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Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729.

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Cap. 8, v. 13-15. an die Römer.
[Spaltenumbruch] lich erworbenes Heil verwahrlosen kan, und
also die Verdammniß nicht auf die ewige Ver-
werfung, sondern auf die muthwillige Versäu-
mung des an sich erworbenen Heils sich grün-
det.
V. 14.

Denn welche der Geist GOttet trei-
bet,
(also daß sie auch dem Triebe folgen, osoi
agontai, so viel ihrer sich von dem Geiste Got-
tes treiben und auf ebner Bahn führen lassen,
und durch denselben des Fleisches Geschäfte in
sich tödten,) die sind GOttes Kinder, (folg-
lich auch Erben des ewigen Lebens, und haben
demnach nicht daran zu zweifeln, daß sie, wie
zuvor v. 13. gedacht, ewig leben werden. Sie-
he auch Psalm. 143, 10. Gal. 3, 29. 1 Joh. 3,
10.)

Anmerckungen.
1. Welche der Welt-Geist, der auch im
Eigensinn lieget, und welche die Wuth ihrer
Affecten treibet, die sind nicht GOttes Kinder.
Denn wer Sünde thut, daß er sie herrschen
läßt, der ist vom Teufel, Wie Johannes
sagt 1 Epist. c. 3, 9. und daran wirds offen-
bar, welche die Kinder GOttes und die
Kinder des Teufels sind.
2. Das thätige Christenthum ist nicht
allein nothwendig, sondern auch möglich
und leicht: sintemal man von dem Heiligen
Geiste dazu kräftigst angetrieben, auch willig
gemacht und gestärcket wird; also daß es einem
nur eine Lust, und das dabey vermachte Leiden
nur ein sanftes Joch und eine leichte Last ist.
Matth. 11, 29. 30. 1 Joh. 5, 3.
3. Es bringet aber der Trieb des Geistes
keine Nothwendigkeit mit sich, wie man fin-
det in dem Triebe am Uhrwercke und am Ra-
de. Denn da der Mensch wesentlich mit einem
freyen Willen begabet ist, so kan er durch Miß-
brauch der Freyheit dem Triebe widerstehen;
wie Stephanus an den Juden bestrafet. Apost.
Gesch. 7, 51.
4. Solte iemand, ohne diesen Paulini-
schen Ort vor sich zu haben, von dem Triebe
des Geistes
reden, so würden sich bald Leute
finden, die damit, als einer schwärmerischen
Geist-Treiberey nur ihr Gespötte treiben wür-
den. Wiewol es auch dahin gekommen, daß
man auch manche biblische Redens-Art nicht
leiden kan.
V. 15.

Denn ihr habet nicht einen knechti-
schen Geist empfangen, daß ihr euch aber-
mal fürchten müßtet,
(ihr stehet nicht mehr un-
ter dem Gesetz, durch welches der Heil. Geistin
Aufdeckung der Sünde und durch Ankündigung
des Zorns GOttes c. 3, 20. 5, 15. eine knechtische
Furcht vor der Strafe wircket,) sondern ihr
habet einen kindlichen Geist
(pneuma uio-
thesias, den Geist der Kindschaft, welcher den
Kindern GOttes gegeben wird, und von wel-
chem sich die Kinder GOttes treiben und regie-
ren lassen, v. 14. durch welchen auch die Gna-
[Spaltenumbruch] de der Kindschaft in ihnen versiegelt oder beve-
stiget wird, 2 Cor. 1, 21. 22. als eine der vor-
nehmsten Gnaden-Gaben, die fast alle andere
in sich fasset,) empfangen, durch welchen
(durch dessen innerliche Versicherung von der
Liebe des himmlischen Vaters, und durch des-
sen kräftigen Trieb) wir (in der zarten kind-
lichen Liebe) rufen Abba, lieber Vater!

