Erklärung des ersten Briefs Pauli Cap. 15, v. 30-33.
[Spaltenumbruch]
Grunde setzet, daß Leib und Seel, weil sie nach der Schöpfung GOttes zum Wesen des gan- tzen Menschen gehören, wieder vereiniget wer- den müssen, wie sie vereiniget gewesen sind; und wie daß er gar nicht zugiebet, daß die uusterb- liche Seele ohne den Leib im ewigen Leben seyn und bleiben könne, oder solle. Wie es denn auch geschehen ist, daß Leute, welche die Auf- erstehung der Todten geleugnet haben, aus die- sem Jrrthum endlich auch dahin verfallen sind, daß sie auch die Unsterblichkeit der Seele in Zweifel gezogen haben.
V. 31.
Bey unserm Ruhm, den ich habe in Christo JEsu, ich sterbe täglich.
Anmerckung.
Die Worte: Bey unserm Ruhm, (oder bey unserer Glaubens-Freudigkeit und guten Zuversicht) ist eine solche Redens-Art, womit etwas unter einer gewissen Versicherung bezeu- get wird. Und ist der Verstand dieser: So gewiß als ich dessen in Freudigkeit versichert bin, daß ich CHristum angehöre und unter andern ihr auch das Siegel meines Apostel-Amts seyd (1 Cor. 9, 1. 2 Cor. 7, 4.) und so gewiß ich vie- le um des Namens JEsu willen überstandene Leidenschaften für mich anführen kan, so gewiß ist es, daß mein Leben gleichsam ein beständi- ges Sterben ist, da ich unter so vieler Verfol- gung stets in der Gefahr des Todes stehe, und mich dazu gefast halte; aber in dem allen un- ter andern Trost-Gründen mich auch sonderlich im Glauben in der gewissen Hoffnung der Auf- erstehung von den Todten stärcke. Und also be- kräftiget der Apostel hiemit, was er zuvor v. 30. gesaget hatte, daß er alle Stunden in der Gefahr stehe. Siehe 1 Cor. 4, 9. seqq. 2 Cor. 1, 8. seqq. 11. 12.
V. 32.
Habe ich menschlicher weise zu Ephe- so mit den wilden Thieren gefochten? was hilft michs, so die Todten nicht auferste- hen? (viel mehr möchten wir so denn auch mit den Epicuräern sagen:) Lasset uns essen und trincken, (wohl leben nach dem Fleische,) denn morgen (oder doch bald,) sind wir todt, (und denn ist mit uns alles aus.)
Anmerckungen.
Daß Paulus solte zu Ephesus im eigentli- chen Verstande mit den wilden Thieren gekäm- pfet haben, ist nicht vermuthlich, weil Lucas in der Apostel-Geschichte, da er ziemlich aus- führlich erzählet, was Paulo daselbst wiederfah- ren, davon gar nichts gedencket: welches er doch, als eine sehr wichtige Sache, nicht wür- de übergangen haben. Zu dem schicket sich auch das Wort thereomakhein dazu nicht. Denn wenn die Christen mit wilden Thieren, sonder- lich den Löwen, es zu thun hatten, so kämpfe- ten sie nicht mit ihnen, als mit ihrem Gegen- part, ihnen zu widerstehen, sondern sie wurden denselben vorgeworfen, als Schlacht-Schafe, [Spaltenumbruch]
die sich ihnen ohne alle Widersetzung, die ohne das gantz vergeblich gewesen seyn würde, bereit- willig überliessen; wie wir von Ignatio und an- dern Märtyrern wissen. Es werden demnach durch die Thiere verstanden wilde und grimmi- ge Menschen und Feinde der Wahrheit, welche auch sonst in der heiligen Schrift, und auch in allen andern Sprachen mit den wilden Thieren verglichen werden. Denn da diese Paulo zwar nach dem Leben stunden, er aber sich ihnen mit der Wahrheit und Vorstellung seiner Unschuld widersetzte, und aus vieler Noth und Gefahr noch immer errettet wurde, so nennet er solches billig einen Thier-Kampf. Man sehe davon unter andern die schon angeführten Stellen Rom. 8, 35. seqq. 1 Cor. 4, 9. seqq. 2 Cor. 11. und 2 Cor. 1, 8. heißt es: Wir wollen euch nicht verhalten, lieben Brüder, unsere Trübsal, die uns in Asia, (das ist sonderlich zu Ephesus,) wiederfahren ist, da wir über die Maasse beschweret waren, und über Macht, also daß wir uns des Lebens er- wogen, und bey uns beschlossen hatten, (nicht anders meinten,) wir müsten sterben u. s. w.
