Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 11, v. 19. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
che Zusammenkünfte in Privat-Häusern gehal-ten wurden) höre ich, es seyen Spaltungen unter euch (da, wie schon oben c. 1, 10. 11. 12. gedacht, der eine sagt, ich bin Paulisch, der an- dere ich bin Apollisch, der dritte ich bin Ke- phisch etc. welche Anhänglichkeit sich denn son- derlich in den öffentlichen Versammlungen ge- äussert hat, also, daß diese und jene mit Ver- letzung der Liebe gegen die andere, zusammen ge- halten:) und zum theil glaube ichs (ich hal- te dafür, daß freylich einige unter euch sind, die es verursachen und solcher Trennung schuldig sind, ob ich es wol allen nicht beymesse.) Anmerckung. Es gehet demnach das zum theil nicht so V. 19. Denn (weil die Ursachen, als Hochmuth, Anmerckungen. 1. Die Redens-Art: es müssen ja Rot- ten kommen, ist von solcher Art, als jene Matth. 18, 7. Es muß ja Aergerniß kom- men: da das, was geschiehet, nothwendig ist, oder nicht ausbleiben kan, nicht an sich selbst, sondern deßwegen, weil sich davon eine Ursache an der Menschen ihrer eigenen Schuld findet. Auf welche Art man zu einem Verschwender, der dem Laster der Verschwendung aus eigener freyen Wahl und Schuld ergeben ist, sagen kan: Du must verarmen. 2. Schismata, Spaltungen, deren vorher v. 18. gedacht wird, sind solche Trennungen, wo man zwar in der Einigkeit der Lehre und des Glaubens noch stehen bleibet, aber doch entwe- der wegen einiger Kirchen-Ceremonien, oder einiger Neben-Fragen in der Lehre, oder auch durch gar zu grosse Anhänglichkeit an gewisse Menschen, wie zu Corinthen geschahe, von an- dern sich trennet, und zwar also, daß die innere Entfremdung der Gemüther auch durch äusser- liche Betragung zum Aergerniß ausbricht. 3. Haeresis, Secte, Ketzerey, ist eigentlich ein solches Ubel der Kirchen, da ein Haupt-Jrr- [Spaltenumbruch] thum, der noch viel mehrere in sich hält und aus sich gebieret, von dem Grunde oder der Ord- nung des Heils, oder auch wol von allen beyden sich findet, und wenn er offenbar wird, und keine Warnung statt hat, diejenigen, welche recht- schaffen sind, verursachet, daß sie alle Gemein- schaft mit solchen Leuten aufheben, nach Pauli Worten: Tit. 3, 10. Einen ketzerischen Men- schen meide, wenn er einmal und abermal ermahnet ist. Siehe auch Matth. 7, 15. Rom. 16, 17. 2 Tim. 3, 5. 2 Joh. 10. 11. Und solche Leute pflegen sich auch selbst gern von dem Haufen der Rechtglaubigen zu trennen; daß es nach 1 Joh. 2, 19. heißt: Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns. Denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bey uns geblieben etc. 4. Daß der Apostel in diesen beyden Ver- sen die Spaltungen von den Rotten, oder Ketzereyen, unterscheidet, erkennetman nicht allein aus dem Unterscheide der Wörter, sondern auch daraus, daß er vor dem Worte aireseis, Ketze- reyen, die particula [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]ai setzet, und spricht: Es müs- sen AUCH Rotten unter euch seyn. Und die- sen Unterscheid scheinet er auch in der Epistel an die Galater anzuzeigen, wenn er c. 5, 10. die Worte Zwietracht (dikhostasias, welches so viel alhier heissen kan, als schismata) und Rotten zusammen setzet. Wenn aber Lutherus das Wort haereses durch Rotten alhier gegeben hat, so hat er auf die eigentliche Bedeutung des Worts, und auf die Eigenschaft der Ketzer ge- sehen, welche ist, daß, da sie sich gemeiniglich ei- nen Anhang machen, sie damit gewisse Rotten, oder Secten, aufrichten. Man sehe von der Ke- tzerey noch ferner 2 Pet. 2, 1. Daß aber auch die- ses Wort im weitern Verstande und von unschul- digen oder den wahren Christen selbst genommen worden, siehet man Ap. Gesch. 