Anmerckungen.
1. Der Connexion nach ist zu mercken, daß
der Apostel den glaubigen Römern bekräftigen
will, daß sie zur Kindschaft GOTTES ge-
langet.
2. Es ist nur ein Geist, und derselbe ist
mit dem Vater und Sohne der Gesetzgeber
und der Evangelist: wie denn so wol das Ge-
setz, als das Evangelium, von dem Dreyeini-
gen GOTT promulgiret ist. Er wircket aber
durch das Gesetz die Erkäntniß der Sünden und
also eine knechtische Furcht vor GOTT. Ob
nun wol diese Wirckung noch ietzo beständig bey
allen in dem Buß-Kampfe geschiehet: so war
sie doch fast empfindlicher unter dem alten Bun-
de. Und ob gleich die Glaubigen der damali-
gen Zeiten auch zum Evangelio kamen: so war
doch, wenn man die besondern Glaubens-Hel-
den ausnimt, die Evangelische Glaubens-Kraft
und Lebens-Freudigkeit bey ihnen viel schwä-
cher; und hingegen blieb das gesetzliche und
fürchterliche Wesen bey ihnen in mehrer Em-
pfindung. Daraus man denn erkennen kan,
warum der Apostel hier saget: Die Glaubi-
gen. hätten nicht den knechtischen Geist
empfangen, sich abermal,
nemlich ietzo unter
dem Evangelio so wol, als vormals unter dem
Gesetze, zu fürchten.
3. Die Verdoppelung der auf eins gehen-
den Worte: Abba, lieber Vater, zeiget die
Zartigkeit und die Lieblichkeit des kindlichen Af-
fect
s an; wie nicht weniger die süsse Empfind-
lichkeit von dem so angenehmen und so wol glau-
bigen Heiden, als Juden, oder allen Christen,
tröstlichen Vater-Namen.
4. Der vornehmste Jnnhalt der Stoß-
Gebetlein, oder innerlichen beständigen Seuf-
zer, damit sich die glaubige Seele zu GOTT
erhebet, ist in dem Abba! lieber Vater. Und
wenn einer allein sein Gebet zu GOtt schicket,
kan und pfleget er diese Worte, oder derglei-
chen, zum öftern zu wiederholen, ohne einen
langen an einander hangenden Sermon zu ma-
chen.
5. Wer des Sinnes ist, daß er sich gern
vom Heiligen Geiste regieren lässet, und doch
dabey so blöde und schüchtern ist, daß er sich
kaum getrauet, GOtt seinen lieben Vater und
sich sein Kind zuversichtlich zu nennen; der hat
gar nicht Ursache dazu; sondern vielmehr hat er
Ursache sich von den Schreckungen des Gesetzes
zu den Tröstungen des Evangelii zu halten,
und in GOtt allewege getrost und gutes Muths
zu seyn. Jst man gleich der Gnade und Kind-
schaft unwürdig; so ist man ihrer doch nicht un-
fähig; ja derselben bereits theilhaftig wor-
den.
6. Zur
N 2
Cap. 8, v. 13-15. an die Roͤmer.
[Spaltenumbruch] lich erworbenes Heil verwahrloſen kan, und
alſo die Verdammniß nicht auf die ewige Ver-
werfung, ſondern auf die muthwillige Verſaͤu-
mung des an ſich erworbenen Heils ſich gruͤn-
det.
V. 14.

Denn welche der Geiſt GOttet trei-
bet,
(alſo daß ſie auch dem Triebe folgen, ὅσοι
ἄγονται, ſo viel ihrer ſich von dem Geiſte Got-
tes treiben und auf ebner Bahn fuͤhren laſſen,
und durch denſelben des Fleiſches Geſchaͤfte in
ſich toͤdten,) die ſind GOttes Kinder, (folg-
lich auch Erben des ewigen Lebens, und haben
demnach nicht daran zu zweifeln, daß ſie, wie
zuvor v. 13. gedacht, ewig leben werden. Sie-
he auch Pſalm. 143, 10. Gal. 3, 29. 1 Joh. 3,
10.)