2. Die Worte kat' anthropon, menschli- cher Weise, können füglich also verstanden wer- den, daß menschlicher Weise heißt nach dem äusserlichen Menschen, also daß ich diesen, und dabey das Leben selbst in Gefahr gesetzet. Da ich nun das gethan habe, so muß ich ja die Aufer- stehung von den Todten glauben. Denn wie hätte ich sonst zu einer solchen Glaubens-Freu- digkeit kommen können?
3. Bey den Worten der Epicurer sehe man Jes. 22, 13. 46, 11. B. der Weish. 2, 6. seqq.
V. 33.
Lasset euch nicht verführen (durch sol- che ärgerliche und unchristliche, auch unvernünf- tige reden:) Denn böse Geschwätze (in böser Gesellschaft) verderben gute Sitten (wie auch selbst der heidnische Poet Menander gesa- get, und damit das rohe Epicurische Wesen und Geschwätz widerleget hat.
Anmerckungen.
1. Da Paulus nicht allein hier, sondern auch Ap. Gesch. 18, 28. aus dem Arato, und Tit. 1, 12. aus dem Epimenide, welche beyde auch heid- nische Philosophi und Poeten gewesen, gewisse Aussprüche anführet; so siehet man hieraus fol- gendes: 1. Daß er sie in seinen jüngern Jahren, da er den Studiis zu Tarsus obgelegen, gelesen, und daraus nach der Leitung des Heiligen Geistes dasjenige allegiret hat, was er den heidnischen Philosophis zu Corinthus und anderwärtig ent- gegen setzen konte.
2. Daß man auch noch heute zu Tage mit gutem Gewissen solche Schriften der Heiden, welche nicht mit ärgerlichen Dingen angefüllet sind, lesen, sie auch bey dieser und jener Gelegen- heit gebrauchen könne. Daß man aber weder die wahre Weisheit darinnen zu suchen und zu fin- den habe, noch mit ihrem östern Gebrauch sich
sehen
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 15, v. 30-33.
[Spaltenumbruch]
Grunde ſetzet, daß Leib und Seel, weil ſie nach der Schoͤpfung GOttes zum Weſen des gan- tzen Menſchen gehoͤren, wieder vereiniget wer- den muͤſſen, wie ſie vereiniget geweſen ſind; und wie daß er gar nicht zugiebet, daß die uuſterb- liche Seele ohne den Leib im ewigen Leben ſeyn und bleiben koͤnne, oder ſolle. Wie es denn auch geſchehen iſt, daß Leute, welche die Auf- erſtehung der Todten geleugnet haben, aus die- ſem Jrrthum endlich auch dahin verfallen ſind, daß ſie auch die Unſterblichkeit der Seele in Zweifel gezogen haben.
V. 31.
Bey unſerm Ruhm, den ich habe in Chriſto JEſu, ich ſterbe taͤglich.
Anmerckung.
Die Worte: Bey unſerm Ruhm, (oder bey unſerer Glaubens-Freudigkeit und guten Zuverſicht) iſt eine ſolche Redens-Art, womit etwas unter einer gewiſſen Verſicherung bezeu- get wird. Und iſt der Verſtand dieſer: So gewiß als ich deſſen in Freudigkeit verſichert bin, daß ich CHriſtum angehoͤre und unter andern ihr auch das Siegel meines Apoſtel-Amts ſeyd (1 Cor. 9, 1. 2 Cor. 7, 4.) und ſo gewiß ich vie- le um des Namens JEſu willen uͤberſtandene Leidenſchaften fuͤr mich anfuͤhren kan, ſo gewiß iſt es, daß mein Leben gleichſam ein beſtaͤndi- ges Sterben iſt, da ich unter ſo vieler Verfol- gung ſtets in der Gefahr des Todes ſtehe, und mich dazu gefaſt halte; aber in dem allen un- ter andern Troſt-Gruͤnden mich auch ſonderlich im Glauben in der gewiſſen Hoffnung der Auf- erſtehung von den Todten ſtaͤrcke. Und alſo be- kraͤftiget der Apoſtel hiemit, was er zuvor v. 30. geſaget hatte, daß er alle Stunden in der Gefahr ſtehe. Siehe 1 Cor. 4, 9. ſeqq. 2 Cor. 1, 8. ſeqq. 11. 12.
