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Lange, Helene: Frauenwahlrecht. In: Cosmopolis – an international monthly review, hrsg. v. F. Ortmans, Heft III. London u. a., 1896, S. 539–554.

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haben ihnen die Ueberzeugung nicht einzuflössen verstanden,
dass in ihnen eigenartige, für das Gemeinwol hochwichtige
Kräfte steckten. Nicht als ob es nicht viele tüchtige Frauen
unter ihnen gäbe; aber das herrschende Element ist nicht
die Frau, sondern die Dame.

Damit ist der wunde Punkt in unserem Frauenleben getroffen.
Durch die Rolle, die der Mann der Frau angewiesen hat, ist
jene Gesellschaftspuppe entstanden, die heute an Stelle der
tüchtigen, durchgebildeten, für das Gemeinwol sich interessirenden
Frau die erste Rolle spielt. Diese Dame, nicht der
Mann ist der ärgste Feind der Frau. Dieser "europäischen
Dame mit ihrer Prätension und Arroganz" galten die brutalen
Ausführungen Schopenhauers, und unter diesem Gesichtspunkt
kann man ihm kaum Unrecht geben. Diese Dame -- ja nicht
etwa mit dem Begriff zu verwechseln, der in dem englischen
"lady" steckt -- gehört allerdings nicht in das öffentliche Leben.
Sie hat durch ihre illegitime, hinter den Kulissen geübte
Beeinflussung des öffentlichen Lebens schon Unheil genug
angerichtet. Diese Dame, innerlich vielfach so hohl wie die
Halbdame, hat die Welt nicht nur nicht gefördert, sondern in
ihrer Entwicklung gehemmt. Ihre Herrschaft muss die Frau
brechen. Bis jetzt sind die Aussichten noch gering. Wenn
die Dame Hüte dekretirt, bei denen man meinen muss, die
hängenden Gärten von Babylon wandeln zu sehen, so fügt
sich die Frau. So kommt es, dass in der Frauenwelt der Tand
des Lebens eine wichtigere Rolle spielt, als die echten Lebensgüter.
So kommt es, dass für die Verpflichtung gegen die
Gesellschaft die Frau kein Gefühl hat, weil sie -- Gesellschaften
geben muss. Und -- leider! ist in der deutschen Frau das
soziale Interesse wenigstens unter den germanischen Völkern
am Geringsten.

Es ist zuzugeben, dass die ihr gebotene Gelegenheit zur
Betätigung solcher Interessen auch die geringste ist. Aber
diese Dinge gehen Hand in Hand. Dass die Engländerin
jetzt in allen wichtigen Angelegenheiten ihres Landes, mit
einziger Ausnahme der politischen, mitzusprechen hat, hat
seinen Grund nur in dem eifrigen Interesse, das sie diesen
Sachen zuwandte. Auch sie hat kämpfen müssen, ehe sie die
Stellung erlangte, in der sie ihre Leistungsfähigkeit zeigen und

haben ihnen die Ueberzeugung nicht einzuflössen verstanden,
dass in ihnen eigenartige, für das Gemeinwol hochwichtige
Kräfte steckten. Nicht als ob es nicht viele tüchtige Frauen
unter ihnen gäbe; aber das herrschende Element ist nicht
die Frau, sondern die Dame.

Damit ist der wunde Punkt in unserem Frauenleben getroffen.
Durch die Rolle, die der Mann der Frau angewiesen hat, ist
jene Gesellschaftspuppe entstanden, die heute an Stelle der
tüchtigen, durchgebildeten, für das Gemeinwol sich interessirenden
Frau die erste Rolle spielt. Diese Dame, nicht der
Mann ist der ärgste Feind der Frau. Dieser „europäischen
Dame mit ihrer Prätension und Arroganz“ galten die brutalen
Ausführungen Schopenhauers, und unter diesem Gesichtspunkt
kann man ihm kaum Unrecht geben. Diese Dame — ja nicht
etwa mit dem Begriff zu verwechseln, der in dem englischen
„lady“ steckt — gehört allerdings nicht in das öffentliche Leben.
Sie hat durch ihre illegitime, hinter den Kulissen geübte
Beeinflussung des öffentlichen Lebens schon Unheil genug
angerichtet. Diese Dame, innerlich vielfach so hohl wie die
Halbdame, hat die Welt nicht nur nicht gefördert, sondern in
ihrer Entwicklung gehemmt. Ihre Herrschaft muss die Frau
brechen. Bis jetzt sind die Aussichten noch gering. Wenn
die Dame Hüte dekretirt, bei denen man meinen muss, die
hängenden Gärten von Babylon wandeln zu sehen, so fügt
sich die Frau. So kommt es, dass in der Frauenwelt der Tand
des Lebens eine wichtigere Rolle spielt, als die echten Lebensgüter.
So kommt es, dass für die Verpflichtung gegen die
Gesellschaft die Frau kein Gefühl hat, weil sie — Gesellschaften
geben muss. Und — leider! ist in der deutschen Frau das
soziale Interesse wenigstens unter den germanischen Völkern
am Geringsten.

Es ist zuzugeben, dass die ihr gebotene Gelegenheit zur
Betätigung solcher Interessen auch die geringste ist. Aber
diese Dinge gehen Hand in Hand. Dass die Engländerin
jetzt in allen wichtigen Angelegenheiten ihres Landes, mit
einziger Ausnahme der politischen, mitzusprechen hat, hat
seinen Grund nur in dem eifrigen Interesse, das sie diesen
Sachen zuwandte. Auch sie hat kämpfen müssen, ehe sie die
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Zitationshilfe: Lange, Helene: Frauenwahlrecht. In: Cosmopolis – an international monthly review, hrsg. v. F. Ortmans, Heft III. London u. a., 1896, S. 539–554, hier S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_frauenwahlrecht_1896/14>, abgerufen am 27.04.2024.