Anmerckungen.
1. Welche der Welt-Geiſt, der auch im
Eigenſinn lieget, und welche die Wuth ihrer
Affecten treibet, die ſind nicht GOttes Kinder.
Denn wer Suͤnde thut, daß er ſie herrſchen
laͤßt, der iſt vom Teufel, Wie Johannes
ſagt 1 Epiſt. c. 3, 9. und daran wirds offen-
bar, welche die Kinder GOttes und die
Kinder des Teufels ſind.
2. Das thaͤtige Chriſtenthum iſt nicht
allein nothwendig, ſondern auch moͤglich
und leicht: ſintemal man von dem Heiligen
Geiſte dazu kraͤftigſt angetrieben, auch willig
gemacht und geſtaͤrcket wird; alſo daß es einem
nur eine Luſt, und das dabey vermachte Leiden
nur ein ſanftes Joch und eine leichte Laſt iſt.
Matth. 11, 29. 30. 1 Joh. 5, 3.
3. Es bringet aber der Trieb des Geiſtes
keine Nothwendigkeit mit ſich, wie man fin-
det in dem Triebe am Uhrwercke und am Ra-
de. Denn da der Menſch weſentlich mit einem
freyen Willen begabet iſt, ſo kan er durch Miß-
brauch der Freyheit dem Triebe widerſtehen;
wie Stephanus an den Juden beſtrafet. Apoſt.
Geſch. 7, 51.
4. Solte iemand, ohne dieſen Paulini-
ſchen Ort vor ſich zu haben, von dem Triebe
des Geiſtes
reden, ſo wuͤrden ſich bald Leute
finden, die damit, als einer ſchwaͤrmeriſchen
Geiſt-Treiberey nur ihr Geſpoͤtte treiben wuͤr-
den. Wiewol es auch dahin gekommen, daß
man auch manche bibliſche Redens-Art nicht
leiden kan.
V. 15.

Denn ihr habet nicht einen knechti-
ſchen Geiſt empfangen, daß ihr euch aber-
mal fuͤrchten muͤßtet,
(ihr ſtehet nicht mehr un-
ter dem Geſetz, durch welches der Heil. Geiſtin
Aufdeckung der Suͤnde und durch Ankuͤndigung
des Zorns GOttes c. 3, 20. 5, 15. eine knechtiſche
Furcht vor der Strafe wircket,) ſondern ihr
habet einen kindlichen Geiſt
(πνεῦμα ὑιο-
ϑεσίας, den Geiſt der Kindſchaft, welcher den
Kindern GOttes gegeben wird, und von wel-
chem ſich die Kinder GOttes treiben und regie-
ren laſſen, v. 14. durch welchen auch die Gna-
[Spaltenumbruch] de der Kindſchaft in ihnen verſiegelt oder beve-
ſtiget wird, 2 Cor. 1, 21. 22. als eine der vor-
nehmſten Gnaden-Gaben, die faſt alle andere
in ſich faſſet,) empfangen, durch welchen
(durch deſſen innerliche Verſicherung von der
Liebe des himmliſchen Vaters, und durch deſ-
ſen kraͤftigen Trieb) wir (in der zarten kind-
lichen Liebe) rufen Abba, lieber Vater!