V. 32.
Habe ich menſchlicher weiſe zu Ephe- ſo mit den wilden Thieren gefochten? was hilft michs, ſo die Todten nicht auferſte- hen? (viel mehr moͤchten wir ſo denn auch mit den Epicuraͤern ſagen:) Laſſet uns eſſen und trincken, (wohl leben nach dem Fleiſche,) denn morgen (oder doch bald,) ſind wir todt, (und denn iſt mit uns alles aus.)
Anmerckungen.
Daß Paulus ſolte zu Epheſus im eigentli- chen Verſtande mit den wilden Thieren gekaͤm- pfet haben, iſt nicht vermuthlich, weil Lucas in der Apoſtel-Geſchichte, da er ziemlich aus- fuͤhrlich erzaͤhlet, was Paulo daſelbſt wiederfah- ren, davon gar nichts gedencket: welches er doch, als eine ſehr wichtige Sache, nicht wuͤr- de uͤbergangen haben. Zu dem ſchicket ſich auch das Wort ϑηρεομαχεῖν dazu nicht. Denn wenn die Chriſten mit wilden Thieren, ſonder- lich den Loͤwen, es zu thun hatten, ſo kaͤmpfe- ten ſie nicht mit ihnen, als mit ihrem Gegen- part, ihnen zu widerſtehen, ſondern ſie wurden denſelben vorgeworfen, als Schlacht-Schafe, [Spaltenumbruch]
die ſich ihnen ohne alle Widerſetzung, die ohne das gantz vergeblich geweſen ſeyn wuͤrde, bereit- willig uͤberlieſſen; wie wir von Ignatio und an- dern Maͤrtyrern wiſſen. Es werden demnach durch die Thiere verſtanden wilde und grimmi- ge Menſchen und Feinde der Wahrheit, welche auch ſonſt in der heiligen Schrift, und auch in allen andern Sprachen mit den wilden Thieren verglichen werden. Denn da dieſe Paulo zwar nach dem Leben ſtunden, er aber ſich ihnen mit der Wahrheit und Vorſtellung ſeiner Unſchuld widerſetzte, und aus vieler Noth und Gefahr noch immer errettet wurde, ſo nennet er ſolches billig einen Thier-Kampf. Man ſehe davon unter andern die ſchon angefuͤhrten Stellen Rom. 8, 35. ſeqq. 1 Cor. 4, 9. ſeqq. 2 Cor. 11. und 2 Cor. 1, 8. heißt es: Wir wollen euch nicht verhalten, lieben Bruͤder, unſere Truͤbſal, die uns in Aſia, (das iſt ſonderlich zu Epheſus,) wiederfahren iſt, da wir uͤber die Maaſſe beſchweret waren, und uͤber Macht, alſo daß wir uns des Lebens er- wogen, und bey uns beſchloſſen hatten, (nicht anders meinten,) wir muͤſten ſterben u. ſ. w.
2. Die Worte κατ᾽ ἄνϑρωπον, menſchli- cher Weiſe, koͤnnen fuͤglich alſo verſtanden wer- den, daß menſchlicher Weiſe heißt nach dem aͤuſſerlichen Menſchen, alſo daß ich dieſen, und dabey das Leben ſelbſt in Gefahr geſetzet. Da ich nun das gethan habe, ſo muß ich ja die Aufer- ſtehung von den Todten glauben. Denn wie haͤtte ich ſonſt zu einer ſolchen Glaubens-Freu- digkeit kommen koͤnnen?
