Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Cap. 12, v. 2. an die Römer. [Spaltenumbruch]
Kindschaft GOttes stehen bleiben kan. Leibli-che Geschwister aber sehen billig dahin, daß ihre natürliche Anverwandschaft durch die Wieder- geburt aus GOtt und durch die wahre Freund- schaft in GOtt geheiliget werde. 3. Wenn die Christen ermahnet werden ihre Leiber GOtt zum Opfer zu begeben, so gehet diese Pflicht der Aufopferung so viel mehr mit auf die Seele und alle ihre Facultä- ten, so viel offenbarer es ist, daß Paulus die Menschen ihrer Seele nach anredet, und diese consecration von der Seele fodert: die denn bey dem regimine des Leibes sich zuvörderst selbst dem HErrn darstellet, und, um den Leib in allen Handlungen recht regieren zu können, selbst für sich und in sich selbst der göttlichen Regierung bedarf. 4. Soll nun aber die Seele den Leib der- gestalt regieren, daß sie ihn GOtt zum Opfer darstelle, so ist leichtlich zu erachten, wie grund- falsch und höchst-gefährlich dasjenige principium einiger neuen philosophorum sey, welche der Seele das Regiment und die Wirckung auf und über den Leib absprechen, hingegen aber alle Re- gungen und Bewegungen des Leibes, welche man in ihren Handlungen siehet, insonderheit am Mund im Reden, für bloß mechanisch hal- ten, und der blossen structur des Leibes zuschrei- ben. So weit muß man auch wider die gesunde Vernunft verfallen, wenn man sich in seiner ver- meinten Weisheit selbst so hoch erhebet! 5. Daß die gantze Redens-Art, seinen Leib zum Opfer darstellen, das da leben- dig, heilig und GOtt wohlgefällig ist, von dem Levitischen Gottesdienst hergenommen sey, siehet wol leichtlich ein jeder. Da dort die le- bendigen Opfer-Thiere geschlachtet und schon getödtet und zerleget mit dem Blute zum Altar gebracht wurden; so sollen die geistli- chen Opfer lebendig seyn. Sie sind aber le- bendig, wenn dem alten Menschen gleichsam das Schlacht-Messer an die Kehle gesetzet, und er in den Tod eingeführet wird, also, daß der neue darüber zu leben anfänget und an geistli- chen Lebens Kräften immer stärck er wird. Sie- he Rom. 6, 11. 2 Cor. 5, 15. Col. 3, 3. 5. 6. Heilig waren die Levitischen Opfer, wenn sie zum heiligen Gebrauch von der Heerde abgesondert waren, und keinen natürlichen Fehl hatten. Solche heilige Opfer werden wir in der Verleugnung unser selbst und der Welt, wenn wir von uns selbst und von der Welt im geistlichen Verstande ausgehen, mit einer sol- chen Veränderung des Hertzens, daß bey uns keine Sünde mehr herrsche, wir uns auch von den noch anklebenden vielen Schwachheiten und Fehlern immer mehr zu reinigen suchen. Auf welche Art wir denn im Evangelischen Sinne vor GOtt in Christo unsträflich und also ge- heiligte Opfer sind. 7. Die Wohlgefälligkeit der geistlichen Opfer bey GOtt hat ihren Grund in dem eini- gen Versöhn-Opfer Christi; als in welchem er uns sich selbst hat angenehm gemachet Eph. 1, 6. und entstehet in der Ordnung, daß sie leben- dig und heilig sind. Zu welcher insonderheit [Spaltenumbruch] die Demuth eines zerknirschten und zerschlage- nen, aber auch durch die Gnade wieder verbun- denen und geheileten Hertzens gehöret; als des- sen Opfer GOtt gefallen nach dem Davidischen Ausspruch Psalm 51, 19. Siehe auch Jes. 57, 11. 66, 2. 3. 8. Die geistliche Aufopferung unserer selbst heist ein vernünftiger Gottesdienst, nicht, als wenn er nur nach der Vorschrift der Vernunft eingerichtet und bloß natürlich wä- re; sintemal der Apostel durch die vorher abge- handelte Lehre von der Gnade und Barmhertzig- keit GOttes, darauf er sich mit seiner Ermah- nung beziehet, dazu einen gantz andern Grund geleget hat: sondern sie heißt vernünftig im Gegensatz auf den Levitischen GOttesdienst, da die Opfer in unvernünftigen Thieren bestun- den. Und also heißt vernünftig alhier so viel als geistlich, wie es vernünftigen Menschen, die eine unsterbliche Seele haben, zustehet: gleichwie die Lehre des Evangelii im Gegensatze auf die natürliche zur Nahrung der Kinder son- derlich dienliche Milch, die vernünftige laute- re Milch von Petro genannt wird. 1 Pet. 2, 2. Jndessen aber ist doch nicht zu leugnen, daß ob- gleich der dem Evangelio und Gesetze gemässe Gottesdienst von der ihr selbst gelassenen Ver- nunft nicht hat erfunden werden können; und dabey die Glaubens-Geheimnisse die Vernunft (welche unzehlig viele Dinge auch selbst im Rei- che der Natur mit ihrer Scharfsinnigkeit nicht erreichen kan) weit übersteigen; doch gleichwol in der gantzen Christlichen Religion sich nichts findet, welches der Vernunft entgegen stehe, sondern alles so beschaffen ist, daß die Vernunft, wenn es ihr aus der heiligen Schrift vorgestellet wird, Ursache genug hat, es ehrerbietigst zu be- wundern, und sich dadurch erleuchten zu lassen. 9. Jm übrigen ist bey diesem Orte Pauli wohl zu mercken, daß wir darinnen auf das al- len wiedergebohrnen Christen gemeine geistli- che Priesterthum des neuen Testaments ge- führet werden. Dabey zu conferiren, was da- von Petrus hat 1 Pet. 2, 5. 9. Paulus Rom. 15, 16. Phil. 4, 18. Hebr. 13, 10. 16. und Johannes Apoc. 1, 5. 6. 5, 10. 20, 6. Siehe auch Hos. 14, 3. 10. Zwar geschahe das parastesai das Darstellen bey dem Levitischen Gottesdienst eigentlich von den gemeinen Jsraeliten, welche ihre Opfer zu der Stifts-Hütte und zum Tem- pel brachten. 3 B. Mos. 1, 3. 4 B. Mos. 8, 9. Allein, da im neuen Testamente kein Unter- scheid ist unter denen, die das Opfer bringen, und denen, die es annehmen und ausrichten, wie im A. T. so begreiffet das Darstellen im geistlichen Sinne alles in sich, was im A. T. zum Vor- bilde, der gemeine Jsraelite und der Priester verrichtete: und also handelt dieser Text vom geistlichen Priesterthum, dazu alle Gläubigen durch den Heiligen Geist gesalbet sind. V. 2. Und (da der Dienst GOttes und der Dienst euch T 2
Cap. 12, v. 2. an die Roͤmer. [Spaltenumbruch]
Kindſchaft GOttes ſtehen bleiben kan. Leibli-che Geſchwiſter aber ſehen billig dahin, daß ihre natuͤrliche Anverwandſchaft durch die Wieder- geburt aus GOtt und durch die wahre Freund- ſchaft in GOtt geheiliget werde. 3. Wenn die Chriſten ermahnet werden ihre Leiber GOtt zum Opfer zu begeben, ſo gehet dieſe Pflicht der Aufopferung ſo viel mehr mit auf die Seele und alle ihre Facultaͤ- ten, ſo viel offenbarer es iſt, daß Paulus die Menſchen ihrer Seele nach anredet, und dieſe conſecration von der Seele fodert: die denn bey dem regimine des Leibes ſich zuvoͤrderſt ſelbſt dem HErrn darſtellet, und, um den Leib in allen Handlungen recht regieren zu koͤnnen, ſelbſt fuͤr ſich und in ſich ſelbſt der goͤttlichen Regierung bedarf. 4. Soll nun aber die Seele den Leib der- geſtalt regieren, daß ſie ihn GOtt zum Opfer darſtelle, ſo iſt leichtlich zu erachten, wie grund- falſch und hoͤchſt-gefaͤhrlich dasjenige principium einiger neuen philoſophorum ſey, welche der Seele das Regiment und die Wirckung auf und uͤber den Leib abſprechen, hingegen aber alle Re- gungen und Bewegungen des Leibes, welche man in ihren Handlungen ſiehet, inſonderheit am Mund im Reden, fuͤr bloß mechaniſch hal- ten, und der bloſſen ſtructur des Leibes zuſchrei- ben. So weit muß man auch wider die geſunde Vernunft verfallen, wenn man ſich in ſeiner ver- meinten Weisheit ſelbſt ſo hoch erhebet! 5. Daß die gantze Redens-Art, ſeinen Leib zum Opfer darſtellen, das da leben- dig, heilig und GOtt wohlgefaͤllig iſt, von dem Levitiſchen Gottesdienſt hergenommen ſey, ſiehet wol leichtlich ein jeder. Da dort die le- bendigen Opfer-Thiere geſchlachtet und ſchon getoͤdtet und zerleget mit dem Blute zum Altar gebracht wurden; ſo ſollen die geiſtli- chen Opfer lebendig ſeyn. Sie ſind aber le- bendig, wenn dem alten Menſchen gleichſam das Schlacht-Meſſer an die Kehle geſetzet, und er in den Tod eingefuͤhret wird, alſo, daß der neue daruͤber zu leben anfaͤnget und an geiſtli- chen Lebens Kraͤften immer ſtaͤrck er wird. Sie- he Rom. 6, 11. 