Anmerckungen.
1. Der Connexion nach iſt zu mercken, daß
der Apoſtel den glaubigen Roͤmern bekraͤftigen
will, daß ſie zur Kindſchaft GOTTES ge-
langet.
2. Es iſt nur ein Geiſt, und derſelbe iſt
mit dem Vater und Sohne der Geſetzgeber
und der Evangeliſt: wie denn ſo wol das Ge-
ſetz, als das Evangelium, von dem Dreyeini-
gen GOTT promulgiret iſt. Er wircket aber
durch das Geſetz die Erkaͤntniß der Suͤnden und
alſo eine knechtiſche Furcht vor GOTT. Ob
nun wol dieſe Wirckung noch ietzo beſtaͤndig bey
allen in dem Buß-Kampfe geſchiehet: ſo war
ſie doch faſt empfindlicher unter dem alten Bun-
de. Und ob gleich die Glaubigen der damali-
gen Zeiten auch zum Evangelio kamen: ſo war
doch, wenn man die beſondern Glaubens-Hel-
den ausnimt, die Evangeliſche Glaubens-Kraft
und Lebens-Freudigkeit bey ihnen viel ſchwaͤ-
cher; und hingegen blieb das geſetzliche und
fuͤrchterliche Weſen bey ihnen in mehrer Em-
pfindung. Daraus man denn erkennen kan,
warum der Apoſtel hier ſaget: Die Glaubi-
gen. haͤtten nicht den knechtiſchen Geiſt
empfangen, ſich abermal,
nemlich ietzo unter
dem Evangelio ſo wol, als vormals unter dem
Geſetze, zu fuͤrchten.
3. Die Verdoppelung der auf eins gehen-
den Worte: Abba, lieber Vater, zeiget die
Zartigkeit und die Lieblichkeit des kindlichen Af-
fect
s an; wie nicht weniger die ſuͤſſe Empfind-
lichkeit von dem ſo angenehmen und ſo wol glau-
bigen Heiden, als Juden, oder allen Chriſten,
troͤſtlichen Vater-Namen.
4. Der vornehmſte Jnnhalt der Stoß-
Gebetlein, oder innerlichen beſtaͤndigen Seuf-
zer, damit ſich die glaubige Seele zu GOTT
erhebet, iſt in dem Abba! lieber Vater. Und
wenn einer allein ſein Gebet zu GOtt ſchicket,
kan und pfleget er dieſe Worte, oder derglei-
chen, zum oͤftern zu wiederholen, ohne einen
langen an einander hangenden Sermon zu ma-
chen.
5. Wer des Sinnes iſt, daß er ſich gern
vom Heiligen Geiſte regieren laͤſſet, und doch
dabey ſo bloͤde und ſchuͤchtern iſt, daß er ſich
kaum getrauet, GOtt ſeinen lieben Vater und
ſich ſein Kind zuverſichtlich zu nennen; der hat
gar nicht Urſache dazu; ſondern vielmehr hat er
Urſache ſich von den Schreckungen des Geſetzes
zu den Troͤſtungen des Evangelii zu halten,
und in GOtt allewege getroſt und gutes Muths
zu ſeyn. Jſt man gleich der Gnade und Kind-
ſchaft unwuͤrdig; ſo iſt man ihrer doch nicht un-
faͤhig; ja derſelben bereits theilhaftig wor-
den.
6. Zur
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[99/0127] Cap. 8, v. 13-15. an die Roͤmer. lich erworbenes Heil verwahrloſen kan, und alſo die Verdammniß nicht auf die ewige Ver- werfung, ſondern auf die muthwillige Verſaͤu- mung des an ſich erworbenen Heils ſich gruͤn- det. V. 14. Denn welche der Geiſt GOttet trei- bet, (alſo daß ſie auch dem Triebe folgen, ὅσοι ἄγονται, ſo viel ihrer ſich von dem Geiſte Got- tes treiben und auf ebner Bahn fuͤhren laſſen, und durch denſelben des Fleiſches Geſchaͤfte in ſich toͤdten,) die ſind GOttes Kinder, (folg- lich auch Erben des ewigen Lebens, und haben demnach nicht daran zu zweifeln, daß ſie, wie zuvor v. 13. gedacht, ewig leben werden. Sie- he auch Pſalm. 143, 10. Gal. 3, 29. 1 Joh. 3, 10.) Anmerckungen. 1. Welche der Welt-Geiſt, der auch im Eigenſinn lieget, und welche die Wuth ihrer Affecten treibet, die ſind nicht GOttes Kinder. Denn wer Suͤnde thut, daß er ſie herrſchen laͤßt, der iſt vom Teufel, Wie Johannes ſagt 1 Epiſt. c. 3, 9. und daran wirds offen- bar, welche die Kinder GOttes und die Kinder des Teufels ſind. 2. Das thaͤtige Chriſtenthum iſt nicht allein nothwendig, ſondern auch moͤglich und leicht: ſintemal man von dem Heiligen Geiſte dazu kraͤftigſt angetrieben, auch willig gemacht und geſtaͤrcket wird; alſo daß es einem nur eine Luſt, und das dabey vermachte Leiden nur ein ſanftes Joch und eine leichte Laſt iſt. Matth. 11, 29. 30. 1 Joh. 5, 3. 3. Es bringet aber der Trieb des Geiſtes keine Nothwendigkeit mit ſich, wie man fin- det in dem Triebe am Uhrwercke und am Ra- de. Denn da der Menſch weſentlich mit einem freyen Willen begabet iſt, ſo kan er durch Miß- brauch der Freyheit dem Triebe widerſtehen; wie Stephanus an den Juden beſtrafet. Apoſt. Geſch. 