24, 5. 14. 28, 22. von der Secte der Pharisäer und Sadducäer, nach Apost. Gesch. 5, 17. 15, 5. 24, 5. etc. ietzo nicht zu gedencken. 5. Man siehet demnach hieraus, daß es auch der ersten Apostolischen Kirche nicht an grossen Mängeln gefehlet, und diese, da sie sich allezeit gefunden haben, und noch finden, dem Reiche CHristi selbst, welches er in der Unvollkommen- heit alhier auf Erden hat, nicht zur Verunglim- pfung, sondern vielmehr zur Läuterung die- nen müssen. Welcher gestalt solche Dinge schon vorher gesaget worden, sehe man Matth. 13, 25. seqq. Ap. Gesch. 20, 29. seqq. 2 Thess. 2, 3. seqq. 1 Tim. 4, 1. seqq. 2 Tim. 3, 1. seqq. 4, 3. 4. 2 Pet. 2, 1. seqq. 6. Gleichwie nun nichts schädlicher ist, als Ketzerey, wo sie würcklich ist, nicht dafür erken- nen, sondern alle Jrrthümer, wenn sie auch gleich den Grund und die Ordnung des Heils aufhe- ben, für indifferente, oder doch nicht viel auf sich habende Meinungen halten: so ist auch hinge- gen nichts ärgers, als eine Ketzerey machen, wo keine ist, und entweder rechte Haupt-Wahrhei- ten, oder auch gewisse Neben-Lehren für ketzeri- sche Jrrthümer ausgeben und darüber Unruhe in der Kirche erheben. V. 20. 21. O o 3
Cap. 11, v. 19. an die Corinthier. [Spaltenumbruch]
che Zuſammenkuͤnfte in Privat-Haͤuſern gehal-ten wurden) hoͤre ich, es ſeyen Spaltungen unter euch (da, wie ſchon oben c. 1, 10. 11. 12. gedacht, der eine ſagt, ich bin Pauliſch, der an- dere ich bin Apolliſch, der dritte ich bin Ke- phiſch ꝛc. welche Anhaͤnglichkeit ſich denn ſon- derlich in den oͤffentlichen Verſammlungen ge- aͤuſſert hat, alſo, daß dieſe und jene mit Ver- letzung der Liebe gegen die andere, zuſammen ge- halten:) und zum theil glaube ichs (ich hal- te dafuͤr, daß freylich einige unter euch ſind, die es verurſachen und ſolcher Trennung ſchuldig ſind, ob ich es wol allen nicht beymeſſe.) Anmerckung. Es gehet demnach das zum theil nicht ſo V. 19. Denn (weil die Urſachen, als Hochmuth, Anmerckungen. 1. Die Redens-Art: es muͤſſen ja Rot- ten kommen, iſt von ſolcher Art, als jene Matth. 18, 7. Es muß ja Aergerniß kom- men: da das, was geſchiehet, nothwendig iſt, oder nicht ausbleiben kan, nicht an ſich ſelbſt, ſondern deßwegen, weil ſich davon eine Urſache an der Menſchen ihrer eigenen Schuld findet. Auf welche Art man zu einem Verſchwender, der dem Laſter der Verſchwendung aus eigener freyen Wahl und Schuld ergeben iſt, ſagen kan: Du muſt verarmen. 2. Schismata, Spaltungen, deren vorher v. 18. gedacht wird, ſind ſolche Trennungen, wo man zwar in der Einigkeit der Lehre und des Glaubens noch ſtehen bleibet, aber doch entwe- der wegen einiger Kirchen-Ceremonien, oder einiger Neben-Fragen in der Lehre, oder auch durch gar zu groſſe Anhaͤnglichkeit an gewiſſe Menſchen, wie zu Corinthen geſchahe, von an- dern ſich trennet, und zwar alſo, daß die innere Entfremdung der Gemuͤther auch durch aͤuſſer- liche Betragung zum Aergerniß ausbricht. 