2 Cor. 5, 15. Col. 3, 3. 5. 6. Heilig waren die Levitiſchen Opfer, wenn ſie zum heiligen Gebrauch von der Heerde abgeſondert waren, und keinen natuͤrlichen Fehl hatten. Solche heilige Opfer werden wir in der Verleugnung unſer ſelbſt und der Welt, wenn wir von uns ſelbſt und von der Welt im geiſtlichen Verſtande ausgehen, mit einer ſol- chen Veraͤnderung des Hertzens, daß bey uns keine Suͤnde mehr herrſche, wir uns auch von den noch anklebenden vielen Schwachheiten und Fehlern immer mehr zu reinigen ſuchen. Auf welche Art wir denn im Evangeliſchen Sinne vor GOtt in Chriſto unſtraͤflich und alſo ge- heiligte Opfer ſind. 7. Die Wohlgefaͤlligkeit der geiſtlichen Opfer bey GOtt hat ihren Grund in dem eini- gen Verſoͤhn-Opfer Chriſti; als in welchem er uns ſich ſelbſt hat angenehm gemachet Eph. 1, 6. und entſtehet in der Ordnung, daß ſie leben- dig und heilig ſind. Zu welcher inſonderheit [Spaltenumbruch] die Demuth eines zerknirſchten und zerſchlage- nen, aber auch durch die Gnade wieder verbun- denen und geheileten Hertzens gehoͤret; als deſ- ſen Opfer GOtt gefallen nach dem Davidiſchen Ausſpruch Pſalm 51, 19. Siehe auch Jeſ. 57, 11. 66, 2. 3. 8. Die geiſtliche Aufopferung unſerer ſelbſt heiſt ein vernuͤnftiger Gottesdienſt, nicht, als wenn er nur nach der Vorſchrift der Vernunft eingerichtet und bloß natuͤrlich waͤ- re; ſintemal der Apoſtel durch die vorher abge- handelte Lehre von der Gnade und Barmhertzig- keit GOttes, darauf er ſich mit ſeiner Ermah- nung beziehet, dazu einen gantz andern Grund geleget hat: ſondern ſie heißt vernuͤnftig im Gegenſatz auf den Levitiſchen GOttesdienſt, da die Opfer in unvernuͤnftigen Thieren beſtun- den. Und alſo heißt vernuͤnftig alhier ſo viel als geiſtlich, wie es vernuͤnftigen Menſchen, die eine unſterbliche Seele haben, zuſtehet: gleichwie die Lehre des Evangelii im Gegenſatze auf die natuͤrliche zur Nahrung der Kinder ſon- derlich dienliche Milch, die vernuͤnftige laute- re Milch von Petro genannt wird. 1 Pet. 2, 2. Jndeſſen aber iſt doch nicht zu leugnen, daß ob- gleich der dem Evangelio und Geſetze gemaͤſſe Gottesdienſt von der ihr ſelbſt gelaſſenen Ver- nunft nicht hat erfunden werden koͤnnen; und dabey die Glaubens-Geheimniſſe die Vernunft (welche unzehlig viele Dinge auch ſelbſt im Rei- che der Natur mit ihrer Scharfſinnigkeit nicht erreichen kan) weit uͤberſteigen; doch gleichwol in der gantzen Chriſtlichen Religion ſich nichts findet, welches der Vernunft entgegen ſtehe, ſondern alles ſo beſchaffen iſt, daß die Vernunft, wenn es ihr aus der heiligen Schrift vorgeſtellet wird, Urſache genug hat, es ehrerbietigſt zu be- wundern, und ſich dadurch erleuchten zu laſſen. 9. Jm uͤbrigen iſt bey dieſem Orte Pauli wohl zu mercken, daß wir darinnen auf das al- len wiedergebohrnen Chriſten gemeine geiſtli- che Prieſterthum des neuen Teſtaments ge- fuͤhret werden. Dabey zu conferiren, was da- von Petrus hat 1 Pet. 2, 5. 9. Paulus Rom. 15, 16. Phil. 4, 18. Hebr. 13, 10. 16. und Johannes Apoc. 1, 5. 6. 5, 10. 20, 6. Siehe auch Hoſ. 14, 3. 10. Zwar geſchahe das παραστῆσαι das Darſtellen bey dem Levitiſchen Gottesdienſt eigentlich von den gemeinen Jſraeliten, welche ihre Opfer zu der Stifts-Huͤtte und zum Tem- pel brachten. 3 B. Moſ. 1, 3. 4 B. Moſ. 8, 9. Allein, da im neuen Teſtamente kein Unter- ſcheid iſt unter denen, die das Opfer bringen, und denen, die es annehmen und ausrichten, wie im A. T. ſo begreiffet das Darſtellen im geiſtlichen Sinne alles in ſich, was im A. T. zum Vor- bilde, der gemeine Jſraelite und der Prieſter verrichtete: und alſo handelt dieſer Text vom geiſtlichen Prieſterthum, dazu alle Glaͤubigen durch den Heiligen Geiſt geſalbet ſind. V. 2. Und (da der Dienſt GOttes und der Dienſt euch T 2
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Cap. 12, v. 2. an die Roͤmer.
