Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.Erklärung des Briefs Pauli Cap. 11, v. 33-36. [Spaltenumbruch]
endliche Tiefe seiner Weisheit, auch Güte undGerechtigkeit lieget. Z. E. Warum der Mes- sias zur Berufung der Heiden nicht früher, oder nicht später in die Welt gesandt? Warum die Apostel zn diesem und jenem Volcke etwa gar nicht gelanget? oder wie dis, so sie angerichtet, hie und da so wenig Spuren hinter sich gelassen? Wie es um die Juden stehe, welche vor der Zeit der Bekehrung, die der gantzen Nation ver- heissen ist, dahin sterben? Aber da in diesen und vielen andern Dingen solche Tiefen liegen, gegen welche Paulus selbst mit heiliger Ver- wunderung ausrufen und, bey dem Mangel ei- ner genauen und eigentlichen Offenbarung, sein Unvermögen in der Erkäntniß und Beurtheilung gestehen muß; Was sollen wir denn nicht thun? Darum das allersicherste und beste ist, sich mit glaubigem Hertzen in kindlicher Einfalt an das zu halten, was geoffenbaret ist. Z. E. Marc. 16, 16. Wer nicht glaubet, der wird ver- dammet, u. s. w. Alles übrige aber GOtt zu überlassen, und dabey nur seines eignen Heils recht wahrzunehmen, als deßwegen wir allein werden zur Verantwortung gezogen werden. Denn wäre es nicht eine Thorheit mit Versäu- mung der Gnaden-Mittel, die man so reichlich vor sich siehet, sich in Unzufriedenheit und Versün- digung gegen GOtt darum bekümmern, ob und wie doch so vielen Völckern von GOtt zu ihrer Seligkeit recht gerathen werde, oder nicht. Nimmt man aber seines eignen Heils recht wahr, so läßt einen die Ehr-Furcht vor GOtt dahin nicht kommen. Und wie viel hundert tausend Dinge sind nicht in dem Reiche der Natur über unsern Begriff? Daß wir also Ursach haben, auf das Maaß unserer Erkäntniß in den Oeco- nomien GOTTes mit seinem Gnaden-Reiche alhier auf Erden, es nicht ankommen zu lassen. V. 34. Denn wer hat des HErrn Sinn er- Anmerckungen. 1. Es kan uns genug seyn, wenn wir mit 2. Es ist doch aber auch dieses wohl zu mer- V. 35. Oder wer hat ihm etwas zuvor gege- V. 36. Denn von ihm, und durch ihn, und Anmerckungen. 1. Die Connexion mit dem nechst vorher- gehenden Vers, und mit der gantzen übrigen durch alle vorhergehende Capitel tractirte Mate- rie, bringet diesen Verstand alhier mit sich, daß, da der Mensch von Natur in geistlichen Dingen nichts ist und nichts hat, und zu seinem Heil aus sich selbst nichts beytragen kan, er es mit einer demüthigen Dancksagung zu erkennen habe, daß alles Gute von GOtt kommet. 2. Die Worte, von ihm, stellen uns GOtt vor als den Ursprung, oder Schöpfer, Urheber und Geber aller Dinge und guten Ga- ben: Die Worte, durch ihn, führen uns auf seine weise und gütige Regierung, wie nicht al- lein alles Gute von ihm komme, sondern auch durch den beständigen Zufluß seiner Gnade von uns müsse recht angeleget werden. Es läßt sich auch gar wohl sagen, daß GOTT nicht durch iem and anders alles gemacht habe, sondern der- gestalt alles von ihm herkomme, daß er selbst der Werckmeister sey. Die Worte eis auton, auf ihn, weisen uns auf den Endzweck alles Guten, welches wir von GOTT empfan- gen, und zu welchem wir dasselbe in der würdi- gen Anlegung richten sollen; nemlich zu seinen Ehren. Siehe auch 1 Corinth. 8, 6. Col. 1, 16. 3. Da nun es an sich selbst schon eine kla- re Wahrheit ist, daß sich in dem einigen gött- lichen Wesen drey besondere Personen finden; so folget nicht so wol aus den Worten des Pau- linischen
Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 11, v. 33-36. [Spaltenumbruch]