3. Bey den Worten der Epicurer ſehe man Jeſ. 22, 13. 46, 11. B. der Weish. 2, 6. ſeqq.
V. 33.
Laſſet euch nicht verfuͤhren (durch ſol- che aͤrgerliche und unchriſtliche, auch unvernuͤnf- tige reden:) Denn boͤſe Geſchwaͤtze (in boͤſer Geſellſchaft) verderben gute Sitten (wie auch ſelbſt der heidniſche Poet Menander geſa- get, und damit das rohe Epicuriſche Weſen und Geſchwaͤtz widerleget hat.
Anmerckungen.
1. Da Paulus nicht allein hier, ſondern auch Ap. Geſch. 18, 28. aus dem Arato, und Tit. 1, 12. aus dem Epimenide, welche beyde auch heid- niſche Philoſophi und Poeten geweſen, gewiſſe Ausſpruͤche anfuͤhret; ſo ſiehet man hieraus fol- gendes: 1. Daß er ſie in ſeinen juͤngern Jahren, da er den Studiis zu Tarſus obgelegen, geleſen, und daraus nach der Leitung des Heiligen Geiſtes dasjenige allegiret hat, was er den heidniſchen Philoſophis zu Corinthus und anderwaͤrtig ent- gegen ſetzen konte.
2. Daß man auch noch heute zu Tage mit gutem Gewiſſen ſolche Schriften der Heiden, welche nicht mit aͤrgerlichen Dingen angefuͤllet ſind, leſen, ſie auch bey dieſer und jener Gelegen- heit gebrauchen koͤnne. Daß man aber weder die wahre Weisheit darinnen zu ſuchen und zu fin- den habe, noch mit ihrem oͤſtern Gebrauch ſich
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[328/0356]
Erklaͤrung des erſten Briefs Pauli Cap. 15, v. 30-33.
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der Schoͤpfung GOttes zum Weſen des gan-
tzen Menſchen gehoͤren, wieder vereiniget wer-
den muͤſſen, wie ſie vereiniget geweſen ſind; und
wie daß er gar nicht zugiebet, daß die uuſterb-
liche Seele ohne den Leib im ewigen Leben ſeyn
und bleiben koͤnne, oder ſolle. Wie es denn
auch geſchehen iſt, daß Leute, welche die Auf-
erſtehung der Todten geleugnet haben, aus die-
ſem Jrrthum endlich auch dahin verfallen ſind,
daß ſie auch die Unſterblichkeit der Seele in
Zweifel gezogen haben.
V. 31.
Bey unſerm Ruhm, den ich habe in
Chriſto JEſu, ich ſterbe taͤglich.
Anmerckung.
Die Worte: Bey unſerm Ruhm, (oder
bey unſerer Glaubens-Freudigkeit und guten
Zuverſicht) iſt eine ſolche Redens-Art, womit
etwas unter einer gewiſſen Verſicherung bezeu-
get wird. Und iſt der Verſtand dieſer: So
gewiß als ich deſſen in Freudigkeit verſichert bin,
daß ich CHriſtum angehoͤre und unter andern
ihr auch das Siegel meines Apoſtel-Amts ſeyd
(1 Cor. 9, 1. 2 Cor. 7, 4.) und ſo gewiß ich vie-
le um des Namens JEſu willen uͤberſtandene
Leidenſchaften fuͤr mich anfuͤhren kan, ſo gewiß
iſt es, daß mein Leben gleichſam ein beſtaͤndi-
ges Sterben iſt, da ich unter ſo vieler Verfol-
gung ſtets in der Gefahr des Todes ſtehe, und
mich dazu gefaſt halte; aber in dem allen un-
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im Glauben in der gewiſſen Hoffnung der Auf-
erſtehung von den Todten ſtaͤrcke. Und alſo be-
kraͤftiget der Apoſtel hiemit, was er zuvor v.
30. geſaget hatte, daß er alle Stunden in der
Gefahr ſtehe. Siehe 1 Cor. 4, 9. ſeqq. 2 Cor.
1, 8. ſeqq. 11. 12.