Kindſchaft GOttes ſtehen bleiben kan. Leibli-
che Geſchwiſter aber ſehen billig dahin, daß ihre
natuͤrliche Anverwandſchaft durch die Wieder-
geburt aus GOtt und durch die wahre Freund-
ſchaft in GOtt geheiliget werde.
3. Wenn die Chriſten ermahnet werden
ihre Leiber GOtt zum Opfer zu begeben,
ſo gehet dieſe Pflicht der Aufopferung ſo viel
mehr mit auf die Seele und alle ihre Facultaͤ-
ten, ſo viel offenbarer es iſt, daß Paulus die
Menſchen ihrer Seele nach anredet, und dieſe
conſecration von der Seele fodert: die denn bey
dem regimine des Leibes ſich zuvoͤrderſt ſelbſt dem
HErrn darſtellet, und, um den Leib in allen
Handlungen recht regieren zu koͤnnen, ſelbſt fuͤr
ſich und in ſich ſelbſt der goͤttlichen Regierung
bedarf.
4. Soll nun aber die Seele den Leib der-
geſtalt regieren, daß ſie ihn GOtt zum Opfer
darſtelle, ſo iſt leichtlich zu erachten, wie grund-
falſch und hoͤchſt-gefaͤhrlich dasjenige principium
einiger neuen philoſophorum ſey, welche der
Seele das Regiment und die Wirckung auf und
uͤber den Leib abſprechen, hingegen aber alle Re-
gungen und Bewegungen des Leibes, welche
man in ihren Handlungen ſiehet, inſonderheit
am Mund im Reden, fuͤr bloß mechaniſch hal-
ten, und der bloſſen ſtructur des Leibes zuſchrei-
ben. So weit muß man auch wider die geſunde
Vernunft verfallen, wenn man ſich in ſeiner ver-
meinten Weisheit ſelbſt ſo hoch erhebet!
5. Daß die gantze Redens-Art, ſeinen
Leib zum Opfer darſtellen, das da leben-
dig, heilig und GOtt wohlgefaͤllig iſt, von
dem Levitiſchen Gottesdienſt hergenommen ſey,
ſiehet wol leichtlich ein jeder. Da dort die le-
bendigen Opfer-Thiere geſchlachtet und ſchon
getoͤdtet und zerleget mit dem Blute zum
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chen Opfer lebendig ſeyn. Sie ſind aber le-
bendig, wenn dem alten Menſchen gleichſam
das Schlacht-Meſſer an die Kehle geſetzet, und
er in den Tod eingefuͤhret wird, alſo, daß der
neue daruͤber zu leben anfaͤnget und an geiſtli-
chen Lebens Kraͤften immer ſtaͤrck er wird. Sie-
he Rom. 6, 11. 2 Cor. 5, 15. Col. 3, 3. 5.
6. Heilig waren die Levitiſchen Opfer,
wenn ſie zum heiligen Gebrauch von der Heerde
abgeſondert waren, und keinen natuͤrlichen Fehl
hatten. Solche heilige Opfer werden wir in
der Verleugnung unſer ſelbſt und der Welt,
wenn wir von uns ſelbſt und von der Welt im
geiſtlichen Verſtande ausgehen, mit einer ſol-
chen Veraͤnderung des Hertzens, daß bey uns
keine Suͤnde mehr herrſche, wir uns auch von
den noch anklebenden vielen Schwachheiten und
Fehlern immer mehr zu reinigen ſuchen. Auf
welche Art wir denn im Evangeliſchen Sinne
vor GOtt in Chriſto unſtraͤflich und alſo ge-
heiligte Opfer ſind.
