die Thiere verſtanden wilde und grimmi-
ge Menſchen und Feinde der Wahrheit, welche
auch ſonſt in der heiligen Schrift, und auch in
allen andern Sprachen mit den wilden Thieren
verglichen werden. Denn da dieſe Paulo zwar
nach dem Leben ſtunden, er aber ſich ihnen mit
der Wahrheit und Vorſtellung ſeiner Unſchuld
widerſetzte, und aus vieler Noth und Gefahr
noch immer errettet wurde, ſo nennet er ſolches
billig einen Thier-Kampf. Man ſehe davon
unter andern die ſchon angefuͤhrten Stellen
Rom. 8, 35. ſeqq. 1 Cor. 4, 9. ſeqq. 2 Cor. 11.
und 2 Cor. 1, 8. heißt es: Wir wollen euch
nicht verhalten, lieben Bruͤder, unſere
Truͤbſal, die uns in Aſia, (das iſt ſonderlich
zu Epheſus,) wiederfahren iſt, da wir uͤber
die Maaſſe beſchweret waren, und uͤber
Macht, alſo daß wir uns des Lebens er-
wogen, und bey uns beſchloſſen hatten,
(nicht anders meinten,) wir muͤſten ſterben
u. ſ. w.
2. Die Worte κατ᾽ ἄνϑρωπον, menſchli-
cher Weiſe, koͤnnen fuͤglich alſo verſtanden wer-
den, daß menſchlicher Weiſe heißt nach dem
aͤuſſerlichen Menſchen, alſo daß ich dieſen, und
dabey das Leben ſelbſt in Gefahr geſetzet. Da
ich nun das gethan habe, ſo muß ich ja die Aufer-
ſtehung von den Todten glauben. Denn wie
haͤtte ich ſonſt zu einer ſolchen Glaubens-Freu-
digkeit kommen koͤnnen?
3. Bey den Worten der Epicurer ſehe man
Jeſ. 22, 13. 46, 11. B. der Weish. 2, 6. ſeqq.
V. 33.
Laſſet euch nicht verfuͤhren (durch ſol-
che aͤrgerliche und unchriſtliche, auch unvernuͤnf-
tige reden:) Denn boͤſe Geſchwaͤtze (in boͤſer
Geſellſchaft) verderben gute Sitten (wie
auch ſelbſt der heidniſche Poet Menander geſa-
get, und damit das rohe Epicuriſche Weſen und
Geſchwaͤtz widerleget hat.
Anmerckungen.
1. Da Paulus nicht allein hier, ſondern auch
Ap. Geſch. 18, 28. aus dem Arato, und Tit. 1,
12. aus dem Epimenide, welche beyde auch heid-
niſche Philoſophi und Poeten geweſen, gewiſſe
Ausſpruͤche anfuͤhret; ſo ſiehet man hieraus fol-
gendes: 1. Daß er ſie in ſeinen juͤngern Jahren,
da er den Studiis zu Tarſus obgelegen, geleſen, und
daraus nach der Leitung des Heiligen Geiſtes
dasjenige allegiret hat, was er den heidniſchen
Philoſophis zu Corinthus und anderwaͤrtig ent-
gegen ſetzen konte.
2. Daß man auch noch heute zu Tage mit
gutem Gewiſſen ſolche Schriften der Heiden,
welche nicht mit aͤrgerlichen Dingen angefuͤllet
ſind, leſen, ſie auch bey dieſer und jener Gelegen-
heit gebrauchen koͤnne. Daß man aber weder die
wahre Weisheit darinnen zu ſuchen und zu fin-
den habe, noch mit ihrem oͤſtern Gebrauch ſich
ſehen
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