endliche Tiefe ſeiner Weisheit, auch Guͤte undGerechtigkeit lieget. Z. E. Warum der Meſ- ſias zur Berufung der Heiden nicht fruͤher, oder nicht ſpaͤter in die Welt geſandt? Warum die Apoſtel zn dieſem und jenem Volcke etwa gar nicht gelanget? oder wie dis, ſo ſie angerichtet, hie und da ſo wenig Spuren hinter ſich gelaſſen? Wie es um die Juden ſtehe, welche vor der Zeit der Bekehrung, die der gantzen Nation ver- heiſſen iſt, dahin ſterben? Aber da in dieſen und vielen andern Dingen ſolche Tiefen liegen, gegen welche Paulus ſelbſt mit heiliger Ver- wunderung ausrufen und, bey dem Mangel ei- ner genauen und eigentlichen Offenbarung, ſein Unvermoͤgen in der Erkaͤntniß und Beurtheilung geſtehen muß; Was ſollen wir denn nicht thun? Darum das allerſicherſte und beſte iſt, ſich mit glaubigem Hertzen in kindlicher Einfalt an das zu halten, was geoffenbaret iſt. Z. E. Marc. 16, 16. Wer nicht glaubet, der wird ver- dammet, u. ſ. w. Alles uͤbrige aber GOtt zu uͤberlaſſen, und dabey nur ſeines eignen Heils recht wahrzunehmen, als deßwegen wir allein werden zur Verantwortung gezogen werden. Denn waͤre es nicht eine Thorheit mit Verſaͤu- mung der Gnaden-Mittel, die man ſo reichlich vor ſich ſiehet, ſich in Unzufriedenheit und Verſuͤn- digung gegen GOtt darum bekuͤmmern, ob und wie doch ſo vielen Voͤlckern von GOtt zu ihrer Seligkeit recht gerathen werde, oder nicht. Nimmt man aber ſeines eignen Heils recht wahr, ſo laͤßt einen die Ehr-Furcht vor GOtt dahin nicht kommen. Und wie viel hundert tauſend Dinge ſind nicht in dem Reiche der Natur uͤber unſern Begriff? Daß wir alſo Urſach haben, auf das Maaß unſerer Erkaͤntniß in den Oeco- nomien GOTTes mit ſeinem Gnaden-Reiche alhier auf Erden, es nicht ankommen zu laſſen. V. 34. Denn wer hat des HErrn Sinn er- Anmerckungen. 1. Es kan uns genug ſeyn, wenn wir mit 2. Es iſt doch aber auch dieſes wohl zu mer- V. 35. Oder wer hat ihm etwas zuvor gege- V. 36. Denn von ihm, und durch ihn, und Anmerckungen. 1. Die Connexion mit dem nechſt vorher- gehenden Vers, und mit der gantzen uͤbrigen durch alle vorhergehende Capitel tractirte Mate- rie, bringet dieſen Verſtand alhier mit ſich, daß, da der Menſch von Natur in geiſtlichen Dingen nichts iſt und nichts hat, und zu ſeinem Heil aus ſich ſelbſt nichts beytragen kan, er es mit einer demuͤthigen Danckſagung zu erkennen habe, daß alles Gute von GOtt kommet. 2. Die Worte, von ihm, ſtellen uns GOtt vor als den Urſprung, oder Schoͤpfer, Urheber und Geber aller Dinge und guten Ga- ben: Die Worte, durch ihn, fuͤhren uns auf ſeine weiſe und guͤtige Regierung, wie nicht al- lein alles Gute von ihm komme, ſondern auch durch den beſtaͤndigen Zufluß ſeiner Gnade von uns muͤſſe recht angeleget werden. Es laͤßt ſich auch gar wohl ſagen, daß GOTT nicht durch iem and anders alles gemacht habe, ſondern der- geſtalt alles von ihm herkomme, daß er ſelbſt der Werckmeiſter ſey. Die Worte εἰς αυτὸν, auf ihn, weiſen uns auf den Endzweck alles Guten, welches wir von GOTT empfan- gen, und zu welchem wir daſſelbe in der wuͤrdi- gen Anlegung richten ſollen; nemlich zu ſeinen Ehren. Siehe auch 1 Corinth. 8, 6. Col. 1, 16. 3. Da nun es an ſich ſelbſt ſchon eine kla- re Wahrheit iſt, daß ſich in dem einigen goͤtt- lichen Weſen drey beſondere Perſonen finden; ſo folget nicht ſo wol aus den Worten des Pau- liniſchen
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Erklaͤrung des Briefs Pauli Cap. 11, v. 33-36.