3. Hæreſis, Secte, Ketzerey, iſt eigentlich ein ſolches Ubel der Kirchen, da ein Haupt-Jrr- [Spaltenumbruch] thum, der noch viel mehrere in ſich haͤlt und aus ſich gebieret, von dem Grunde oder der Ord- nung des Heils, oder auch wol von allen beyden ſich findet, und wenn er offenbar wird, und keine Warnung ſtatt hat, diejenigen, welche recht- ſchaffen ſind, verurſachet, daß ſie alle Gemein- ſchaft mit ſolchen Leuten aufheben, nach Pauli Worten: Tit. 3, 10. Einen ketzeriſchen Men- ſchen meide, wenn er einmal und abermal ermahnet iſt. Siehe auch Matth. 7, 15. Rom. 16, 17. 2 Tim. 3, 5. 2 Joh. 10. 11. Und ſolche Leute pflegen ſich auch ſelbſt gern von dem Haufen der Rechtglaubigen zu trennen; daß es nach 1 Joh. 2, 19. heißt: Sie ſind von uns ausgegangen, aber ſie waren nicht von uns. Denn wo ſie von uns geweſen waͤren, ſo waͤren ſie ja bey uns geblieben ꝛc. 4. Daß der Apoſtel in dieſen beyden Ver- ſen die Spaltungen von den Rotten, oder Ketzereyen, unteꝛſcheidet, erkennetman nicht allein aus dem Unterſcheide der Woͤrter, ſondern auch daraus, daß er vor dem Worte αἱρέσεις, Ketze- reyen, die particula [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]αὶ ſetzet, und ſpricht: Es muͤſ- ſen AUCH Rotten unter euch ſeyn. Und die- ſen Unterſcheid ſcheinet er auch in der Epiſtel an die Galater anzuzeigen, wenn er c. 5, 10. die Worte Zwietracht (διχοϛασίας, welches ſo viel alhier heiſſen kan, als ſchismata) und Rotten zuſammen ſetzet. Wenn aber Lutherus das Wort hæreſes durch Rotten alhier gegeben hat, ſo hat er auf die eigentliche Bedeutung des Worts, und auf die Eigenſchaft der Ketzer ge- ſehen, welche iſt, daß, da ſie ſich gemeiniglich ei- nen Anhang machen, ſie damit gewiſſe Rotten, oder Secten, aufrichten. Man ſehe von der Ke- tzerey noch ferner 2 Pet. 2, 1. Daß aber auch die- ſes Wort im weitern Verſtande und von unſchul- digen oder den wahren Chriſten ſelbſt genommen worden, ſiehet man Ap. Geſch. 24, 5. 14. 28, 22. von der Secte der Phariſaͤer und Sadducaͤer, nach Apoſt. Geſch. 5, 17. 15, 5. 24, 5. ꝛc. ietzo nicht zu gedencken. 5. Man ſiehet demnach hieraus, daß es auch der erſten Apoſtoliſchen Kirche nicht an groſſen Maͤngeln gefehlet, und dieſe, da ſie ſich allezeit gefunden haben, und noch finden, dem Reiche CHriſti ſelbſt, welches er in der Unvollkommen- heit alhier auf Erden hat, nicht zur Verunglim- pfung, ſondern vielmehr zur Laͤuterung die- nen muͤſſen. Welcher geſtalt ſolche Dinge ſchon vorher geſaget worden, ſehe man Matth. 13, 25. ſeqq. Ap. Geſch. 20, 29. ſeqq. 2 Theſſ. 2, 3. ſeqq. 1 Tim. 4, 1. ſeqq. 2 Tim. 3, 1. ſeqq. 4, 3. 4. 2 Pet. 2, 1. ſeqq. 6. Gleichwie nun nichts ſchaͤdlicher iſt, als Ketzerey, wo ſie wuͤrcklich iſt, nicht dafuͤr erken- nen, ſondern alle Jrrthuͤmer, wenn ſie auch gleich den Grund und die Ordnung des Heils aufhe- ben, fuͤr indifferente, oder doch nicht viel auf ſich habende Meinungen halten: ſo iſt auch hinge- gen nichts aͤrgers, als eine Ketzerey machen, wo keine iſt, und entweder rechte Haupt-Wahrhei- ten, oder auch gewiſſe Neben-Lehren fuͤr ketzeri- ſche Jrrthuͤmer ausgeben und daruͤber Unruhe in der Kirche erheben. V. 20. 21. O o 3
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Cap. 11, v. 19. an die Corinthier.
