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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764.

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Von dem Wahrscheinlichen.
Möglichkeiten oder um einfache und für sich gedenkbare
Begriffe, sondern um die individualen Bestimmungen
der gegenwärtigen Welt zu thun ist, und wo man sich
folglich auf die Sinnen berufen muß. Jndessen ge-
schieht es auch, daß man Erfahrungen, so man gehabt
hat, andern vorlegt, um sie zu wiederholen, und sie da-
durch zu bekräftigen, besonders wo man den Einfluß
der Jndividualien des subjectiven Scheins zu besorgen
hat, z. E. ob man scharf genug sehe, genugsame Ach-
tung habe etc. Da hinwiederum Erfahrungen durch
Schlüsse können zusammengehängt werden, da man
aus einigen andere voraus bestimmen kann, und da sich
ebenfalls Sätze, die man durch Demonstrationen oder
a priori gefunden, bey Erfahrungen anwenden lassen;
so fließen diese Quellen öfters zusammen, und dienen
einander zur Probe. 3. Die Nachrichten haben,
an sich betrachtet, den letzten Rang. Denn wo man
mit den beyden ersten Arten ausreicht, da dienen sie nur
zur Probe oder auch als ein Anlaß. Jndessen machen
sie immer den größten Theil unserer Erkenntniß, und
den historischen fast ganz aus (§. 233.). Wir können
auch im weitläuftigsten Verstande unter dem Begriff
der Nachrichten, so wie wir ihn hier nehmen, die ganze
Summe der Erkenntniß anderer Menschen verstehen,
so fern es uns nämlich möglich ist, sie durch Nachfra-
gen und Lesen zu unserer Erkenntniß zu machen. Da
es uns auch nicht möglich ist, alles, was wir von an-
dern erfahren, und was davon aus den beyden ersten
Quellen hergeleitet werden, folglich zu einer unmittelba-
ren Gewißheit gebracht werden könnte, wirklich daraus
herzuleiten, und zu einer solchen Gewißheit zu bringen;
so bedienen wir uns der Vergleichungen, um jedes
Stück durch die übrigen zu prüfen, die Widersprüche
wegzuschaffen, und einzelne Theile, mit unsern eigenen
Erfahrungen und aus Beweisen gefundenen Sätzen in

Zusam-

Von dem Wahrſcheinlichen.
Moͤglichkeiten oder um einfache und fuͤr ſich gedenkbare
Begriffe, ſondern um die individualen Beſtimmungen
der gegenwaͤrtigen Welt zu thun iſt, und wo man ſich
folglich auf die Sinnen berufen muß. Jndeſſen ge-
ſchieht es auch, daß man Erfahrungen, ſo man gehabt
hat, andern vorlegt, um ſie zu wiederholen, und ſie da-
durch zu bekraͤftigen, beſonders wo man den Einfluß
der Jndividualien des ſubjectiven Scheins zu beſorgen
hat, z. E. ob man ſcharf genug ſehe, genugſame Ach-
tung habe ꝛc. Da hinwiederum Erfahrungen durch
Schluͤſſe koͤnnen zuſammengehaͤngt werden, da man
aus einigen andere voraus beſtimmen kann, und da ſich
ebenfalls Saͤtze, die man durch Demonſtrationen oder
a priori gefunden, bey Erfahrungen anwenden laſſen;
ſo fließen dieſe Quellen oͤfters zuſammen, und dienen
einander zur Probe. 3. Die Nachrichten haben,
an ſich betrachtet, den letzten Rang. Denn wo man
mit den beyden erſten Arten ausreicht, da dienen ſie nur
zur Probe oder auch als ein Anlaß. Jndeſſen machen
ſie immer den groͤßten Theil unſerer Erkenntniß, und
den hiſtoriſchen faſt ganz aus (§. 233.). Wir koͤnnen
auch im weitlaͤuftigſten Verſtande unter dem Begriff
der Nachrichten, ſo wie wir ihn hier nehmen, die ganze
Summe der Erkenntniß anderer Menſchen verſtehen,
ſo fern es uns naͤmlich moͤglich iſt, ſie durch Nachfra-
gen und Leſen zu unſerer Erkenntniß zu machen. Da
es uns auch nicht moͤglich iſt, alles, was wir von an-
dern erfahren, und was davon aus den beyden erſten
Quellen hergeleitet werden, folglich zu einer unmittelba-
ren Gewißheit gebracht werden koͤnnte, wirklich daraus
herzuleiten, und zu einer ſolchen Gewißheit zu bringen;
ſo bedienen wir uns der Vergleichungen, um jedes
Stuͤck durch die uͤbrigen zu pruͤfen, die Widerſpruͤche
wegzuſchaffen, und einzelne Theile, mit unſern eigenen
Erfahrungen und aus Beweiſen gefundenen Saͤtzen in

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[415/0421] Von dem Wahrſcheinlichen. Moͤglichkeiten oder um einfache und fuͤr ſich gedenkbare Begriffe, ſondern um die individualen Beſtimmungen der gegenwaͤrtigen Welt zu thun iſt, und wo man ſich folglich auf die Sinnen berufen muß. Jndeſſen ge- ſchieht es auch, daß man Erfahrungen, ſo man gehabt hat, andern vorlegt, um ſie zu wiederholen, und ſie da- durch zu bekraͤftigen, beſonders wo man den Einfluß der Jndividualien des ſubjectiven Scheins zu beſorgen hat, z. E. ob man ſcharf genug ſehe, genugſame Ach- tung habe ꝛc. Da hinwiederum Erfahrungen durch Schluͤſſe koͤnnen zuſammengehaͤngt werden, da man aus einigen andere voraus beſtimmen kann, und da ſich ebenfalls Saͤtze, die man durch Demonſtrationen oder a priori gefunden, bey Erfahrungen anwenden laſſen; ſo fließen dieſe Quellen oͤfters zuſammen, und dienen einander zur Probe. 3. Die Nachrichten haben, an ſich betrachtet, den letzten Rang. Denn wo man mit den beyden erſten Arten ausreicht, da dienen ſie nur zur Probe oder auch als ein Anlaß. Jndeſſen machen ſie immer den groͤßten Theil unſerer Erkenntniß, und den hiſtoriſchen faſt ganz aus (§. 233.). Wir koͤnnen auch im weitlaͤuftigſten Verſtande unter dem Begriff der Nachrichten, ſo wie wir ihn hier nehmen, die ganze Summe der Erkenntniß anderer Menſchen verſtehen, ſo fern es uns naͤmlich moͤglich iſt, ſie durch Nachfra- gen und Leſen zu unſerer Erkenntniß zu machen. Da es uns auch nicht moͤglich iſt, alles, was wir von an- dern erfahren, und was davon aus den beyden erſten Quellen hergeleitet werden, folglich zu einer unmittelba- ren Gewißheit gebracht werden koͤnnte, wirklich daraus herzuleiten, und zu einer ſolchen Gewißheit zu bringen; ſo bedienen wir uns der Vergleichungen, um jedes Stuͤck durch die uͤbrigen zu pruͤfen, die Widerſpruͤche wegzuſchaffen, und einzelne Theile, mit unſern eigenen Erfahrungen und aus Beweiſen gefundenen Saͤtzen in Zuſam-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/421>, abgerufen am 23.11.2024.