endliche Tiefe ſeiner Weisheit, auch Guͤte und
Gerechtigkeit lieget. Z. E. Warum der Meſ-
ſias zur Berufung der Heiden nicht fruͤher, oder
nicht ſpaͤter in die Welt geſandt? Warum die
Apoſtel zn dieſem und jenem Volcke etwa gar
nicht gelanget? oder wie dis, ſo ſie angerichtet,
hie und da ſo wenig Spuren hinter ſich gelaſſen?
Wie es um die Juden ſtehe, welche vor der
Zeit der Bekehrung, die der gantzen Nation ver-
heiſſen iſt, dahin ſterben? Aber da in dieſen
und vielen andern Dingen ſolche Tiefen liegen,
gegen welche Paulus ſelbſt mit heiliger Ver-
wunderung ausrufen und, bey dem Mangel ei-
ner genauen und eigentlichen Offenbarung, ſein
Unvermoͤgen in der Erkaͤntniß und Beurtheilung
geſtehen muß; Was ſollen wir denn nicht thun?
Darum das allerſicherſte und beſte iſt, ſich mit
glaubigem Hertzen in kindlicher Einfalt an das
zu halten, was geoffenbaret iſt. Z. E. Marc.
16, 16. Wer nicht glaubet, der wird ver-
dammet, u. ſ. w. Alles uͤbrige aber GOtt zu
uͤberlaſſen, und dabey nur ſeines eignen Heils
recht wahrzunehmen, als deßwegen wir allein
werden zur Verantwortung gezogen werden.
Denn waͤre es nicht eine Thorheit mit Verſaͤu-
mung der Gnaden-Mittel, die man ſo reichlich
vor ſich ſiehet, ſich in Unzufriedenheit und Verſuͤn-
digung gegen GOtt darum bekuͤmmern, ob
und wie doch ſo vielen Voͤlckern von GOtt zu
ihrer Seligkeit recht gerathen werde, oder nicht.
Nimmt man aber ſeines eignen Heils recht wahr,
ſo laͤßt einen die Ehr-Furcht vor GOtt dahin
nicht kommen. Und wie viel hundert tauſend
Dinge ſind nicht in dem Reiche der Natur uͤber
unſern Begriff? Daß wir alſo Urſach haben,
auf das Maaß unſerer Erkaͤntniß in den Oeco-
nomien GOTTes mit ſeinem Gnaden-Reiche
alhier auf Erden, es nicht ankommen zu laſſen.
V. 34.
Denn wer hat des HErrn Sinn er-
kannt? Oder wer iſt ſein Rathgeber ge-
weſen, (oder kan es ſeyn? Jeſ. 40, 13. ſiehe
auch Job. 15, 8. Pſalm. 92, 6. Jerem. 23, 18.
Sap. 9, 13. 1 Cor. 2, 16.)
Anmerckungen.
1. Es kan uns genug ſeyn, wenn wir mit
Paulo ſagen koͤnnen: Wir haben CHriſti
Sinn 1 Cor. 2, 10. Und mit Johanne: Wir
wiſſen, daß der Sohn GOttes kommen
iſt, und hat uns einen Sinn gegeben, daß
wir erkennen den Wahrhaftigen und ſind
in dem Wahrhaftigen ꝛc. Als welcher Sinn
theils von dem, was uns in dem goͤttlichen
Wort von dem Grund und der Ordnung des
Heils geoffenbaret worden, theils von dem neuen
Leben, das aus GOtt iſt, zu verſtehen iſt: den
verborgenen Sinn aber des Raths GOttes zu
verſtehen, iſt ein Stoltz und eine Verwegen-
heit.
