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Lange, Helene: Frauenwahlrecht. In: Cosmopolis – an international monthly review, hrsg. v. F. Ortmans, Heft III. London u. a., 1896, S. 539–554.

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negro, ... how impossible that one sex should stand in
legislation for the other sex !" und: "All theories of chivalry
and generosity and vicarious representation fall before the fact
that women have been grossly wronged by men."

Es wird uns danach nicht Wunder nehmen, wenn wir finden,
dass überall, wo Männer im grossen für die Fraueninteressen
eingetreten sind, ihr eigener Vorteil im Hintergrund stand.
Nie ist der Mann sich dabei zu nahe getreten. Wenn er für
verkürzte Fabrikarbeit der Ehefrauen eintrat, so war es im
Interesse des Mannes und der Familie; wenn deutsche
Pädagogen für eine Besserung der Mädchenerziehung plaidirten,
so geschah es, wie sie naiv genug drucken liessen, "damit sich
der deutsche Mann an seinem Herde nicht langweile," Beispiele,
die sich leicht ins Hundertfache vermehren liessen. Vergeblich
appellirt die Frau an den Mann, wenn es nur sie gilt, nur ihr
Interesse, ihre Ehre. Ihr Schutzalter setzt er im Interesse der
Befriedigung seiner Lust so niedrig an, dass halbe Kinder, die
nicht über einen Pfennig Vermögen disponiren dürfen, ihre
Person der Schande preisgeben können. Wem über diese
Tatsachen noch irgendwelche Illusionen geblieben waren, dem
konnten sie in Deutschland gründlich zerstört werden bei
Gelegenheit der Verhandlungen über den Entwurf eines
bürgerlichen Gesetzbuches. Die aufeinander folgenden
Debatten über Hasen und Familienrecht werden unvergesslich
bleiben. Die wenigen Junker und Jagdbesitzer in Deutschland,
denen die Regresspflicht für Hasenschaden unbequem sein
konnte, haben sich in Durchführung ihrer rein materiellen
Interessen mächtiger gezeigt als die grössere, aber unvertretene
Hälfte der deutschen Nation für ihre idealen. Der deutschen
Frau ist durch Mehrheitsbeschluss die Anerkennung als
Rechtspersönlichkeit ausdrücklich abgesprochen worden.
Kleine Zugeständnisse, die den Mann nicht genirten, wurden
gemacht; keines, das ihn selbst auch nur im geringsten
beeinträchtigt, seine rechtlich gewährleisteten, moralisch zum
Teil höchst verwerflichen Vorrechte beschränkt hätte.

Man kann den Männern daraus kaum einen Vorwurf machen.
Auch Parlamentarier brauchen nicht anders zu handeln als
menschlich. Indem man von ihnen verlangte, dass sie für die
Frauen eintreten, sich in ihre Stelle versetzen sollten, verlangte

negro, ... how impossible that one sex should stand in
legislation for the other sex !“ und: „All theories of chivalry
and generosity and vicarious representation fall before the fact
that women have been grossly wronged by men.“