che Zuſammenkuͤnfte in Privat-Haͤuſern gehal-
ten wurden) hoͤre ich, es ſeyen Spaltungen
unter euch (da, wie ſchon oben c. 1, 10. 11. 12.
gedacht, der eine ſagt, ich bin Pauliſch, der an-
dere ich bin Apolliſch, der dritte ich bin Ke-
phiſch ꝛc. welche Anhaͤnglichkeit ſich denn ſon-
derlich in den oͤffentlichen Verſammlungen ge-
aͤuſſert hat, alſo, daß dieſe und jene mit Ver-
letzung der Liebe gegen die andere, zuſammen ge-
halten:) und zum theil glaube ichs (ich hal-
te dafuͤr, daß freylich einige unter euch ſind, die
es verurſachen und ſolcher Trennung ſchuldig
ſind, ob ich es wol allen nicht beymeſſe.)
Anmerckung.
Es gehet demnach das zum theil nicht ſo
wol auf Paulum, als auf die Corinthier: als
unter welchen viele an den Spaltungen nicht
Theil genommen hatten.
V. 19.
Denn (weil die Urſachen, als Hochmuth,
Vermeſſenheit, fleiſchlicher Sinn vorhanden
ſind, der Satan, als ein Stoͤren-Fried, auch
nicht feyret, ſo) muͤſſen (auſſer den Spaltun-
gen) auch Rotten (Secten) unter euch ſeyn,
(und von GOtt, ohne es durch ſeine abſolute All-
macht zu verhindern, zugelaſſen werden,) auf
daß die, ſo rechtſchaffen (bewaͤhret) ſind
(wie das Gold im Feuer 1 Pet. 1, 7.) offenbar
unter euch werden (von den unlautern Gei-
ſtern alſo unterſchieden werden, daß, wenn jene
ſich mit ihrem ſectiriſchen Weſen offenbaren, die-
ſe bey der Wahrheit der Lehre und bey der Lie-
be zur Einigkeit im Bande des Friedens Stand
halten; und man demnach den innerlichen Un-
terſcheid der Gemuͤther, der auſſer ſolchen Gele-
genheiten verborgen bliebe, auch von auſſen
ſehe.)
Anmerckungen.
1. Die Redens-Art: es muͤſſen ja Rot-
ten kommen, iſt von ſolcher Art, als jene
Matth. 18, 7. Es muß ja Aergerniß kom-
men: da das, was geſchiehet, nothwendig iſt,
oder nicht ausbleiben kan, nicht an ſich ſelbſt,
ſondern deßwegen, weil ſich davon eine Urſache
an der Menſchen ihrer eigenen Schuld findet.
Auf welche Art man zu einem Verſchwender,
der dem Laſter der Verſchwendung aus eigener
freyen Wahl und Schuld ergeben iſt, ſagen kan:
Du muſt verarmen.
2. Schismata, Spaltungen, deren vorher
v. 18. gedacht wird, ſind ſolche Trennungen, wo
man zwar in der Einigkeit der Lehre und des
Glaubens noch ſtehen bleibet, aber doch entwe-
der wegen einiger Kirchen-Ceremonien, oder
einiger Neben-Fragen in der Lehre, oder auch
durch gar zu groſſe Anhaͤnglichkeit an gewiſſe
Menſchen, wie zu Corinthen geſchahe, von an-
dern ſich trennet, und zwar alſo, daß die innere
Entfremdung der Gemuͤther auch durch aͤuſſer-
liche Betragung zum Aergerniß ausbricht.
3. Hæreſis, Secte, Ketzerey, iſt eigentlich
ein ſolches Ubel der Kirchen, da ein Haupt-Jrr-
thum, der noch viel mehrere in ſich haͤlt und aus
ſich gebieret, von dem Grunde oder der Ord-
nung des Heils, oder auch wol von allen beyden
ſich findet, und wenn er offenbar wird, und keine
Warnung ſtatt hat, diejenigen, welche recht-
ſchaffen ſind, verurſachet, daß ſie alle Gemein-
ſchaft mit ſolchen Leuten aufheben, nach Pauli
Worten: Tit. 3, 10. Einen ketzeriſchen Men-
ſchen meide, wenn er einmal und abermal
ermahnet iſt. Siehe auch Matth. 7, 15. Rom.