7, 51. 4. Solte iemand, ohne dieſen Paulini- ſchen Ort vor ſich zu haben, von dem Triebe des Geiſtes reden, ſo wuͤrden ſich bald Leute finden, die damit, als einer ſchwaͤrmeriſchen Geiſt-Treiberey nur ihr Geſpoͤtte treiben wuͤr- den. Wiewol es auch dahin gekommen, daß man auch manche bibliſche Redens-Art nicht leiden kan. V. 15. Denn ihr habet nicht einen knechti- ſchen Geiſt empfangen, daß ihr euch aber- mal fuͤrchten muͤßtet, (ihr ſtehet nicht mehr un- ter dem Geſetz, durch welches der Heil. Geiſtin Aufdeckung der Suͤnde und durch Ankuͤndigung des Zorns GOttes c. 3, 20. 5, 15. eine knechtiſche Furcht vor der Strafe wircket,) ſondern ihr habet einen kindlichen Geiſt (πνεῦμα ὑιο- ϑεσίας, den Geiſt der Kindſchaft, welcher den Kindern GOttes gegeben wird, und von wel- chem ſich die Kinder GOttes treiben und regie- ren laſſen, v. 14. durch welchen auch die Gna- de der Kindſchaft in ihnen verſiegelt oder beve- ſtiget wird, 2 Cor. 1, 21. 22. als eine der vor- nehmſten Gnaden-Gaben, die faſt alle andere in ſich faſſet,) empfangen, durch welchen (durch deſſen innerliche Verſicherung von der Liebe des himmliſchen Vaters, und durch deſ- ſen kraͤftigen Trieb) wir (in der zarten kind- lichen Liebe) rufen Abba, lieber Vater! Anmerckungen. 1. Der Connexion nach iſt zu mercken, daß der Apoſtel den glaubigen Roͤmern bekraͤftigen will, daß ſie zur Kindſchaft GOTTES ge- langet. 2. Es iſt nur ein Geiſt, und derſelbe iſt mit dem Vater und Sohne der Geſetzgeber und der Evangeliſt: wie denn ſo wol das Ge- ſetz, als das Evangelium, von dem Dreyeini- gen GOTT promulgiret iſt. Er wircket aber durch das Geſetz die Erkaͤntniß der Suͤnden und alſo eine knechtiſche Furcht vor GOTT. Ob nun wol dieſe Wirckung noch ietzo beſtaͤndig bey allen in dem Buß-Kampfe geſchiehet: ſo war ſie doch faſt empfindlicher unter dem alten Bun- de. Und ob gleich die Glaubigen der damali- gen Zeiten auch zum Evangelio kamen: ſo war doch, wenn man die beſondern Glaubens-Hel- den ausnimt, die Evangeliſche Glaubens-Kraft und Lebens-Freudigkeit bey ihnen viel ſchwaͤ- cher; und hingegen blieb das geſetzliche und fuͤrchterliche Weſen bey ihnen in mehrer Em- pfindung. Daraus man denn erkennen kan, warum der Apoſtel hier ſaget: Die Glaubi- gen. haͤtten nicht den knechtiſchen Geiſt empfangen, ſich abermal, nemlich ietzo unter dem Evangelio ſo wol, als vormals unter dem Geſetze, zu fuͤrchten. 3. Die Verdoppelung der auf eins gehen- den Worte: Abba, lieber Vater, zeiget die Zartigkeit und die Lieblichkeit des kindlichen Af- fects an; wie nicht weniger die ſuͤſſe Empfind- lichkeit von dem ſo angenehmen und ſo wol glau- bigen Heiden, als Juden, oder allen Chriſten, troͤſtlichen Vater-Namen. 4. Der vornehmſte Jnnhalt der Stoß- Gebetlein, oder innerlichen beſtaͤndigen Seuf- zer, damit ſich die glaubige Seele zu GOTT erhebet, iſt in dem Abba! lieber Vater. Und wenn einer allein ſein Gebet zu GOtt ſchicket, kan und pfleget er dieſe Worte, oder derglei- chen, zum oͤftern zu wiederholen, ohne einen langen an einander hangenden Sermon zu ma- chen. 5. Wer des Sinnes iſt, daß er ſich gern vom Heiligen Geiſte regieren laͤſſet, und doch dabey ſo bloͤde und ſchuͤchtern iſt, daß er ſich kaum getrauet, GOtt ſeinen lieben Vater und ſich ſein Kind zuverſichtlich zu nennen; der hat gar nicht Urſache dazu; ſondern vielmehr hat er Urſache ſich von den Schreckungen des Geſetzes zu den Troͤſtungen des Evangelii zu halten, und in GOtt allewege getroſt und gutes Muths zu ſeyn. Jſt man gleich der Gnade und Kind- ſchaft unwuͤrdig; ſo iſt man ihrer doch nicht un- faͤhig; ja derſelben bereits theilhaftig wor- den. 6. Zur N 2

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Zitationshilfe: Lange, Joachim: Apostolisches Licht und Recht. Bd. 1. Halle, 1729, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_licht01_1729/127>, abgerufen am 23.11.2024.