Es wird uns danach nicht Wunder nehmen, wenn wir finden,
dass überall, wo Männer im grossen für die Fraueninteressen
eingetreten sind, ihr eigener Vorteil im Hintergrund stand.
Nie ist der Mann sich dabei zu nahe getreten. Wenn er für
verkürzte Fabrikarbeit der Ehefrauen eintrat, so war es im
Interesse des Mannes und der Familie; wenn deutsche
Pädagogen für eine Besserung der Mädchenerziehung plaidirten,
so geschah es, wie sie naiv genug drucken liessen, „damit sich
der deutsche Mann an seinem Herde nicht langweile,“ Beispiele,
die sich leicht ins Hundertfache vermehren liessen. Vergeblich
appellirt die Frau an den Mann, wenn es nur sie gilt, nur ihr
Interesse, ihre Ehre. Ihr Schutzalter setzt er im Interesse der
Befriedigung seiner Lust so niedrig an, dass halbe Kinder, die
nicht über einen Pfennig Vermögen disponiren dürfen, ihre
Person der Schande preisgeben können. Wem über diese
Tatsachen noch irgendwelche Illusionen geblieben waren, dem
konnten sie in Deutschland gründlich zerstört werden bei
Gelegenheit der Verhandlungen über den Entwurf eines
bürgerlichen Gesetzbuches. Die aufeinander folgenden
Debatten über Hasen und Familienrecht werden unvergesslich
bleiben. Die wenigen Junker und Jagdbesitzer in Deutschland,
denen die Regresspflicht für Hasenschaden unbequem sein
konnte, haben sich in Durchführung ihrer rein materiellen
Interessen mächtiger gezeigt als die grössere, aber unvertretene
Hälfte der deutschen Nation für ihre idealen. Der deutschen
Frau ist durch Mehrheitsbeschluss die Anerkennung als
Rechtspersönlichkeit ausdrücklich abgesprochen worden.
Kleine Zugeständnisse, die den Mann nicht genirten, wurden
gemacht; keines, das ihn selbst auch nur im geringsten
beeinträchtigt, seine rechtlich gewährleisteten, moralisch zum
Teil höchst verwerflichen Vorrechte beschränkt hätte.

Man kann den Männern daraus kaum einen Vorwurf machen.
Auch Parlamentarier brauchen nicht anders zu handeln als
menschlich. Indem man von ihnen verlangte, dass sie für die
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[542/0005] negro, ... how impossible that one sex should stand in legislation for the other sex !“ und: „All theories of chivalry and generosity and vicarious representation fall before the fact that women have been grossly wronged by men.“ Es wird uns danach nicht Wunder nehmen, wenn wir finden, dass überall, wo Männer im grossen für die Fraueninteressen eingetreten sind, ihr eigener Vorteil im Hintergrund stand. Nie ist der Mann sich dabei zu nahe getreten. Wenn er für verkürzte Fabrikarbeit der Ehefrauen eintrat, so war es im Interesse des Mannes und der Familie; wenn deutsche Pädagogen für eine Besserung der Mädchenerziehung plaidirten, so geschah es, wie sie naiv genug drucken liessen, „damit sich der deutsche Mann an seinem Herde nicht langweile,“ Beispiele, die sich leicht ins Hundertfache vermehren liessen. Vergeblich appellirt die Frau an den Mann, wenn es nur sie gilt, nur ihr Interesse, ihre Ehre. Ihr Schutzalter setzt er im Interesse der Befriedigung seiner Lust so niedrig an, dass halbe Kinder, die nicht über einen Pfennig Vermögen disponiren dürfen, ihre Person der Schande preisgeben können. Wem über diese Tatsachen noch irgendwelche Illusionen geblieben waren, dem konnten sie in Deutschland gründlich zerstört werden bei Gelegenheit der Verhandlungen über den Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches. Die aufeinander folgenden Debatten über Hasen und Familienrecht werden unvergesslich bleiben. Die wenigen Junker und Jagdbesitzer in Deutschland, denen die Regresspflicht für Hasenschaden unbequem sein konnte, haben sich in Durchführung ihrer rein materiellen Interessen mächtiger gezeigt als die grössere, aber unvertretene Hälfte der deutschen Nation für ihre idealen. Der deutschen Frau ist durch Mehrheitsbeschluss die Anerkennung als Rechtspersönlichkeit ausdrücklich abgesprochen worden. Kleine Zugeständnisse, die den Mann nicht genirten, wurden gemacht; keines, das ihn selbst auch nur im geringsten beeinträchtigt, seine rechtlich gewährleisteten, moralisch zum Teil höchst verwerflichen Vorrechte beschränkt hätte. Man kann den Männern daraus kaum einen Vorwurf machen. Auch Parlamentarier brauchen nicht anders zu handeln als menschlich. Indem man von ihnen verlangte, dass sie für die Frauen eintreten, sich in ihre Stelle versetzen sollten, verlangte

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Frauenwahlrecht. In: Cosmopolis – an international monthly review, hrsg. v. F. Ortmans, Heft III. London u. a., 1896, S. 539–554, hier S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_frauenwahlrecht_1896/5>, abgerufen am 20.04.2024.