7. Die Wohlgefaͤlligkeit der geiſtlichen
Opfer bey GOtt hat ihren Grund in dem eini-
gen Verſoͤhn-Opfer Chriſti; als in welchem
er uns ſich ſelbſt hat angenehm gemachet Eph. 1,
6. und entſtehet in der Ordnung, daß ſie leben-
dig und heilig ſind. Zu welcher inſonderheit
die Demuth eines zerknirſchten und zerſchlage-
nen, aber auch durch die Gnade wieder verbun-
denen und geheileten Hertzens gehoͤret; als deſ-
ſen Opfer GOtt gefallen nach dem Davidiſchen
Ausſpruch Pſalm 51, 19. Siehe auch Jeſ. 57, 11.
66, 2. 3.
8. Die geiſtliche Aufopferung unſerer
ſelbſt heiſt ein vernuͤnftiger Gottesdienſt,
nicht, als wenn er nur nach der Vorſchrift der
Vernunft eingerichtet und bloß natuͤrlich waͤ-
re; ſintemal der Apoſtel durch die vorher abge-
handelte Lehre von der Gnade und Barmhertzig-
keit GOttes, darauf er ſich mit ſeiner Ermah-
nung beziehet, dazu einen gantz andern Grund
geleget hat: ſondern ſie heißt vernuͤnftig im
Gegenſatz auf den Levitiſchen GOttesdienſt, da
die Opfer in unvernuͤnftigen Thieren beſtun-
den. Und alſo heißt vernuͤnftig alhier ſo viel
als geiſtlich, wie es vernuͤnftigen Menſchen,
die eine unſterbliche Seele haben, zuſtehet:
gleichwie die Lehre des Evangelii im Gegenſatze
auf die natuͤrliche zur Nahrung der Kinder ſon-
derlich dienliche Milch, die vernuͤnftige laute-
re Milch von Petro genannt wird. 1 Pet. 2, 2.
Jndeſſen aber iſt doch nicht zu leugnen, daß ob-
gleich der dem Evangelio und Geſetze gemaͤſſe
Gottesdienſt von der ihr ſelbſt gelaſſenen Ver-
nunft nicht hat erfunden werden koͤnnen; und
dabey die Glaubens-Geheimniſſe die Vernunft
(welche unzehlig viele Dinge auch ſelbſt im Rei-
che der Natur mit ihrer Scharfſinnigkeit nicht
erreichen kan) weit uͤberſteigen; doch gleichwol
in der gantzen Chriſtlichen Religion ſich nichts
findet, welches der Vernunft entgegen ſtehe,
ſondern alles ſo beſchaffen iſt, daß die Vernunft,
wenn es ihr aus der heiligen Schrift vorgeſtellet
wird, Urſache genug hat, es ehrerbietigſt zu be-
wundern, und ſich dadurch erleuchten zu laſſen.
9. Jm uͤbrigen iſt bey dieſem Orte Pauli
wohl zu mercken, daß wir darinnen auf das al-
len wiedergebohrnen Chriſten gemeine geiſtli-
che Prieſterthum des neuen Teſtaments ge-
fuͤhret werden. Dabey zu conferiren, was da-
von Petrus hat 1 Pet. 2, 5. 9. Paulus Rom. 15,
16. Phil. 4, 18. Hebr. 13, 10. 16. und Johannes
Apoc. 1, 5. 6. 5, 10. 20, 6. Siehe auch Hoſ.
14, 3.
10. Zwar geſchahe das παραστῆσαι das
Darſtellen bey dem Levitiſchen Gottesdienſt
eigentlich von den gemeinen Jſraeliten, welche
ihre Opfer zu der Stifts-Huͤtte und zum Tem-
pel brachten. 3 B. Moſ. 1, 3. 4 B. Moſ. 8, 9.
Allein, da im neuen Teſtamente kein Unter-
ſcheid iſt unter denen, die das Opfer bringen, und
denen, die es annehmen und ausrichten, wie im
A. T. ſo begreiffet das Darſtellen im geiſtlichen
Sinne alles in ſich, was im A. T. zum Vor-
bilde, der gemeine Jſraelite und der Prieſter
verrichtete: und alſo handelt dieſer Text vom
geiſtlichen Prieſterthum, dazu alle Glaͤubigen
durch den Heiligen Geiſt geſalbet ſind.
V. 2.
Und (da der Dienſt GOttes und der Dienſt
der Welt nicht zuſammen ſtehen kan, ſondern ei-
nes verleugnet werden muß, Matth. 6, 1. ihr aber
euch
T 2
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