16, 17. 2 Tim. 3, 5. 2 Joh. 10. 11. Und ſolche
Leute pflegen ſich auch ſelbſt gern von dem
Haufen der Rechtglaubigen zu trennen; daß es
nach 1 Joh. 2, 19. heißt: Sie ſind von uns
ausgegangen, aber ſie waren nicht von
uns. Denn wo ſie von uns geweſen waͤren,
ſo waͤren ſie ja bey uns geblieben ꝛc.
4. Daß der Apoſtel in dieſen beyden Ver-
ſen die Spaltungen von den Rotten, oder
Ketzereyen, unteꝛſcheidet, erkennetman nicht allein
aus dem Unterſcheide der Woͤrter, ſondern auch
daraus, daß er vor dem Worte αἱρέσεις, Ketze-
reyen, die particula _ αὶ ſetzet, und ſpricht: Es muͤſ-
ſen AUCH Rotten unter euch ſeyn. Und die-
ſen Unterſcheid ſcheinet er auch in der Epiſtel an
die Galater anzuzeigen, wenn er c. 5, 10. die
Worte Zwietracht (διχοϛασίας, welches ſo viel
alhier heiſſen kan, als ſchismata) und Rotten
zuſammen ſetzet. Wenn aber Lutherus das
Wort hæreſes durch Rotten alhier gegeben hat,
ſo hat er auf die eigentliche Bedeutung des
Worts, und auf die Eigenſchaft der Ketzer ge-
ſehen, welche iſt, daß, da ſie ſich gemeiniglich ei-
nen Anhang machen, ſie damit gewiſſe Rotten,
oder Secten, aufrichten. Man ſehe von der Ke-
tzerey noch ferner 2 Pet. 2, 1. Daß aber auch die-
ſes Wort im weitern Verſtande und von unſchul-
digen oder den wahren Chriſten ſelbſt genommen
worden, ſiehet man Ap. Geſch. 24, 5. 14. 28, 22.
von der Secte der Phariſaͤer und Sadducaͤer,
nach Apoſt. Geſch. 5, 17. 15, 5. 24, 5. ꝛc. ietzo
nicht zu gedencken.
5. Man ſiehet demnach hieraus, daß es auch
der erſten Apoſtoliſchen Kirche nicht an groſſen
Maͤngeln gefehlet, und dieſe, da ſie ſich allezeit
gefunden haben, und noch finden, dem Reiche
CHriſti ſelbſt, welches er in der Unvollkommen-
heit alhier auf Erden hat, nicht zur Verunglim-
pfung, ſondern vielmehr zur Laͤuterung die-
nen muͤſſen. Welcher geſtalt ſolche Dinge ſchon
vorher geſaget worden, ſehe man Matth. 13, 25.
ſeqq. Ap. Geſch. 20, 29. ſeqq. 2 Theſſ. 2, 3.
ſeqq. 1 Tim. 4, 1. ſeqq. 2 Tim. 3, 1. ſeqq. 4, 3. 4.
2 Pet. 2, 1. ſeqq.
6. Gleichwie nun nichts ſchaͤdlicher iſt, als
Ketzerey, wo ſie wuͤrcklich iſt, nicht dafuͤr erken-
nen, ſondern alle Jrrthuͤmer, wenn ſie auch gleich
den Grund und die Ordnung des Heils aufhe-
ben, fuͤr indifferente, oder doch nicht viel auf ſich
habende Meinungen halten: ſo iſt auch hinge-
gen nichts aͤrgers, als eine Ketzerey machen, wo
keine iſt, und entweder rechte Haupt-Wahrhei-
ten, oder auch gewiſſe Neben-Lehren fuͤr ketzeri-
ſche Jrrthuͤmer ausgeben und daruͤber Unruhe in
der Kirche erheben.
V. 20. 21.
O o 3
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