V. 32.
Habe ich menſchlicher weiſe zu Ephe-
ſo mit den wilden Thieren gefochten? was
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hen? (viel mehr moͤchten wir ſo denn auch mit
den Epicuraͤern ſagen:) Laſſet uns eſſen und
trincken, (wohl leben nach dem Fleiſche,)
denn morgen (oder doch bald,) ſind wir
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Anmerckungen.
Daß Paulus ſolte zu Epheſus im eigentli-
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in der Apoſtel-Geſchichte, da er ziemlich aus-
fuͤhrlich erzaͤhlet, was Paulo daſelbſt wiederfah-
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doch, als eine ſehr wichtige Sache, nicht wuͤr-
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wenn die Chriſten mit wilden Thieren, ſonder-
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dern Maͤrtyrern wiſſen. Es werden demnach
durch die Thiere verſtanden wilde und grimmi-
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auch ſonſt in der heiligen Schrift, und auch in
allen andern Sprachen mit den wilden Thieren
verglichen werden. Denn da dieſe Paulo zwar
nach dem Leben ſtunden, er aber ſich ihnen mit
der Wahrheit und Vorſtellung ſeiner Unſchuld
widerſetzte, und aus vieler Noth und Gefahr
noch immer errettet wurde, ſo nennet er ſolches
billig einen Thier-Kampf. Man ſehe davon
unter andern die ſchon angefuͤhrten Stellen
Rom. 8, 35. ſeqq. 1 Cor. 4, 9. ſeqq. 2 Cor. 11.
und 2 Cor. 1, 8. heißt es: Wir wollen euch
nicht verhalten, lieben Bruͤder, unſere
Truͤbſal, die uns in Aſia, (das iſt ſonderlich
zu Epheſus,) wiederfahren iſt, da wir uͤber
die Maaſſe beſchweret waren, und uͤber
Macht, alſo daß wir uns des Lebens er-
wogen, und bey uns beſchloſſen hatten,
(nicht anders meinten,) wir muͤſten ſterben
u. ſ. w.
2. Die Worte κατ᾽ ἄνϑρωπον, menſchli-
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aͤuſſerlichen Menſchen, alſo daß ich dieſen, und
dabey das Leben ſelbſt in Gefahr geſetzet. Da
ich nun das gethan habe, ſo muß ich ja die Aufer-
ſtehung von den Todten glauben. Denn wie
haͤtte ich ſonſt zu einer ſolchen Glaubens-Freu-
digkeit kommen koͤnnen?
3. Bey den Worten der Epicurer ſehe man
Jeſ. 22, 13. 46, 11. B. der Weish. 2, 6. ſeqq.
V. 33.
Laſſet euch nicht verfuͤhren (durch ſol-
che aͤrgerliche und unchriſtliche, auch unvernuͤnf-
tige reden:) Denn boͤſe Geſchwaͤtze (in boͤſer
Geſellſchaft) verderben gute Sitten (wie
auch ſelbſt der heidniſche Poet Menander geſa-
get, und damit das rohe Epicuriſche Weſen und
Geſchwaͤtz widerleget hat.
Anmerckungen.
1. Da Paulus nicht allein hier, ſondern auch
Ap. Geſch. 18, 28. aus dem Arato, und Tit. 1,
12. aus dem Epimenide, welche beyde auch heid-
niſche Philoſophi und Poeten geweſen, gewiſſe
Ausſpruͤche anfuͤhret; ſo ſiehet man hieraus fol-
gendes: 1. Daß er ſie in ſeinen juͤngern Jahren,
da er den Studiis zu Tarſus obgelegen, geleſen, und
daraus nach der Leitung des Heiligen Geiſtes
dasjenige allegiret hat, was er den heidniſchen
Philoſophis zu Corinthus und anderwaͤrtig ent-
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2. Daß man auch noch heute zu Tage mit
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heit gebrauchen koͤnne. Daß man aber weder die
wahre Weisheit darinnen zu ſuchen und zu fin-
den habe, noch mit ihrem oͤſtern Gebrauch ſich
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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/356>, abgerufen am 15.08.2024.
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