2. Es iſt doch aber auch dieſes wohl zu mer-
cken, daß, ob gleich der verborgene Rath Got-
tes uns viel zu hoch iſt, er doch dem geoffenbar-
ten Rathe und Willen keines weges zuwider
ſey und ſeyn koͤnne; Z. E. Daß GOTT zwar
ſeinen Willen alſo geoffenbaret, als wenn er al-
le Menſchen liebe und gerne wolle ſelig haben,
ſein verborgener Wille aber nur das Abſehen
auf wenige gerichtet habe. Denn ein ſolcher
Wille, voluntas ſigni & beneplaciti, iſt contra-
dictoriſch, und gar ſehr unterſchieden von dem
voluntate antecedente, der die Heils-Ordnung
ſetzet, und conſequente, der nach der Heils-
Ordnung, nach der man ſich in dieſelbe brin-
gen laſſen oder nicht, verfaͤhret.
V. 35.
Oder wer hat ihm etwas zuvor gege-
ben, das ihm werde wieder vergolten?
(Weſſen Schuldner iſt GOtt? Keines einigen
Menſchen Es kan ſich alſo niemand vor GOtt
ſeiner Wuͤrdigkeit und Verdienſte ruͤhmen, als
wenn ihme GOtt ſeiner eignen aufgerichteten
Gerechtigkeit wegen, darauf die Juͤden gingen
nach c. 9, 31. 32. 10, 3. die Seligkeit, als einen
wohlverdienten Lohn, ſchuldig ſey. Ein ieder
muß die freye Gnade erkennen: wie denn auch
bey uns Teutſchen die Freygebigkeit den Na-
men von der Freyheit hat; als darinnen ſich
nicht gern ein Menſch vorſchreiben laͤßt, vielwe-
niger GOtt. Siehe auch Job. 41, 2. Matth.
20, 14. Joh. 3, 27.
V. 36.
Denn von ihm, und durch ihn, und
in ihm (εἰς ἀυτὸν, auf ihn) ſind alle Din-
ge. Jhm ſey Ehre in Ewigkeit. A-
men.
Anmerckungen.
1. Die Connexion mit dem nechſt vorher-
gehenden Vers, und mit der gantzen uͤbrigen
durch alle vorhergehende Capitel tractirte Mate-
rie, bringet dieſen Verſtand alhier mit ſich, daß,
da der Menſch von Natur in geiſtlichen Dingen
nichts iſt und nichts hat, und zu ſeinem Heil aus
ſich ſelbſt nichts beytragen kan, er es mit einer
demuͤthigen Danckſagung zu erkennen habe, daß
alles Gute von GOtt kommet.
2. Die Worte, von ihm, ſtellen uns
GOtt vor als den Urſprung, oder Schoͤpfer,
Urheber und Geber aller Dinge und guten Ga-
ben: Die Worte, durch ihn, fuͤhren uns auf
ſeine weiſe und guͤtige Regierung, wie nicht al-
lein alles Gute von ihm komme, ſondern auch
durch den beſtaͤndigen Zufluß ſeiner Gnade von
uns muͤſſe recht angeleget werden. Es laͤßt ſich
auch gar wohl ſagen, daß GOTT nicht durch
iem and anders alles gemacht habe, ſondern der-
geſtalt alles von ihm herkomme, daß er ſelbſt
der Werckmeiſter ſey. Die Worte εἰς αυτὸν,
auf ihn, weiſen uns auf den Endzweck
alles Guten, welches wir von GOTT empfan-
gen, und zu welchem wir daſſelbe in der wuͤrdi-
gen Anlegung richten ſollen; nemlich zu ſeinen
Ehren. Siehe auch 1 Corinth. 8, 6. Col.
1, 16.
3. Da nun es an ſich ſelbſt ſchon eine kla-
re Wahrheit iſt, daß ſich in dem einigen goͤtt-
lichen Weſen drey beſondere Perſonen finden;
ſo folget nicht ſo wol aus den Worten des Pau-
liniſchen
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